Protokoll der Sitzung vom 29.05.2013

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Keine Energie- wende ohne Bioenergie. Das ist die Drucksache 6/1915. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1932 vor.

Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Keine Energiewende ohne Bioenergie – Drucksache 6/1915 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/1932 –

Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Herr Borchert von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen und Monaten war das so, dass beim Thema Energiewende insbesondere über Offshorewindenergie gesprochen wurde, auch über Fotovoltaik, kaum über Bioenergie. Dabei ist gerade die Bioenergie ja die Energieform, die den größten Beitrag zu den erneuerbaren Energieerzeugungen leistet. Das war und ist der Anlass für die Koalitionsfraktionen, den Ihnen vorliegenden Antrag heute zu beraten: „Keine Energiewende ohne Bioenergie“.

Mit rund 70 Prozent hat sie den größten Anteil an der Primärenergiebereitstellung aus erneuerbaren Energien. Die Bioenergie ist ein Alleskönner und das unterscheidet sie von den anderen erneuerbaren Energieträgern für Strom, Wärme und Kraftstoffe. Insofern ist die Bioenergie zu Recht der zentrale Eckpfeiler der Energiewende. Biomasse ist zum Beispiel im Kraftstoffsektor bislang die einzige erneuerbare Energiequelle. Bei der Wärmeversorgung hat die Bioenergie einen Anteil von 90 Prozent und ist somit also deutlich die überwiegende erneuerbare Energiequelle. Auch bei der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien belegt die Bioenergie hinter der Windkraft und vor der Fotovoltaik den zweiten Platz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bioenergie leistet also einen wesentlichen Beitrag zur Ablösung von fossilen Ressourcen, zum Klimaschutz und zur Wertschöpfung und Beschäftigung vor allem im ländlichen Raum. Besondere Vorteile der Bioenergie sind neben der flexiblen Einsetzbarkeit die Grundlast- und Speicher- fähigkeit von Biogas. Und durch die energetische Verwertung von Rest- und Abfallstoffen, landwirtschaftlichen Koppelprodukten, wie Getreide, Schlempe und Landschaftspflegematerial, werden regionale Wertschöp

fungsketten gestärkt.

Unser Land, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat als bevölkerungsarmes Land mit umfangreichen Ackerflächen die besten Voraussetzungen für die Bio

energie und mit 23 Prozent bereits jetzt einen bundesweit herausragenden Anteil von Bioenergie am Primärenergieverbrauch. Grundlage dafür sind circa 20 Prozent unserer Ackerfläche, das heißt, so circa 26.000 Hektar. Laut Bioenergieatlas gab es in Mecklenburg-Vorpom- mern im Jahre 2011 241 Biogasanlagen mit insgesamt 164 Megawatt, 10 Holzheizkraftwerke mit 52 Megawatt, 17 Klär- und Deponiegas-Pkws mit 14 Megawatt, über 1.700 Holzzentralheizungen mit insgesamt 51 Megawatt Wärmeleistung und 20 Biokraftstoffanlagen zur Produktion von Biodiesel, Pflanzenöl und Bioethanol mit circa 500.000 Tonnen Produktionskapazität.

Meine Damen und Herren, auch wenn die Flächenpotenziale bekannterweise begrenzt sind, gibt es zukünftig die Chance, weitere Potenziale zur stärkeren Nutzung von Rest- und Abfallstoffen und Energieeffizienzverbesserung der Flächennutzung zu erschließen, sodass ich sicher bin, dass die Bioenergie zukünftig eine wichtige Rolle innerhalb der Energiewende übernehmen wird.

Meine Damen und Herren, die Bioenergie ist also demzufolge bereits jetzt ein Jobmotor. Von den derzeit circa 12.000 Bruttobeschäftigten im Wirtschaftsbereich Erneuerbare Energien sind alleine im Bereich der Bioenergie circa 6.000 Menschen beschäftigt, also praktisch jeder Zweite in dem Bereich arbeitet in der Bioenergiebranche. Als wichtigste Nebenerwerbsquelle für landwirtschaftliche Betriebe ist sie oftmals inzwischen das wichtige zweite Standbein für die lokale Landwirtschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Energieministerium unterstützt und fördert seit Jahren den Ausbau der Bioenergie – und vorher natürlich das Landwirtschaftsministerium – mit der Klimaschutzrichtlinie und anderen: für die wärmegeführten Biogas-, Klärgas- und Deponiegasanlagen mit BAKWs, insbesondere zur KraftWärme-Koppelung, Heizungsanlagen, die Holz oder Stroh nutzen, Nahwärmenetze, Mikrogasnetze oder vor allem auch Demonstrationsanlagen zur Speicherung von Strom und Wärme aus Bioenergie. Wir erwarten, dass diese Förderungen im nächsten Haushalt 2014/2015 und in der nächsten EU-Förderperiode verstärkt fortgesetzt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein besonderer Schwerpunkt der Förderung war in den letzten Jahren die Entwicklung von Bioenergiedörfern. Die Bioenergiedörferbewegung ist eine Bewegung von Bürgerinnen und Bürgern, Kommunalpolitikern, Landwirten und Gewerbetreibenden, die das Ziel hat, für den Ausbau und die Nutzung der erneuerbaren Energien die Wertschöpfung in ländlichen Räumen zu stärken und neue Einkommensquellen für Bürger und Kommunen zu erschließen. Bioenergiedörfer sind gekennzeichnet:

