Protokoll der Sitzung vom 10.10.2013

Unterbrechung: 12.05 Uhr

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Wiederbeginn: 12.07 Uhr

An der Abstimmung haben insgesamt 58 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 19 Abgeordnete, mit Nein stimmten 34 Abgeordnete. Es enthielten sich 5 Abgeordnete. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/2248 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – EEG-Umlage wirksam entlasten: Emissionshandel durch Einführung eines Kohlendioxid-Mindestpreises stärken, Drucksache 6/2235.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN EEG-Umlage wirksam entlasten: Emissionshandel durch Einführung eines Kohlendioxid-Mindestpreises stärken – Drucksache 6/2235 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie gestern Abend die „Tagesschau“ gesehen haben, dann haben Sie mitbekommen, dass eine der zentralen Meldungen der Anstieg der EEG-Umlage war, der vermeldet wurde, von derzeit 5,27 Cent auf jetzt wahrscheinlich 6,3 Cent. Diese Meldung war etwa zum 15. Oktober zu erwarten und es war auch zu erwarten, dass das etwas eher durchgestochen wird, deswegen war es aus meiner Sicht richtig, genau zu diesem Thema, das im Moment natürlich sehr viele Menschen beschäftigt, einen Antrag vorzulegen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir haben auf der letzten Landtagssitzung etwas zu dem Thema gesagt, wie wir konkret die Einspeisevergütung bei vielen regenerativen Energien absenken können, ohne die Energiewende zu gefährden. Wir sagen jetzt etwas zum eigentlichen Hauptproblem, zum eigentlichen Hauptproblem der Frage: Wieso ist die Energiewende in Deutschland scheinbar so teuer? Warum ist die EEGUmlage so hoch? Warum entstehen die Probleme für die Stromverbraucher? Und nach einem Gutachten der Bündnisgrünen-Bundestagsfraktion ist es eben so, dass der Anstieg – und wir hatten etwa diesen Anstieg in dem Gutachten vorhergesagt – zu nur 13 Prozent auf den Zubau erneuerbarer Energien zurückzuführen ist, zu etwa 25 Prozent zurückzuführen ist auf ausufernde Entlastungen der sogenannten – das muss man jetzt wirklich sagen – energieintensiven Industrien, die ursprünglich geschützt werden sollten, weil sie in einem internationalen Markt stehen, und wo sich vor allen Dingen die FDP – die jetzt in diesem Fall wirklich zum Glück aus dem Bundestag hinausgeflogen ist – massiv dafür eingesetzt hat, ihre Klientel zu entlasten, und das letztendlich auf Kosten der allgemeinen Stromkunden durchgesetzt hat.

(Beifall Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, und das ist das Entscheidende, 50 Prozent des Anstieges sind schlicht auf den Mechanismus zurückzuführen, dass der Börsenstrompreis zurzeit sinkt und sich damit automatisch, egal ob man irgendwas dazubaut oder nicht, die EEG-Umlage erhöhen muss. Zu diesem konkreten Problem legen wir Ihnen einen Antrag vor.

Wir stellen in Punkt 1 fest, dass der CO2-Zertifitkate- handel aus unserer Sicht klimapolitisch wirkungslos ist und dringend reformiert werden soll. Da steckt ein positives Signal für den CO2-Zertifikatehandel drin, weil wir genauso gut hätten sagen können, wir schaffen ihn einfach ab und ersetzen ihn durch eine CO2-Steuer. Aber nein, wir sagen, es hat da derartig viele internationale Verhandlungen gegeben, die wollen wir nicht einfach über Bord werfen, weil es im Moment nicht läuft. Der zentrale Grund übrigens, warum es nicht läuft, ist klar: Das hat eben nicht direkt etwas mit Markt zu tun – man wollte einen Markt herstellen –, sondern am Beginn des Marktes steht die Austeilung und die Verteilung von CO2Zertifikaten. Und da man sich natürlich wirtschaftsfreundlich verhalten wollte und die eigene Industrie nicht unnötig unter Druck setzen wollte, war man relativ freigiebig mit diesen Zertifikaten, was logischerweise dazu geführt hat, dass der Preis dieser Zertifikate ins Bodenlose gefallen ist.

