Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

in keinem Kontext genannt. Das finde ich eigentlich sehr schade, vor allem, wenn man immer wieder in den Fokus reingeht sozial Schwache, sozial Benachteiligte. Ich finde, da muss eine Stringenz hin, eine Nachhaltigkeit und insbesondere eine Weitsicht.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte jetzt noch mal auf die Sprachstörungen kommen, auch meine Vorrednerinnen und Vorredner haben sich dazu geäußert. Hier wird wieder deutlich, dass die Landesregierung sehr stark auf Behandlung und Therapie setzt. Ich lese etwas anderes daraus, dass, obwohl eben die Steigerungen da sind und insbesondere regional unterschiedlich – das wird explizit darin konstatiert –, die These dazu ist, dass es die Versorgungsdichte der Logopäden offensichtlich ist, die in Schwerin und Rostock besser ist. Nähere Analysen geschweige denn Strategien, beispielsweise wie zukünftig in den Landkreisen dazu agiert werden soll, fehlen. Hier ergeben sich für mich sehr, sehr viele Fragen und ich werde beantragen,

(Torsten Renz, CDU: Auch noch? Haben Sie überhaupt so viel Redezeit?)

dass der Bericht für uns als Bündnisgrüne nicht erledigt ist,

(Bernd Schubert, CDU: Oh!)

denn die sechs Ziele, die in der letzten Woche auf den Tisch gelegt wurden, werden ja in diesem Kontext gar nicht diskutiert. Und von daher werden wir für eine Überweisung in den Sozialausschuss, in den Bildungsausschuss und auch in den Landwirtschaftsausschuss plädieren.

Aber ich finde ein paar andere Dinge noch mal sehr beachtlich. Und das sind wirklich die Auffälligkeiten im psychosozialen Verhalten. Hier wird von geschlechtsspezifischen Unterschieden ausgegangen. Das Ministerium sieht hier eine Befundhäufung, schreibt auf für eine zukünftige Dokumentation, dass man hier mehr darauf achten muss, aber...

(Peter Ritter, DIE LINKE: Kenntnisnahme.)

Es ist keine Kenntnisnahme, ich finde schon, dass man über so einen Bericht diskutieren sollte.

(Bernd Schubert, CDU: Das hättet ihr gerne. – Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Torsten Renz, CDU)

Hier sind Zahlen drin, die uns aufhorchen lassen sollten. So ist von einer Verdreifachung der Kinder und Jugendlichen in Tageskliniken seit dem Jahre 2002 zu lesen. Gleichfalls gibt es eine stetige Steigerung der stationären Unterbringung. Das ist besorgniserregend, es gibt dort keine Lösungsansätze. Es gibt nicht einen Hinweis auf die Diagnostik ADHS und die damit oftmals in Verbindung stehende Medikamentierung. Das sind Zivilisationskrankheiten, denen man sich stellen muss,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die schon in den Gewässern nachzuweisen sind.)

und es kann nicht das Ziel sein, Kinder schon frühzeitig mit Ritalin ruhigzustellen.

Auch das Thema übergewichtige, adipöse Kinder, es ist immer wieder der Hinweis auf den Sozialstatus. Ich finde dieses exklusiv und finde, es gibt auch noch andere Themen, denn sie sind einseitig und stigmatisierend. So wird emotionale Armut oder vielleicht auch der erlebte Druck der Leistungsgesellschaft schon seit Jahren im Zusammenhang mit Verhaltensauffälligkeiten oder gar auch Essverhalten diskutiert. Die Entwicklung von Anorexia und Bulimie wird in diesem Bericht nicht einmal erwähnt.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Gibt es das in Mecklenburg-Vorpommern gar nicht?)

Festgestellt wird lediglich, dass zukünftig regelmäßige Qualitätskontrollen zu gewährleisten seien, sodass die Merkmalserhebung nach einheitlichen Kriterien erfolgen könnte. Das reicht uns nicht.

