Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

(Die geheime Wahl wird durchgeführt.)

Haben alle Mitglieder des Hauses, die sich an der Wahl beteiligen wollten, ihre Stimme abgegeben? – Wenn dies der Fall ist, schließe ich die Abstimmung und unterbreche die Sitzung für zehn Minuten zur Auszählung der Stimmen.

Unterbrechung: 10.29 Uhr

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Wiederbeginn: 10.37 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe das Ergebnis der geheimen Abstimmung bekannt. Es wurden 58 Stimmen abgegeben, davon waren 56 Stimmen gültig. Es stimmten für den Kandidaten Dr. Christian Frenzel 44 Mitglieder des Landtages, es stimmten für den Kandidaten Rainer Prachtl 41 Mitglieder des Landtages und es stimmten für die Kandidatin Marita Pagels-Heineking 49 Mitglieder des Landtages.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr schön.)

Ich stelle fest, dass alle drei Kandidaten mit der Mehrheit der Mitglieder des Landtages gewählt sind.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Energiewen- de bürgernah und sozial gestalten, Drucksache 6/1481, in Verbindung mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE – Energiewende sozial gestalten, Drucksache 6/1495.

Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Energiewende bürgernah und sozial gestalten – Drucksache 6/1481 –

Antrag der Fraktion DIE LINKE Energiewende sozial gestalten – Drucksache 6/1495 –

Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU hat der Abgeordnete Herr Rudolf Borchert Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Technologisch und ökonomisch ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz unbestritten ein Erfolg. Sowohl der Solar-, Wind- und Bioenergie wurde zum Durchbruch verholfen, nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit. Politisch gewollt, gefördert und gesteuert wurde ein neuer innovativer Markt entwickelt, der höchst erfolgreich ist, in dem über 300.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland entstanden sind und attraktive Gewinnerzielungen für Unternehmen, aber auch für Privatpersonen ermöglicht werden.

Auch klimapolitisch ist die Energiewende schon jetzt ein voller Erfolg. Der Wechsel zu erneuerbaren Energien und eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz haben zu einer erheblichen Reduzierung der CO2-Emission in Deutschland geführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aktuell wird jedoch auch eine Kehrseite der Medaille offensichtlich: Die Kosten für die Energiewende steigen und die Kosten tragen die privaten Endenergieverbraucher. Besonders betroffen sind in Deutschland acht bis zwölf Millionen Sozialleistungsempfänger und Geringverdiener. Das sind etwa 15 Prozent aller Haushalte, die als einkommensschwach gelten und einen hohen Anteil ihres Einkommens energetisch konsumieren müssen.

Energiearmut könnte die Armutsform, meine Damen und Herren, der Zukunft werden, wenn keine wirksamen Schritte zur sozial gerechteren Verteilung der entstehenden Kosten und zur sozialen Abfederung der Energiewende unternommen werden. Dadurch könnte die noch vorhandene Akzeptanz, große Akzeptanz der Energiewende erheblich gefährdet werden. Schon jetzt haben wir den Widerspruch in Umfragen zwischen dem generellen Bekenntnis zur Energiewende einerseits und der deutlich geringen Bereitschaft zur Übernahme weiterer Kosten durch die EEG-Umlage und der Energiewende.

Meine Damen und Herren, wir sind also politisch gefordert, nicht nur die energiepolitische Dimension der Energiewende im Hinblick auf den Umbau des Energiesystems offensiv zu vertreten, sondern wir müssen auch die soziale gesellschaftspolitische Dimension der Energiewende im Hinblick auf Demokratisierung, soziale Gerechtigkeit und Teilhabe im Blick behalten.

Meine Damen und Herren, um die Kosten der Energiewende sozial gerechter zu verteilen, fordern die Koalitionsfraktionen in unserem Antrag, die Energiesubventionen von Industrieunternehmen kritisch zu überprüfen. Auf Kosten von Privathaushalten und kleinen und mittelständischen Unternehmen werden zum Teil durch falsche politische Weichenstellungen große Unternehmen um bis zu 9 Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Die Privilegierung von über 2.000 Unternehmen im Jahr 2013 durch Ausnahmegenehmigungen bei der EEG-Umlage, bei Stromnetzentgelten und bei der Besteuerung muss deutlich reduziert, auf Härtefälle beschränkt und verbunden werden mit dem Nachweis von Energieeffizienzverbesserung.

