Wer ist schon kerngesund heutzutage? Die Frage stellen wir uns stellvertretend für unsere Kinder und Jugendlichen zu Recht. Ein Kinderarzt sagte einmal zu mir: Was erwarten Sie denn, wenn die Kinder bestimmte Substanzen bereits mit der Muttermilch aufnehmen? Von dieser Seite hatte ich es damals gar nicht betrachtet. Es ging um Wachstumsbeschleunigung bei Tieren, deren Fleisch die Muttis wiederum aßen, es ging um Kinder von alkohol- und drogenabhängigen jugendlichen Müttern, was sich wiederum auf deren Kinder auswirkte – Kreisläufe, aus denen schwerlich herauszukommen ist und die letztlich die Problemfälle bei Behörden und Hilfeträgern darstellen, Quintessenz: hohe Sozialkosten. Denen hätte vorgebeugt werden können, wobei man mich nicht mehr
Momentan, meine Damen und Herren, läuft in der Werbung von irgendeinem privaten Fernsehsender ein Präventionsvideo, das mich sehr nachdenklich stimmte. Darin wirbt eine Schwangere dafür, es ihr gleichzutun, nämlich während der Schwangerschaft keinen Alkohol zu trinken. Einerseits fand ich die Idee vorbildlich, so für eine gute Sache zu werben, andererseits erschreckend, weil es scheinbar keine Selbstverständlichkeit ist. Leider weiß ich nicht, ob die „Generation Mobiltelefon“ solche Clips zur Kenntnis nimmt. Ich kann es nur hoffen, denn zur Prävention soll uns das Fernsehen, der PC auch recht sein, wobei wir den Gefahren, die die audiovisuellen Medien und schlechte Vorbilder bergen, dann gleich mit ins Gesicht sehen.
Bei den Kindern sind das Bewegungsmangel, motorische Schwächen, Übergewicht, Adipositas, Konzentrationsschwierigkeiten, Sprachstörungen, psychische Auffälligkeiten, um die negativen Trends und stagnierenden Bereiche zu nennen. Belastbarkeit und Verhalten sind auch zurückzuführen auf das, was den Kindern und Jugendlichen von zu Hause mit auf den Weg gegeben wird. Selbst wenn wir einen Kinder- und Jugendgesundheitsbericht des Landes zur Kenntnis nehmen, möchte ich dennoch die Eltern nicht aussparen, an denen ja letztlich die Verantwortung für ihre Kinder hängt.
Im Übrigen sehe ich die Berichte immer auch als Grundlage weiterer Arbeit. Oder schmeißen Sie, liebe Silke Gajek, den Bericht nach dem TOP in den Papierkorb?
Als erfreulich möchte ich die Stagnation keinesfalls stehen lassen, denn wenige Kinder hat unser Land. Kinder werden erwachsen, und vorausgesetzt, sie verlassen Mecklenburg-Vorpommern nicht, sind sie einmal unser Potenzial, unser Potenzial an Arbeitskräften. Schwieriges Potenzial? Leider fehlt dem Bericht eine direkte Aussage darüber, wie viele Kinder und Jugendliche insgesamt als gesund gelten. Es würde mich freuen, wenn bei der nächsten Berichterstattung entsprechende Daten darin zu finden sind. Wir reden über Befunde wie herabgesetzte Sehschärfe, Auffälligkeiten in der Grob- und Feinmotorik und so weiter, was ja keine Krankheiten sind. Aber entsprechend hohe Ausprägungen führen letztlich zu häufigeren Arztbesuchen oder Therapiebedarfen. Dies ist der Teufelskreis, der durchbrochen werden soll, was im nationalen Prozess auch Eingang in die landesspezifischen Umsetzungsstrategien gefunden hat.
Was der Bund unter dem Namen „Gesund aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung, Ernährung“ auf der Agenda hat, heißt bei uns „Gesunde Kinder – Gesundes Land. Chancengleich gesund aufwachsen in Mecklenburg-Vorpommern“.
Ein paar Beispiele: Unserem Kinder- und Jugendgesundheitsbericht zufolge ist Säuglingssterblichkeit keine Wirkung von Unterernährung. Dem medizinischen Fortschritt ist es zu verdanken, dass sich die Überlebenschancen für Säuglinge und Kleinkinder erhöht haben. Eine gestiegene Zahl an Kindern hat naturgesunde Gebisse. Die frühen Untersuchungen werden flächendeckend genutzt, was auch durch ein Erinnerungssystem
erreicht wird. Hier stellt sich mir die Frage, was passieren würde, ließe man dieses Erinnerungssystem weg. Bringen die jungen Eltern es fertig, ihre Sprösslinge dann auch zu den Untersuchungen zu bringen, würde mich interessieren.
