Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

Derzeit ringen die Gerichte im Land um die Sicherung ihrer Standorte und die Künstlerinnen und Künstler in Mecklenburg-Vorpommern ringen um die Theater und Orchester. Gemeinsam ringen wir nun heute um den Erhalt des Ringens im olympischen Programm. Sport verbindet.

Kaum ist diese Sportart auch für Frauen eine olympische Disziplin, möchte das Internationale Olympische Komitee das Ringen ab 2020 aus den Olympischen Spielen verbannen, um jüngeren Sportarten Platz zu machen.

(Michael Andrejewski, NPD: Alles frauenfeindlich.)

Und prompt sind alle dem Ringen verbundene Verbände, Vereine und Sportler sowie die Anhänger dieses Sports aufgesprungen, um die aus ihrer Sicht sportliche Fehlentscheidung doch noch zu verhindern. Ich habe volles Vertrauen, dass diese auf die sportliche Sicht begrenzte Verteidigung des Ringens bei allen Fans und Sportlern in guten Händen ist. Das muss auch so sein, denn wir greifen selbstverständlich mit der heutigen Entschließung nicht in die Autonomie des Sports ein.

Sehr geehrte Damen und Herren, unser Antrag soll auf sportpolitischem Gebiet – und dabei liegt die Betonung auf dem Begriff „Politik“ – unterstützen, die Entscheidung noch mal zu überdenken, auch wenn wir mit dem abschließenden Ergebnis der IOC-Entscheidung leben müssen, egal wie sie ausfällt.

Ich bin mir sicher, dass Ringen ohne Frage weiterhin olympisch bleiben würde, wenn die Sportlerinnen und Sportler Trikots oder Anzüge, die als wirksame Werbefläche genutzt werden könnten, tragen würden, und dann mit Blick auf die erwartbaren Werbeeinnahmen nicht infrage gestellt werden würde. Aber allein die Bandenwerbung genügt nicht, um der Kommerzialisierung Rechnung zu tragen. Diese Entscheidung wäre vor allem auch eine Entscheidung gegen die asiatischen Länder, gegen die Balkanstaaten und gegen die Schwellenländer. Hier ist Ringen wesentlich weiter verbreitet als in den westlichen Ländern. Beim Ringen bedarf es keiner Geräte, es bedarf keiner wahnsinnig teuren Kleidung, und deshalb wird es gerade in diesen Ländern enorm frequentiert.

Unterstützen wir den olympischen Gedanken, damit weiterhin alle Sportler weltweit auch in dieser Sportart im Wettkampf miteinander ringen können und der Sieger auf friedliche Art ermittelt werden kann, denn das ist auch Völkerverständigung, das ist auch Werteverständnis und Werteerhalt.

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt noch einen weiteren Grund, Ringen auch künftig olympisch bleiben zu lassen. Ein Hauptproblem unserer Zeit ist doch ein feststellbarer Werteverlust innerhalb der Gesellschaft. Und hier sehe ich die Verbindung zu der Entscheidung, Ringen aus dem olympischen Reigen auszuschließen. Eine moderne Gesellschaft wird nicht automatisch hip und cool, wenn man mit historischen, verbindenden Traditionen bricht, sie muss auch bewahren. Deshalb reden wir heute nicht über eine Sportart, sondern auch über den Erhalt ursprünglicher Werte, die dem weiterhin so notwendig zu verfolgenden Ziel der Verständigung der Völker dienen sollte.

Ein Blick auf die olympische Hymne, eigens für die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 in Athen geschrieben worden, macht dies deutlich. Sie ist die einzige offizielle olympische Festmusik und Bestandteil aller wichtigen Ereignisse der olympischen Bewegung. Sie hat den Status einer Nationalhymne. Ich zitiere aus der zweiten Strophe der Hymne: „Beim Laufen, Ringen und beim Weitwurf erleuchte die Kraft, die den edlen Spielen innewohnt...“, Ende des Zitats.

Wie soll diese Hymne künftig lauten? Soll Ringen fehlen und es bleiben nur noch Laufen und Weitwurf übrig? Oder tritt eine der als Nachfolger für das IOC in Betracht kommenden Sportarten, die besser vermarktet werden kann, bei der die Einschaltquoten höher sind, an diese Stelle? Die Hymne würde dann wahlweise lauten: Beim Laufen, Baseball, Softball oder Klettern und beim Weitwurf.

