Protokoll der Sitzung vom 11.10.2013

Eine verständliche Sorge war, dass neue Zulassungshürden für alte Sorten – ich unterstreiche das noch einmal: alte Sorten – so hoch seien, dass diese vom Markt verdrängt werden. Und eine andere Befürchtung: Biologische Züchter/-innen und kleine Saatgutinitiativen könnten die dafür notwendigen finanziellen Mittel nicht auftreiben. Andererseits schwebte die Hypothese im Raum, der regulierende Arm Brüssels würde bis in die Kleingärten reichen und die nachbarschaftliche Weitergabe von Saatgut und Pflanzen verhindern.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na, da haben wir ja noch mal Glück gehabt.)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das Saatgut hat eine zentrale Bedeutung für die Ernährungssicherung. Käuferinnen und Käufer, und das sind nun mal die Landwirte und die Gärtner, vertrauen darauf, dass das erworbene Saatgut qualitativ hochwertig und sortenrein ist. So soll ihnen eine sachkundige Entscheidung ermöglicht werden, Anforderungen in Bezug auf Identität, Reinheit und Gesundheit und so weiter definiert werden. Das ist aus diesem Entwurf der Verordnung entnommen. Dies europaweit zu regeln, ist aus unserer Sicht im Großen und Ganzen sinnvoll.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ein kleiner Blick zurück in die Geschichte: Seit 1966 reguliert die Europäische Union mit dem Saatgutrecht die Erzeugung und die Zulassung von Saatgut für die Vermarktung. Bisher geschah das auf der Basis von Richtlinien, die in den einzelnen Mitgliedsstaaten – und das ist mir besonders wichtig – entsprechend ihrer jeweiligen spezifischen Bedingungen umgesetzt wurden. Das sind in Deutschland unter anderem das Saatgutverkehrsgesetz und die Erhaltungssortenverordnung.

Es ist nicht außergewöhnlich, dass Gesetze und Verordnungen nach einer gewissen Zeit erneuert beziehungsweise auch überarbeitet werden müssen. Das passiert hier in diesem Hohen Hause ja in fast jeder Landtagssitzung. Bereits seit 2008 – ich wiederhole: 2008 – arbeitet die EU-Kommission an der Aktualisierung des Saatgut

rechtes und hat diesen in Rede stehenden Entwurf in einem Maßnahmenpaket zur besseren Durchsetzung der Gesundheits- und Sicherheitsstandards veröffentlicht.

Nun haben aber auch einige Regulierungsversuche der EU dafür gesorgt, dass solche Versuche sehr skeptisch begleitet werden. Die nun vorgesehene Vereinheitlichung der für den europäischen Wirtschaftsraum geltenden Anforderungen an Vermehrungsmaterial sowie eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften kann man im Grunde begrüßen, wenn sie dann besser, ich wiederhole, wenn sie dann besser ist als zuvor und die Saatgutsicherheit und den Schutz der Anwender – und das sind die Bauern, das sind die Gärtner – und der Verbraucher gewährleistet.

Das zu prüfen und gegebenenfalls zu beeinflussen, ist Aufgabe des Parlaments und der Regierung. DIE LINKE hatte deshalb im Agrarausschuss beantragt, dass das Ministerium zum Inhalt, zum aktuellen Stand und zu den möglichen Auswirkungen der vorgeschlagenen Änderungen des Saatgutrechtes informiert. Frau Dr. Karlowski, Sie haben darauf hingewiesen, dass diese Information in der 36. Sitzung des Ausschusses am 29. August dieses Jahres sachkundig gegeben wurde und im Protokoll nachzulesen ist für jeden, der es wünscht.

Unabhängig davon, wie die Mehrheit des Landtages über den Umgang mit diesem vorliegenden Antrag entscheidet, ist für meine Fraktion klar, dass wir dieses Thema wieder in den Ausschuss holen werden,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir doch auch.)

denn eine ganze Reihe von Fragen gilt es, weiterhin zu beraten und gegebenenfalls zu beeinflussen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, unser Land ist ein bedeutender Erzeuger von Saat- und Pflanzgut mit mittelständischen Unternehmen, der Minister hat darauf aufmerksam gemacht, und ich unterstreiche hier das mit den „mittelständischen“ Unternehmen. Außerdem und gerade deswegen haben wir Gespräche mit anerkannten Züchtern aus unserem Lande und mit dem Saatgutverband Mecklenburg-Vorpommern geführt und werden diese weiter führen. Es freut mich ganz besonders, dass es gelungen ist, die Genbank in Malchow auf Poel und in Groß Lüsewitz, auch das war hier angesprochen worden, nach 1990 zu erhalten, als Außenstellen des Instituts in Gatersleben.

Nun zu einigen weiteren Aspekten des Themas und zum vorliegenden Antrag. Ich meine, dass der Landtag, anders als hier gefordert, sich nicht in der Situation befindet, eine EU-Verordnung abzulehnen oder den Entwurf abzulehnen. Das wäre die Verantwortung einer wie auch immer zusammengesetzten neuen Bundesregierung. Dass sich die Landesregierung für eine Überarbeitung des Verordnungsentwurfes einsetzt, ist von der Sache her legitim und ich bin überzeugt, das wird auch so sein.

