Protokoll der Sitzung vom 07.12.2012

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben eben das Thema benannt. Es geht hier um den Zusammenhang von Kulturpolitik und Wirtschaftspolitik. Ich verweise zu Beginn meiner Rede deshalb noch mal darauf, weil wir im vorhergehenden Tagesordnungspunkt Zeugen des nationalistischen, rassistischen,

(Stefan Köster, NPD: Ach, Spitzel, sei ruhig!)

rassistischen Gedankenunrats der NPD wurden.

(Stefan Köster, NPD: Was für eine Spitzelfantasie!)

Und ich bin Herrn Schulte dankbar, dass er sie an dieser Stelle noch mal ausdrücklich demaskiert hat, denn ich bin zutiefst davon überzeugt,

(Stefan Köster, NPD: Wie viel Leute haben Sie eigentlich an die Stasi verpfiffen? Erzählen Sie uns mal davon! Wie viel Leute haben Sie in den Knast gebracht?)

ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ein NPD-Verbot nur ein erster Schritt sein kann.

Herr Koplin, …

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Der zweite Schritt und wichtige Schritt – und damit bin ich beim Thema – ist, dass das Zurückdrängen der NPD und ihrer Ideologie eine kulturelle Frage ist

(Stefan Köster, NPD: Eine Stasiaufgabe, ne?!)

und dass es uns darum gehen muss, alle humanistischen Kräfte in Kunst und Kultur zu stärken,

(Stefan Köster, NPD: Waren Sie, als Sie die Leute verpfiffen haben, auch Humanist?)

um es gelingen zu lassen, ihre Ideologie zurückzudrängen,

(Beifall Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und nicht allein dafür zu sorgen, dass sie hier rauskommen aus dem Parlament,

(Stefan Köster, NPD: Oder war das eine humanistische Spitzelarbeit?)

sondern aus den Köpfen verschwinden.

Sehr geehrte Damen und Herren, DIE LINKE hat oft begründet und zu Recht darauf verwiesen, wie wichtig Kunst und Kultur für die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen ist und wie wichtig für das gesellschaftliche Zusammenleben aller. Heute einmal wollen wir die ökonomischen Wirkungen von Kultur in den Blick nehmen, denn wir sehen Kultur als einen Zukunftsfaktor auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht. Und deswegen haben wir im ersten Punkt unseres Antrages darauf abgestellt, die Landeregierung aufzufordern, „ein Forschungsprojekt zum volkswirtschaftlichen Nutzen der Kultureinrichtungen für das Land Mecklenburg-Vorpommern in Auftrag zu geben“.

Ich möchte darauf verweisen, dass wir ja am 21. November eine sehr interessante Anhörung im Bildungsausschuss hatten zu den Modellen zur Weiterentwicklung der Theaterlandschaft in diesem Land. Und Dr. Bordel, der Intendant aus Anklam, hat an einer Stelle, offensichtlich auch genervt von den immer wieder wabernden Unterstellungen, dass man Kulturförderung als belastend für den Haushalt ansieht, gesagt, tatsächlich gibt es nur Überfluss in einem Haushalt,

(Egbert Liskow, CDU: Das hat doch gar keiner gesagt.)

weil es Kultur gibt. Und es gibt nur, es gibt, es gäbe keine Kultur, nein, gäbe es keine Kultur – Entschuldigung –, so gäbe es keinen Überfluss im Haushalt.

Herr Liskow, vielleicht können Sie sich daran erinnern.

(Egbert Liskow, CDU: Ja, aber so ist es doch nicht gemeint.)

Also das ist ein sehr markanter Satz, denn ich bin schon der Meinung, dass es so ist. Ein Beispiel dafür ist die Tourismusbranche, die ja unbestritten ein Motor hiesi- gen Wirtschaftslebens ist. Und der Tourismusverband selbst hat in einem seiner vier Schwerpunkte darauf verwiesen, dass der Zusammenhang von Kultur und Tourismus belebend für das Wirtschaftsleben und letztendlich auch wichtig für die Zukunft unseres ganzen Landes ist. Das zu betonen, ist mir wichtig, weil ja auch gerade der Tourismusverband in seinen Erhebungen ermittelt hat, dass 24 Prozent aller Touristinnen und Touristen dieses Land aufsuchen vor allen Dingen wegen der Kultur, wegen der Kulturlandschaft, die gestern hier eine Rolle gespielt hat, wegen der Welterbestätten, wegen des Musiksommers, wegen der Museen und der Literaturhäuser.

