Protokoll der Sitzung vom 14.11.2013

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich denke, das ist zu konkret?)

Wenn wir jetzt in diesen Bereich auch noch mal gehen, dass Sie sagen, hier muss unbedingt was gemacht werden, dann will ich doch mal darauf verweisen, auch gerade vor dem Hintergrund der Nachrichten heute Morgen, im Zusammenhang mit den Koalitionsverhandlungen haben die Koalitionäre CDU/CSU und SPD heute Morgen, zumindest habe ich das so gehört, vermeldet, dass man erkannt hat, dass in diesem Bereich, in dem begonnen wurde seit 2006, Veränderungen vorzunehmen, jetzt hier explizit noch mehr Kraft hineingesteckt werden soll. Es soll in diesem Bereich weiterhin entsprechende Förderung stattfinden.

Und es ist einfach so, dass seit 2006 ein Innovationskreis berufliche Bildung beim Bundesministerium für Bildung und Forschung installiert wurde und hier konkrete Veränderungen im Bereich der Berufsausbildung vorgenommen wurden. Konkret heißt zum Beispiel, dass Ausbildungsbausteine für 14 Berufe installiert worden sind.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesen Berufen wird ungefähr seit 2006/2007 in diesem Bereich gearbeitet. Ich persönlich kenne mich da ganz gut aus im Bereich Anlagenmechaniker für Sanitär-,

Heizungs- und Klimatechnik. Ich habe im Bereich der Metalltechnik meine Lehre vollzogen, ich weiß nicht, ob der eine oder andere das hier in diesem Raum auch gemacht hat.

(Thomas Krüger, SPD: Ja.)

Zu DDR-Zeiten war es so – Herr Krüger, Sie werden das wissen –, das war so fachspezifisch, Fertigungstechnik, Werkstofftechnik et cetera, explizit aufgegliedert. Durch das Berufsbildungssystem der Bundesrepublik Deutschland ist es dann schon so gewesen, dass wir eine ganz andere inhaltliche Ausrichtung hatten. Im Bereich hieß es dann zum Beispiel Technologie, wo es eine gewisse Zusammenfassung gab, technische Mathematik oder Arbeitsplanung. Das waren konkrete größere Formulierungen.

Jetzt hat man seit 2006/2007 erkannt, dass das mögli- chweise nicht mehr das Wahre ist. Man hat umgesteuert und man ist jetzt auf Ausbildungsbausteine gegangen. Da gibt es zum Beispiel in diesem Berufsbild sieben. Dann heißt zum Beispiel so ein Berufsbild – ich will das jetzt wie gesagt anhand des Beispiels der Sanitärtechnik mal hier kurz erläutern –, Erstellen und Inbetriebnahme von sanitären Einrichtungen und Anlagen sowie von Trinkwasseranlagen. Das ist eine globale Formulierung, die den technologischen Anteil enthält, dass man eben erklärt und erarbeitet, wie werden solche Trinkwasserbehälter erstellt, wie funktionieren sie. Dann wird zum Beispiel im Bereich der Mathematik eine Dimensionierung vorgenommen, entsprechende Strangschemen werden dazu erstellt. Das heißt, wir haben eine komplexe Ausbildung in diesem Bereich.

Man hat erfolgreich umgesteuert, diese Pläne sind schon längst in der Umsetzung. Und insofern weiß ich jetzt nicht, was Sie unbedingt Neues wollen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben nicht zugehört.)

Wenn Ihr Punkt darauf abzielt, hier diese Modulausbildung, und das steht ja im Punkt 3, um diesen Übergang mal herzustellen, und das stellt eben auch das infrage, was Sie möglicherweise nicht meinen, aber unbewusst machen, dass Sie nämlich die duale Ausbildung in Module aufteilen wollen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ach, Quatsch!)

