Sie fordern dann in Punkt c) „eine angemessene Stellenzuweisung“ bei Sonderpädagogen, Schulsozialarbeitern und, und, und. Auch da gab es ja entsprechende Festlegungen in den letzten Jahren. Wir in der CDU-Fraktion hatten vor Kurzem ein Inklusionsgespräch, so will ich das mal nennen, mit Vertretern von der Insel Rügen. Da waren Schulleiter dabei, da waren Lehrer dabei, da waren auch Vertreter des Schulamtes dabei, die uns gesagt haben: Wenn wir das so machen, dass die Sonderpädagogen von der Förderschule an die Grundschulen gehen und dort auch eins zu eins ankommen, dann ist das durchaus eine ausreichende Stellenzuweisung auf der Insel Rügen. Das wurde uns so bestätigt und so wollen wir auch fortfahren.
Was die Schulsozialarbeiter betrifft, da haben Sie ja bereits die Ankündigung der Sozialministerin gehört, dass diese Stellen weiter ab 2014 auch über den ESF gefördert werden sollen. Und Sie haben dann von der Übernahme der zusätzlichen Kosten, die durch die wissenschaftliche Begleitung entstehen, gesprochen. Auch diese sind ja im Landeshaushalt veranschlagt. Ich glaube, ich weiß nicht, der Minister weiß es bestimmt: Sind es 300.000 im Jahr, die die Universität Rostock dafür erhält?
Und Sie haben, glaube ich, eben noch von Kopierkosten gesprochen, wenn ich das richtig mitgehört habe. Ich glaube nicht, dass das dann tatsächlich so immense Unkosten sind, die jetzt die Schulträger überfordern. Ansonsten ist das aber im Landeshaushalt vorgesehen.
Sie sehen also, die Koalition ist dabei, diesen Modellversuch auf Rügen auszuwerten. Wir werden, wenn wir den ausgewertet haben, da sind wir mittlerweile auch dabei, die finanziellen Voraussetzungen dafür schaffen. Einerseits steht es jetzt schon im Doppelhaushalt 2012/2013. Wir haben im 50-Millionen-Programm, Sie haben das gehört, 10 Millionen für die Inklusion vorgesehen und werden das dann auch mit dem nächsten Doppelhaushalt 2014/2015 umsetzen.
Und uns ist sehr wichtig, dass wir gerade, wenn es um die Weiterführung auf Rügen geht, das auch im Konsens, vor allem mit den Beteiligten vor Ort – das sind nicht nur Lehrer, Direktoren, das sind auch die Eltern und die Schüler –, und uns ist dann wichtig, dass wir dann bei der Umsetzung der weiteren Verfahrensschritte, was das
ganze Land betrifft, behutsam, also mit Augenmaß vorgehen und hier zu einer wirksamen Einführung der Inklusion in Mecklenburg-Vorpommern kommen.
Sie sehen also, dass es Ihres Antrages nicht bedarf. Ich habe ja zu Beginn schon gesagt, ich hätte mir da vorher vielleicht Signale gewünscht. Insofern muss man sich am Ende fragen, wozu wir diese Arbeit in den Inklusionsfrieden gesteckt haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wissenschaftler unter Leitung von Professor Bodo Hartke, die das Grundschulprojekt PISaR begleiten, erwähnen in ihrem Beitrag zu den Evaluationsergebnissen des Inklusionsmodells in der letzten Ausgabe der GEW-Zeitschrift „Erziehung und Wissenschaft“, ich zitiere: „Eine Interpretation und Bewertung der Ergebnisse kann gegenwärtig nur vorläufigen Charakter aufweisen, da noch keine aussagekräftigen Daten zu der Entwicklung von Schülern in Stralsunder Diagnoseförderklassen und von zurückgestuften Kindern vorliegen und die Förderung auf Rügen weniger auf frühe, relativ hohe messbare Lernerfolge ausgerichtet war, sondern eher auf ein lückenschließendes Lernen, auf die Förderung der sprachlichen und emotionalen und sozialen Entwicklung sowie Inklusion. Bei einer Gesamtbetrachtung der Ergebnisse ist festzuhalten, dass es mithilfe des RIM gelungen ist, ein weitgehend inklusives Grundschulsystem (PISaR) zu realisieren …“ Ende des Zitats.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dieses Zitat belegt, dass Sie mit Ihrem Antrag sich in mindestens zwei Widersprüchlichkeiten oder Verständnisschwierigkeiten befinden. Denn zum einen handelt es sich nicht um ein inklusives Schulmodell, das, wie Sie es in Ihrer Antragsbegründung darstellen, abgebrochen wird, wenn es nicht auf die Orientierungsstufe ausgedehnt wird. PISaR bezeichnet als Abkürzung die Präventive und Integrative Grundschule auf Rügen,
wie es auch stets der vollständige Klammerzusatz erklärt. Ich gebe zu, dass Abkürzungen und Verkürzungen auch manchmal irreführend sein können, denn zum Beispiel lernen in der Grundschule ja die Kinder auch das ABC, und trotz dieser Abkürzung wird das komplette Alphabet gelernt und nicht nur die drei Buchstaben der umgangssprachlichen Bezeichnung.
