Protokoll der Sitzung vom 09.10.2013

(Marc Reinhardt, CDU: Wer war das noch?)

Dieser ist nun heute Bildungsminister, was auch daran deutlich wird, dass wir es wieder mit zahlreichen Änderungen zu tun haben.

Der im Mai dieses Jahres vorgelegte Gesetzentwurf enthielt ursprünglich nur eine Neuerung. Im August brachte ein weiterer Entwurf bereits eine Vielzahl von Ergänzungen und vermeintlichen Verbesserungen. Und zack, zwei Wochen vor der heutigen Ersten Lesung – wen wundert es – nochmals Änderungen. Da bin ich ja mal gespannt, ob es bei dieser Änderungsmentalität vielleicht auch möglich ist, Vorschläge der LINKEN aufzugreifen. Den Änderungshype werde ich auf alle Fälle nutzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, das neue Lehrerbildungsgesetz enthält einige positive Änderungen. Dazu zählt die rechtliche Regelung der Anerkennung von Lehramtsabschlüssen in Mecklenburg-Vorpommern, die in anderen Bundesländern erworben worden sind. Diese Neuerung begrüßen wir gerade vor dem Hintergrund, dass wir damit eine Möglichkeit schaffen können, den künftigen großen Lehrerbedarfen Rechnung zu tragen. Allerdings hat sich darauf die Kultusministerkonferenz in ihrer „Stralsunder Erklärung“ bereits im März 2009 verständigt, das war vor vier Jahren.

Andere Ergänzungen der Novelle betreffen die grundständige Lehrerausbildung. Hier erfolgen die Neuerungen vermutlich aus dem hohlen Bauch heraus, denn Änderungen in diesem Bereich hätten nur Hand und Fuß, wären sie mit dem Beirat für Lehrerbildung und Bildungsforschung, der 2011 beim Ministerium eingerichtet werden sollte, gemeinsam erarbeitet worden. Das sind sie aber nicht, da es diesen Beirat bis heute nicht gibt. Sie hätten allerdings auch das Resultat des Berichtes über die Lehrerbildung im Land sein können, der 2013 erscheinen sollte. Allerdings liegt dieser bis zum heutigen Tage ebenfalls nicht vor.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Hört, hört!)

Ursache dafür ist, dass zwar das Zentrum für Lehrerbildung an der Uni Rostock gegründet wurde, es aber seine landesweiten Kompetenzen, die in Paragraf 3 des Lehrerbildungsgesetzes ausführlich beschrieben sind, nicht wahrnehmen kann, denn da fehlt es seit zwei Jahren an einer Satzung.

Herr Minister, da diese gesetzlichen Vorgaben nicht umgesetzt wurden, aber Grundlage für Ergänzungen oder Veränderungen am Lehrerbildungsgesetz hätten sein müssen, werden auch die vorgesehenen Änderungen vermutlich ins Leere laufen. Die jetzigen Klagen über den mangelnden Lehrernachwuchs sind also auch aus einer Reihe von Versäumnissen der Vergangenheit erwachsen. Manchmal ist es eben wichtig, nicht in detailverliebten Nebensächlichkeiten stecken zu bleiben, sondern nur das eine Richtige zu tun. Das Richtige kann nur die Gewinnung von Lehrerinnen und Lehrern sein.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mich nun auf die Neuerungen konzentrieren, aus denen der Hilferuf, Mecklenburg-Vorpommern braucht Lehrkräfte, und zwar auf Teufel komm raus, deutlich wird. Den will ich nicht an die Wand malen, denn Sie werden ganz schnell erkennen, dass er im Detail steckt. Die wesentlichen Ergänzungen im Lehrerbildungsgesetz beschreiben die nicht bis zu Ende gedachte Gewinnung von Nachwuchs für den Unterricht, der über kein Lehramtsstudium verfügt.

Bereits in den vergangenen Jahren konnte sich unser Land nur mit den sogenannten Seiteneinsteigern über Wasser halten, denn schon gegenwärtig reichen die vorhandenen Lehrkräfte nicht aus, um die Unterrichts- versorgung abzusichern. Momentan sind mindestens 235 Seiteneinsteiger – so ganz genau weiß das Bildungsministerium das nicht – als Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium, ohne eine berufsbegleitende Qualifizierung und ohne Fortbildungen in der Methodik und Didaktik an den Schulen tätig. 180 von ihnen arbeiten mit befristeten Verträgen. Das Land kann nicht einmal die zwingend erforderliche Fort- und Weiterbildung für die Seiteneinsteiger absichern. Man lässt diese Frauen und Männer an den Schulen arbeiten, ohne sie durch Mentoren zu unterstützen, ohne sie berufsbegleitend fortzubilden.