Kultur ist ein wesentlicher Bestandteil der Wertschöpfung in Mecklenburg-Vorpommern, einmal direkt durch Kartenverkäufe für die Angebote, die unterbreitet werden, und zum anderen indirekt durch die Nebeneffekte, die erzielt werden. Zu Letzteren gehört die sogenannte Umwegrentabilität. Als solche bezeichnet man den Umstand, dass kulturelle Veranstaltungen sich zwar durch Eintrittsgelder nicht refinanzieren, jedoch durch anderweitige Geschäftsgänge im Umfeld kultureller Ereignisse rentabel werden.

Um das anschaulich zu machen, will ich mal ein holzschnittartig gegriffenes Beispiel präsentieren: Theaterkarte 25 Euro, hier unweit beispielsweise verkauft, und es kommen nicht selten, das wissen wir, aus Lübeck, aus Hamburg Kulturinteressierte in diese Stadt, haben vorher diese Karte geordert oder kaufen sie an dem Abend. Eine solche Karte ist ungefähr mit 75 Euro subventioniert aus der öffentlichen Hand. Und das entspricht ja auch in etwa der Relation zwischen Einspielergebnis und den Subventionen.

Nun käme hinzu, und das sollte man mal bedenken, dass diejenigen, die hier anreisen, entweder mit der Bahn oder mit dem Kfz, also unter Umständen die Tankstelle aufsuchen. 50 Euro nach Abzug der Selbstkosten, etwa 5 Euro bleiben da hängen. Hotelkosten 100 Euro, nach Abzug der Selbstkosten etwa 50 Euro, die da im Überschuss sind. Örtlicher Einzelhandel circa 150 Euro,

(Egbert Liskow, CDU: Was ist denn das für eine Rechnung?)

abzüglich – das ist eine Beispielrechnung –, abzüglich der Selbstkosten 70 Euro, Gastronomie 40 Euro. 25 Euro nach Abzug der Selbstkosten bleiben über, macht einen Überschuss von etwa 150 Euro. Abzüglich der Steuern inklusive der Mehrwertsteuer bleibt dann ein Überschuss von 75 Euro, der ja letztendlich als erstgenannter Teil wieder in das Staatssäckel zurückfließt.

(Egbert Liskow, CDU: Alles in die Stadtkasse.)

Und insofern, Herr Liskow, hat sich interessanterweise die Subvention aus öffentlicher Hand wieder eingespielt und zugleich haben Tankwart, Hotelfachfrau, Servierinnen, Textilverkäuferin Arbeit, nicht nur, aber auch Arbeit, weil die Künstlerinnen oder Künstler, die Musikerinnen oder die Musiker auf der Bühne stehen beziehungsweise im Orchestergraben sind.

(Egbert Liskow, CDU: Da müssten wir in jedem Dorf ein Theater aufmachen.)

Zugegeben ist ein solches Beispiel idealtypisch und zugegeben bildet ein solches Beispiel nicht die Komplexität aller Vorgänge ab. Gleichwohl deutet es ein Grundmuster der Verflechtung von Kultur und Dienstleistungswirtschaft an. Und spätestens nach dieser allgemeinen und abstrakten holzschnittartigen Betrachtung ist es lohnenswert, in die Tiefe, also in eine wissenschaftlich fundierte Betrachtung zu gehen und den volkswirtschaftlichen Nutzen der Kultureinrichtung einmal näher zu beleuchten.

In einem ersten Schritt wird es nach Konkretisierung des Forschungsauftrags sowie des Abschlusses einer Vereinbarung um die Auswahl der Kultureinrichtung gehen. Auszuwählen wäre aus drei Sektoren: zunächst öffentlich geförderter Sektor. Hier bieten sich Einrichtungen wie Bibliotheken, Theater, Musik- und Kunstschulen an. Auszuwählen wäre aus dem Bereich des intermediären Sektors zum Beispiel. Da geht es ja um zivilgesellschaftliches Engagement, Projektförderung, also da geht es um Chöre, soziokulturelle Zentren, Kulturstiftungen, die in Betracht kämen. Oder auszuwählen wäre aus dem Sektor der Kultur- und Kreativwirtschaft. Hier böte sich an, mehr zu untersuchen Galerien, Kinos, Buchverlage, Filmwirtschaft, Architekturmarkt, Werbewirtschaft und Softwareentwickler.

In einem zweiten Schritt lassen sich dann wirtschaftliche Verflechtungen tiefgehender analysieren, Wertschöpfung nachvollziehen und Auswirkungen auf andere gesellschaftliche Bereiche, wie Arbeitsmarkt, Tourismus, Handel et cetera, quantifizieren.

Am Ende, und das ist uns ganz wichtig, am Ende haben wir Hinweise auf zwei ganz entscheidende Handlungsansätze, Herr Renz.

