Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

(Heiterkeit bei Stefan Köster, NPD: Sie sind wirklich ein Witz.)

Für die ist es gut, dass sie in unsere Kitas gehen und mehr Offenheit erleben.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So, Moment.

Herr Köster, Sie haben jetzt bereits das zweite Mal die Sozialministerin beleidigt. Ich weise diese Beleidigung zurück. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf und mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie das bitte zu unterlassen haben.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! Wir haben über dieses Gesetz viel diskutiert, auch in den Ausschüssen, und ich glaube nicht, dass der Vorwurf trägt, dass wir uns dafür nicht genug Zeit genommen haben oder die Dinge nicht auch abgewogen haben.

Und ich möchte mich insbesondere auch bei der Oppositionsfraktion DIE LINKE bedanken, die das Angebot genutzt hat, dass ich auch in die Fraktion komme, die damit gezeigt hat, dass alle Abgeordneten sich Zeit dafür nehmen. Wir haben, ich glaube, anderthalb Stunden gemeinsam diskutiert über viele Punkte. Ich konnte viele Fragen beantworten. Dass es immer noch Streitpunkte weiter gibt, ist ganz klar. Und ich will auf die erste antworten, Herr Ritter, die Frage nach der Tarifbindung.

Bei der letzten Novelle hatte ich mich eigentlich in Sicherheit gewähnt, dass das, was schon unter Tarifbindung unter Rot-Rot eingeführt worden ist, ausreicht. Und dann sind Gewerkschafter zu mir gekommen und haben gesagt, dass es Verhandlungen oder Angebote gäbe, die sogar unter 8,50 Euro geführt werden. Deswegen kamen wir auf die Idee, Mindestlohn – ist klar. Und wir haben auch die Tarifbindung noch mal in diesem Gesetz nachgeschärft.

Und wenn Sie auf den Beitrag eingehen, der heute in der Zeitung ist, das ist gar kein neues Problem. Ja, es gibt einen Wohlfahrtsverband in unserem Land, mit dem derzeit die Gewerkschaften Probleme haben. Beide sind aber im Gespräch. Ich habe selber auch mit beiden Beteiligten geredet, also einmal mit Gewerkschaften und einmal mit dem Wohlfahrtsverband. Und die Spitzen auch dieses Wohlfahrtsverbands haben zugesagt, dass das in den nächsten Jahren abgeräumt werden soll und muss.

Fakt ist eins, dass wir das, was wir hier im Gesetz haben, sehr ausgewogen gemacht haben. Wir haben nämlich zwei Dinge zu beachten: erstens, dass alle Träger berücksichtigt werden. Und Sie haben ja zu Recht die kirchlichen Träger lobend hervorgehoben. Die kirchlichen Träger haben nämlich sehr darum gebeten, darauf zu achten, dass wir eine Formulierung nehmen, die sozusagen das Tarifsystem in der Kirche, was ja auch teilweise

umstritten ist, aber jedenfalls mit berücksichtigt, weil, das muss man sagen, beide Träger, Diakonie und Caritas, bei den Tarifen hier im Land gut sind. Das haben wir berücksichtigt. Und das, was an Änderungsvorschlägen vorliegt, ist so nicht verfassungsgemäß und kann nicht übernommen werden.

Ich sage ganz klar: Es müssen anständige Tarife verhandelt werden. Das erwarte ich übrigens von jedem Träger, weil man sich überlegen muss, ob diese Träger überhaupt Kitas in unserem Land führen dürften oder machen dürften. Das kann ja auch die Kommune entscheiden. Das gilt übrigens auch, da hat Frau Bernhardt völlig recht, für das Drohangebot von Trägern, wenn sie jetzt Mindestlohn einführen auch für Köche oder Hausmeister, dann würden sie outsourcen. Ich sage hier eines ganz klar: Wenn ein Träger nicht bereit ist, 8,50 Euro in seiner Kita auch für Koch oder Hausmeister zu zahlen, dann müssen wir uns die Frage stellen, ob dieser Träger der richtige Kita-Träger ist.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, richtig.)