Er liegt momentan bei irgendetwas um die 3 bis 4 Euro, und alle Fachleute sind sich einig, in einem Preisbereich von 30 Euro fängt das Ganze an, richtig zu wirken.

Ein Land in der EU – und es ist für mich erstaunlich, dass ausgerechnet Großbritannien das war – hat eine sehr logische Konsequenz gezogen. Der CO2-Zertifikatehandel ist vor allem eingeführt worden, weil man befürchtete, es könnte eine CO2-Steuer geben. Deswegen ist irgendwann auch die Wirtschaft beigetreten und hat gesagt, dann leisten wir keinen Widerstand, macht diesen Zertifikatehandel, wir lassen das mit der Steuer. Großbritannien hat jetzt eine Mindestbesteuerung eingeführt. In Groß- britannien beläuft sich der Wert pro Tonne CO2 auf umgerechnet etwa 19 Euro, 16 Pfund sind das konkret. Wir schlagen jetzt vor, ein ähnliches Instrument, und das heißt, ein bewährtes Instrument innerhalb der EU, auch in Deutschland einzuführen. Das würde bedeuten, mit dem Schritt anzufangen: 15 Euro. Dieser Wert liegt also sogar noch unter dem von Großbritannien.

Wenn Sie da einen Änderungsantrag machen, um die Erhöhung auf 20 Euro hinzubekommen, bin ich natürlich durchaus dankbar. Da würden wir sofort zustimmen. Aber wir wollen eben diesen schrittweisen Anstieg zeigen, den vor allem auch für die Wirtschaft berechenbaren Anstieg auf dann 20 Euro, sodass wir ein wirklich wirksames Klimaschutzinstrument bekommen.

(Udo Pastörs, NPD: Wer zahlt das denn?)

Damit würde Folgendes passieren: Durch den Anstieg der CO2-Zertifikate würden sich die Preise für Braun- und Steinkohlestrom verteuern und die Gaskraftwerke kämen wieder stärker ins Spiel. Diese Gaskraftwerke, da sind sich alle demokratischen Fraktionen einig, sind die richtigen Kraftwerke für den Übergang im Bereich der Energiewende. Wir brauchen sie, um eine gesicherte und kostengünstige Stromversorgung hinzubekommen. Genau diese Kraftwerke würden also wieder zum Tragen kommen.

Und weil natürlich die Frage steht, wer bezahlt denn das Ganze, ist eine der wesentlichen Ideen, die wir im letzten Satz stehen haben, dass wir sagen, die eingenommenen Gelder möchten wir gerne der EEG-Umlage zuführen. Das kann man durchaus strittig sehen, inwieweit das fiskaltheoretisch möglich ist.

(Udo Pastörs, NPD: Das hat man bei uns schon mal mit der Vermögenssteuer gemacht.)

Ich sehe, dass es in jedem Fall machbar ist. Es würde aber dazu führen, dass die zusätzlich eingenommenen Mittel genau den Stromkunden auch wieder zur Verfügung gestellt werden, wir aber insgesamt die gewollte Umsteuerung hinbekommen. Diese Umsteuerung ist nicht nur deswegen wichtig, weil wir sie brauchen, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen, sie ist auch wichtig, um den richtigen Kraftwerkstyp so lange wie möglich am Markt zu halten, den wir dringend für die Realisierung der Energiewende brauchen. Zurzeit ist das Signal natürlich durchaus verheerend.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Es ist nämlich so, dass tatsächlich die CO2-Emissionen in Deutschland steigen, obwohl wir massiv regenerative Energien ausbauen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Der Grund ist klar: Es ist einfach so, dass durch den Preisverfall des Zertifikatehandels die Braun- und Steinkohlekraftwerke die Lücke der Atomkraft massiv schließen und wir sogar Fälle haben, und zwar in erheblichem Umfang, dass Gaskraftwerksbetreiber ihre Kraftwerke stilllegen und vom Markt abmelden, weil sie sagen, zu den derzeitigen Marktbedingungen ist dieser Kraftwerkstyp in Deutschland nicht zu finanzieren.

