Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Lieber Kollege Müller, das war natürlich ein Antrag mit Ansage. Sie werden sich erinnern, als wir im Innenaus

schuss über die KiföG-Novelle gesprochen haben und einen Punkt auch dort beantragt haben im Zusammenhang mit dem FAG, haben Sie, haben die Koalitionsfraktionen gesagt, na ja, man kann jetzt hier nicht einen Punkt rausnehmen aus dem FAG,

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

wir müssen das im Gesamtzusammenhang betrachten.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Wenn denn Anträge vorliegen, werden wir das auch tun.

Jetzt haben wir einen Antrag vorgelegt, der den Gesamtzusammenhang betrachtet,

(Heinz Müller, SPD: Nö, nur den Zeitrahmen.)

und wir werden es offensichtlich wieder nicht tun. Aber Sie haben ja Ihre Qual hier beschrieben, dass Sie ganz gerne gewollt hätten, aber dann doch nicht konnten.

Wir werden also im Rahmen der Selbstbefassung dieses Thema im Innenausschuss auf die Tagesordnung setzen, ganz klar. Aber dennoch will ich das Feld nicht so kampflos räumen, sondern beantrage hier namens meiner Fraktion eine Überweisung des Antrages in den Innenausschuss zur weiteren Beratung. Und sollte das keine Mehrheit finden, bleibt es bei der von meiner Kollegin Jeannine Rösler angekündigten namentlichen Abstimmung zu diesem Antrag.

Und, lieber Kollege Innenminister, Ross und Reiter zu be- nennen, das ist an dieser Stelle überhaupt kein Problem.

Und ich will auch mal deutlich machen, dass wir natürlich mit den kommunalen Landesverbänden und mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern aller Parteien im Gespräch sind und auch die Terminstellung unseres Antrages natürlich kein Einfall von Frau Rösler ist oder von unserem Mitarbeiter oder von mir, sondern dass wir hier eingehen, das ist ja auch schon erwähnt worden, auf die Bitte des Landkreistages. Ich will hier noch mal aus dem Beschluss des Finanzausschusses des Landkreistages vom 11. April 2013 zitieren, der da lautet: „Der Finanzausschuss des Landkreistages Mecklenburg-Vor- pommern hält unabhängig vom Soforthilfeprogramm der Landesregierung in Anbetracht der grundlegenden strukturellen Probleme der kommunalen Finanzausstattung eine zeitnahe – spätestens bis zum 01.01.2016 – in Kraft tretende Neugestaltung des kommunalen Finanzausgleiches für unabdingbar. Diese Neuregelung muss eine aufgabengerechte, dauerhaft auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen sicherstellen.“ Zitatende.

Und nun können Sie ja meine geschätzte Kollegin Rösler hier beschimpfen, was ihr hier wieder eingefallen ist. Wenn Sie denn aber mit dem kommunalen Landesverband im Landkreistag so umgehen, bitte schön, dann ist es Ihre Angelegenheit.

Und Ross und Reiter die Zweite.

Es wäre ja auch nicht schlecht, wenn Sie mal ein bisschen zuhören würden, Herr Innenminister.

(Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

Ja, ja, der Innenminister ist multifunktional, der kann mit seinem Fraktionsvorsitzenden schwatzen und gleichzeitig zuhören, und was am Ende dabei rauskommt, das sehen wir bei der kommunalen Finanzausstattung.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, 100 Millionen.)

Also, sehr geehrter Herr Innenminister, Ross und Reiter die Zweite. Es heißt in einem Brief des Landkreistages an den sehr geehrten Herrn Minister Caffier, ich zitiere: „Mit Sorge hat der Landkreistag Mecklenburg-Vorpom- mern deshalb Äußerungen zur Kenntnis genommen, dass Ihr Haus eine Novelle des Finanzausgleichssystems nicht vor 2018 für möglich erachtet.“ Zitatende.