Dieses unkoordinierte, mangelhafte Vorgehen wird nun durch die vorliegende Novelle gesetzlich festgeschrieben. Das Lehrerbildungsgesetz soll die seit mehr als zehn Jahren überfällige Qualifizierung und dementsprechende Anerkennung der Seiteneinsteiger verlässlich regeln. Dazu werden auf den ersten Blick differenzierte

Vorschriften, je nach fachlicher Vorbildung der Seiteneinsteiger, formuliert. Wenn man dann aber genauer hinsieht, erkennt man den Teufel, der im Detail der Änderungen steckt.

Das Gesetz unterscheidet zwei Typen von Seiteneinsteigern: die mit Hochschulausbildung und die ohne Hochschulausbildung. Für die Frauen und Männer, die ein Studium absolvierten, aber kein Lehramtsstudium, beispielsweise Politikwissenschaft oder Biologe, sieht das Gesetz nicht einmal zwingend eine Qualifizierung vor. Ein Diplombiologe soll beispielsweise, ich betone, ohne pädagogische Vorkenntnisse, ohne Fortbildung, fünf Jahre an den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern arbeiten und erhält dann die Anerkennung als Lehr- kraft.

Aber das Gesetz bedenkt auch Facharbeiterinnen und Facharbeiter. So kann künftig also die Melkerin Chemie vermitteln, der Hobbyangler Biologie und der Panzerfahrer, der tatsächlich in Mecklenburg-Vorpommern unterrichtet, schlägt weiterhin in der Grundschule die Bresche für die Grundrechenarten und das Lesenlernen. Er legt bei den Lütten die Grundlagen für Sach-, Selbst- und Methodenkompetenz.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ein bisschen weit hergeholt.)

Das müssen dann alle Beteiligten acht Jahre durchhalten und erst dann dürfen die Seiteneinsteiger eine pädagogische Qualifizierung absolvieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, glauben Sie, dass so die notwendige Individualisierung und Entwicklung des Unterrichtes, der Einsatz kooperativer Lernformen, die Bewertung der Schülerleistungen und Inklusion gelingen können? Dass hier keine Ausnahme geregelt wird, beweist erstens der Umstand, dass die Einstellung von Seiteneinsteigern nicht mehr wie bisher in einer Verwaltungsvorschrift, sondern gesetzlich geregelt wird, zweitens, dass die Anzahl der Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium von Jahr zu Jahr zunimmt, und drittens, dass die Kapazitäten der Ausbildung an den Universitäten in Mecklenburg-Vorpommern teilweise geringer sind als der jährliche Einstellungsbedarf.

Die Lösung, Herr Minister, ist ganz einfach: Die vorgesehene Qualifizierung erfolgt nicht nach acht oder fünf Jahren, sondern am Beginn der Tätigkeit für alle Seiteneinsteiger gleichermaßen. Die finanziellen und personellen Aufwendungen steigen nicht, sie bleiben damit gleich, aber sie würden wesentlich wirkungsvoller, weil der künftige Seiteneinsteiger sich nicht selbst überlassen bleibt, sondern die notwendige pädagogische Qualifikation ab dem ersten Unterrichtstag einsetzen kann.

Würde man die Seiteneinsteiger und ihre hohe Verantwortung für die Bildung der Mädchen und Jungen noch ernster nehmen, würde jeder ohne Lehrbefähigung im berufsbegleitenden Referendariat qualifiziert werden. Die Dauer des Referendariates kann dann je nach beruflicher Vorbildung unterschiedlich sein: entweder 18 Monate, 24 Monate oder gegebenenfalls auch länger. Das sieht aber weder das 50-Millionen-Paket vor noch das Lehrerbildungsgesetz. Lediglich 1 Million für allgemeine Fort- und Weiterbildung wird hier bereitgestellt. Dann werden vermutlich noch ESF-Gelder genutzt, aber auch hierzu enthält die Vorlage keine Informationen.