Stringente Gesetzgebung, um die Kinder und Jugendlichen von Zigaretten und Alkohol abzuhalten, ja, das ist umgesetzte Prävention. Reden hilft leider meist nicht viel. Kinder und Jugendliche gehen seit jeher über Grenzen.
Zur Bekämpfung und zur Vorbeugung von Übergewicht und Adipositas sind Maßnahmen getroffen. Wie ich hörte, ist ein sektorenübergreifendes Konzept vorgelegt worden, was auf der Kindergesundheitskonferenz angekündigt wurde. Schade, dass die Konferenz nicht so auf die Termine des Landtages, auf die Sitzungszeit abgestimmt ist.
Wenn ich nun auf die gehäuften Fälle von Sprachstörungen komme, dann stimmt es mich auch nicht froh, wenn dies die Wirkung von gestiegenem Bewusstsein im Umfeld der Kinder sein soll. Der Ausgleich wird nun durch gezielte Maßnahmen vollzogen und ich bin gespannt darauf, wie schnell wir zu einer verbesserten Situation gelangen. Gleiches gilt für psychische Auffälligkeiten.
Ich hoffe, dass die Bemühungen um ein gesundes Selbstwertgefühl bei betroffenen Kindern und Jugendlichen dazu führen, ihre Gesamtgesundheit zu befördern. Keines fällt durchs Sieb, keinem Kind darf so etwas passieren. Deshalb begrüßt die CDU-Fraktion die Berichterstattung, verknüpft mit dem Wunsch, unserer aller Zukunft, unseren Kindern, alle Möglichkeiten zu eröffnen, sich gesund zu entwickeln. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mein Fraktionskollege und gesundheitspolitischer Sprecher, Herr Koplin, hatte bereits zu dem Bericht gesprochen, die Vor- und Nachteile aus unserer Sicht dargestellt und hat den Übergang von dem Gesundheitsbericht zu den Kinder- und Jugendgesundheitszielen bereits gemacht. Daran möchte ich gerne anknüpfen.
Als Teilnehmerin an der Kinder- und Jugendgesundheitskonferenz letzten Donnerstag wurde mir wieder deutlich, dass wir uns mit der Verabschiedung von Gesundheitszielen nicht am Ende, sondern am Anfang eines langen Arbeitsprozesses befinden. Deutlich geworden ist, dass die Umsetzung von Gesundheitszielen nicht durch einen Beschluss des Landtages oder durch eine Verordnung des Ministeriums zu erreichen ist, vielmehr brauchen wir
die Umsetzung der Motivation aller Beteiligten, die Verabredung konkreter Umsetzungsschritte und Geld.
An der Grundeinstellung und Motivation scheint es mir nicht zu mangeln. Sicher sind hier die Eltern noch mehr gefordert – und darauf sind Frau Schwesig und auch Herr Barlen eingegangen –, gerade auf ihre Vorbildwirkung kommt es an, und die, so zeigte die Konferenz, muss noch mehr gestärkt werden. Mitzunehmen sind aber auch die Kitaleiterinnen und Verwaltungsangestellte. Tatsache ist aber auch, dass bereits jetzt eine Vielzahl an Projekten und Initiativen zur Verbesserung der Gesundheit unserer Kinder existiert, sei es im Landessportbund, sei es die Verbraucherzentrale, bei den Frühförderstellen oder sei es im öffentlichen Gesundheitsdienst. Die Kinder- und Jugendkonferenz hat mir nochmals verdeutlicht, dass bereits jetzt viele Akteure an der Verbesserung der Gesundheit arbeiten. Dies schätzen wir als Linksfraktion sehr und bedanken uns dafür. An der Motivation scheint es also grundsätzlich nicht zu mangeln.
Und so komme ich zu den Umsetzungsschritten und zum Geld. Beides hängt miteinander zusammen und so habe auch ich den Eindruck, dass genau aus diesem Grund manches im Ungefähren bleibt.