Der Zeitpunkt jedoch, an dem man das einfordert, erscheint mir zu früh gewählt, denn erst in Kürze beginnt auf Bundesratsebene der Prozess der Anhörungen und Beratungen mit Akteuren und Betroffenen und wird mehr Klarheit über die Auswirkungen im Detail bringen, als das jetzt der Fall ist. Ich will auch darauf hinweisen, die „Agrarzeitung“ Nummer 40 wies darauf hin, dass in dieser

Woche die erste Beratung im Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlamentes dazu stattfindet.

(Egbert Liskow, CDU: Weiß das Frau Dr. Karlowski nicht? – Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Doch.)

Die im Antrag vorgegebene Zielstellung zur Gentechnik und speziell Fusionstechnik berühren aber andererseits eher die Rechtskreise der EU-Gentechnik-Verordnung, wie die Freisetzungsrichtlinie und die EG-Öko-Basisver- ordnung. Welchen Sinn, meine Damen und Herren, ein „zulassungsfreie(r) unbeschränkte(r) Handel mit Sorten aus konventioneller Züchtung“, wie in dem Antrag gefordert, haben soll, das hat sich mir bisher nicht erschlossen, zumal an anderer Stelle im Antrag beklagt wird, dass die öffentliche Kontrolle reduziert werden soll. Das würde doch dem Anliegen eines zulassungsfreien unbeschränkten Handels entgegenkommen. Aber das ist nicht unsere Auffassung zu diesem Thema.

Das Saatgutrecht wird auch oder gerade von kleinen Züchtern als Erfolgsgeschichte angesehen. So sagen es meine, so sagen es unsere Recherchen, die wir in der Praxis in Vorbereitung auf den heutigen Tag durchgeführt haben. Insbesondere die Kernbestandteile wie die Sortenzulassung und die amtliche Saatgutprüfung werden als unerlässlich angesehen. Die amtliche Sortenzulassung sichert dem Züchter Chancengleichheit, weil damit sein Produkt unabhängig bewertet wird und es dem Endverbraucher – dem Landwirt, dem Gärtner – damit eine neutrale Entscheidungsgrundlage für den Kauf gibt.

So können kleine Saatgutunternehmen auch ohne große Werbeetats – und das ist ja meistens der Fall – durch Qualität überzeugen, schrieb uns ein mittelständischer Saatgutzüchter aus unserem Lande. Das ist angesichts der Tatsache, dass die zehn größten Saatgutunternehmen weltweit fast 75 Prozent des gesamten Saatgutmarktes bestimmen, ungeheuer wichtig und darf nicht aufgeweicht werden.

In dem Antrag wird des Weiteren erwähnt, dass der Regelungsvorschlag willkürliche Betriebsgrößen und Umsatzbeschränkungen beinhaltet, die mit 2 Millionen Euro Jahresumsatz und zehn Arbeitskräften definiert sind. Frau Dr. Karlowski, Sie hatten darauf aufmerksam gemacht. Welche anderen Betriebsgrößen und Umsatzbeschränkungen hätten nicht diesen willkürlichen Charakter und welche Größe schlagen Sie oder Martin Häusling, von dem diese Auffassung ja stammt, denn vor?

Wir neigen eher dazu, diese Ausnahmen abzulehnen, weil sie in zweierlei Hinsicht kontraproduktiv sind. Zum einen ist der Saatgutverbraucher darauf angewiesen, dass er genau die Sorten und Qualitäten bekommt, die er braucht. Dieses Bedürfnis besteht unabhängig von der Größe des Lieferanten. Zum anderen schützt die Sortenzulassung gerade die Innovationen der kleinen Züchter, denn diese stellt an alle Züchter die gleichen Anforderungen und macht ihn durch sein Qualitätsprodukt für den Landwirt sichtbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle will ich die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts an die Landwirtschaft noch einmal kurz anreißen: Die wichtigste Herausforderung ist eine nachhaltige Lebensmittelproduktion unter den Bedingungen des Klima

wandels und die Produktion nachwachsender Rohstoffe und erneuerbarer Energien. Das alles funktioniert nur mit hochwertigem Saatgut, das in geprüfter Qualität nach weitgehend einheitlichen Standards produziert wird. Dabei kann die EU-Saatgutrichtlinie prinzipiell von Nutzen sein, denn Saatgutrecht gewährleistet am Ende Verbraucherschutz und erhält die Marktchancen auch und gerade kleiner und mittlerer Unternehmen. Deshalb ist das grundsätzliche Festhalten an bewährten Elementen wie amtliche Sortenzulassung mit Register- und Wertprüfung sowie amtliche Saatgutanerkennung zu begrüßen.

