Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Ich fragte ja, welchen Sinn es denn macht, wenn das Kabinett beschlossen hat und wir heute nachträglich beschließen sollen.

Also der Sinn steckt ganz schlicht und einfach darin, Sie sind ja Politiker und Sie wissen auch aus Erfahrung, dass es wichtig ist, dass, wenn eine Regierung etwas beschließt, sie auch die politische Unterstützung des Landtages hat. Und wenn dann diese Unterstützung, sage ich jetzt mal, einstimmig unter den Demokraten ausfällt, ist es für uns natürlich von besonderer Bedeutung.

(Zurufe von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE, und Michael Andrejewski, NPD)

Und der Herr Jaeger hat Ihnen das gerade auch versucht darzustellen.

(Rudolf Borchert, SPD: Ich glaube, er hat es verstanden.)

Gut. Danke.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere Position zum Thema ist ebenso klar wie Ihre Inkompetenz in Sachen zeitnaher Gesetzgebung. Die verpflichtende Anweisung der Europäischen Union an die Mitgliedsstaaten, nationale Gesetze über die Abscheidung, den Transport und die dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid zu schaffen, stammt aus dem April 2009 und ist somit fast vier Jahre alt.

(allgemeine Unruhe)

Weil die Unfähigkeit ihrer Genossen auf Bundesebene immer deutlicher wurde und Strafzahlungen drohten, haben Sie hier im März 2012 einen Gesetzesentwurf eingebracht. Herr Borchert versicherte damals im Na- men der Koalitionsfraktionen, dass man sich sehr bemühen werde, um zügiges parlamentarisches Verfahren sicherzustellen – ein Widerspruch an sich, denn drei Jahre Däumchendrehen, drei überschaubare Paragrafen, man muss schon sagen, eine parlamentarische Glanzleistung.

Nach der öffentlichen Bekanntmachung des Rekordgesetzes kam die Ernüchterung. Auf Bundesebene wurde

das lange ersehnte Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid nur wenige Wochen später verabschiedet. Das wiederum hat zur Folge, dass wir uns heute erneut einem Thema zuwenden, welches schon seit vier Jahren der Vergangenheit angehören sollte. Im Volksmund sagt man dazu: Alles für die Katz. Hier sagt man: Alles für die EU.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Und das Wort hat jetzt noch mal der Abgeordnete Herr Borchert von der SPDFraktion.

(Rudolf Borchert, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE: Alles gesagt.)

Dann schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/1483. Wer dem zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Und Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/1483 einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Das ist die Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Chancen für Inklusion nutzen – PISaR-Projekt („Präventive und Integrative Schule auf Rügen“) in der Orientierungsstufe fortführen, die Drucksache 6/1480.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Chancen für Inklusion nutzen – PISaR-Projekt („Präventive und Integrative Schule auf Rügen“) in der Orientierungsstufe fortführen – Drucksache 6/1480 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Berger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Konzentration lässt ein bisschen nach, darum sage ich Ihnen schon mal, wie ich meine Rede, meinen kleinen Vortrag hier gliedere, damit Sie besser folgen können. Ich steige ein mit der Frage: Warum ist die Fortsetzung von PISaR (Präventive und Integrative Schule auf Rü- gen) in der Orientierungsstufe notwendig? Und die zweite Frage, die sich daran anschließt, lautet: Warum brauchen wir jetzt eine Weichenstellung?

Den aktuellen „LandtagsNachrichten“ können Sie entnehmen, dass am 28.11. der Bildungsausschuss auf der Insel Rügen, in Bergen tagte. Das Thema lautete: „Inklusion macht Schule“. Zugegen waren eine Schulleiterin, ein Schulleiter,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

die Bürgermeisterin der Stadt Bergen, Vertreter des Kommunalparlamentes, Lehrkräfte, Eltern und natürlich die Ausschussmitglieder.