1. durch das Ziel, mindestens so viel Energie, also

Strom und Wärme, zu erzeugen, wie verbraucht wird,

2. die CO2-Emissionen per Saldo auf null zu senken,

3. durch hohe Energieeffizienz,

4. durch die Stärkung lokaler Wertschöpfung,

5. – das ist das zentrale Element von Bioenergiedör

fern –, Teilhabe der Bevölkerung als den eigentlichen Zweck des Bioenergiedorfziels.

Nun, meine Damen und Herren, wie sieht es aus in Deutschland? Laut Bioenergieatlas gab es 2011 in Deutschland 137 Bioenergiedörfer, wobei ich zugebe an der Stelle, es ist manchmal nicht ganz einfach, die Definition, ich sage jetzt mal, durchzuhalten und das auf jedes mögliche konkrete Biodorf anzuwenden. Aber deswegen nenne ich auch die Quelle: „Bioenergieatlas 2011“. Ich weiß, es gibt andere Quellen, es gibt andere Zahlen. Ich beziehe mich jetzt mal auf diese Quelle.

Also 2011 insgesamt 137 Bioenergiedörfer in Deutschland, davon am meisten in Baden-Württemberg mit 46, Bayern mit 35, dann Niedersachsen mit 20. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es aktuell 6 Bioenergiedörfer: Ivenack, Bollewick, Hermannshof, den Bioenergiedorfverbund Schaalsee, Stellshagen und Burow. Über weitere 100 Dörfer sind auf dem Weg zum Bioenergiedorf, haben Beschlüsse gefasst oder ihr Interesse bekundet. Über 26 Machbarkeitsstudien liegen bereits vor, mit denen praktisch der Weg zum Bioenergiedorf beschritten werden soll. Und, das ist sehr erfreulich, es gibt eine Bioenergiedorfgenossenschaft mit 19 Mitgliedergemeinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit unserem Antrag fordern wir im Punkt 2 die Landesregierung auf, den erfolgreich begonnenen Weg zum Aufbau der Bioenergiedörfer fortzusetzen, weil wir davon überzeugt sind, dass er mit großen Chancen für unser Land verbunden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, es muss aber auch klar sein, der Ausbau der Bioenergie muss bei allen Chancen maßvoll erfolgen, um die Akzeptanz der Bürger sicherzustellen. Man darf den Umwelt- und Naturschutz nicht aus den Augen verlieren. Dabei ist vollkommen klar, dass der Nahrungsmittelproduktion grundsätzlich Vorrang vor der Biomasseproduktion einzuräumen ist.

Leider sind in den letzten Jahren, insbesondere in der Biogasproduktion, Fehlentwicklungen erkennbar, die zu Verwerfungen bei regionalen Boden- und Pachtwerten geführt haben. Die hohe Nutzungsintensität der Flächen kollidiert teilweise mit dem Natur- und Umweltschutz und es gibt in einigen Regionen, auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, zum Beispiel um Güstrow, Penkun, Tendenzen hin zu Maismonokulturen. Es besteht die Gefahr des Verlustes der biologischen Vielfalt, von Erosions- und Wasserproblemen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Deshalb, meine Damen und Herren, muss politisch gegengesteuert werden.

Mit der letzten EEG-Novelle wurden der Mais- und der Getreidekorneinsatz in Biogasanlagen bereits gedeckelt. Das begrüße ich. Und damit, muss man sagen, stimmt die Richtung. Ich muss aber sagen, auch wenn die Richtung stimmt, diese Maßnahmen sind bisher noch nicht ausreichend. Wir brauchen für die Perspektive unbedingt eine Gesamtbetrachtung der Bioenergie, eine sogenannte integrierte Biomassestrategie, die die Förderinstrumente, die momentan noch sehr selektiert sind, in den Sektoren Wärme, Strom und Kraftstoffe harmonisiert und diese segmentierte Förderung, die momentan besteht, praktisch zusammenführt zu einem einheitlichen Fördersystem, um insbesondere Nutzungskonkurrenzen sinn

voll zu reduzieren. Denn aktuell ist es wirklich so, dass es im Bereich der Bioenergie eine scharfe Nutzungskonkurrenz gibt. Die einen wollen mit Bioenergie Wärme produzieren, die anderen Strom und die Nächsten wollen die Bioenergie für Kraftstoffe nutzen. Dieses muss harmonisiert werden.

