Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 39. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 39., 40. und 41. Sitzung liegt Ihnen vor.

Im Benehmen mit den Fraktionen wurde die vorläufige Tagesordnung gemäß Paragraf 73 Geschäftsordnung des Landtages dahin gehend geändert, dass die auf den Drucksachen 6/1793 und 6/1794 vorliegenden Anträge in verbundener Aussprache als Zusatztagesordnungspunkt am Donnerstag nach der Fragestunde aufgerufen werden. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1793 und der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/1794 werden als Tischvorlage verteilt.

Wird der so geänderten vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 39., 40. und 41. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 39., 40. und 41. Sitzung die Abgeordnete Frau Dr. Ursula Karlowski zur Schriftführerin.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Land an der Seite der Kommunen – 100 Millionen Euro zusätzlich für Kreise, Städte und Gemeinden“ beantragt.

Aktuelle Stunde Land an der Seite der Kommunen – 100 Millionen Euro zusätzlich für Kreise, Städte und Gemeinden

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Heinz Müller für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! 100 Millionen Euro – das ist ein gewaltiger Betrag. 100 Millionen Euro, die finden Sie heute im Titel der Aktuellen Stunde. Und 100 Millionen Euro, das ist der Betrag, der in den letzten Tagen in den Medien immer wieder diskutiert worden ist und der außerhalb der Medien bei denen, um die es geht, bei den Kommunalpolitikern, eine große Rolle spielt.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, nach meiner Überzeugung geht es nicht nur um 100 Millio- nen Euro, sondern es geht um weitaus mehr. Es geht darum, wie dieses Land, wie Mecklenburg-Vorpommern, wie die Landesregierung, wie dieser Landtag, wie wir, wie diese Koalition sich gegenüber der kommunalen Ebene aufstellt und wie sie der kommunalen Ebene in ihrer unbestritten schwierigen Situation hilft. Und deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich, bevor ich zu den 100 Millionen komme, zunächst über zwei andere Aspekte reden.

Der eine Aspekt sind 55 Millionen. 55 Millionen, das ist der Betrag, der der kommunalen Ebene nach dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz, ja, nach dem von vielen so heftig gescholtenen Gleichmäßigkeitsgrundsatz zu

steht, zusteht aufgrund der Tatsache, dass im Vorjahr, im Jahr 2012, die Steuereinnahmen besser gelaufen sind als erwartet. Auf dieses Geld, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben die Kommunen einen Rechtsanspruch. Aber das Gesetz sagt, dieses Geld ist im übernächsten Jahr zuzuleiten. Das wäre im konkreten Fall also 2014.

Und nun sagt der Chinese: „Das ferne Wasser kann das nahe Feuer nicht löschen“,

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ein guter Spruch.)

und deswegen ist es im Interesse der Kommunen, dass wir dieses Geld von 2014 auf 2013 vorziehen und dass wir dieses Geld, das den Kommunen zusteht, bereits jetzt ihnen zur Verfügung stellen, um ihnen jetzt in ihrer Situation zu helfen. Dieses, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat die Koalition beschlossen und das ist sehr gut für unsere Kommunen.

Ein zweiter Aspekt: Wir haben im Zuge der Kreisgebietsreform eine Reihe von Vermögensauseinandersetzungen zwischen den neuen Kreisen und den jetzt kreisangehörigen, den großen kreisangehörigen Städten. Hier gibt es eine Menge Schwierigkeiten in der Vermögensauseinandersetzung. Und diese Koalition hat beschlossen, dass wir hier massiv helfen wollen, helfen wollen, indem wir Geld des kommunalen Aufbaufonds einsetzen, teils als Zuschuss, teils als Kredit.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Die Einzelheiten werden wir noch aushandeln, die Einzelheiten werden in einem Vertrag stehen. Auch hier ganz konkrete Hilfe in einer ganz konkreten schwierigen Situation unserer kommunalen Ebene. Auch dieses ist Beschluss und auch dieses ist gut so.