Statt in die Ausbildung zu investieren, werden Hürden auf dem Weg zur Anerkennung eines Lehramtes abgesenkt. Das Ergebnis: Ein Schmalspurmodell, und das, obwohl wir genau wissen, wie sehr wir auch künftig auf die Seiteneinsteiger angewiesen sein werden. In keinem anderen Beruf wird man ohne entsprechende Ausbildung oder Grundlagenvermittlung eingestellt. Niemand von Ihnen, sehr geehrte Abgeordnete, kommt auf die Idee, einen Krankenpfleger Operationen durchführen zu lassen, und wenn er das mit mehr oder weniger Erfolg acht Jahre getan hat, wird er automatisch ein Arzt. Aber im Schulsystem, in dem es um die Erziehung und Bildung der Kinder und Jugendlichen geht, da soll das möglich sein? Das ist fahrlässiges und vorsätzliches Falschhandeln.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, auch in diesem Bereich werden wir Änderungen einbringen, weil meine Fraktion ein Lehrerbildungsgesetz verabschieden möchte, das eine konsequente und angemessen vergütete Ausbildung für Seiteneinsteiger gewährleistet. Wer an der Qualität der Ausbildung spart, spart an der Bildung der Schülerinnen und Schüler und das werden wir unter keinen Umständen dulden.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Oldenburg.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Reinhardt für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es vom Minister schon gehört und wir wissen es auch alle selber, weil viele von uns beteiligt waren: Im Jahr 2011 haben wir das erste Lehrerbildungsgesetz erlassen. Festgeschrieben wurden damals unter anderem die inhaltliche und organisatorische Struktur der Lehrämter, der frühzeitige Praxisbezug, von dem wir gehört haben, auch die Inklusionsorientierung und natürlich die Lehrerbedarfsplanung.

In der KMK wurde nun beschlossen – und so habe ich es auch bei Ihnen gehört, Frau Oldenburg –, dass Sie durchaus positive Akzente an dem Lehrerbildungsgesetz finden. Was die zeitliche Dimension betrifft, das kann man nicht ganz von der Hand weisen, dass es tatsächlich wieder sehr kurzfristig ist, aber ich denke trotzdem, dass wir hier zu guten Beratungen kommen sollten. Es wurde, wie gesagt, in der KMK beschlossen, dass diese Lehramtsstudenten möglichst bundesweit eine Anerkennung finden. Der Gesetzentwurf der Landesregierung trägt diesem Ziel Rechnung. Außerdem werden die Regelungen zum Erwerb einer Lehrbefähigung erweitert, unter anderem auch an die Laufbahnverordnung angepasst.

Es war Ihnen eben sehr wichtig, über das Thema Seiteneinsteiger zu sprechen. Ich finde, wir alle wissen, bei dem Lehrerbedarf, den wir in den nächsten Jahren haben, werden wir ohne Seiteneinsteiger, vor allem auch in Berufsschulen und weiterführenden Schulen, nicht auskommen. Ich unterstütze es deshalb durchaus, dass man an Schulen für gleiche Arbeit auch gleiches Geld bezahlt. Ich will aber auch sagen, dass wir uns das gerne noch mal angucken können: Wie ist das denn mit den Weiterbildungen der Lehrkräfte? Da sind wir durchaus ge

sprächsbereit, da kann es im Ausschuss ja noch zu Diskussionen kommen.

Ich würde dann aber empfehlen, Frau Oldenburg, das mit diesen Vergleichen – Ärzte und Lehrer – vielleicht nicht so weiter zu betreiben. Ansonsten könnte man auf die Idee kommen, wir gucken uns hier mal alle unsere Bildungsabschlüsse an und müssen dann auch Landtagsabgeordnete unterschiedlich bezahlen, weil einer ist Maler, der Nächste ist Vermessungstechniker,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Es geht doch nicht ums Bezahlen, es geht um die Qualifizierung.)

der andere ist Lehrer.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die Qualifizierung ist entscheidend.)

Jaja, es wäre dann hier das Gleiche. Insofern wollte ich nur darauf hinweisen, dass man Lehrer nicht unbedingt mit Krankenpflegern und Ärzten vergleichen kann. Das sollten wir vielleicht nicht tun.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ich glaube, Sie haben den Vergleich nicht verstanden.)