Wenn Sie nämlich konkret dieses Modul, was ich eben beschrieben habe, in der Berufsausbildung, und das ist Ihre Forderung, die hier drinsteckt, dazu nutzen wollen, dass ein Abschluss erzielt wird in diesem Bereich – meinetwegen dauert dieses Modul ein halbes Jahr –, dann fangen Sie nämlich an, in Miniausbildungen zu untergliedern, in Schmalspurausbildungen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich gar nicht gesagt.)

Dann besteht nämlich die Gefahr, Frau Gajek, dass der Arbeitgeber sagt, okay, dieser Mann, diese Frau, die dieses Modul abgeschlossen hat, hat jetzt eine sogenannte Teilausbildung erreicht. Dieses Modul reicht mir aus als Arbeitgeber, das stelle ich mal in den Raum, um diesen Auszubildenden mit diesem Zertifikat, das sagen Sie ja immer wieder, mit diesem Modul dann in das Be

rufsleben zu entlassen, und dann soll der von heute auf morgen nur noch Trinkwasserspeicher aufbauen. Und da sage ich Ihnen, das ist der falsche Weg.

Sie müssen immer wieder den Gesamtkomplex sehen, nämlich eine dreieinhalbjährige Ausbildung, die zu einem Berufsabschluss führt, der dann eben nicht nur den Trinkwassererwärmer enthält, der eine Elektroausbildung in diesem Bereich enthält, der eine Klimaausbildung in diesem Bereich enthält. Und dann ist es einfach abzulehnen, dass wir sagen, wir modulieren das so und brechen dann möglicherweise, weil der eine oder andere Auszubildende vielleicht dann auch nicht mehr die Motivation hat, nach zwei Modulen die Ausbildung ab und sagen, tolle Sache, ich habe zwei Module, ich habe doch was, das wars.

Das kann nicht der richtige Weg sein. Und ich sage Ihnen, der Minister hat es ja ähnlich dargestellt, das betrifft nämlich hier den Punkt 3, das ist eine Aushöhlung der dualen Ausbildung und das ist mit der CDU nicht zu machen, das ist abzulehnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Wir können gerne darüber diskutieren. Auch das ist bereits in der Praxis Realität, dass zum Beispiel im Bereich des Einzelhandels jemand eine Berufsausbildung aufnimmt, zum Beispiel als Verkäufer. Wenn er diese Ausbildung als Verkäufer zwei Jahre durchlaufen hat,

(Egbert Liskow, CDU: Dann kann er nur Bananen verkaufen.)

dann hat er eine entsprechende Abschlussprüfung, hat einen Abschluss über diesen Prozess als Verkäufer. Dann können Sie diese Ausbildung, diesen Abschnitt von zwei Jahren meinetwegen in vier Module unterteilen, das ist überhaupt kein Problem. Aber wir haben dann eine Möglichkeit geschaffen, auf einem etwas niedrigeren Level einen Ausbildungsabschluss zu bekommen.

Und dann, das ist die Praxis, können die Auszubildenden auch im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber sagen, das reicht mir jetzt nicht aus, ich brauche einen Fachverkäufer im Einzelhandel. Und der hat nämlich dann eine dreijährige Ausbildung, das heißt, nach zwei Jahren mit einem Abschluss – und das ist kein Zertifikat oder sonst was, das ist ein regulärer Berufsabschluss, das zeichnet nämlich die deutsche Berufsausbildung aus – kann er dann weiterhin seine Ausbildung vollziehen ein Jahr weiter

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir reden immer aneinander vorbei.)

und ist dann Fachverkäufer im Einzelhandel.

Ich habe nicht vor, dieses System irgendwie infrage zu stellen. Insofern ist dann auch Ihr Punkt 3, den Sie hier beschrieben haben, den Sie hier fordern, vom Grunde her inhaltlich abzulehnen. Und ich kann nicht nachvollziehen, dass es notwendig ist, zumindest für die CDUFraktion, diesem Antrag die Zustimmung zu geben. Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben. Wir lehnen Ihren Antrag ab. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Foerster von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In Mecklenburg-Vorpommern wurden im Oktober 2013 offiziell 7.857 Jugendliche unter 25 Jahre als arbeitslos gezählt, 1.197 von ihnen waren unter 20 Jahre alt. Das entspricht einer Quote von 10,0 beziehungsweise 8,1 Prozent.