Meine Damen und Herren, statt einer Umlagebefreiung nach dem Gießkannenprinzip darf es nur noch eine passgenaue Unterstützung für die energieintensiven Unternehmen geben, die sich erwiesenermaßen in einem harten internationalen Wettbewerb befinden. Dazu zäh

len insbesondere Stahlwerke, Eisengießereien, Aluminiumhütten. Zum Jahreswechsel hat aber die schwarzgelbe Bundesregierung die Ausnahmekriterien deutlich erleichtert, sodass eine Antragsflut entstand und die Ausnahme zur Regel zu werden droht – zulasten der privaten Verbraucher.

Meine Damen und Herren, hier einige interessante Beispiele für von der EEG-Umlage befreite Unternehmen, die sich angeblich im internationalen Wettbewerb befinden: Dort zählen unter anderem 51 Schienenbahnbetreiber in Deutschland dazu, Papier- und Zementhersteller, Schlacht- und Fleischverarbeitung, Milchverarbeitung, Steinkohlebergbau, Futtermittelhersteller, Backwaren, Kartoffelverarbeitung. Und interessant dürfte auch die Begründung der Umlagebefreiung für das EWN in Lubmin sein.

Der Effekt aus einer deutlichen Reduzierung der Umlagebefreiung kann bis zu 2 Milliarden Euro, das heißt also bis zu 0,5 Cent pro Kilowattstunde, betragen. Und neben der konkreten Entlastung von Verbrauchern ist es natürlich vor allen Dingen auch eine Gerechtigkeitsfrage.

Meine Damen und Herren, entscheidend für künftige Kostensenkungspotenziale ist jedoch, dass eine stärkere staatliche Kontrolle über die Strompreisbildung erfolgt und Kostensenkungen in diesem Bereich, anders als bisher, auch an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden. Auch die Stromindustrie hat eine soziale Verantwortung und muss die Stromkunden an ihren Milliardengewinnen teilhaben lassen.

Meine Damen und Herren, unabhängig davon, ob eine Kostendämpfung erreicht werden kann, müssen wir aber in den nächsten Jahren voraussichtlich mit weiteren Strompreiserhöhungen rechnen, sodass vielen Menschen mit geringen Einkommen die Abschaltung vom Stromnetz droht. Wir brauchen deshalb dringend Maßnahmen, mit denen einkommensschwache Haushalte wirkungsvoll und zielgenau unterstützt werden. Dazu gibt es, meine Damen und Herren, in den letzten Wochen und Monaten eine Reihe von Vorschlägen, insbesondere von den Sozialverbänden, aber auch von den Parteien.

Wichtig ist natürlich, aus meiner Sicht, dass vor allen Dingen Maßnahmen getroffen werden, mit denen Haushalte zum Energiesparen befähigt werden. Hierzu muss zum Beispiel sichergestellt werden, dass Sozialleistungsempfänger und Haushalte mit geringem Einkommen die Möglichkeit einer kostenfreien Energieberatung in Anspruch nehmen können. Bei der Verbraucherzentrale sind zurzeit 50 Euro üblich für eine Erstberatung. Einige wenige Stadtwerke – sehr lobenswert – machen es auch schon kostenlos. Aber das ist nicht ausreichend, denn diese Beratung muss grundsätzlich für jeden der Sozialleistungsempfänger möglich sein, kostenlos, hürdenlos und unbürokratisch angeboten werden. Über die Unterstützung mittels einer einmaligen Abwrackprämie bei Entsorgung energieintensiver Altgeräte und Neukauf von energiesparenden Haushaltsgeräten können auch technische Voraussetzungen zum Energiesparen geschaffen werden.

