Es sollten Konzepte zur durchgängigen und konsequenten Staffelung der Elternbeiträge nach Einkommen und Kinderzahl erarbeitet werden. Es sollte nicht zuletzt auch die Sinnhaftigkeit der Sonderförderung für die Anwendung des DESK kritisch überprüft werden.
Hier sind dicke Bretter zu bohren, meine Damen und Herren, und intensive Diskussionen mit möglichst vielen Beteiligten zu führen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN regen deshalb die Einberufung eines parteiübergreifenden Expertengremiums an, das jenseits des politischen Tagesgeschäfts ein finanziell und pädagogisch solides Konzept erarbeitet und insbesondere auch kommunale Vertreterinnen und Vertreter mit einbezieht. Viele der bestehenden Regelungen des KiföG führen auf kommunaler Ebene in der Umsetzung vor Ort zu Problemen. Deshalb ist uns die Einbeziehung von Fachleuten der örtlichen Ebene besonders wichtig.
Sehr geehrte Damen und Herren, es geht uns zweitens um die konsequente pädagogische Weiterentwicklung des KiföG-Konzepts. Eine ganz eindeutige Baustelle ist die nach wie vor unbefriedigende Fachkraft-Kind-Relation im Bereich U 3. Wenn eine Erzieherin oder ein Erzieher für sechs Kinder im Alter von unter drei Jahren verantwortlich ist, dann ist das keine pädagogisch sinnvolle Ausgangsbasis für intensive Frühförderung. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich schätze die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher in unseren Einrichtungen. Ich habe mich oft genug vor Ort davon überzeugen können,
welch wertvolle und gute Arbeit in den Kitas unseres Landes tagtäglich geleistet wird. Und gerade deshalb plädiere ich dafür, die Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass sie für die Kinder und das pädagogische Personal optimale Bedingungen bieten.
Die jetzt mit der Gesetzesnovelle angestrebte schrittweise Absenkung der Fachkraft-Kind-Relation im Bereich der Über-3-Jährigen von 1 : 17 auf 1 : 15 begrüßen wir ausdrücklich. Diese Annäherung an bundesweite pädagogische Standards war überfällig. Aber pädagogisch qualitativ ist es eben nicht vertretbar, dass über eine Anpassung für den Bereich der Kinder unter drei Jahre noch nicht einmal laut nachgedacht wird. Gleiches gilt für
die Hortkinder. Gerade die Kleinsten bei der Schlüsselsenkung außen vor zu lassen, das widerspricht den Erkenntnissen der frühkindlichen Förderung.
Gerade in den ersten Lebensjahren werden die Grundlagen für die weitere Entwicklung des Kindes gelegt. Die Fachkraft- Kind-Relation von 1 : 6 bleibt weit hinter dem zurück, was im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs als pädagogisch sinnvoll erachtet wird.
Wichtig sind meiner Fraktion auch mehr Mitbestimmungsrechte für Eltern und für Kinder. Einen vorsichtigen, kleinen Schritt hin zu mehr Elternmitbestimmung geht der jetzige vorliegende Gesetzentwurf mit der Neufassung des Paragrafen 8. Wie Sie aus unserem Änderungsantrag ersehen können, gingen unsere Vorschläge darüber hinaus, etwa in puncto Hospitation in der Eingewöhnungsphase, Elternbeteiligung an gemeinsamen Unternehmungen und Zustimmungsrechte der Elternräte. Auch zu einer stärkeren Beteiligung der Kinder an den Entscheidungsprozessen in ihrer Kindertagesstätte möchten wir ermutigen. Als Expertinnen und Experten in eigener Sache sollten Kinder ernst genommen werden. Demokratische Prozesse lassen sich auf ganz unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Altersgruppen jeweils adäquat erfahren. Partizipation und Einmischung können und müssen gelernt werden. Wir regen an, sie ganz praktisch zu erproben.