Wichtige politische Entscheidungskriterien müssen dabei künftig stärker als bisher die effiziente Nutzung des begrenzten Flächenpotenzials, die energetisch effiziente Nutzung und der CO2-Reduktionsbeitrag der einzelnen Biomasseprodukte sein. Allerdings, meine Damen und Herren, muss klar sein, bei all diesen Überlegungen muss man sich der ökologischen Vertretbarkeit unterordnen. Nur eine verantwortungsvolle, nachhaltige und ökologisch vertretbare Biomasseproduktion kann die notwendige Akzeptanz der Bioenergie auch in Zukunft sicherstellen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen drei konkrete Forderungen der Bundes-SPD für die zukünftige Bioenergiestrategie zur Kenntnis geben:

Zum einen, der Schwerpunkt des Biomasseeinsatzes muss sich mittelfristig auf den Energieträger Biomethan und die Sektoren Wärme und Verkehr konzentrieren.

Zum Zweiten, im Strombereich soll die Biomasse nur noch in Form der effizienten Kraft-Wärme-Kopplung gefördert werden. Dabei ist die verstärkte Nutzung biogener Reststoffe und Abfälle unter anderem aus der Landschaftspflege zu favorisieren.

Drittens. Eine nachhaltige Biokraftstrategie muss stärker auf den Bioenergieträger Biomethan ausgerichtet werden, da Biomethan die effizienteste und klimaverträglichste Biomassenutzung im Verkehrssektor darstellt.

Meine Damen und Herren, der BUND hat auf seiner Mitgliederversammlung am 20. April dieses Jahres beim Ausbau von Biogasanlagen für die Stromerzeugung ein Moratorium, also einen Ausbaustopp beschlossen.

Herr Borchert, kommen Sie bitte zum Ende.

Ja, zwei Sätze.

Auch wenn ich für die Sorgen des BUND, dass die Bioenergienutzung zu wenig umweltverträglich sein könnte, Verständnis habe, halte ich die Forderung nach einem Ausbaustopp für nicht zielführend und überzogen. Es wird der Eindruck erweckt, man könnte ohne Bioenergie die Energiewende voranbringen.

Meine Damen und Herren, auf Bioenergie zu verzichten, heißt aber, die Energiewende auf Jahrzehnte aufzuschieben. Zeit, die wir aus Gründen von Klimaschutz und Versorgungssicherheit nicht haben. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu

keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Herr Schlotmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Borchert hat umfassend dargestellt, welchen Stellenwert eigentlich Bioenergie bei uns im Land besitzt, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Energiewende. Ich glaube, es macht nicht viel her, wenn man das, was dazu jetzt gesagt worden ist, sozusagen als theoretische Grundlage alles wiederholt. Deswegen werde ich Ihnen das ersparen.

Ich möchte aber trotzdem natürlich für die Landesregierung zwei, drei Kernsätze zu diesen Grundsätzen hier noch mal darstellen, damit Sie wissen, mal salopp formuliert, wie tickt die Landesregierung eigentlich an der Stelle. Und da will ich Ihnen Folgendes sagen: Für uns ist das Thema Biomasse, auch wenn die nachwächst – das ist ja der große, gewaltige Vorteil gegenüber anderen Energieträgern –, sie wächst nach, sie ist trotzdem ein knappes Gut. Wenn man das nachhaltig betrachtet, ist sie ein knappes Gut. Deswegen haben wir uns als oberste Richtschnur beim Umgang mit dem Thema Biomasse den Grundsatz der Nachhaltigkeit bei der Verwendung dieser Biomasse auferlegt. Ich bin mir sicher, dass das der richtige Weg ist. Wenn wir wertvolle Biomasse energetisch verwerten, dann muss eine klare Vorgabe sein, dass dies so energieeffizient wie möglich passiert. Aufgrund der begrenzten Anbauflächen ergibt sich eine begrenzte Menge Biomasse pro Jahr, auch das ist nachvollziehbar. Daher müssen wir durch maximale Wirkungsgrade einen maximalen Nettoendenergieertrag pro Hektar erzielen.

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

Maximale Erträge, das hört sich immer eigentlich gar nicht so an, ich sage mal, wie aus der ökologisch orientierten Richtung, aber genau das ist an der Stelle für uns zwingend notwendig.

Lassen Sie mich zu dem Thema Bioenergiedörfer, das Herr Borchert angesprochen hat, etwas sagen. Die, die mich erlebt haben in den letzten zwei Jahren, wissen, dass ich eigentlich lieber von Energiedörfern rede anstatt von Bioenergiedörfern,

(Udo Pastörs, NPD: Das ist auch vernünftiger.)