Meine Damen und Herren, auf der Bundeskonferenz der Arbeiterwohlfahrt wurden zwei Forderungen beschlossen, die ich persönlich sehr gut finde. Zum einen, um Energiepreise für einkommensschwache Haushalte in einem erträglichen Maß zu halten, sollten Sozial- oder

Stromspartarife eingeführt werden, die einen Stromgrundbedarf günstiger anbieten. Für darüber hinausgehende Mengen wird ein höherer Preis angesetzt. Die zweite wichtige Forderung der Bundeskonferenz der Arbeiterwohlfahrt: schnellstmöglich Lücken zu schließen in der sozialen Sicherung. Was heißt das? Schnellstmöglich die Regelsätze in der Grundsicherung und für HartzIV-Bezieher zu erhöhen, damit sie den jeweils haushaltsspezifischen durchschnittlichen Stromverbrauch auch wirklich decken können.

Meine Damen und Herren, einen besonderen Schutz benötigen Mieter. Mieten in energetisch sanierten Häusern müssen auch zukünftig bezahlbar bleiben. Insofern unterstützen wir ausdrücklich auch die Forderung des Mieterbundes, die Obergrenze für Mieterhöhungen nach energetischer Sanierung von jetzt elf Prozent zukünftig auf neun Prozent zu senken.

Meine Damen und Herren, wenn man die Energiewende sozial gestalten will, darf man sich aber nicht nur auf die Unterstützung von einkommensschwachen Haushalten beschränken. Eine wichtige soziale Dimension der Energiewende besteht darin, dass die Chancen für die Schaffung von gut bezahlten Arbeitsplätzen genutzt werden. In den nächsten zehn Jahren können in MecklenburgVorpommern 20.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Wir haben die Chance, unabhängiger von teuren Energie- importen wie Kohle, Gas und Erdöl zu werden. Finanzielle Beteiligung von Bürgern, Kommunen und Land an der Erzeugung von erneuerbaren Energien eröffnet die Chancen auf Einnahmeverbesserungen für unsere Bürgerinnen und Bürger und stärkt die regionale Wertschöpfung.

Meine Damen und Herren, von der Landesregierung erwarten wir, dass mit der Erarbeitung des neuen Landesenergiekonzeptes die notwendigen finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien in Mecklenburg-Vor- pommern verbessert werden.

Meine Damen und Herren, es ist allerdings unstrittig, wir werden in den nächsten Jahren für eine erfolgreiche Energiewende und den Umbau des Energiesystems umfangreiche Investitionen benötigen. Es gehört der Ehrlichkeit halber dazu klarzustellen: Die Energiepreise werden aus unterschiedlichsten Ursachen demzufolge weltweit und natürlich auch bei uns steigen. Das neue Energiesystem mit erneuerbaren Energien ohne die teuren konventionellen Energieträger Kohle, Erdöl, Gas und Atomstrom wird aber langfristig Preissenkungen zur Folge haben. Die Europäische Union geht davon aus, dass spätestens 2030 sich die Entwicklung umkehren wird.

Die Energiewende ist alternativlos, weil sie nicht nur Versorgungssicherheit schafft, den Klimawandel beherrschbar macht, sondern auch langfristig die Bezahlbarkeit von Energie für alle Menschen sichert. Insofern, meine Damen und Herren, ist die Gestaltung und Durchsetzung der Energiewende auch eine ganz wichtige soziale Frage, nicht nur eine ökonomische, nicht nur eine ökologische, sondern noch eine ganz wichtige soziale Frage.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, ein Zitat, das es vielleicht auch in der kurzen Form nicht besser zum Ausdruck bringen kann, worum es bei dieser sozialen Frage

der Energiewende geht, ein Zitat von Hermann Scheer, ich zitiere: „Die Mehrkosten für Erneuerbare Energien von heute sind“ gesicherte Energie, „vermiedene Umweltschäden und niedrige Energiekosten von morgen.“ Zitatende.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Borchert.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Schwenke zur Begründung des Antrages der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Schon vor der plötzlichen persönlichen Energiewende der Bundeskanzlerin in Sachen Atomenergie gab es die sogenannten Energiewendebeschlüsse bereits. Es war klar, dass der Ausstieg aus der Verbrennung von fossilen Rohstoffen zur Energieerzeugung mittelfristig notwen- dig ist. Nach dem erklärten Atomausstieg zeigt sich, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller vorangeht als prognostiziert. Dieses Tempo verursacht Probleme an den Nadelöhren. Aber anstatt beherzt und engagiert an die Lösung dieser Probleme zu gehen, steht die Bundesregierung diesem Tempo relativ hilflos gegenüber. Jetzt versucht sie wieder, dieses Ausbautempo zu drosseln.