Sehr geehrte Damen und Herren, was wären unsere Kitas ohne qualifiziertes Personal? Weil wir langfristig genügend gut ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher gewinnen und halten möchten, ist eine Reform der Erzieher/-innenausbildung überfällig. Meine Fraktion hat dazu bereits im Herbst vergangenen Jahres einen entsprechenden Plenarantrag mit konkreten Vorschlägen eingebracht, nachzulesen auf der Drucksache 6/1027. Heute legen wir zu diesem Themenkomplex erneut einen Entschließungsantrag vor. Wir sind der Meinung, der Mix machts. Deshalb halten wir neben der Ausweitung der Kapazitäten der Hochschulausbildung auch die Prüfung einer dual orientierten Ausbildung für erforderlich.
Außerdem müssen die Bedingungen für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger verbessert werden, zudem durch er-
leichterte Anerkennung pädagogischer Vorkenntnisse und/oder Teilqualifikationen. Wohlgemerkt, wir wollen keine Schnellbesohlung, sondern gut fundierte Ausbildungsgänge. Und wir sind ausdrücklich dafür, gezielte Anreize zu schaffen, um Menschen für den wichtigen und abwechslungsreichen Beruf der Erzieherin und des Erziehers zu gewinnen.
Apropos Anreize – für die Fachkräftegewinnung und -sicherung spielt selbstverständlich auch die Tariforientierung bei der Vergütung eine, wenn nicht sogar die zentrale Rolle. Der Gesetzentwurf sieht eine Fokussierung auf ein Stundenentgelt von mindestens 8,50 Euro vor. Das, meine Damen und Herren, ist im gelindesten Fall missverständlich. Eine Mindestentgeltregelung darf nicht dazu führen, dass sich Träger der öffentlichen Jugendhilfe an der Summe von 8,50 Euro als Stundenlohn orientieren. Die Orientierungsgröße sollte der TVöD beziehungsweise eine Tarifbindung sein. Eine angemessene Vergütung ist nicht zuletzt auch Ausdruck von gesellschaftlicher Wertschätzung. Die gute Arbeit, die unsere Erzieherinnen und Erzieher täglich in den Kindertagesstätten leisten, gehört entsprechend anerkannt.
Zur Anerkennung gehört im Übrigen auch die realistische Rahmensetzung für die tägliche Arbeit. Zur Tätigkeit der Erzieherinnen oder Erzieher zählt neben der unmittelbaren Arbeit mit den Kindern auch die mittelbare Arbeitszeit, also pädagogische Arbeit ohne direkten Kontakt mit dem Kind, in der unter anderem Dokumentations-, Vorbereitungs- und Elternarbeit erledigt wird. Für die Aufrechterhaltung beziehungsweise Weiterentwicklung der fachlichen Qualität der erzieherischen Arbeit ist die mittelbare Arbeitszeit von großer Bedeutung und sie fällt bei Vollzeit- und Teilzeitkräften gleichermaßen an.
Deshalb halten wir eine Präzisierung des Paragrafen 10 für erforderlich, und zwar dahin gehend, dass die mittelbare pädagogische Arbeitszeit in ihrem Umfang einheitlich nicht je Vollzeitstelle, sondern je Fachkraft definiert wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir über Kindererziehung und -betreuung reden, dann lassen Sie uns auch über Tagesmütter und Tagesväter reden. Deren Bedeutung haben die Koalitionsfraktionen recht spontan entdeckt. Ein Schelm, wer dies in Zusammenhang bringt mit dem ab 1. August diesen Jahres in Kraft tretenden Rechts- anspruch auf Betreuung ab dem ersten Lebensjahr!
(Torsten Renz, CDU: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? Das ist ja wohl ein Ding!)