Anlass für diesen Besuch, für diese auswärtige Sitzung war, dass seit dem Schuljahr 2010/2011 Kinder mit und ohne Förderbedarf gemeinsam beschult werden, mit dem Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache und emotional-soziale Entwicklung. Damit, mit diesem Mo

dellprojekt, wird geltendes Recht umgesetzt. Die Grundlage dafür ist zum einen die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen, hier insbesondere der Artikel 24, aber auch das Schulgesetz Mecklenburg-Vorpommern Paragraf 35 Absatz 1, die Sonderpädagogische Förderverordnung Paragraf 1 Absatz 2 sowie die Sonderpädagogische Förderverordnung Paragraf 6 Absatz 2.

Das Modellprojekt Rügen soll Erkenntnisse bei der Umsetzung für die Inklusion in ganz Mecklenburg-Vorpom- mern sammeln. Inzwischen gibt es erste Evaluationsergebnisse der Universität Rostock rund um Professor Hartke. Diese Ergebnisse besagen, dass die Stralsunder Schüler – also zu diesem Modellprojekt Rügen gibt es eine Vergleichsgruppe, die sich aus Stralsunder Grundschülern, aber auch teilweise aus Grundschülern der Hansestadt Rostock zusammensetzt –, die Evaluationsergebnisse besagen, dass die Stralsunder Grundschüler in der Tendenz in dem Fach Mathematik einen leichten Vorsprung haben, die Rügener Schüler hingegen in der Tendenz einen leichten Vorsprung im Bereich Sprache. Allerdings sagen die Forscher auch, dass die Unterschiede, diese minimalen Unterschiede, pädagogisch nicht signifikant sind.

Betrachtet man hingegen die Schüler/-innen mit dem Förderschwerpunkt Sprache, lässt sich feststellen, dass das Rügener Inklusionsmodell genauso erfolgreich ist wie die Sprachheilklassen in Stralsund. Rügen hingegen schneidet deutlich besser ab im Bereich emotionalsoziale Entwicklung und dem dazugehörigen Selbstkonzept der Schülerinnen und Schüler. Der Grund dafür – also für dieses positive Selbstbild, das die Schüler von sich haben – liegt vor allem darin, dass es auch kaum Klassenwiederholungen gibt bei dem Modellprojekt auf Rügen, denn es gibt ein schul- und unterrichtsintegriertes Unterstützungssystem. Deutlich sichtbar wird es bei den abweichenden Schulkarrieren. Abweichende Schulkarriere bedeutet, dass Schüler wahlweise in die Diagnoseförderklasse gehen, die Klassen wiederholen oder auch Förderschulen besuchen, also einfach von der normalen Schulkarriere abweichen.

Wenn man sich jetzt die Zahlen anschaut, kann man sehen, dass die Stralsunder Schüler, also von 385 vor zwei Jahren eingeschulten Schülern in Stralsund 43 Schüler eine abweichende Schulkarriere besuchen, belegen. Das macht 11,2 Prozent, auf Rügen sind es jedoch nur 8 von 441 Schülern. Also dort wechselten 1,8 Prozent der Schüler von der Grundschule auf eine andere Schule. Und genau das ist der Punkt, darauf kommt es uns an, die Anzahl der Schüler zu verringern, die von den Schulkarrieren, von den normalen Schulkarrieren abweichen, und die Schüler zu integrieren und ihnen in der Schule nicht von Anfang an den Stempel „Versager“ aufzudrücken, sondern ihnen ein positives Bild zu vermitteln.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings, so stellen die Evaluationsergebnisse auch fest, gibt es bei dem Rügener Projekt Nachholbedarf, was die Förderung starker Schüler oder hochbegabter Schüler oder teilweise hochbegabter Schüler anbelangt. Und der Förderschwerpunkt Lernen konnte zurzeit noch nicht evaluiert werden. Das erfolgt erst zum Ende der Diagnoseförderklasse mit dem Ende des Schuljah-

res 2012/2013, weil dort in drei Jahren der Unterrichtsstoff von zwei Jahren ausgeweitet wird.