An den entscheidenden Schnittstellen kommt es dagegen immer wieder zu Verzögerungen. Der Netzausbau kommt nicht wirklich voran, das EEG wird nicht im notwendigen und vernünftigen Maß angepasst, ebenso wenig, wie die Ausbauziele von Bund und Ländern aufeinander abgestimmt sind. Vieles verliert sich in Absichtserklärungen.

Die Situation ist seit Langem geprägt durch den Dauerstreit zwischen den Herren Rösler und Altmaier, zwischen purem Wirtschaftslobbyismus und dem Versuch, die Energiewende vorsichtig zwar, aber dennoch voranzubringen. Herr Rösler versucht mit allen Mitteln, die alten zentralistischen Energieversorgungsstrukturen zu erhalten und dabei die Macht der vier großen Energiekonzerne in Deutschland zu erhalten. Dazu versucht er, die großen Energieverbraucher aus allen Branchen zu schonen und alle Kosten für die Energiewende, ob beim Netzausbau oder der EEG-Umlage, auf die Privathaushalte und kleine und mittlere Unternehmen abzuwälzen, eben FDP-Politik, wie wir sie kennen, aber nicht lieben.

Derweil steigen die Strompreise. Obwohl an der Leipziger Strombörse seit 2007 die Preise relativ konstant blieben, teilweise sogar wurden, das ist auch schon mehrfach hier im Hause gesagt worden, wurden negative Strompreise erzielt. Die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher und die kleinen Unternehmen tragen die Lasten, Vattenfall, E.ON und Co streichen weiter Rekordgewinne ein.

Für den Privathaushalt hat Herr Altmaier zwei Ratschläge: Sie sollen die Preise der Anbieter vergleichen und eventuell wechseln sowie sich eine Energieberatung ins Haus holen und anschließend Strom sparen.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Klar.)

Inzwischen hat er festgestellt, dass es ja möglich ist, die EEG-Umlage zu begrenzen beziehungsweise einen Deckel draufzulegen, nicht nur für die durch Lobbyverbände panikmachenden Großverbraucher, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger. Wenn es Absicht der Bundesregierung gewesen wäre, tatsächlich die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, dann hätte sie von Beginn an die Wahrheit gesagt und die zurzeit laufende massive Kampagne gegen die erneuerbaren Energien gestoppt und nicht noch kräftig mitgeholfen beim Lügen.

„Lügen, dass es kracht. Keinem wichtigen Vorhaben dichten Lobbyisten so viel an wie der Energiewende: Sie kommt überstürzt! Macht uns arm! Zerstört die deutsche Industrie! Reißt uns ins dunkle Chaos! Höchste Zeit, mit den Mythen über ein gutes Projekt aufzuräumen.“ Das habe nicht ich gesagt, auch wenn ich die Aussagen teile, aber das war ein Zitat von Claudia Kemfert, Ökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Leiterin der Energieabteilung, eine der renommierten Fachleute für Energie und Klimaschutz in Deutschland.

Es ist an dieser Stelle kein Platz für das Aufräumen mit den Mythen über die Schuld der erneuerbaren Energien und der Energiewende an den explodierenden Strompreisen. Mir ist allerdings wichtig festzustellen, dass es die Art und Weise ist, mit der bei dieser Energiewende gehandelt wird, die nicht nur die Kosten in die Höhe treibt, sondern sie auch noch in höchstem Maße ungerecht verteilt.

DIE LINKE hat von Anfang an gesagt, wir wollen die Energiewende. Aber so lange die Lasten, die es zweifellos gibt, nur den privaten Verbrauchern und den kleinen und mittleren Unternehmen aufgebürdet werden, kann sie nicht gelingen. Und die Zustimmung bröckelt, das haben Lobbyverbände, wie der neoliberale Verein „Neue Soziale Marktwirtschaft“ mit Wirtschaftsminister Rösler als Speerspitze, schon geschafft.

Ich weiß, alle hier im Hause sagen, Energie muss bezahlbar bleiben. Und ich bin mir ziemlich sicher, egal, wer nachher von der CDU hier sprechen wird, Sie werden von Ihrem …