Der ausführliche Titel des Projekts verdeutlicht jedoch, dass dieses Modell nur für Grundschulen konzipiert worden ist.
Ihr Antrag hingegen unterstellt diesem Projekt eine Reichweite, die nicht einmal die begleitenden Wissenschaftler verfolgen.
Zum anderen wird diese Beschulungsart erst 2014/2015 ausgewertet, das bedeutet, dass erst nach Abschluss des Modells Ergebnisse vorliegen, von denen der wei- terführende Bereich partizipieren kann. Eine parallele wissenschaftliche Begleitung in den Jahrgangsstufen 5 und 6 kann nicht funktionieren, muss sie sich doch an validen Ergebnissen der Untersuchungen des Grundschulprojekts orientieren und darauf aufbauen.
Der bisherige Zwischenbericht – ich betone: „Zwischenbericht“ – hat keine nennenswerten Schwächen ge- zeigt und keine signifikanten Nachteile für die Schülerinnen und Schüler gebracht. Aber genügen nun diese Ansätze, um darauf aufbauend ein neues Projekt zu starten?
Beispielsweise liegen die Kinder, die miteinander als statistische Zwillinge verglichen wurden, in Rechtschreibung im unterdurchschnittlichen Bereich – die Stralsunder Kinder genau wie die Rügener Kinder. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Es kann doch nicht unser Wille sein, dass jetzt alle Kinder unterdurchschnittliche Rechtschreibleistungen erbringen.
Wenn man gleich schlecht ist, ist das doch kein Erfolg, sondern dringend verbesserungswürdig. Mit Schülerinnen und Schülern, die eine gute soziale Kompetenz aufweisen, aber schlecht schreiben können, werden wir das Bildungsniveau in Mecklenburg-Vorpommern nicht verbessern. Das Modell auf Rügen muss beweisen, dass unterdurchschnittliche Leistungen nach der Jahrgangsstufe 4 zu mindestens durchschnittlichen Leistungen heranreifen, dass die Jungen und Mädchen so gut gefördert werden, dass niemand unterfordert oder auch überfordert wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, in den Beratungen des Bildungsausschusses bestand zwischen den Praktikerinnen und Praktikern Einigkeit darüber, dass eine endgültige Bewertung der Ergebnisse erst nach Abschluss der gesamten Grundschulzeit, also am Ende der 4. Klasse möglich ist. Ich will gern zugestehen, dass die Zwischenergebnisse auch ermutigen, diesen Weg weiterzugehen. Aber unter diesen Bedingungen schon jetzt einen neuen Modellversuch für die Orientierungsstufe vorbereiten zu wollen, heißt, den zweiten vor dem ersten Schritt zu tun oder vorsorglich von der Klippe zu springen, nur um als Erstes unten zu sein, egal in welchem Zustand.
Wir alle wissen doch aus Erfahrung, dass es in unserem Land eine lange Geschichte von Modellversuchen und wissenschaftlichen Begleitungen gibt. Ich erinnere nur daran, wie es mit der Selbstständigen Schule war. Sie startete mit einem Modellversuch, der auch wissenschaftlich begleitet wurde.
Die Selbstständige Schule wurde jedoch mit dem Schulgesetz 2010 flächendeckend eingeführt, obwohl die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung nicht vor- lagen. Auch als die Studie dann vorlag, gab es keine Änderungen mehr, die allerdings bis heute notwendig sind. Es wurde einfach durchgezogen, weil es politisch so gewollt war und weil es vor allem Geld sparte. Genau für dieses unkoordinierte, fahrlässige Vorgehen hat meine Fraktion die Koalition nachdrücklich kritisiert.
Ich will auch daran erinnern, dass dem Modellversuch auf Rügen schon ein ähnliches Schicksal bevorstand.
Es sollte auf den gesamten Schulamtsbereich Greifswald ausgeweitet werden und erst durch die Intervention des Ministerpräsidenten wurde das gestoppt.
Verlangen Sie nun nicht von uns, diese Fehler selbst zu machen! Das sollte uns Warnung genug sein, nicht erneut vor dem Abschlussbericht und seinen Schlussfolgerungen festzulegen, wie es weitergeht.
Ich kann zwar die Intention der Antragsteller verstehen, positive Beispiele für gelingende Inklusion schnell auszuweiten, aber bei solchen schulpolitischen Umbrüchen muss man sich die Zeit nehmen, die dafür notwendig ist, um Ergebnisse gründlich zu analysieren. Schnellschüsse helfen hier nicht weiter. Erst nach Vorlage des Abschlussberichtes kann das fundiert entschieden werden. Aus der Grundschulpädagogik ist bekannt, dass gerade im frühen Schulalter große Entwicklungsschübe innerhalb kurzer Zeit möglich sind und Prognosen über Verhalten und Leistungsvermögen zwischen der 1. und der 4. Klasse nur schwer möglich sind.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr wohl dafür, einen neuen Modellversuch nach der 4. Klasse zu beginnen, und habe auch das in der Ausschussberatung auf Rügen deutlich gesagt.