Unser Land liegt mit 10 Prozent Jugendarbeitslosigkeit an vorletzter Stelle im Bundesvergleich, nur Berlin hat mit offiziell 11,3 Prozent arbeitslosen Jugendlichen noch eine höhere Quote, Baden-Württemberg und Bayern mit jeweils 2,7 Prozent haben die niedrigsten. Zum vollständigen Bild fürs Bundesland kommen nach Angaben der Bundesagentur noch mehr als 8.000 arbeitslose Frauen und Männer im Alter zwischen 25 und 35 Jahren hinzu, die aus unterschiedlichsten Gründen keinen Berufsschulabschluss haben.

Das sind Tatsachen, die seit Jahren das Leben in Mecklenburg-Vorpommern mitbestimmen und mitprägen. Ja, ich weiß und will das auch gar nicht verschweigen, die Zahlen haben sich verbessert. Im Vergleich zu 2005 ist beispielsweise der Anteil von Personen ohne Berufsabschluss unter den jungen Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren auch in Mecklenburg-Vorpom- mern gesunken, und zwar von 12,3 auf 8,6 Prozent im Jahr 2011. Das ist natürlich erfreulich.

Auch die Quote der Schulabgänger ohne Berufsreife von 11,9 Prozent im Schuljahr 2011/2012 ist natürlich eine Verbesserung. Im Bundesvergleich, und da sieht es dann wiederum etwas schwieriger aus, befinden wir uns allerdings immer noch am Ende der Fahnenstange. Mit einem Anteil von 82 Prozent erfolgreich abgeschlossener Berufsausbildungen erreicht MecklenburgVorpommern zum Beispiel in dieser Kategorie nach wie vor den schlechtesten Wert aller Bundesländer. Der Bundesschnitt liegt bei 89,7 Prozent erfolgreicher Abschlüsse.

Aus diesen Tatsachen ergeben sich nicht geringe Probleme für die Betroffenen und deren Familien, für die Kommunen, für die Gesellschaft insgesamt und damit schließlich auch für die Unternehmen im Land, die ja zum Teil händeringend nach Auszubildenden suchen. Junge Menschen ohne Schul- und ohne Berufsabschluss haben es schwerer, in das Berufsleben und damit in die Gesellschaft integriert zu werden. Wenn sie gar dauerhaft im Hartz-IV-System gefangen sind, dann drohen sie dem Gemeinwesen verloren zu gehen.

Jungen Menschen ohne Schul- und ohne Berufsabschluss hilft keine Debatte über mangelnde Ausbildungsreife oder die Forderung, ihren Hartz-IV-Bezug zu kürzen. Sie benötigen mehr und vor allem zielgerichtetere Hilfe. Und hier gibt es an den verschiedensten Stellen im System Korrekturbedarf.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind durch viele Studien belegt. Langzeitarbeitslosigkeit und Armut der Eltern führen ebenso zu diesen Erscheinungen bei den Kindern wie umgekehrt ein hohes Einkommen der Eltern oder deren Bildungsbiografie zur Hochschulreife, zu Studienabschlüssen und zu einem hohen Einkommen bei den Kindern führt.

Daneben tragen natürlich auch der Niedriglohnsektor und unstete Beschäftigungsverhältnisse der Eltern dazu bei, dass Kinder und Jugendliche entweder die materiellen Voraussetzungen nicht haben oder aber wenig motiviert werden können, so zu malochen wie ihre Eltern, ohne dass dabei sichtbar etwas für die Familie herumkommt.

Und die Auffassung, jede Arbeit sei besser als keine, kann in einem der reichsten und am stärksten entwickelten Industrieländer der Welt, das immer mehr auf Konsum als Ausdruck von Leistungsfähigkeit setzt, auch nicht aufgehen. Die geleistete Arbeit wird auch durch den Lohn anerkannt – oder eben auch nicht – und wirkt demzufolge motivierend oder demotivierend.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Wir kommen im nächsten – inzwischen ist es der übernächste – Tagesordnungspunkt bezüglich der Ausbildungsentgelte ja noch einmal darauf zu sprechen.

