Protokoll der Sitzung vom 11.10.2013

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

für Sorten aus konventionellen Züchtungen. So steht es da. Das ist die totale Liberalisierung.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Es geht nicht um die Sorten.)

Sie wollen die totale Liberalisierung.

Kommen Sie doch nachher nach vorne, sagen Sie es doch nachher hier vom Pult,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sage ich auch.)

dann hört es jeder.

In Ihrem Antrag fordern Sie die totale Liberalisierung.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wenn man es bösartig liest.)

Und das, sage ich Ihnen ganz ernsthaft, diese Liberalisierung, die höre ich ja seit dem Wahltag öfter aus Ihrer Partei. Und ja, vielleicht gibt es da auch ein politisches Vakuum, in das Sie hineinstoßen wollen. Gehen Sie mal ein bisschen von ab! Da kann ich nur sagen, gucken Sie in die Natur, da lehnen Sie sich sogar gerne an: Momentan haben wir noch sehr schöne grüne Blätter draußen, die färben sich demnächst leuchtend gelb, kann man auch als gute Farbe ansehen,

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD, und Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nur, danach fallen sie zu Boden und sind tot, das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also, meine Damen und Herren, diese Liberalisierungscharmeoffensive der GRÜNEN hat aber am Ende auch zu einem Erfolg geführt, diese Liberalisierungs- charmeoffensive, denn am Dienstag hat Ihnen der Kollege Kokert ja,

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Bei Rotwein.)

hat er seiner Partei auch geraten, doch dringend mit den GRÜNEN in Sondierungsgespräche einzutreten. Also insofern haben Sie da ja schon Erfolg.

Meine Damen und Herren, wenn solch ein Antrag von den GRÜNEN hier vorliegt, impliziert er ja, dass der Han

del und das Inverkehrbringen von Samen massiv erschwert werden sollen. Ich habe das schon gesagt, ich glaube, dass Sie hier am ursprünglichen Entwurf, der aus den Medien bekannt war – ich weiß gar nicht, ob es ihn so ursprünglich gegeben hat, aber aus den Medien kennt man das ja –, gearbeitet haben.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: 150 Seiten.)

Das, was ich gelesen habe, ist so radikal, wie Sie es hier beschrieben haben, nicht. Ich zitiere nachher gleich aus dem Papier. Keine Angst, ich habe mich damit wirklich befasst. Auch wir, das sage ich vorweg, sehen deutlichen Änderungsbedarf, wir sehen deutlichen Änderungsbedarf,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Dann tun Sie es doch auch!)

überhaupt keine Frage, aber jetzt will ich mich mal mit den einzelnen Bereichen beschäftigen.

Also Kleingärtner: Kleingärtner können auch weiterhin das tun, was sie bisher...

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: War kein Bestandteil.)

Ich weiß gar nicht, warum Sie mich immer cokommentieren. Wir sind uns an der Stelle doch einig.

Also Kleingärtner dürfen weiterhin das tun, was sie getan haben, sie dürfen selbst ihr Saatgut ziehen, sie dürfen selbst ihr Saatgut auch tauschen. Sie dürfen eins nicht tun, sie dürfen nicht in den kommerziellen Handel einsteigen. Und das ist auch richtig so. Denn in dem Moment, wo sie in den kommerziellen Handel einsteigen, da – natürlich – muss es Regelungen geben.

Ganz anders, meine Damen und Herren, sieht es bei den Landwirten aus. Das ist eben von mehreren Rednern schon gesagt worden: Der Landwirt selbst muss sich darauf verlassen, dass das Getreide, das ihm da geliefert wird, auch das Getreide ist, was er bestellt hat, die Sorte ist. Und Sie sehen dem Getreidekorn in der Regel nicht an, welche Pflanze dahintersteht. Sie kaufen Sorten ein, die an bestimmte Standortbedingungen angepasst sind, trockenheitsresistent sind, was weiß ich, was da alles erwartet wird von der Pflanze, oder Resistenzen gegen Schädlinge, gegen Pilze. Genau das kaufen Sie ein. Sie verlassen sich als Landwirt also darauf.