Minister Brodkorb wies damals jedoch aus meiner Sicht zu Recht darauf hin, dass man die Frage nach der Weiterführung erst dann seriös beantworten könne, wenn die Abschlussevaluation vorliegt. Klar ist auch, dass für eine mögliche Weiterführung eine Vorlaufzeit notwendig ist, um einen nahtlosen Übergang zu gewährleisten. Das wird schon deshalb eine Herausforderung, weil pädagogisch-didaktische Prozesse in der weiterführenden Schule anders gestaltet werden und andere Anforderungen stellen.
Die eigentliche Frage ist doch die: Welche Vorlaufzeit benötigen wir für die Vorbereitung, wenn kein Bruch entstehen soll? Oder anders gefragt: Wie schaffen wir es, die Kinder aus der 4. Klasse ohne Unterbrechung in die 5. Klasse des gemeinsamen Unterrichts, des längeren gemeinsamen Lernens zu überführen? Da vermisse ich in Ihrem Antrag in den Ziffern 1 bis 4 jedoch die pädagogischen Anforderungen. Sie zielen hauptsächlich auf schulorganisatorische Maßnahmen ab.
Daraus resultieren für mich folgende Fragen: Wie wollen Sie denn die Ergebnisse der Abschlussevaluation bei der
Fort- und Weiterbildung berücksichtigen, wenn der Bericht noch nicht vorliegt? Oder: Wie wollen Sie die angemessene Stellenzuweisung ohne Rahmenbedingungen definieren? Und vor allem: Warum beziehen Sie nur diese auf Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sowie Unterrichtshelfer? Zumal Unterrichtshelfer laut Verwaltungsvorschrift „Personal mit sonderpädagogischer Aufgabenstellung und Personal für Betreuung und Pflege“ vom 27. April 2009 in Ziffer 1.2.3 nur „im ganzheitlichen Unterricht an Schulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung“ eingesetzt werden, und die Kinder mit dieser Beeinträchtigung werden auch auf Rügen nicht inklusiv beschult.
Des Weiteren kann doch wohl die Stellenzuweisung für Schulsozialpädagoginnen und -pädagogen nicht davon abhängen, dass man inklusiven Unterricht erprobt. Jede Schule muss diese Pädagogen haben. Jedes Kind, mit und ohne Beeinträchtigung, benötigt diese wertvolle Unterstützung.
Hingegen haben Sie die Unterrichtszuweisung gar nicht erwähnt. Muss sie nicht erhöht werden? Ist das nicht gerade die Zwickmühle, in der sich inklusiver Unterricht befindet? Auch fehlen in Ihrem Antrag Anmerkungen, inwieweit die Vorschläge der Expertenkommission zur Inklusion und die daraus folgenden Maßnahmen berücksichtigt werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, meine Fraktion wird im Rahmen der Inklusionsdebatte Vorschläge einbringen, wie aus dem Modellprojekt auf Rügen für die Mädchen und Jungen eine erfolgreiche weitere Schullaufbahn gewährleistet werden kann. So zum Beispiel folgende Variante: Die Schülerinnen und Schüler sollen weiterhin in ihrem geschützten Raum des Klassenverbandes – wenn organisatorisch möglich, vielleicht sogar an der Grundschule – verbleiben, unterrichtet und gefördert gemeinsam von Grund- und Regionalschullehrkräften. So können neben einer Fortbildung, die spätestens im Sommer beginnen muss, die Regionalschullehrerinnen und -lehrer von den Grundschullehrkräften im gemeinsamen Unterricht lernen, Informations- und Handlungslücken werden vermieden und die Kinder erfahren weiterhin die Unterstützung, derer sie so dringend bedürfen. So können alle von PISaR lernen.
Man kann nur die Lehrerinnen und Lehrer ab der Jahrgangsstufe 5 befähigen, neue Unterrichtsmethoden anzuwenden. Man kann die Fächer nicht neu erfinden. Und genau dies ist im weiterführenden Bereich die Schwierigkeit. Da aber für diese Art der Fortführung enorme Voraussetzungen geschaffen werden müssen, zum Beispiel die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien für den in Klasse 5 einsetzenden Fachunterricht, die Entwicklung kompetenzorientierter Bewertungsmaßstäbe für die Orientierungsstufe oder die Graduierung der Niveaustufen im Unterricht, benötigt man dafür Zeit.
Ich meine, Sie haben mit Ihrem Antrag vorschnell gehandelt, denn der Abschlussbericht wird vorweggenommen und zeitliche Abläufe werden ignoriert. Er kommt mindestens ein Jahr zu früh, berücksichtigt nicht die erforderlichen Notwendigkeiten und Ausstattungen und kann deshalb nicht die Zustimmung meiner Fraktion erhalten.