Und natürlich sind auch die Bedingungen an den staatlichen Schulen und an den Berufsschulen dafür ausschlaggebend, wie junge Menschen lernen können und wie sie lernen, angefangen bei den tatsächlich erbrachten Unterrichtsstunden über die auskömmliche Anzahl der Lehrkräfte bis hin zu deren Motivation oder bis hin zu den materiellen Bedingungen an den Schulen. Und völlig richtig ist es, zu hinterfragen, ob denn die Auszubildenden zeitgemäß unterrichtet und ausgebildet werden, ob das System durchlässiger, flexibler, gar modularisiert werden muss und ob die Inhalte entschlackt werden müssen.

Im ersten Punkt des Antrages wird die Verlängerung der Ausbildungszeit angeregt, um Jugendliche, die mehr Unterstützung benötigen, besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wie der Antragstitel lautet. Sicherlich könnte das eine weitere Möglichkeit darstellen, junge Menschen mit Problemen in der Ausbildung dabei zu unterstützen, ihr Ausbildungsziel zu erreichen. Aber liegt in mehr Zeit allein der Schlüssel zum Erfolg für diese Jugendlichen?

(Torsten Renz, CDU: Nein. – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Sie greifen in Ihrer Begründung die Klage der Unternehmen auf, die ihre Ausbildungsplätze nicht besetzt bekommen. Das ist jedoch ein Aspekt, auf den Sie in Ihrem Antrag gar nicht eingehen. Das Aufdecken der Ursachen dafür, warum Stellen nicht besetzt werden können, könnte hilfreich sein.

(Torsten Renz, CDU: Ist das etwa Kritik an dem Antrag?)

Warum können bei abnehmender Anzahl der gemeldeten Berufsausbildungsstellen gleichzeitig mehr dieser Stellen, und zwar kontinuierlich ansteigend, nicht besetzt werden? Ich hätte da eine Vermutung.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tja.)

Auf die zum Teil schwierigen Ausbildungsbedingungen, zum Beispiel im HOGA-Bereich, habe ich an verschiede

nen Stellen hier im Landtag schon verwiesen und ich werde es auch weiter tun. Dazu kommen Fragen, inwieweit Auszubildende nur als billige Arbeitskräfte angesehen werden und zu ausbildungsfremden Tätigkeiten herangezogen werden oder nicht und die Übernahmeperspektiven im eigenen Unternehmen.

Das unübersichtliche Nebeneinander von Maßnahmen im Übergangsdschungel zwischen Schule und Beruf ist Gegenstand einer Arbeitsgruppe der Landesregierung. Völlig zu Recht beklagen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, dass hier nach jahrelanger Beratung immer noch keine belastbaren Ergebnisse vorliegen. Und dabei ist vieles, was notwendig wäre, schon x-mal niedergeschrieben worden, zum Beispiel das gemeinsame Handeln von Landesregierung, Bundesagentur, Landesausschuss für Berufsbildung und Statistischem Amt, die frühzeitige und systematische Berufswahlvorbereitung, die zielgenaue Zuweisung der Jugendlichen in die passenden Maßnahmen, die Koordinierung aller Aktivitäten von BA, Jobcentern, Jugendämtern und Sozialämtern, um nur einige Beispiele zu nennen.

Fraktionsintern haben wir uns Anfang des Jahres einmal mit dem Maßnahmendschungel im Übergangssystem befasst. Eine ganze Zahl von Beteiligten, unter anderem die Bundesagentur, die Jobcenter, das Land, die Kommunen, die Kammern und so weiter gemeinsam halten mehr als 50 Maßnahmen vor, um den Übergang Schule/Beruf zu sichern, und trotzdem gelingt das offensichtlich nur mit mäßigem Erfolg.