Aber bitte schön, wie soll dann am Ende der Rechtsweg des Landwirtes gegangen werden, wenn er etwas Falsches geliefert bekommt, wenn am Ende ein völlig liberalisierter Markt ist, wenn das alles zulassungsfrei ist? Das steht in Ihrem Antrag. Lesen Sie doch einfach mal nach!

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich äußere mich dazu auch.)

Machen Sie es, machen Sie es!

Das nächste ist die Züchtung. Meine Damen und Herren, darauf hat der Minister hingewiesen, wir haben durch Züchtung etwas ganz Wertvolles erreicht. Wir haben durch Züchtung erreicht, dass wir hier in unseren Breiten keinen Hunger mehr kennen. Das ist etwas ganz, ganz

Wertvolles, Frau Dr. Karlowski. Das haben wir auch erreicht, indem wir eine Vielfalt auf dem Acker haben, wir haben das dadurch erreicht, dass die Erträge höher geworden sind. Wenn Sie aber „den zulassungsfreien unbeschränkten Handel von Sorten aus konventioneller Züchtung“ – das ist ein Zitat aus Ihrem Antrag – haben, wer erstattet bitte schön dem Züchter seinen Aufwand, wenn der mir was liefert und ich einfach das weiter vermehren kann, denn es gibt ja keine Regelungen mehr? So kann das aus meiner Sicht nicht funktionieren.

Und wir sind uns bei einem weiteren Punkt einig: Wir wollen keine gentechnisch veränderten Organismen auf unserem Acker haben. Wir wollen die einfach nicht haben.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da sind wir uns einig. Aber bitte schön, wenn wir das kriegen, was Sie sagen, nämlich den zulassungsfreien und unbeschränkten Handel mit Pflanzensamen, wer kann dann noch kontrollieren, was wer wem wo verkauft? Es gibt ja keine Stelle mehr, die das irgendwo erfasst. Ich glaube, da machen wir Tür und Tor auf für Leute, die mit kriminellen Absichten kommen.

Und dann komme ich zum Punkt der sogenannten Erhaltungssorten. Das sind sehr wichtige Sorten, weil das einfach althergebrachte Sorten sind, das heißt Sorten, die zum Teil sehr alt sind, besondere Eigenschaften haben. Die sind für den Ökolandbau sehr wichtig, das haben Sie so ausgeführt, da sind wir uns auch einig an der Stelle. Sie sehen, es gibt ja nicht nur Unterschiede, da sind wir uns einig.

Da will ich mal ein Beispiel aufmachen, um das plastisch zu zeigen. Wenn Sie mich einladen zum Versteckenspielen und Sie haben vorher einen Acker angebaut, auf dem haben Sie Champagnerroggen angebaut – wir wissen ja, wir waren beide mal auf einer Veranstaltung, da ist das vorgestellt worden, Champagnerroggen wird zwei Meter groß –, das heißt, Sie haben große Schwierigkeiten, wenn wir beide Verstecken spielen, mich zu finden. Ein Jahr später bauen Sie wieder Champagnerroggen an, nämlich auf einem anderen Acker, denn Sie halten ja die Fruchtfolgen ein, und der Champagnerroggen wird dann nur noch einen Meter groß, da macht das Versteckenspielen nicht wirklich Spaß. Aber der Händler hat Ihnen trotzdem Champagnerroggen verkauft. Wie klagen Sie jetzt ein, dass der eine wirklich der Champagnerroggen ist und der andere nicht, wenn Sie keinerlei Verfahren haben, um das zu registrieren und das zuzulassen?

Meine Damen und Herren, ich glaube, das geht nicht. Sie haben eine Alternative: Sie könnten das über eine Art Beipackzettel machen. Aber ich sage Ihnen, wenn Sie das so weit öffnen, dass jeder seinen Beipackzettel selbst machen kann, dann hat der eine Landwirt eben einen Champagnerroggen, der zwei Meter groß wird, und der andere nennt seinen auch Champagnerroggen, der wird nur einen Meter groß. Das, meine Damen und Herren, glaube ich, funktioniert so nicht.