Ja, wer ist denn Ihr Haus? Wer spricht für Ihr Haus? Der Pförtner oder der Minister oder wer auch immer? Da können Sie sich doch hier nicht hinstellen und sagen, na das ist ja alles überhaupt nicht wahr, was Sie hier vortragen. Also wenn Sie den Brief ganz gern noch mal lesen wollen,

(Lorenz Caffier, CDU: Kenne ich, kenne ich.)

ich habe ihn hier mit. Es ist ja okay, wenn Sie Ihre eigene Post kennen.

(Vincent Kokert, CDU: Was wollen Sie uns jetzt eigentlich sagen?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Marc Reinhardt, CDU: Zum Thema!)

die Landesregierung ist schon mehrfach innerhalb …

Herr Reinhardt, Sie und Thema, das ist auch so ein Witz.

Diese Landesregierung ist schon mehrfach innerhalb und außerhalb des Landtages mit ihrer Konzeptionslosigkeit im Rahmen der Kommunalpolitik konfrontiert worden, auch für meine Fraktion völlig klar. Aber ich glaube, inzwischen ist es noch schlimmer. Es drängt sich nämlich der Verdacht auf, dass es hier gar nicht um Konzeptionslosigkeit geht, sondern um planvollen Stillstand. Böse Zungen in diesem Land sprechen auch von einem schonenden Übergang in den Ruhestand.

(Minister Harry Glawe: Das ist doch unmöglich, was Sie hier vortragen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Stellschrauben eines Landes für seine Kommunalpolitik, für seine Politik mit und gegenüber den Kommunen sind im Wesentlichen kommunale Aufgaben, kommunales Personal, Kommunalfinanzen und Kommunalstrukturen. Das sind auch die Oberbegriffe für die wesentlichen Fragen im Verhältnis zwischen dem Land und seinen Kommunen, wie sie laut Koalitionsvertrag in einem Zukunftsvertrag geregelt werden sollten. Wer die verständliche Hoffnung hatte, dass ein solcher Vertrag an den Anfang des Weges gehöre, der wurde bereits enttäuscht. Und wer an einen Vertrag für die Zukunft glaubt, der wird bei Vertragsabschluss wahrscheinlich feststellen, dass diese Zukunft schon wieder Vergangenheit und der Vertrag Makulatur ist. Aber vielleicht ist es ja das, was sich hinter „C wie Zukunft“ verbirgt, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Bereich der kommunalen Aufgaben haben Sie sich von der Koalition spätestens mit dem letzten Aufgabenzuordnungsänderungsgesetz klammheimlich von der Verwaltungsmodernisierung verabschiedet. Dieses Thema ist für die Koalition mausetot und erledigt. Bestenfalls kommt es hier noch zur Einigung in puncto Standardreduzierung. Zum Thema „kommunales Personal“ hält sich die Landesregierung weitgehend bedeckt und wartet wieder unbeteiligt auf Vorschläge der sogenannten beratenden Beauftragten.

Beim Thema Kommunalstrukturen blockieren sich die Koalitionspartner gegenseitig und halten sich ihre jeweilige Interpretation des Koalitionsvertrages vors Gesicht. Und wenn auch innerhalb einer Fraktion, nämlich der CDU, der Innenminister auf Ämterbereisung ist beziehungsweise außer Haus ist, tanzen die CDU-Mäuse auf dem Tisch. Der Fraktionschef der CDU-Fraktion verkündet dann, mit der CDU bleibe alles beim Alten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach Aufgaben, Personal und Strukturen nehmen wir mit diesem Antrag die Kommunalfinanzen in den Blick. Ich möchte ausdrücklich auch hier von planvollem Stillstand sprechen. Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen ist auch den Koalitionspartnern bereits aus der letzten Legislaturperiode bekannt, und da hilft es auch nicht, darauf zu verweisen, dass auch DIE LINKE irgendwann mal hier in der Landesregierung gewesen ist, denn Sie regieren jetzt ja schon über eine Legislaturperiode und wenn Sie das, was wir damals unter Rot-Rot gemacht haben, alles so schrecklich finden, hätten Sie das längst ändern können.

(Marc Reinhardt, CDU: Haben wir gemacht.)

„Haben wir gemacht“, sagt Herr Reinhardt. Deswegen gibt es ja immer noch die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen.