Und deshalb werbe ich dafür, dass es bei dem Gesetzesentwurf bleibt. Wir haben uns da viele Gedanken gemacht und wir sollten jetzt die Erfahrungen dazu nutzen, man kann immer alles weiterentwickeln. Ich finde jedenfalls nicht, dass es ein Ablehnungsgrund wäre.

Ich will auch noch mal auf Frau Bernhardt eingehen zur Brennpunktförderung. Herr Heydorn hat es sehr gut erklärt, worum es geht.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Frau Bernhardt, Sie sagen immer, ob Kinder – Sie haben es gesagt, ich habe es mitgeschrieben –, ob Kinder individuell gefördert werden, hängt vom Wohnort ab. Das stimmt schlicht nicht. Alle Kinder werden laut Gesetz individuell gefördert. Das war schon so im Gesetz und das bleibt. Und Sie haben gesagt, DESK ist eine sonderpädagogische Förderung – ist es auch nicht, hat Herr Heydorn sehr schön erklärt, dem habe ich nichts hinzuzufügen.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Und Sie haben in der Einbringung schon ein Beispiel gebracht, das zeigt, dass diese Sache, obwohl der Sozialausschuss sich sehr umfangreich Zeit genommen hat, über dieses Thema zu reden, Expertenanhörungen gemacht hat, diese Sache entweder nicht akzeptiert werden soll oder gewollt ist oder eben wirklich nicht durchdringt. Sie haben gesagt, ich möchte das einmal an einem Beispiel verdeutlichen: Stellen wir uns zwei Kinder vor mit gleichem Förderbedarf. Das eine Kind besucht eine Kita, in der das DESK-Verfahren angewandt wird, und das an- dere Kind besucht eine Kita, wo es nicht angewandt wird. Bei gleichem Förderbedarf würde das Kind, das eine Kita besucht, die das DESK-Verfahren anwendet, besonders individuell gefördert werden, da die Kita entsprechend finanziell ausgestattet wird. Zum Beispiel wäre es möglich, eine zusätzliche Erzieherin einzustellen und so weiter. Das andere Kind würde keine zusätzliche Förderung erhalten bei gleichem Förderbedarf. Das ist ja Ihr Beispiel. Und dieses Beispiel stimmt schlicht nicht und hat sozusagen mit dem, was in der Praxis läuft, null zu tun.

Punkt 1: Alle Kinder werden individuell gefördert.

Punkt 2: Dafür hat jede Kita ihr Verfahren.

Wir waren immer der Meinung, dass wir nicht an einem Zeitpunkt sind, wo wir dieses Verfahren vorschreiben wollen. Und wenn jetzt ein Kind in einer Kita ist – ich bleibe beim Beispiel – hier in der Innenstadt, wo es keine zusätzliche Brennpunktförderung gibt, weil es kein Brennpunkt ist, und bei diesem Kind die Erzieherin feststellt im Rahmen der individuellen täglichen Förderung, über ihr Verfahren, Dokumentation oder was auch immer, dass dieses Kind Förderbedarf hat, zum Beispiel in der Sprache, dann bekommt das Kind einen Logopäden. Und wenn das Kind mit dem gleichen Förderbedarf in einer Brennpunkt-Kita ist, Mueßer Holz, dann bekommt dieses Kind auch einen Logopäden. Das hat mit dieser Landesförderung null zu tun.

Die Landesförderung bewirkt, dass an Kitas, wo die soziale Schieflage besonders dramatisch ist, weil wir überdurchschnittlich viele Kinder aus sozial benachteiligten Familien haben, neben der Förderung, die wir für alle machen durch die Absenkung des Schlüssels, noch Personal on top kommt. Das ist übrigens von Wissenschaftlern akzeptierte Sozialpolitik, dass das Geld dahin muss, wo die Problemlagen am größten sind. Das ist pure Politik der sozialen Gerechtigkeit. Die, die die wenigsten Chancen haben, müssen die meiste Unterstützung bekommen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Dann ein Punkt, Ausbildungsverkürzung. Immer wieder zu sagen, wir verkürzen die Ausbildung, weil wir damit dann mehr Erzieher bekommen, ist auch Quatsch. Als ich Ministerin wurde, habe ich eine Kita-Tour gemacht durch alle Landkreise und kreisfreien Städte. Ich habe mehrfach berichtet. Und es sind die Praktikerinnen und Praktiker, die gute Arbeit in unseren Kitas machen, die sagen: Frau Schwesig, warum muss ein Mann oder eine Frau, die heute Erzieherin werden will, fünf Jahre Ausbildung machen, erst zwei Jahre Sozialassistent und dann noch mal drei Jahre Erzieher? Das, so wird es oft gesagt, war früher auch nicht so lange. Und wir finden keine jungen Leute, die Interesse haben, fünf Jahre lang die Ausbildung zu machen. Die wollen schneller fertig werden. Und weniger heißt nicht, dass es schlechter ist, sondern wenn der Inhalt stimmt, kann es sogar besser und attraktiver sein.