Ich möchte Professor Hartke gern zitieren aus seinen ersten Evaluationsergebnissen: „Bei einer Gesamtbetrachtung der Ergebnisse ist festzuhalten, dass es mit- hilfe des RIM gelungen ist, ein weitgehend inklusives Grundschulsystem zu realisieren, das weiterhin allgemeinen Leistungs- und sozialen Anforderungen an Schule gerecht wird. Die pädagogische Arbeit in den Grundschulen auf Rügen kennzeichnet sich also neben Konzeptelementen wie Differenzierung im Unterricht, Förderung durch ein mehrere Ebenen umfassendes Unterstützungssystem bei Lern-, Sprach- sowie emotionalen und sozialen Entwicklungsauffälligkeiten, ein Monitoring der Schulleistung sowie einer effektiven Klassenführung auch durch angemessene Schulleistungen, positive sozial-emotionale Schulerfahrungen und ein deutlicher ausgeprägtes prosoziales Verhalten.“

Wir können also bei den Schülern feststellen, dass die Ergebnisse gemessen an der bundesdeutschen Eichstichprobe durchschnittlich sind, und das, obwohl wir uns in der Erprobungsphase befinden, es lediglich eine kurze Vorbereitungszeit und auch kaum nutzbare Erfahrungen im deutschsprachigen Raum gab. Wir können aber auch feststellen, die Potenziale sind noch nicht ausgeschöpft.

Jetzt komme ich zum zweiten Teil meiner Rede: Warum brauchen wir genau jetzt die Weichenstellung für dieses Projekt oder für die weitere Fortführung dieses Projektes? Auch da wirft Professor Hartke die Frage in seinem Zwischenbericht selbst auf. Werden sich die gleichen beziehungsweise günstigen Werte bei den Förderschwerpunkten Lesen und emotional-soziale Entwicklung auch in Zukunft positiv entwickeln beziehungsweise stabilisieren sich diese Ergebnisse? Und genau das ist die einmalige Chance, die wir mit diesem Modellprojekt auf Rügen haben, dass wir das jetzt am Stück wunderbar nachvollziehen können, denn in Deutschland gibt es kaum vergleichbare Studien und kaum vergleichbare Situationen, wie wir sie hier auf Rügen vorfinden.

Warum wir die Weichenstellung für die Fortführung dieses Projektes aber auch brauchen, darüber gaben die Schulleiter während der Bildungsausschusssitzung, die wir auf Rügen abhielten, Auskunft. Das Ergebnis des Rügener Inklusionsmodells ist zum einen, so sagten die Lehrer, Ausdruck des Fleißes der beteiligten Lehrkräfte, aber auch für die externe und interne Weiterbildung und die Begleitung durch die Universität Rostock. Und ich möchte hinzufügen, dass zu diesem Ergebnis, zu diesem positiven Ergebnis auch dazugehört das Einverständnis und die Unterstützung des Schulträgers, weil diese nämlich durch dieses Modellprojekt finanziell mehr belastet sind, weil sie einfach viel, viel mehr Kopierkosten haben, weil durch die Begleitung durch die Universität Rostock zusätzliche Kosten entstehen. Die Unterstützung des Schulträgers ist nach wie vor vorhanden, aber wir wollen ihm mit unserem Antrag Planungssicherheit bei diesen zusätzlichen Kosten geben.

Und wenn wir uns die Gründe angucken, die die Schulleiter nennen, warum das Rügener Inklusionsmodell so erfolgreich ist, können wir daraus ableiten, dass die Lehrer/-innen weitergebildet werden müssen. Und wenn wir wollen, dass die Lehrer, die in zwei Jahren die Kinder unterrichten, die jetzt aus der Grundschule kommen, gut vorbereitet sind, müssen wir mit den entsprechenden

Weiterbildungen jetzt anfangen, denn wie sagte unser Bildungsminister bei der Pressekonferenz: Die Lehrkräfte, die die Weiterbildung vornehmen können, gibt es nicht wie Sand am Meer, weil überall in Deutschland soll gerade Inklusion umgesetzt werden und wir müssen nach diesen Personen suchen, die die Weiterbildung vornehmen können. Und letztlich muss natürlich auch geklärt werden, ob die Universität Rostock bereit ist, die wissenschaftliche Begleitung weiterhin zu übernehmen.