Und wenn Sie sich den Antrag durchlesen, ich finde, da gibt es mehrere sehr interessante Hinweise. Eines zum Beispiel, das wusste ich selber nicht, das ist erst durch die Erarbeitung dieses Antrages noch mal zustande gekommen, das sogenannte Backloading. Ich habe das in der Vergangenheit hier schwer kritisiert, weil sich die EU diesem Backloading verweigert hat. Der Bundesumweltminister hatte massiv dafür geworben. Der damalige Wirtschaftsminister – er ist es sogar noch aktuell – Herr Rösler hat sich dem klar verweigert und ein Anruf der Bundeskanzlerin hätte genügt, um das durchzusetzen.

(Rudolf Borchert, SPD: Hat sie aber nicht.)

Dieses ist damals gescheitert, weil die Bundeskanzlerin diesen Anruf nicht getätigt hat. Inzwischen ist aber dieses Backloading passiert – relativ unbemerkt,

(Rudolf Borchert, SPD: Ja.)

allerdings auch sehr stark abgeschwächt –, aber es ist passiert und es wird sehr unterschiedlich beurteilt. Gerade die CDU-Fraktion im Europaparlament ist nach wie vor dagegen und hält es für eine Wendehalspolitik, obwohl alle aus dem Bereich Umwelt, auch die zuständige Kommissarin und andere Fraktionen ganz klar sagen: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn er nicht ausreichend gewesen ist, weil sich der CO2-Zertifikatehandel durch diesen geringen Umfang des Backloadings seitdem nicht wirklich erhöht hat.

(Heiterkeit bei Rudolf Borchert, SPD: Um einen Euro.)

Den Rest, und dazu gibt es sicherlich noch einiges zu sagen, werde ich dann gerne in der Debatte vortragen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Herr Schlotmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag ist, und das meine ich gar nicht ironisch, gut gemeint, wirklich gut gemeint, das kann man nicht anders sagen, und er enthält, …

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Der ist sogar gut gemacht.)

Ja gut, darüber debattieren wir ja jetzt.

… er enthält vieles, was wirklich absolut richtig ist und was auch von mir genau so vertreten wird. Dazu zählen für mich zum Beispiel vor allem die Forderungen, dass die EEG-Umlage entlastet werden soll. Wir erleben gerade wieder eine aus meiner Sicht zum Teil ganz bewusst lancierte Diskussion wegen der Erhöhung auf 6,3 Cent. Kollege Jaeger hat es ja angesprochen. Man merkt die Absicht und ist verstimmt, so würde ich das immer wieder interpretieren, was da zum Teil abläuft. Diese Diskussion läuft ja unheiligerweise gerade.

Die Begründung Ihres Antrages, die finde ich wirklich ausgezeichnet. Diese umfassende Begründung stellt an einigen Stellen Dinge fest, die in der öffentlichen Debatte in der Regel immer viel zu kurz kommen, zum Beispiel, dass der europäische CO2-Handel momentan den Klimaschutz nicht im positiven Sinne befördert. Ich will da nur aus Ihrem Antrag, aus der Begründung eine aberwitzige reale Situation in der Wirtschaftswelt, aber insgesamt auch in der Gesellschaft aufgreifen, dass es tatsächlich durch diesen „Cap-and-Trade“-Mechanismus den europäischen Staaten, also den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erlaubt wird, ihre Emissionen, die sie selber verursachen, auszulagern, indem sie – und das ist nachgewiesen – sozusagen in fragwürdige Projekte in Entwicklungsländern investieren, dass man sich damit sozusagen selber reinwäscht, indem man seinen Dreck woanders ablässt – das ist meine Interpretation –, anstatt eigentlich konsequent die Emissionen im eigenen Land zu minimieren oder zumindest zu reduzieren. Also das halte ich schon für eine abenteuerliche Veranstaltung. Ich sage das deshalb, weil ich da im Grunde genommen auch die rote Linie von meinem Antrag sehe.