Ich finde diesen Gesetzentwurf wichtig, weil er auch für bundesweit vergleichbare Standards wirbt, werbe deshalb um Ihre Zustimmung zur Überweisung und freue mich auf eine spannende Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Berger für die Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns liegt eine sehr komplexe Gesetzesnovelle vor und ich will gleich am Anfang sagen, grundsätzlich teilen wir das Anliegen dieses Entwurfes.

(Vincent Kokert, CDU: Sehr gut, setzen!)

Auch wir glauben, dass wir bessere Regelungen benötigen, um Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger für den Bildungsbereich zu gewinnen, und es ist prinzipiell auch richtig, den bereits seit Jahren an unseren Schulen tätigen Lehrkräften die Vergütung zu ermöglichen, die ihrer Arbeit entspricht. Was diese Novelle angeht, haben wir aber erheblichen Klärungsbedarf. In vielen Punkten teilen wir die Bedenken, die bereits Frau Oldenburg angesprochen hat und die auch vonseiten der Gewerkschaften und vor allem vonseiten der Universitäten vorgetragen werden.

Wir sehen ein prinzipielles Problem: Hier sollen möglichst schnell und vor allem geräuschlos Veränderungen durchgeboxt werden, die viel weitreichendere Folgen haben werden, als in diesem Entwurf und eben auch in der mündlichen Einbringung durch den Minister vorgebracht wurden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jetzt kommt die Verschwörungstheorie.)

Und das geht so einfach nicht.

Hier wird der Eindruck vermittelt, es ginge in erster Linie um die bundesweite Anerkennung von Lehramtsabschlüssen. Viel entscheidender ist jedoch, dass künftig auch Lehrkräfte ohne pädagogische Ausbildung als gleichwertige und vollwertige Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt werden sollen. Diese Regelungen sind so weitgehend, dass wir sie hier nicht unter „ferner liefen“ behandeln können, sondern im Gegenteil intensiv beraten müssen. Uns wurde allerdings im Bildungsausschuss signalisiert, dass wir das Gesetz im Eilverfahren bearbeiten sollen. Inzwischen scheint es zum Prinzip zu werden, einen zeitlich dringenden Punkt in letzter Sekunde ändern zu wollen und bei dieser Gelegenheit gleich diverse Änderungswünsche mit unterzubringen, Änderungen, für die aber eigentlich mehr Zeit benötigt wird, um sie entsprechend zu beraten.

Nachdem uns nun vor zwei Wochen dieser Gesetzentwurf vorgelegt wurde, halte ich es für unverantwortlich, dass dieses Gesetz bereits am 1. Januar in Kraft treten soll, gerade angesichts der großen Sorgen, die von Fachleuten angemeldet wurden.

Nun aber zum Inhalt des Gesetzes: Was wir dazu hier und im Bildungsausschuss vom Bildungsminister gehört haben, klingt ja zunächst nachvollziehbar.

(Egbert Liskow, CDU: Aha!)

Natürlich ist es gut, wenn Lehrkräfte, die seit Jahren und teilweise auch bereits seit Jahrzehnten im Schulsystem tätig sind, in höhere Entgeltstufen gelangen können. Andererseits erinnere ich mich aber durchaus an Petitionen, die genau dieses forderten und es in der Stellungnahme des Ministeriums hieß, eine Höhergruppierung wäre bereits mit dem bisherigen Gesetz durchaus möglich, aber die Stellen stünden leider nicht zur Verfügung. Es gibt in diesem Land also bereits Lehrkräfte, die längst höhergruppiert werden könnten, aber bisher nicht höhergruppiert wurden. Dieses Gesetz bedeutet also im Umkehrschluss noch lange nicht, dass die vom Bildungsminister erwähnten erfahrenen Lehrkräfte diese Höhergruppierung dann auch tatsächlich erhalten.

Anders als in der Öffentlichkeit und eben in der Einbringung dargestellt wurde, ist diese Neuregelung aber natürlich nicht nur auf die bereits vorhandenen Lehrkräfte begrenzt. Es geht ganz und gar nicht nur um die Aufstiegsqualifikation nach dem Beamtenrecht. Der Gesetzestext weist selbst darauf hin, dass es um das Problem der Mangelfächer geht, und darum geht die Gesetzesnovelle in Wirklichkeit auch viel weiter. Mit diesem Gesetz kann das Ministerium künftig nach Belieben Personen ohne Lehramtsstudium als vollwertige Lehrkräfte einstellen. Es muss lediglich ein berufsbegleitender Vorbereitungsdienst absolviert werden.