Das Bildungsministerium hat Modelllehrgänge oder -aus- bildungen freigegeben, die zeigen, dass die super gut angenommen werden. Sie machen genau das, was von Politik erwartet wird, dass, wenn die Praktiker sagen, Leute macht das doch mal anders, dass wir das dann so machen. Da geht es uns darum, die Ausbildung attraktiver zu machen. Und das ist wichtig und notwendig, um den Erzieherberuf auch für junge Menschen attraktiv zu machen.

Dritter Punkt, Sie haben gesagt, es geht um Bildungseinrichtung anstatt Aufbewahren. Hochwertig ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher, an dieser Voraussetzung fehlt es. Dem möchte ich ganz klar widersprechen. In den Kitas unseres Landes arbeiten gut ausgebildete und engagierte Erzieherinnen und Erzieher. Und wer etwas anderes sagt, redet unser Angebot im Land schlecht.

Und zum vierten Punkt, Personalschlüssel. Sie behaupten immer wieder, die Dinge sind nicht ausfinanziert. Ich

frage Sie: Wissen Sie, Frau Bernhardt, auf welcher Basis wir den Personalschlüssel berechnen? Kennen Sie diese Basis?

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Nee.)

Nee, genau, Sie kennen sie gar nicht, aber behaupten, es sei nicht richtig finanziert.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Nehmen Sie Ihre Kontrollrechte wahr?)

ja, ich möchte es gerade ausführen, wenn ich darf. Ich wollte mich nur noch mal vergewissern, ob Sie überhaupt die Basis kennen, weil gefragt worden bin ich noch nicht. Ich wundere mich immer, wie man zu der Einschätzung kommen kann, der Personalschlüssel ist nicht ausfinanziert, wenn man selber einräumt – Sie haben es eben eingeräumt –, dass Sie gar nicht die Grundlage kennen. Dann möchte ich die Grundlage nennen für unsere Berechnung.

Für die Berechnung, wie viel es kostet, den Personalschlüssel abzusenken, gehen wir von folgenden Voraussetzungen aus:

1. nicht von einer Vollzeitstelle, sondern von 1,5 Voll

zeitäquivalenten, weil wir Urlaub und Krankheit einberechnen,

(Zurufe von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE, und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

2. dass die zehn Stunden in der Gruppe ist.

Das findet in der Praxis oft gar nicht statt, weil es Hol- und Bringezeiten gibt.

3. Unsere Basis ist auf Basis des öffentlichen Tarifver

trages.

Sie haben eben selbst dargestellt zu Recht, dass der gar nicht überall gezahlt wird. Dann frage ich Sie: Wenn wir die höchsten Maßstäbe ansetzen für die Berechnung des Personalschlüssels – und deswegen ist er ja auch so teuer mit 10 Millionen Euro pro Kind –, dann können Sie doch nicht behaupten, dass es unterfinanziert ist, und schon gar nicht, wenn Sie die Grundlage nicht kennen.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Aber kontrollieren Sie das denn?)

Das ist solide berechnet und finanziert.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Gucken Sie doch mal in den Bericht des Landesrechnungshofes!)

Und dann komme ich zu diesem Haupt…

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: 1,5 kommt nicht vor, sondern 1,1.)

dann komme ich zu diesem Hauptvorwurf,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Kommen Sie doch mal vor Ort!)