Und lassen Sie mich auf zwei ganz wichtige Aspekte eingehen, es handelt sich um Menschen im Jugendalter. Das sind erstens die Kinder und Jugendlichen mit Behinderung. Im Bericht ist zu lesen, dass der Anteil deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt, wobei bei der Altersgrenze der inzwischen 15- bis 18-Jährigen ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen ist. Womit der Anstieg zu erklären ist und wie in diesem Zusammenhang Jugendgesundheitsziele insbesondere im schulischen und außerschulischen Bereich umgesetzt werden können, bleibt völlig unbeantwortet.

In Aussicht gestellt wird ein Maßnahmenplan für integrative Einrichtungen bei der Frühförderung. Ich zitiere jetzt: „Der Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule findet zumindest Erwähnung ohne eine weitere Konkretisierung.“ Ungeklärt bleibt auch weiterhin, welche Rolle die Expertenkommission für die inklusive Bildung M-V bis 2020 spielt. Inklusion sucht man fast vergebens in diesem Bericht und ich denke, auch im Zusammenhang mit Kinder- und Gesundheitszielen ist die Inklusion ein Ziel und eine Aufgabe, der sich alle Ministerien stellen sollen. Und auch hier ein Kritikpunkt: Eine optimale Zusammenarbeit der Ministerien scheint es nicht zu geben.

Ein zweites Beispiel ist der Sport, der Sport am Beispiel der Mitgliedschaft in einem Sportbund, und das ist echt äußerst interessant, was da zu lesen ist. Es wird ein Rückgang der Mitgliedschaften im Landessportbund festgestellt. Die Struktur der Mitgliedschaft ist aus geschlechtsspezifischer Sicht äußerst interessant. So gibt es bei den 0- bis 6-Jährigen so einen passgleichen Organisationsgrad, bei den 7- bis 14-Jährigen sind die Mädchen schon weitaus weniger organisiert

(Stefanie Drese, SPD: Was?)

und bei den 15- bis 18-Jährigen sind die Mädchen fast zur Hälfte weniger organisiert in Sportvereinen.

(Jochen Schulte, SPD: Frauen sind halt Individualisten. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Ich finde, das ist eine Frage, darauf habe ich keine Antworten. Hier wäre zu …

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD)

Nee, ganz ruhig. Der Bericht ist so offen, lässt so viel Interpretationen zu.

(Die Abgeordnete Silke Gajek trinkt Wasser. – Bernd Schubert, CDU: Nehmen Sie erst mal einen Schluck!)

Wasser!

Also woran liegt diese Entwicklung? Welche Erklärung hat das Ministerium zu dieser Entwicklung? Und gibt es unterschiedliche Entwicklungen in den Regionen und bei den Sportarten? Das ist nämlich eine interessante Frage.

(Torsten Renz, CDU: Frauenfußball ist aber im Kommen.)

Und welche Strategien verfolgt die Landesregierung,

(Torsten Renz, CDU: Früher haben Frauen überhaupt keinen Fußball gespielt, also steigende Zahlen. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

um eine stärkere Einbindung von Mädchen zu fördern? Fragen, Fragen, Fragen und viel Spielraum für Interpretationen.

Ist der Bereich frühe Förderung bei der Durchsetzung der Kinder- und Gesundheitsziele noch weitgehend gut aufgestellt, findet der Bereich Bildung in Schule kaum eine Erwähnung, und wenn, dann nur im Zusammenhang mit Alkohol, Rauchen und Sucht. Die kontinuierliche Zusammenarbeit und verzahnte Maßnahmenentwicklung der Ministerien Soziales, Bildung und auch Verbraucherschutz scheint hierbei nicht auf der Agenda zu stehen. Präventive, ganzheitliche und an Kinder- und Jugendgesundheit orientierte und befördernde Strategien und Handlungsempfehlungen wie beispielsweise vernetzte, sektorenübergreifende Systeme und Angebote fehlen mir fast gänzlich. Der Fokus liegt stark auf Kontrolle, Diagnostik und Therapie – ein paternalistisches und sozialstatusorientiertes Gesundheitssystem.