Und nun als Drittes jene 100 Millionen, um die es geht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es schon gesagt, 100 Millionen, das ist sehr viel Geld. Und die Art und Weise, wie dieses Geld verteilt werden soll, Sie haben es mitbekommen: in den nächsten drei Jahren in Scheiben von 40, 30 und 30 Prozent, verteilt pro Kopf der Einwohner. Das ist Geld, das ist planbar. Das ist Geld, das ist verlässlich, und das ist Geld, mit dem können unsere Kommunen rechnen. Und dieses Geld wird ihnen helfen in ihrer schwierigen Situation, aus eben dieser Situation herauszukommen, und das ist gut so.

Wir haben also – und ich könnte jetzt hier auch noch den Kofinanzierungsfonds und den Konsolidierungsfonds, die wir ja hier hinreichend diskutiert haben, hinzufügen an eine Reihe von Punkten auf der Einnahmeseite – massiv etwas getan und wir tun es noch für unsere Städte, Gemeinden und Kreise.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und, meine Damen und Herren, vergessen wir nicht, wir sehen sehr wohl auch die Ausgabenseite. Und ich glaube, es war sicherlich vielen zu verdanken, aber in erster Linie auch dem Einsatz von Politikern, und ich meine besonders einer Politikerin, Manuela Schwesig, aus Mecklenburg-Vorpommern,

(Torsten Renz, CDU: Aha!)

dass es gelungen ist, eine Regelung zu finden, dass wir die Grundsicherung im Alter zukünftig nicht mehr bei den Kreisen und kreisfreien Städten haben, sondern beim Bund.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Dieses spart unseren kommunalen Körperschaften bereits in diesem Jahr den Betrag von 39 Millionen Euro und im Jahr 2014 werden es 55 Millionen Euro sein. Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind keine Peanuts, sondern das sind Dinge, wo wir zeigen durch politisches Handeln, dass wir an der Seite dieser Kommunen stehen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Und ich will hier nicht verhehlen, ich finde es ein bisschen erbärmlich, wenn an manchen Ecken dann gesagt wird, ja, jetzt müssen wir aber an die freiwilligen Leistungen ran und jetzt müssen wir bei Kindern und Jugend streichen und müssen das – ich darf das mal so deutlich sagen – glatt machen, um unsere Körperschaften zu konsolidieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir mal in die Größenordnungen gucken, was denn überhaupt für die Jugendpolitik zur Verfügung gestellt wird und welche Probleme auf den Kommunen lasten und welche Beträge durch die von mir genannten Maßnahmen den Kommunen zur Verfügung gestellt werden, dann haben wir hier ein krasses Missverhältnis. Wir werden unsere Kreise und unsere kreisfreien Städte nicht dadurch sanieren, dass wir Jugendarbeit kaputtmachen, sondern wir müssen in den pflichtigen Bereichen die Aufgabenerledigung so wirtschaftlich gestalten, dass wir die Spielräume haben, um solche freiwilligen Bereiche wie den Jugendbereich hinreichend zu finanzieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Das, meine Damen und Herren, ist der richtige Weg.

(Regine Lück, DIE LINKE: Nicht nur versprechen, sondern auch machen. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Kommunale Selbstverwaltung machen. – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kollegin Lück, ich glaube, ich habe gerade deutlich gemacht, wir machen, wir helfen. Wir wissen, es gibt eine schwierige Situation bei den Kommunen. Ich sage mal nur das Thema, das jetzt auf dem ersten Blick gar nichts mit Geld zu tun hat, das Zusammenwachsen von verschiedenen Kreisen, von verschiedenen Personalkörpern. Das ist sicherlich kein einfacher Prozess, aber auch hier müssen wir unterstützend eingreifen und wir müssen vor allen Dingen unterstützend eingreifen, um die Kosten, die dieses Zusammenwachsen nun einmal mit sich bringt, abzufangen. Aber wir dürfen auch die Kommunen selbst nicht aus der Verantwortung entlassen. Auch sie haben hier eine große Aufgabe zu konsolidieren.