Dann haben Sie von hohen bürokratischen Hürden gesprochen, sowohl in Ihrem Antragstext als auch eben. Eben haben Sie von umfangreichen Dokumentationspflichten gesprochen. Meine Damen und Herren, für die Erhaltungssorten, da gehört der Champagnerroggen dazu, ist vielleicht mal interessant, sich den EU-Verord-

nungsentwurf anzusehen, ich will das kurz mal zitieren hier, also althergebrachte Sorten:

„Für althergebrachte Sorten, wie z. B. Erhaltungssorten … oder sogenannte ‚Amateursorten‘, sollten weiterhin weniger“ – weniger! – „strenge Anforderungen festgelegt werden, um ihre Erhaltung in landwirtschaftlichen Betrieben und ihre Verwendung gemäß den Richtlinien 2008/62/EG und 2009/145/EG zu fördern. Die Sorten werden jedoch nach wie vor auf der Grundlage einer ‚amtlich anerkannten Beschreibung‘ registriert, d. h. einer Beschreibung, die zwar nicht von den zuständigen Behörden vorgenommen wurde, von diesen jedoch anerkannt wird. Für diese Beschreibung ist die Prüfung von Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit nicht mehr verpflichtend. Die amtlich anerkannte Beschreibung muss nur die spezifischen Eigenschaften der Pflanzen und Pflanzenteile enthalten, die typisch für die betreffende Sorte sind und die Sorte identifizierbar machen, auch hinsichtlich ihrer Ursprungsregion. Diese Beschreibung kann auf einer alten amtlichen Beschreibung der Sorte basieren, die etwa von einer wissenschaftlichen Stelle oder Organisation erstellt wurde. Die inhaltliche Exaktheit der Beschreibung könnte anhand von vorangegangenen amtlichen Inspektionen, inoffiziellen Untersuchungen oder durch Kenntnisse nachgewiesen werden, die im Zuge des Anbaus, der Vermehrung und der Verwendung erhoben wurden.“

Also viel niedriger geht die Hürde gar nicht mehr. Viel niedriger geht es nicht mehr.

Dann geht es weiter: „Die derzeit geltenden mengenmäßigen Beschränkungen werden aufgehoben.“ Noch einmal eine Standardsenke. „Ein Etikett mit der Angabe der amtlich anerkannten Beschreibung der Sorte und ihrer Ursprungsregion informiert den Nutzer über das Material“ – und so weiter und so weiter. Meine Damen und Herren, hier von einer Verschärfung der Regeln zu sprechen, kann nicht wirklich zutreffend sein.

Dann haben Sie beklagt in Ihrer Rede, dass da willkürliche Grenzen gesetzt worden sind bei der Mitarbeiterzahl. Ich weiß nicht, Frau Dr. Karlowski, ich sehe das so, dass man gerade kleine Firmen damit schützen möchte. Die müssen nicht das große Verfahren machen, das haben wir gerade gesehen, aber Sie haben eben den Schutz der kleinen Firmen,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt widersprechen Sie sich.)

die dürfen diese Verfahren machen, und die ganz gro- ßen eben nicht. Und natürlich ist die Anzahl der Mitarbeiter eine willkürliche, aber jede andere Zahl wäre auch eine willkürliche. Vielleicht erklären Sie uns mal, wie das dann am Ende aussehen würde, wenn es nicht willkürlich wäre.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend für meine Fraktion – und auch im Namen der CDUFraktion, das ist nämlich abgestimmt zwischen uns – einige Grundsätze darstellen, in sieben Punkten:

Erstens. Aus unserer Sicht brauchen wir eine EU-Saat- gutverordnung, eine völlige Liberalisierung lehnen wir ab.

Zweitens. Selbstverständlich müssen wir die Erarbeitung der EU-Saatgutverordnung kritisch begleiten.

Drittens. Die EU-Saatgutverordnung sollte möglichst wenig delegierte Rechtsakte enthalten. Hier stimme ich den GRÜNEN ausdrücklich zu.

Viertens: Die EU-Saatgutverordnung muss die regionale Sortenvielfalt erhalten und fördern.