Ferner wird der uns,

(Bernd Schubert, CDU: Die rote Lampe.)

Also …

(Andreas Butzki, SPD: Schon die rote Lampe?!)

Doch, habe ich auch gesehen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Also da ich jetzt auf die sechs Ziele auch nicht mehr eingehen konnte, wiederhole ich das noch mal: Ich bitte um die Überweisung, damit wir die sechs Gesundheitsziele noch mal explizit betrachten. Und ich finde auch, ein Sozialausschuss ist dafür ein gutes Gremium.

(Torsten Renz, CDU: Geht denn das nach der Geschäftsordnung?)

Ja, ich habe mich erkundigt, ja.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Gajek.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau FriemannJennert für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass uns die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere der Kinder und Jugendlichen, am Herzen liegt, möchte ich gleich als Erstes noch einmal dick herausstellen und unterstreichen. Sie brauchen sich nur die Koalitionsvereinbarung unter Punkt VII anzuschauen: entsprechende Strategiepapiere, Landesaktionsplan und zahlreiche Berichterstattungen zur Gesundheit im Lande. Bei Familien- und Jugendpolitik, bei sozialer Unterstützung, Integration, Inklusion, überall findet man den Bezug zu Aktivitäten der Koalition. Da lässt sich die Ministerin von der Opposition und überhaupt gewiss nicht gern nachsagen, sie trage nichts oder zu wenig zur Gesundheitsförderung und Prävention als gesamtgesellschaftlicher Aufgabe bei.

Nun passt das Thema ja ganz gut in den Bundestagswahlkampf, wo dann an allem, was Regierung macht, kein gutes Haar gelassen wird und jeder dem potenziellen Wähler seine Maximalforderungen vorsetzt. Wenn in den nächsten Tagen nun der Gesetzentwurf zur Prävention den Bundesrat passiert, wird das eine Grundlage für die Länder sein, an der Integration der Gesundheitsförderung in die Lebenswelten, in den Alltag hinein weiter zu arbeiten.

Nun ja, vielleicht kann man unsere eigene Berichterstattung auch einfach als ein Stück des Entwicklungsweges bezeichnen, denn perfekt wird niemals etwas sein. Wer weiß schon, mit welchen Problemen der Gesundheit und Prävention wir uns tatsächlich in 20 Jahren herumschlagen müssen, nicht nur bei Kindern und Jugendlichen. Der Begriff „Prävention“ allein ist dabei schon ein bisschen schwammig. Vorbeugung oder Früherkennung von Krankheiten ist zu wenig, deshalb auch Gesundheitsförderung durch Maßnahmen und Aktivitäten, mit denen die Stärkung der Gesundheitsressourcen und -potenziale erreicht werden soll.

Gesundheit wird von der WHO weniger als ein Zustand oder Ziel als vielmehr als eine Ressource des täglichen Lebens bezeichnet. Sie ist laut der Bangkok-Charta der WHO aus dem Jahre 2005 der Weg zu einer höheren Lebensqualität. Je eher etwas dazu beigetragen wird, umso besser.

Wer ist schon kerngesund heutzutage? Die Frage stellen wir uns stellvertretend für unsere Kinder und Jugendlichen zu Recht. Ein Kinderarzt sagte einmal zu mir: Was erwarten Sie denn, wenn die Kinder bestimmte Substanzen bereits mit der Muttermilch aufnehmen? Von dieser Seite hatte ich es damals gar nicht betrachtet. Es ging um Wachstumsbeschleunigung bei Tieren, deren Fleisch die Muttis wiederum aßen, es ging um Kinder von alkohol- und drogenabhängigen jugendlichen Müttern, was sich wiederum auf deren Kinder auswirkte – Kreisläufe, aus denen schwerlich herauszukommen ist und die letztlich die Problemfälle bei Behörden und Hilfeträgern darstellen, Quintessenz: hohe Sozialkosten. Denen hätte vorgebeugt werden können, wobei man mich nicht mehr