Und ich möchte einem Gegenargument jetzt schon vorgreifen: Die Evaluation ist noch gar nicht zu Ende, wie können wir jetzt schon sagen, dass wir das Projekt fortführen wollen? – Ganz einfach deshalb: Zu dem Zeitpunkt, als wir mit dem Rügener Modellprojekt begonnen haben, gab es auch noch überhaupt gar keine Forschungsergebnisse in diesem Bereich, und trotzdem hatten wir damals den Mut, diesen ersten Schritt zu wagen. Ich möchte Sie deshalb an dieser Stelle aufrufen, haben Sie auch jetzt den Mut, weiterzumachen. Die Schulträger, Lehrer/-innen, Schüler/-innen, Eltern auf Rügen, die haben diesen Mut. Unterstützen wir sie dabei!

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Und der Abgeordnete Herr Reinhardt hat jetzt die Möglichkeit, hier ans Rednerpult zu kommen, von der CDUFraktion.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Danke schön für die Möglichkeit, mich hier äußern zu dürfen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Die GRÜNEN haben einen Antrag gestellt: „Chancen für Inklusion nutzen und PISaR-Projekt“, also den Modellversuch auf Rügen, „in der Orientierungsstufe fortführen“.

Frau Berger, ganz zu Anfang – und da geht es meinem Koalitionsabgeordneten Herrn Butzki bestimmt ganz genauso – waren wir natürlich zunächst, oder sind es noch, ein wenig verwundert. Immerhin haben wir hier zusammen mal so etwas wie den Inklusionsfrieden vereinbart und da hätte ich zumindest erwartet, wenn man solche Anträge stellt, dass man das im Vorhinein bespricht. Das ist in diesem Fall ja nicht passiert. Insofern muss man sich durchaus die Frage stellen, wie viel so ein Papier, wie viel Wert es noch hat.

Aber ich möchte mich auch kurz mit Ihrem Antrag beschäftigen. Sie fordern ja im Punkt a), „die wissenschaftliche Begleitung einer präventiven und integrativen Orientierungsstufe nach Vorbild des ,Rügener Inklusionsmodells‘ der Universität Rostock“ fortzusetzen. Sie wissen, dass wir gerade in der Auswertung – Sie haben ja das Modellprojekt und auch die wissenschaftliche Auswertung hier zur Genüge zitiert –, dass wir das auch gerade auswerten und dann dabei sind zu überlegen, wie geht es im speziellen Fall auf Rügen weiter. Und da wird es

mit Sicherheit auch darum gehen, dass es mit der wissenschaftlichen Begleitung weitergeht. Auch das wird mit Sicherheit ein Bestandteil sein.

Sie fordern dann in Punkt b) „ein ausreichendes und frühzeitig einsetzendes Angebot inklusionsbezogener Fort- und Weiterbildungen für die beteiligten Lehrkräfte“. Wenn Sie in den jetzigen Doppelhaushalt gucken, werden Sie dort bereits Mittel finden, die für Fort- und Weiterbildung gerade in diesem Bereich schon die letzten Jahre ausgegeben wurden und auch ausgegeben werden. Und auch in dem 50-Millionen-Paket, das die Koalition in den letzten Wochen vereinbart hat, ist ein erheblicher Teil für diesen Bereich vorgesehen.

Sie fordern dann in Punkt c) „eine angemessene Stellenzuweisung“ bei Sonderpädagogen, Schulsozialarbeitern und, und, und. Auch da gab es ja entsprechende Festlegungen in den letzten Jahren. Wir in der CDU-Fraktion hatten vor Kurzem ein Inklusionsgespräch, so will ich das mal nennen, mit Vertretern von der Insel Rügen. Da waren Schulleiter dabei, da waren Lehrer dabei, da waren auch Vertreter des Schulamtes dabei, die uns gesagt haben: Wenn wir das so machen, dass die Sonderpädagogen von der Förderschule an die Grundschulen gehen und dort auch eins zu eins ankommen, dann ist das durchaus eine ausreichende Stellenzuweisung auf der Insel Rügen. Das wurde uns so bestätigt und so wollen wir auch fortfahren.