Erstens. Wie können wir in der Kulturförderung so geschickt Mittel einsetzen, dass wir auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht einen größtmöglichen Effekt auf Lebensqualität, Arbeitsplätze und Wertschöpfung erzielen?

Und ein zweiter Handlungsansatz, eine zweite Frage ist: Wie können wir eine gezielte Vernetzung der Kultureinrichtungen fördern, die letztlich kulturelle Bildungsangebote verstärkt, kulturelle Teilhabe vorantreibt und wirtschaftlichen Nutzen stiftet?

Auf diese Weise entstehen konkrete Empfehlungen zur nachhaltigen und zukunftsorientierten Kultur- und Wirtschaftspolitik fürs Land. Auf diese Weise entstehen konkrete Empfehlungen, um unser Land attraktiver zu machen. Insofern bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Brodkorb.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag hat Ende Januar 2011 den Zielvereinbarungen mit den Hochschulen mit Laufzeit 2011 bis 2015 auf Landtagsdrucksache 5/4052 zugestimmt.

Gemäß Paragraf 15 Absatz 5 des Hochschulgesetzes besteht die Möglichkeit zusätzlicher Zielvereinbarungen dann, wenn aktuelle fachliche Entwicklungen dies erfordern. Dabei ist das Gesetz so zu verstehen, dass diese aktuellen fachlichen Entwicklungen, die neue Herausforderungen an die Planung bedeuten, gemäß Absatz 3 im Wesentlichen folgende Bereiche tangieren müssen: Qualitätsentwicklung in Lehre und Forschung, vorgehaltene Fächer und Studiengänge an den Hochschulen, Forschungsschwerpunkte der Hochschulen oder Budget der Hochschulen.

Neben einigen derzeit noch fortgeltenden Teilzielvereinbarungen wurde bislang eine einzige neue Teilzielvereinbarung, nämlich zum Ausbau des Onlinestudiums durch die Net.Uni Wismar als Teil der Weiterentwicklung der Lehre, abgeschlossen. Diese Teilzielvereinbarung hat wie die anderen auch einen erkennbar strategischen Inhalt, und zwar mit Blick auf die Hochschulentwicklung. Es ist offensichtlich, dass das von der Fraktion DIE LINKE ins Auge gefasste Forschungsprojekt deutlich unterhalb der Ebene angesiedelt ist, die im vorgenannten Sinne gemäß Gesetz durch eine Teilzielvereinbarung zu regeln wäre. Der Abschluss einer Teilzielvereinbarung zu einem einzelnen Forschungsprojekt konterkariert geradezu den Sinn von Zielvereinbarungen. Diese stellen darauf ab, dass eben nicht einzelne Vorhaben, sondern übergreifende Ziele vereinbart werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem Antrag der Fraktion DIE LINKE kann somit nicht zugestimmt werden. Das Instrument der Teilzielvereinbarung gemäß Paragraf 15 Absatz 5 Landeshochschulgesetz ist nicht geeignet, dies hier zu tun.

Somit bleibt noch die Frage nach dem Sinn der Untersuchung, für die Herr Koplin argumentiert hat. Wir alle wissen, welche kulturellen Einrichtungen im Lande vorhanden sind. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Kulturanalyse für Mecklenburg-Vorpommern, die auf der Basis einer Befragung der Jahre 2004 und 2008 vorgelegt wurde. Die Dokumentation einer Landeskulturkonferenz erläutert die Ergebnisse der letzten Kulturanalyse und zeigt eine weitverzweigte Kulturlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern auf. Auf der Konferenz diskutierten die rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer das vorliegende Datenmaterial auch in Bezug auf das Thema „Qualität in der Kulturarbeit“, wobei Aspekte der Qualitätssicherung, des Qualitätsmanagements und der Kultur- und Kreativwirtschaft erörtert wurden.

Die Effekte der kulturellen Einrichtung als weiche Standortfaktoren sind hinreichend bekannt. Herr Koplin hat

dies selbst hier ausführlich ausgeführt. Es besteht in dieser Hinsicht kein weiterer Erkenntnisbedarf. Und ich möchte dies daran illustrieren, wie die Fragen formuliert worden sind durch die Fraktion DIE LINKE, die untersucht werden sollen. Es soll also eine Forschungsarbeit in Angriff genommen werden, die untersucht, ob und inwiefern kulturwirtschaftliche Wertschöpfung unter Einbeziehung von Berechnungen zur Umwegrentabilität besteht. Diese Frage muss man nicht mehr untersuchen, sie ist in zahlreichen Studien bereits untersucht worden. Und selbstverständlich gibt es einen solchen Effekt. Ich erlaube mir allerdings den Hinweis: Diesen Effekt gibt es nicht nur für die Kultur, diesen Effekt gibt es für jeden Euro, den man ausgibt.