Im Detail, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es aber eine ganze Reihe von weiteren Punkten, deren Regelung aus unserer Sicht diskutiert werden muss. Da sind unter anderem die praktische Regelung des Erhalts der alten Sorten, die bürokratische Belastung vor allen Dingen der kleinen Betriebe und die Schaffung zukunftsfähiger Bedingungen für die Züchter in unserem Lande zu nennen. Die Möglichkeiten im jetzigen Verordnungsentwurf, diese Grundsätze mit umfangreichen Ausnahmevorschriften zu unterlaufen, darf es jedoch aus unserer Sicht nicht geben.

Diese Diskussion sollten wir aber mit Fachleuten und Betroffenen führen. Der geeignete Ort dafür ist, wo wir die Diskussion begonnen haben, nämlich im Agrarausschuss. Dort werden wir auch weitermachen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Krüger von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss den GRÜNEN zugutehalten, dass das Thema, was Sie hier auf die Tagesordnung gesetzt haben, ein durchaus wichtiges Thema ist. Das will ich einfach mal vorwegsagen, bei allem, was Sie sicherlich auch an Kritik gleich hören werden. Ich denke, dass das Befassen mit der EU-Saatgutver- ordnung durchaus wichtig ist

(Egbert Liskow, CDU: Die haben nur kein Geld.)

und auch für die Landwirtschaft in unserem Land von großer Bedeutung ist. Wie gesagt, wir haben an der einen oder anderen Stelle unterschiedliche Auffassungen, das Thema an sich ist aber eins, was durchaus wichtig ist.

Meine Damen und Herren, im Frühjahr dieses Jahres gab es massive Aufregung. Wer die Netzwerke verfolgt hat, wer die Medienberichterstattung verfolgt hat, dem ist das durchaus aufgefallen. Es sollte eine EU-Saatgut- verordnung vorgelegt werden, die zu einer deutlichen Verschärfung auf dem Markt geführt hätte. Alles, so war in den Medienberichten zu lesen, sollte reglementiert werden. Bis hinunter in den Kleingarten hinein sollte es nicht mehr möglich sein, sich selbst sein Saatgut zu ziehen und selbst zu tauschen und selbst das weiterzugeben. All das sollte nicht mehr möglich sein.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz klar, vor diesem Hintergrund wäre eine deutliche Positionierung des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern dringend angeraten gewesen und sicherlich dringend auch dann

erfolgt. Das hätte nämlich bedeutet, dass wir per Verordnung die Biodiversität deutlich eingeschränkt hätten. Das kann man nicht wollen und das wollen wir auch nicht.

Meine Damen und Herren, wir brauchen auch weiterhin die Vielfalt der Sämereien, zum Teil als Nischensegment. Darauf haben Sie, sehr geehrte Frau Dr. Karlowski, ja auch hingewiesen. Es darf nicht sein, dass am Ende nur wenige Firmen die Macht haben über diesen Markt, ich sage mal nur Monsanto hier, die mit bestimmten Dingen da etwas tun.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Ich glaube, da sind wir uns auch einig. Das ist überhaupt keine Frage. Wir wollen die alten Sorten erhalten. Da gibt es ganz verschiedene Dinge, weshalb wir das wollen. Wir haben, glaube ich, züchterisch hier einen Riesenschatz. Das hat etwas zu tun mit Resistenzen, das hat etwas zu tun damit, dass die Pflanzen besonders angepasst sind, wir haben hier eine Genreserve, mit der man sehr gut züchterisch arbeiten kann. Deswegen sage ich ganz klar, das darf alles nicht verloren gehen.

Aber nun schauen wir mal in Ihren Antrag selbst rein. Ihr Antrag sagt uns, dass wir die EU-Saatgutrichtlinie zurückweisen sollen. Klar kann man das machen, man kann zurückweisen. Das hätte,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: In der derzeitigen Form.)

das hätte …

Jaja, in der derzeitigen Form. Ja, okay, in der derzeitigen Form zurückweisen sollen. Das kann man machen, dann hätte man eine appellierende Wirkung. Ich will auch eine appellierende Wirkung gar nicht kleinreden, denn bei den Beratungen im Europäischen Parlament wird das ja wieder vorgelegt und hat das durchaus seine Bedeutung, wenn reihenweise beispielsweise Parlamente sagen, das geht nicht.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: So sehen wir das auch.)

Ich will aber auch darauf verweisen, sehr geehrte Dr. Karlowski, dass die Beratungen im Europäischen Parlament jetzt erst losgehen und dass das, was ich eingangs geschildert habe, nicht wirklich die Verordnung ist. Die Verordnung sieht ja anders aus. Das waren Medienberichte zu einer erwarteten Verordnung, die Verordnung selbst sieht anders aus.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die hat 155 Seiten.)

Das zu dem Teil der Ablehnung.

Dann sagen Sie beim zweiten Teil, dass wir nicht nur ablehnen sollen, sondern dass wir sie überarbeiten sollen. Und Sie sagen auch, in welche Richtung das Ganze überarbeitet werden soll. Sie sagen nämlich, Sie wollen den zulassungsfreien und unbeschränkten Handel. Den zulassungsfreien und unbeschränkten Handel wollen Sie.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nee, nee, nee, nee, Sie wollen den,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen – lesen Sie mal Ihren Antrag –, Sie wollen den zulassungsfreien und unbeschränkten Handel

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)