Ringen soll aus unserer Sicht olympisch bleiben, deshalb unterstützen wir den vorliegenden Antrag, auch wenn letztendlich die zentralen Sportorganisationen, der DOSB sowie die deutschen Mitglieder im IOC entscheiden müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE, Rainer Albrecht, SPD, und Marc Reinhardt, CDU)

Vielen Dank, Frau Oldenburg.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Rudolf Borchert für die Fraktion der SPD.

Werte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor uns liegt ein Antrag der vier demokratischen Fraktionen zum Erhalt des Ringens als olympische Sportart. Ich finde es sehr gut und auch für das Thema sehr wichtig, dass es uns gelungen ist, diesen fraktionsübergreifenden Antrag so hier einzubringen, und ich gehe davon aus, dass er die entsprechende Zustimmung bekommt.

Ich hätte es gut gefunden, ich hätte gut damit leben können, wenn für die sportpolitischen Sprecher ein Sprecher die Position der Fraktionen hier vertreten hätte, aber die Aussprache war gewünscht. Damit kann ich auch leben, wobei ich natürlich sagen muss, ich habe dem von Frau Oldenburg und von Wolfgang Waldmüller Gesagten nur wenig hinzuzufügen

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich will auch noch was sagen. – Heiterkeit und Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

und Silke Gajek möchte ja auch noch was sagen.

(Jochen Schulte, SPD: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.)

Insofern nur zwei kurze Bemerkungen. Ich glaube, man muss an der Stelle auch wirklich mal Klartext reden und versuchen, sich die Frage zu beantworten: Warum hat das IOC so entschieden? Es ist doch ganz klar, es geht um die schlechten Vermarktungschancen von Ringen und anderen Sportarten. Es geht um Kommerz, es geht um Geldverdienen, und da kommen andere Dinge einfach zu kurz. Das ist eine sehr, sehr kritische Entwicklung, die sich insgesamt in der olympischen Bewegung vollzieht. Da ist das Streichen von Ringen aus dem olympischen Programm, glaube ich, auch nur ein weiteres Indiz für diese insgesamt sehr, sehr – wie ich finde – negative Entwicklung, bei aller Freude über Olympische Spiele und olympische Wettkämpfe.

Ich glaube, es ist immer wieder wichtig, sich zu erinnern: Was ist denn die olympische Idee? Und insofern sehe ich die Entscheidung des IOC auch als sportpolitische Fehlentscheidung, weil sie sich gegen drei wichtige Punkte richtet.

Als Erstes richtet sie sich frontal gegen die olympische Idee, die nicht ausschließlich den Sieg und die Frage im Vordergrund stehen hat, wie man am besten was verdienen kann, sondern es geht um Teilnahme, es geht um Völkerverständigung, es geht um Frieden. Und das wird mit dem Streichen des Ringens aus dem olympischen Programm an der Stelle vollkommen konterkariert.

Zweiter Punkt, Völkerverständigung. Wie soll das funktionieren? Meine Vorrednerin hat das schon gesagt, das Streichen von Ringen aus dem olympischen Programm ist ein Affront, ist ein Affront gegen die osteuropäischen Länder, gegen die Balkanländer, gegen einen Großteil von asiatischen Ländern, ein Affront gegen viele ehemalige Republiken in der Sowjetunion. Insofern ist es praktisch auch aus sportpolitischer Sicht völlig unverständlich, warum das IOC diesen Konfrontationskurs geht zu einem Großteil seiner Mitgliederländer.

Drittens. Die Abschaffung des Ringens aus dem olympischen Programm ist ein Angriff auf traditionelle Rand- sportarten. Ich würde mir wünschen, dass die Vertreter aller Randsportarten auch begreifen, heute geht es um Ringen, morgen geht es um andere Sportarten. Wir brauchen eigentlich Solidarität untereinander.

Ich zum Beispiel stehe auch als ehemaliger aktiver Kanute für die Randsportart Kanurennsport. Kanurennsport war auch schon mehrfach auf der Streichliste des Olympischen Komitees. Bis heute konnten wir uns retten, sage ich jetzt mal so, aber wenn heute oder demnächst Ringen fällt, werden nächstens noch ganz andere Sportarten fallen, die seit Beginn der olympischen Bewegung bisher immer unverzichtbar waren. Insofern muss man dem Einhalt gebieten, dem etwas entgegensetzen.

Der Sportminister hat sich schon entsprechend positioniert und es ist sehr wichtig, dass heute der Landtag mit der Beschlussfassung ebenfalls Position bezieht, auch wenn wir wissen, Landtagsbeschlüsse haben logischerweise nur eine begrenzte Wirkung. Aber es ist wichtig, dass wir uns heute positionieren, und das eine oder andere trägt vielleicht dazu bei, dass die IOC-Vollver-

sammlung dann im September möglicherweise doch noch mal anders entscheidet.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Vielleicht haben die auch Gelder in der Schweiz.)