Also könnte ich mich hier hinstellen und sagen, alles schön, alles schick. Nein, meine Damen und Herren, das tue ich nicht, denn ich will Ihnen nicht verhehlen, dass

dieses, was ich jetzt hier so positiv beschrieben habe und was ich in der Tat auch sehr positiv finde, an einer Ecke schon eine kontroverse Diskussion mit sich bringt. Das ist die Frage, wie wir diese 100 Millionen, wie gesagt, ein Riesenbetrag für unsere Kommunen, wie wir dies denn verteilen. Und eine Verteilung pro Kopf geht nicht den Weg, den unser Finanzausgleichsgesetz geht, zu sagen, dem Starken geben wir weniger und dem Schwachen geben wir mehr. Es geht nicht den Weg, der von den Kommunen immer wieder gefordert wird, dass wir Finanzverteilungen aufgaben- und ausgabengerecht vornehmen müssten. Die Kommunen, die dieser Verteilungsmodalität nach Kopf zugestimmt haben, dieses ist mir sehr wohl bewusst, fallen an dieser Stelle hinter ihren eigenen Anspruch sehr wohl zurück. Und es ist für mich bedauerlich, dass wir die Chance, mit der Bereitstellung von 100 Millionen Euro auch steuernd einzugreifen, hier nicht nutzen, sondern dass wir einfach nach der Kopfzahl verteilen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Meine Damen und Herren, sicherlich trägt dieses Geld zur Lösung der Probleme auf der kommunalen Ebene bei, aber wir hätten es besser eingesetzt, wenn wir auch steuernd eingegriffen hätten. Und deswegen lassen Sie mich hier für meine Fraktion, aber ich bin ganz sicher, nicht nur für meine Fraktion, sondern auch für sehr viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, die Erwartungshaltung formulieren, dass wir erwarten, dass die Städte, die Gemeinden, die Kreise, die Geld in dieser Weise pro Kopf zugeteilt bekommen, damit so verantwortungsvoll umgehen, wie es ihre Aufgabe ist, und dass sie dieses Geld einsetzen, um nachhaltig ihre kommunalen Körperschaften zu stärken.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig. Sehr gut.)

„Nachhaltig stärken“ kann Schuldenabbau bedeuten. „Nachhaltig stärken“ kann Investition bedeuten. „Nachhaltig stärken“ kann, je nach Situation vor Ort, auch anderes bedeuten. Dies will ich gern der kommunalen Selbstverwaltung überlassen. Aber ich fände es schade, wenn ein Teil dieses großen Betragens wirkungslos und ohne dass wir damit Zukunft gestalten, versickern würde.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Dieses ist Erwartungshaltung und dieses ist etwas, was wir im Gespräch mit der kommunalen Ebene ganz sicher auch noch erörtern werden. Wir sitzen nicht zum ersten Mal zusammen, wir sitzen nicht zum letzten Mal zusammen. Dieses Land, meine sehr verehrten Damen und Herren, hilft seinen Kommunen, es unterstützt seine Kommunen. Dass es beim konkreten Wie in der Koalition dabei manchmal Meinungsverschiedenheiten gibt, ist eine Tatsache.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber es ist eine Tatsache, die Größe dieser Unterstützung, die wir in vielen Punkten den Kommunen geben, denen wir in diesem Punkt 100 Millionen geben, dass man diese Größe der Unterstützung nicht kleinreden kann und nicht kleinreden soll, und deswegen bin ich sicher, dass wir einen großen Schritt zur Lösung unserer Probleme gehen, indem wir dieses Geld zur Verfügung

stellen. Wir wissen, damit lösen sich nicht von allein alle Probleme, aber wir tun einen großen Schritt zur Gestaltung unseres Landes und zur Gewinnung von Zukunftsfähigkeit. Deswegen denke ich, dass das ein großer, ein wichtiger Schritt ist, der gut ist für unsere Gemeinden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Müller.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der „Nordkurier“ vom Sonnabend, dem 20. April zitiert den Liedermacher Pingo, bekannt auch als Ingo Schlüter. Dieser hat den Affenfelsen satt, auf dem die Alphatiere herumturnen, sich Scheingefechte liefern und Mätzchen für die Galerie machen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das war doch ironisch.)

Darüber hinaus kritisiert er die Politik, bei der es viel Diagnose, null Rezepte, viel Kommentar, aber keine Konzepte gibt.

Meine Damen und Herren, man könnte meinen, Ingo Schlüter, alias Pingo,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)