Doch dahingestellt ist, ob es die Sorge um eventuell fehlende Betreuungsplätze in den Kitas ist, die die Koalitionsfraktionen zu sehr kurzfristigen Änderungsanträgen
Die Modifizierungen am Gesetzentwurf finden wir nicht wirklich überzeugend. Warum nicht? Nun, zum einen wird mit der Änderung des Paragrafen 18, wonach die örtlichen Träger der Jugendhilfe die vom Land weitergereichten Bundesmittel vorrangig in die Kindertagespflege investieren mögen, keinerlei Rechtsverbindlichkeit erreicht. Es handelt sich um eine Formulierung von rein deklamatorischem Charakter. Das wurde auf Nachfrage auch im Sozialausschuss von den Antragsteller/-innen bestätigt. Nun wird doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frage erlaubt sein, weshalb eine solche Formulierung dann zwingend im Gesetz enthalten sein soll. Mir drängt sich ein Bild auf, das der in Unschuld gewaschenen Hände. Sollte es bei der Umsetzung des Rechtsanspruches Probleme geben, dann lässt sich seitens der Landesregierung mit gut gewaschenen Fingern leicht auf die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zeigen.
Nein, meine Damen und Herren, da fänden wir es ehrlicher, beim ursprünglichen Text zu bleiben, der die Zuweisung der Bundesgelder an die zuständigen örtlichen Träger zur zusätzlichen Förderung von Kindern unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege regelt. Und wir finden es durchaus konsequent, in Bezug auf die Stärkung der Kindertagespflege über strukturierte Fort- und Weiterbildungsangebote für Tagespflegepersonen nachzudenken. Wir finden es konsequent, über berufsbegleitende Qualifizierungsangebote, längerfristig womöglich auch über ein eigenständiges Berufsbild nachzudenken. Und wir finden es konsequent, in diesem Zusammenhang vorhandenen, einschlägigen Sachverstand einzubeziehen, etwa den des Berufsverbandes Kindertagespflege.
Die Tatsache, dass derzeit kein geregelter Zugang zur Tätigkeitsausübung als Tagespflegeperson besteht, führt auch dazu, dass die Vergütung beziehungsweise laut SGB VIII Paragraf 23 die laufende Geldleistung nicht einheitlich geregelt ist. Wenn tatsächlich, wie seitens der Koalitionsfraktionen wiederholt angeführt, die Einkommenssituation der Tagespflegepersonen im Land verbessert werden soll, dann muss an anderen Stellschrauben gedreht werden. Dann reicht es nicht, den örtlichen Trägern ihre ohnehin gemäß SGB VIII geregelte Zuständigkeit ins KiföG zu schreiben. Dann reicht es auch nicht, Netzwerkstrukturen anzumahnen und Vorrangigkeitsfloskeln ins Gesetz zu schreiben, sondern – und das haben wir in unserem Entschließungsantrag entsprechend dargestellt – wenn das Land eine bessere Vergütung der Tagespflegepersonen wirklich anstrebt, dann muss es gemeinsam mit den Kommunen seiner Verantwortung gerecht werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, noch einmal ganz klar und deutlich: Was die Koalitionsfraktionen mit ihren Änderungen als Verbesserung für Tagespflegepersonen verkaufen, ist in Wahrheit die Etablierung eines Sicherheitspuffers für den Fall, dass die Kita-Plätze nach Inkrafttreten des Rechtsanspruches nicht ausreichen.
Wenn die Gelder für Kindertagesförderung und Kindertagespflege, die den Kommunen durch das Land zur Ver
fügung gestellt werden, mit der Aufforderung verbunden werden, diese Gelder vorrangig in Kindertagespflege zu investieren, dann ist das eine Bevormundung von Kommunen. Aus dieser Bevormundung folgt jedoch keine finanzielle Verbesserung für Tagespflegepersonen.
Eine solche könnte sich durch eine konsequente Verbesserung der Qualifikation bis hin zur Entwicklung eines eigenständigen Berufsbildes ergeben.
(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Torsten Renz, CDU: Warum lehnen Sie denn nun das Gesetz ab? – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass die Kinder 43 Stunden in der Woche in einer Kindertagesstätte beziehungsweise -tagespflege betreut werden, so sinngemäß die Sozialministerin heute hier an dieser Stelle. Und sinngemäß: Benachteiligte Kinder brauchen besondere Förderung. Das ist zwar im Kern richtig, aber warum verschaffen Sie eigentlichen deren Eltern nicht endlich eine Lebensperspektive?