Der Koalitionsvertrag will hieran festhalten. Zur Linderung der kommunalen Finanznot entwickelt man geradezu ein Fondsunwesen: Aufbau-, Ausgleichs-, Konsolidierungs-, Kofinanzierungs- oder Sozialhilfefonds. Nach Einschätzung des Städte- und Gemeindetages, liebe Kolleginnen und Kollegen, reichen die beschlossenen Soforthilfen nicht einmal aus, um die allgemeinen Kostensteigerungen ausgleichen zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch der Entwurf der FAG-Novelle 2014 spricht für einen verhängnisvollen Stillstand in der Landespolitik gegenüber den Kommunen. Im horizontalen Ausgleich werden finanztechnische Anpassungen vorgenommen. Im vertikalen Ausgleich, also bei der Finanzmasse, wird der Status gut zementiert, doch dazu mehr im September und Oktober.

Und da will ich an der Stelle dann doch noch mal eine Einfügung machen für die Menschen, die uns hier zu Hause sehen und sich wundern, warum ich jetzt eine kurze Pause gemacht habe. Das liegt einfach daran, dass der Innenminister lieber mit seinem Handy spielt, als bei einer wichtigen Problematik zuzuhören.

(Jochen Schulte, SPD: Besser, als wenn er mit seinen Händen spielt.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine letzte Anmerkung zu dem FAG-Gutachten, welches der Land

tag zwar offiziell nicht kennt, was aber hier heute in den Redebeiträgen schon mehrfach benannt wurde.

Lieber Kollege Innenminister, wenn man den Gutachter- antrag liest, und mir liegt der Entwurf vom 27. März vor, dann stellt sich schon die Frage, warum denn der Auftrag nicht längst ausgelöst worden ist. Dann muss in der Tat der Eindruck entstehen, dass die Landesregierung Gutachten nicht als Erkenntnis-, sondern als Zeitgewinn nutzen will, und zwar Zeiten des Stillstandes, denn es gibt ja Ergebnisse, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und es bleibt daher ein Geheimnis, Herr Minister, warum der Prüfauftrag oder Prüfantrag die Einbeziehung der StadtUmland-Problematik der Kernstädte beinhaltet, obwohl hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, seit April das Gut- achten von Professor Korioth zum Kernstadt-UmlandAusgleich vorliegt. Also machen wir noch ein Gutachten. Benötigen Sie einfach Zeit, um das Problem auszusitzen, oder haben Sie zu viel öffentliches Geld, Herr Minister?

Anlass des jetzigen Gutachtens ist etwa, dass seitens der Kommunalverbände im Zusammenhang mit der Beteiligungsquote kritisiert wird, dass eine Untersuchung der Finanzausstattung unter Berücksichtigung ihrer wahrzunehmenden Aufgaben fehlte. Herr Innenminister, auch das ist doch seit Jahren bekannt, dieses Problem. Ich darf erinnern an das Gutachten der Universität Göttingen von 2008 im Auftrag unseres Innenministeriums. Dort ist in Teil 1 auf Seite 32 der jetzige Auftrag bereits formuliert. Warum denn noch einmal ein Auftrag und ein Gutachten? Benötigen Sie Zeit oder haben Sie zu viel öffentliches Geld?

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, laut Koalitionsvertrag soll 2019 in neuen kommunalen Strukturen gewählt werden – oder auch nicht. Laut Innenministerium sei aber eine umfassende FAG-Novelle vor 2018 nicht möglich – oder aber auch nicht. Laut Prüfauftrag wird aber ein Gutachten ausdrücklich unter Berücksichtigung der bestehenden Gemeindestrukturen eingefordert – oder aber auch nicht. Nichts Genaues weiß man nicht, so der tiefe Sinn der Rede des Ministers heute.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Land braucht jedoch im Jahr 2018 keine umfassende FAGNovelle auf Basis von Strukturen, die es wenige Monate später gar nicht mehr geben soll. Welchen Sinn macht denn eine solche Politik? Gar keinen. Das ist völliger Unsinn. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1948 in den Innenausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und NPD abgelehnt.