Insofern ist es auch wichtig, dass Deutschland sich positioniert.

Silke, jetzt hast du mich völlig aus dem Konzept gebracht.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Entschuldigung, das wollte ich nicht.)

Ich wollte mich gerade bedanken für eure und Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu dem Antrag.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das wollte ich nicht.)

Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Borchert.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster von der NPD-Fraktion.

(Michael Andrejewski, NPD: Nicht anwesend. Kein Redebedarf.)

Herr Köster ist nicht anwesend.

Dann hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Gajek für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon vieles gesagt, Rudi, und ich werde jetzt versuchen, noch mal ein bisschen mein Skript zu kürzen,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Diese Vertraulichkeiten hier.)

aber ein paar Dinge möchte ich doch auch noch sagen. Gerade bei der Einmütigkeit des gemeinsamen Antrages müssen wir uns einige Frage stellen, einige sind schon gestellt worden: Geht es hier wirklich nur ums Ringen oder geht es nicht vielmehr um eine Sportart, die die heutigen Erwartungen der Kommerzialisierung nicht mehr erfüllt, keine Quoten bringt, für Sponsoren uninteressant ist? Denn von der ursprünglichen olympischen Idee, die Spiele als Treffen der Jugend der Welt, zum sportlichen Vergleich und zur Völkerverständigung auszurichten, ist nicht mehr viel geblieben.

(Egbert Liskow, CDU: Was?)

Seit der Aufhebung der Amateurregeln in den 1990erJahren hat der Kommerz den Spitzensport weltweit fest im Griff. Selbst als das IOC die Amateurregeln ganz aufhob, bestand zumindest immer noch eine theoretische

Chance, dass die besten Sportlerinnen und Sportler der Welt, ob Profi oder Amateur, ihre Kräfte in allen olympischen Disziplinen messen. Allerdings mit zwei Ausnahmen und es gab auch schon in unserer Fraktion über diese zwei Ausnahmen Diskussionen. Das eine ist das Boxen, seit 2004 ohne Profis, und das andere ist der Männerfußball, seit 1992 begrenzt auf drei Spieler über 23 Jahre. Warum wird also der Fußball nicht von der Olympiade genommen oder für Profis geöffnet? Handelt es sich hier in der jetzigen Form im Gegensatz zu anderen Sportarten nicht immer um die weltbesten Fußballer, sondern um ein in der Wahrnehmung klar zweitrangiges Ereignis?

Was das olympische Fußballturnier jedoch so interessant macht, ist folgender Fakt: Handelt es sich doch hier um ein Schaulaufen der besten Nachwuchsspieler der Welt vor den Scouts der internationalen Großvereine.

(Egbert Liskow, CDU: Aha!)

Zählt hier noch der olympische Gedanke? Ich glaube, nicht. Was zählt in den Augen der Veranstalter und des IOC, sind Dollarzeichen.

Heute sind Olympische Spiele von anderen durchkommerzialisierten Sportspektakeln kaum mehr zu unterscheiden, höchstens darin, dass sie diese in der Event- und Produktvermarktung sogar noch übertreffen. Und so wurde Olympia zu einem Ereignis, das ohne intensive Sportförderung beziehungsweise ohne großzügige Spon- soren nicht mehr vorstellbar ist. Leider werden dadurch auch die Sportlerinnen und Sportler oft einem immensen Druck ausgesetzt. So verwundert es nicht wirklich, dass, nachdem mit Tennis bereits 1988 eine, sagen wir mal, elitäre Sportart dazukam, 2016 nun Golf folgt, dafür aber Ringen verschwinden soll.

Doch machen wir uns nichts vor, es gibt zum Glück Bereiche, für die die Landespolitik nicht zuständig ist und aus denen wir uns auch heraushalten sollten. Die Entscheidung des IOC, die ja noch nicht einmal endgültig ist, gehört für mich dazu, und zwar unabhängig davon, ob mir persönlich diese Entscheidung dann gefallen wird oder nicht. Es ist aber auch legitim, Unmut über diese Entscheidung zu äußern und sich solidarisch mit denen zu erklären, die sich für den Erhalt des Ringens als olympische Sportart einsetzen. Gerade den weniger massentauglichen oder nicht so kommerzialisierbaren Sportarten, wie etwa dem Ringen, die nicht ständige Fernsehpräsenz haben, sollte zumindest alle vier Jahre die Möglichkeit gegeben werden, sich bei den Olympischen Spielen der Welt zu präsentieren.