Schauen wir uns das Papier zur Neuausrichtung der Kinder- und Jugendgesundheitsziele an, zum Beispiel Sport. Hier wird richtigerweise darauf verwiesen, dass die Weltgesundheitsorganisation Kindern und Jugendlichen 60 Minuten tägliche Bewegung empfiehlt. Folgerichtig werden fünf Teilziele beschrieben, darunter Qualifizierung der Fachkräfte, tägliche Bewegungszeiten, kinderfreundliche Verkehrswege und so weiter. Aber Angaben zum Mitteleinsatz, zum Zeitpunkt, wann was angegangen wird, das fehlt leider. Es bleibt bei der Beschreibung der Ziele, ohne zu sagen, was wann erreicht werden soll. Diese Struktur zieht sich im Papier zur Neuausrichtung der Kinder- und Jugendgesundheitsziele durch und bleibt dadurch unbefriedigend.
Und, Frau Schwesig, Sie haben auf der Kinder- und Jugendgesundheitskonferenz gesagt, dass die Kinder- und Jugendförderung parteipolitisch zerredet würde, und auch von Frau Friemann-Jennert klang das an. Ich vermute mal, dass damit die Opposition gemeint ist, aber dieser Satz gibt die Realität nicht wieder.
Kritik an der Förderpolitik von Kindern und Jugendlichen ist keine Majestätsbeleidigung, sondern ist notwendiger Bestandteil unserer Demokratie. Und ich will Ihnen dazu auch gerne zwei Beispiele nennen.
Frühkindliche Bildung nach dem Kindertagesförderungsgesetz ist nach Ansicht des Ministeriums ein wesentlicher Schlüssel zur präventiven Gesundheitsförderung von Kindern. Tatsächlich bleibt aber offen, wie diesem Ziel entsprochen werden kann. Ich habe gerade in der letzten Landtagssitzung bei der Einbringung des KiföG darauf hingewiesen und tue es immer wieder: Es ist folgerichtig, die Fachkraft-Kind-Relation im KitaBereich zu verbessern, so, wie es die KiföG-Novelle vorsieht. Kindergartenerzieherinnen und -erzieher benötigen vor allem Zeit, um mit den Kindern Bewegungsprogramme durchzuführen oder gemeinsam und gesund zu kochen.
Aber es bleibt dabei, das drängendste Problem, die Unterfinanzierung des Gesamtsystems, wird nicht angefasst. Wer aber Standards setzt, muss diese auch ausfinanzieren und dafür Sorge tragen, dass diese eingehalten werden. Dies gilt für pädagogische Entwicklungsziele im Besonderen wie auch für die allgemeinen Gesundheitsziele zur Stärkung der physischen und psychischen Widerstandsfähigkeit, über die wir heute reden.
Und weil Sie auf die Chancengleichheit eingegangen sind als vorderstes Ziel und insbesondere auf das DESKVerfahren: Die Förderung nach dem DESK-Verfahren – und das hatte ich auch schon in der letzten KiföGDebatte deutlich gemacht – hat mit Chancengleichheit nichts zu tun. Dieses Beobachtungs- oder Diagnostikverfahren wird in zehn Prozent der Kitas in Brennpunkten angewandt. Ich frage aber, wo bleiben die 90 Prozent der anderen Kindergärten, die ebenfalls von Kindern mit Förderbedarfen besucht werden. Das hat nichts mit Chancengleichheit zu tun. Dieses DESK-Verfahren wird nicht flächendeckend angewandt.
Der Bildungsminister hat es auch ausgeschlossen, dass es flächendeckend angewandt wird, insofern zu Ihrem Einwand, Herr Barlen.
Hier sollte aber die mobile Frühförderung noch mehr in den Blick geraten. Wenn Erzieher/-innen pädagogisch feststellen – und dazu sind sie in der Lage und das sollte ihnen auch niemand infrage stellen –, zu der Einschätzung kommen, dass ein Kind individuellen Förderbedarf hat, dann gibt es die Möglichkeit der mobilen Frühförderung. Aber was wir in der Praxis erleben, ist, dass diese Form immer wieder ins Hintertreffen gerät, immer wieder infrage gestellt wird. So hatten beispielsweise die Vertreter der mobilen Frühförderung auch Probleme, überhaupt letzte Woche auf der Kinder- und Jugendgesundheitskonferenz einen Part zu finden. Ich denke, hier muss noch mehr darauf geachtet werden, dass gerade für diesen Bereich mobile Frühförderung da ist.