Meine Damen und Herren, dass der europäische CO2Handel den Klimaschutz nicht befördert, ist eine Tatsache, und diese Tatsache ist dem Umstand geschuldet, dass die Zahl der Zertifikate nicht bereits reduziert wird. Wir reden hier über eine entsprechende Anzahl von Zertifikaten, mit denen dort gehandelt wird. Die Auswirkungen am Markt – in Anführungsstrichen – hat der Kollege Jaeger richtig beschrieben. Ich kann Ihnen versichern, die Diskussionen im Parlament, und zwar im Europäischen Parlament – das ist nämlich diejenige Ebene, die tatsächlich dafür zuständig ist –, das haben wir in den Diskussionen zum Thema Strompreisbremse mit Herrn Altmaier und unter anderem auch mit grünen Umwelt- und Energieministern zu Beginn des Jahres durch, diese Diskussionen im Europäischen Parlament waren und sind extrem mühselig. Es gibt jetzt eine Bewegung in die richtige Richtung, zumindest nach unserer Definition, denn im Juli haben die Abgeordneten die Europäische Kommission ermächtigt, den Zeitpunkt der Versteigerung eines Teils der Zertifikate zu verzögern. Das heißt, die festgelegte Obergrenze von maximal 900 Millionen Zertifikaten ist für die Lösung des Problems nicht ausreichend, aber der erste Schritt in die richtige Richtung ist getan – zumindest aus unserer Sicht.

Wenn die Verknappung der CO2-Zertifikate wieder erreicht wird, dann lösen sich – das ist zumindest unsere Einschätzung – viele der in Ihrem Antrag angesprochenen Probleme. Das dürfte die logische Konsequenz sein und daraus ergibt sich für uns die folgende Argumentationskette: Die Senkung des Umfangs der handelbaren Zertifikate bewirkt letztendlich einen Anstieg der Zertifikatpreise. Das ist eine logische Konsequenz. Daraus, meine Damen und Herren, folgt der Anstieg des Strommarktpreises und damit sinkt dann zwangsläufig wieder

die EEG-Umlage. Das ist sozusagen die logische Kausalkette. Und nur so, meine Damen und Herren, erreichen wir eine wirklich nachhaltige Senkung der EEGUmlage. Das war übrigens eine Initiative der grünen Umweltminister in den Gesprächen mit Altmeister, nein, Altmaier,

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

mit Altmaier.

Aber es gibt auch eine zweite Kausalkette, nämlich dass der Anstieg der Strommarktpreise Anreize zur Emissionsminderung setzt, letztendlich Investitionen in klimaschonende Technologien fördert und – auch da bin ich bei dem Antrag – zur Abschaltung ineffizienter Kohlekraftwerke führt. So, meine Damen und Herren, erreichen wir eine nachhaltige Verbesserung des Klimas.

Ich fasse also kurz zusammen: Es führt kein Weg daran vorbei, den Umfang der CO2-Zertifikate zu senken. So erreichen wir, dass die Kosten der erneuerbaren Energien geringer werden und das Klima sich nachhaltig verbessern wird. Diesen Weg zu gehen, ist sicherlich das Schwierigere – das gebe ich unumwunden zu –, das zeigen die Diskussionen im Europäischen Parlament. Aber ich bin davon überzeugt, es gibt keine Alternative dazu, er muss gegangen werden.

Mit Ihrem Antrag, Kollege Jaeger, erreichen Sie vielleicht als positive Nebenwirkung, man weiß ja nie, dass die Kasse des Bundes gefüllt wird. Da bin ich im Moment nicht so hoch engagiert, dass wir das …

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die würde in jedem Fall gefüllt, die Kasse, weil auch das ja für Klimaschutzmaßnahmen …)

Das kriegt ja hinten keiner mit. Können Sie ja gleich noch mal, ne?

Also das Ziel, den Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 tatsächlich dabei zu senken, geht aus meiner Sicht hier verloren. Aber ich denke, genau das sollte eigentlich unser originäres Ziel sein. Die Forderung nach Senkung der EEG-Umlage ist richtig, aber ich, nach Bewertung Ihrer Vorschläge, die in dem Antrag enthalten sind, gehe davon aus, dass Ihr Vorschlag letztendlich dazu führt – weil ich die Gespräche mit der europäischen Ebene hinter mir habe –, dass Sie sozusagen eine EEGReform in unserem gemeinsamen Sinne eher verhindern oder zumindest behindern.