Qualitätsstandards bei der Kita- und Schulverpflegung sind wichtig. Herr Koplin hat vorhin darauf aufmerksam gemacht, dass der Anteil übergewichtiger Kinder während der Schulzeit zunimmt. Die Sozialministerin gibt in ihrer Pressemitteilung vom 9. April zum Kinder- und Jugendgesundheitsbericht an, dass die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Kitas in Mecklenburg-Vorpommern konsequent umgesetzt werden.
Nun konnte ich leider letzte Woche am Donnerstagvormittag nicht an der Kinder- und Jugendgesundheitskonferenz teilnehmen,
weil ich mit der Kitaleiterin in Stralsund die Novelle des KiföG besprach. Aber beide Termine haben sich idealerweise ergänzt. Von den Praktikerinnen in Stralsund wurden mir drei Hauptschwerpunkte bei der KiföG-Novelle mitgegeben. Ein Schwerpunkt betrifft die Vollverpflegung. Und das wird Herr Lindner bestätigen können, denn ihm wurde das Papier auch übergeben. Danach wünschen sich die Kitaleiterinnen eine gesunde und vollwertige Vollverpflegung und gute Rahmenbedingungen dafür. Das kann ich im Übrigen auch nur begrüßen. Aber die
Frage bleibt: Wer bezahlt dies? Bezahlen tun dies allein die Eltern. Auch nach der neuen KiföG-Novelle bleibt dies Problem erhalten, außer sie können die Verpflegungskosten über das Bürokratiemonster „Bildungs- und Teilhabepaket“ abrechnen.
Ich möchte Ihnen dazu die passende Passage aus dem Schreiben der Kitaleiterinnen vorlesen: „Im KiföG M-V … wird geregelt, dass in Kindertageseinrichtungen eine gesunde und vollwertige Verpflegung der Kinder während der gesamten Betreuungszeit angeboten werden soll. … Die Kosten … dafür tragen in vollem Umfang die Eltern. … Um diese Forderung sozial gerecht realisieren zu können, wäre eine kostenlose Verpflegung aller Kinder in den Kindertagesstätten eine wichtige Voraussetzung.“
Richtig so, sage ich. Aber wie gesagt, auch mit der vorliegenden KiföG-Novelle wird das Problem nicht angegangen. Die Verantwortung einer gesunden und vollwertigen Verpflegung bleibt alleine bei den Eltern. Wenn es aber um eine chancengleiche Gesundheit und chancengleiches Aufwachsen in Mecklenburg-Vorpommern geht, dann kann eine Verpflegung nicht alleine von den Eltern, von deren Finanzen abhängen, sondern hier ist auch Politik gefragt, ein Zeichen zu setzen.
Es wäre deshalb ein richtiger Schritt, wenn sich das Land substanziell an der Finanzierung der Vollverpflegung, an den Verpflegungskosten beteiligt. Erst nach diesem Schritt wäre die Pressemitteilung, dass die Qualitätsstandards bei der Verpflegung in Kitas und Schulen in Mecklenburg-Vorpommern konsequent umgesetzt werden, angebracht.
Meine Damen und Herren, die Workshops der Gesundheitskonferenz letzte Woche haben darüber hinaus eine Vielzahl von Anregungen und Aufträgen an die Politik hervorgebracht. So wurden für Kitas Bewegungsräume, Fortbildungsprogramme für Erzieherinnen und Erzieher, kleinere Gruppen, eine kostenlose Vollverpflegung und anderes mehr eingefordert.
Mir ist völlig klar, dass hier nicht nur das Sozialministerium allein gefragt ist. Die Träger von Kitas und Schulen und nicht zuletzt die Eltern sind alle gehalten, ihre Verantwortung zur Umsetzung der Kinder- und Jugendgesundheitsziele wahrzunehmen. Es wäre schon ein Fortschritt, wenn das Sozialministerium die Realität zur Kenntnis nehmen und sich mit den Beteiligten auf Schritte zur Umsetzung einigen würde. Dann könnte ich auch sehr gut die Erfolgsmeldung der Ministerin in der Presse nachvollziehen.
Sie sehen, mit dem Bericht gibt es noch sehr viele Probleme, die wir gerne im Sozialausschuss ebenfalls diskutiert hätten. Frau Gajek hatte die Überweisung in verschiedene Ausschüsse beantragt.
Im Benehmen mit dem Ältestenrat, hatten wir in der Geschäftsordnung nachgeschaut, geht das schon. Wir würden den Finanzausschuss mit dazunehmen.