Protokoll der Sitzung vom 14.11.2013

Also insofern ist es ja auch eine interessante Situation – ich meine jetzt nicht mich persönlich, aber gerade Gegner des gesetzlichen Mindestlohnes, die seit Jahren hoch und runter Argumente gefunden haben, warum es gar nicht geht, und plötzlich das Ganze jetzt eingeführt wird –, dass hier in diesem Bereich vielleicht, in wie vielen Jahren auch immer, eine ähnliche Situation auftreten könnte. Wobei, wenn Sie heute den Pressespiegel gelesen haben, werden Sie festgestellt haben, wenn es um die Umsetzung geht, ums Detail – da waren ja einige interessante Artikel drin, gerade am Beispiel der Taxiunternehmen –, wie schwierig das dann in der Umsetzung in der Praxis ist.

Aber lassen Sie uns vor dem Hintergrund der eben von mir geschilderten Situation auf diesen konkreten Antrag zurückkommen. Sie haben zum Beispiel im Bereich der Gastronomie dargestellt, nehmen wir mal den Koch, den Kochlehrling, dass Sie sagen, es sind unzählige Stellen unbesetzt. Da würde ich doch ganz gerne noch mal …

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ich habe gesagt, die Top Five werden angeführt von bestimmten Berufen, und das seit Monaten.)

Gut, ich wiederhole ganz einfach, es sind unzählige Stellen im Bereich der Gastronomie,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Minister Mathias Brodkorb)

konkret des Koches, unbesetzt.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann ist doch die Frage, wenn wir uns jetzt mal vorstellen, Herr Foerster, Sie sind dort Arbeitgeber, Hotelbesitzer: Was machen Sie denn in diesem Fall? Sie finden keinen Kochlehrling, warum auch immer.

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Sie analysieren dann doch sicherlich die Situation und sagen, ich habe jetzt zwei Möglichkeiten, entweder koche ich selbst oder aber ich mache mir Gedanken, wie ich die Attraktivität dieser Stelle erhöhe, sodass ich dann endlich einen Bewerber habe, mit dem ich sozusagen in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis gehe, damit die Stelle besetzt ist.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das wäre schön, wenn es so funktionieren würde. Da gebe ich Ihnen recht.)

Ja, das müssen Sie doch machen als Unternehmer. Wollen Sie denn selbst kochen, wollen Sie nachher die Buchhaltung selbst machen, wollen Sie selbst kellnern?

(Henning Foerster, DIE LINKE: Aber wie lange gibts das Thema schon?! – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein, Sie müssen eine Lösung suchen, damit Sie die Stelle besetzen. Und wenn Sie dann eine entsprechende Zeit verstreichen lassen haben und darüber nachgedacht haben, wie Sie das Problem lösen, werden Sie mögli- cherweise auf den Ansatz kommen – Sie zeigen es ja richtig an, Herr Foerster –, mehr Geld zu geben. Und wenn Sie jetzt die Lösung schon finden, Sie, Herr Foerster, Sie sind ja gar nicht Unternehmer, Sie finden die Lösung, mehr Geld zu geben,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das haben Sie treffend festgestellt. – Helmut Holter, DIE LINKE: Aber er denkt unternehmerisch.)

dann frage ich Sie: Müssen wir als Politik uns gesetzlich darum kümmern, um diesen einfachen Vorgang, für den Sie eben selbst eine Lösung herbeigeführt haben, sprich, mehr Geld zu geben? Müssen wir tatsächlich als Politik wieder gesetzliche Regelungen schaffen,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ach! Okay.)

um diese einfache Denksportaufgabe, die Sie eben treffend hier zum Ziel geführt haben, auf gesetzliche Füße zu stellen?

(Henning Foerster, DIE LINKE: So viel Lob aus Ihrem Mund, also.)

Ich glaube, nicht.

Sie haben ja in Ihren Ausführungen auch selbst dargestellt, dass es andere Dinge gibt, die die Attraktivität dieser Ausbildungsstelle erhöhen. Zum Beispiel bezahlbare Unterkünfte, haben Sie gesagt, oder angemessene Ausbildungsvergütung, was das auch immer ist. Fakt ist, aufgrund dieser Ausführungen haben Sie im Prinzip selbst argumentativ von der Logik her dargestellt, dass die Mindestausbildungsvergütung eigentlich keine Lösung des Problems darstellt,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist ein wesentlicher Aspekt der Lösung.)

sondern dass man das an dieser Stelle komplexer betrachten muss, vor allem aus Sicht des Arbeitgebers. Vor allem aus der Sicht heraus, dass wir eine ganz andere demografische Situation haben als vor Jahren.

Wir haben einen Fachkräftebedarf und insofern ist es ein Paket auch im Bereich der Ausbildung, was der Arbeitgeber bieten muss, um auch entsprechende Lehrlinge zu erhalten. Ob dann eine Zahl, wie Sie sie hier formuliert haben, von 500 Euro – ich weiß jetzt nicht, ob da noch Kindergeld obendrauf kommt oder Ähnliches –, wie die finanzielle Situation sich nachher in der Gesamtheit darstellen soll, das weiß ich nicht, das wird sicherlich noch einen Diskussionsprozess nach sich ziehen. Fakt ist, dass es, was die Logik betrifft, glaube ich, nicht unbedingt die Lösung schlechthin sein soll.

Wenn Sie jetzt konkret in Ihrem Antrag schon Zahlen aufführen, was sie alle verdienen und so weiter und so fort, und Sie selbst sagen, es gibt dieses Tarifregister – auch das wissen Sie –, dann finde ich, ist der erste Punkt nicht unbedingt notwendig, das jetzt hier zu analysieren, jetzt die Landesregierung zu beauftragen, eine Analyse niederzuschreiben, zu einem Wert von, was weiß ich, 166,17 Euro, was da analytisch festgestellt wird. Dieser Bericht, denke ich, ist gerade aus diesem Grund, aufgrund der Faktenlage, nicht notwendig, denn wenn Sie da ins Internet gehen, haben Sie unzählige Unterlagen zur Verfügung. Ich glaube, es ist nicht notwendig, dass wir als Landtag hier die Landesregierung beauftragen, einen entsprechenden Bericht zu erstellen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Da hat aber jeder eine andere Einstellung zu.)

In der Frage, wie sich die Situation bezüglich der Ausbildungsvergütung darstellt, verweisen Sie explizit auf das Berufsausbildungsgesetz von 1969. Das war also die Zeit, als auf alle Fälle der Spruch noch galt, „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist klar.)

Sie haben ja heute hier schon etwas ausgerufen. Lehrzeit soll demnächst das Schlaraffenland sein, so haben Sie es ja zum Ausdruck gebracht. Leider ist es noch nicht so.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das habe ich so nicht gesagt.)

Doch, so haben Sie es suggeriert.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist schon wieder so eine Verdrehung.)

Und Sie haben ja anhand der Bewertung allein der Faktenlage aufgrund des Alters und anderer Dinge, wie zum Beispiel auswärtige Unterbringung und so weiter, hergeleitet, dass dieses Berufsbildungsgesetz von 1969 im Prinzip für Sie auch nicht mehr die ausreichende Grundlage bildet, um hier die Ausbildungsvergütung,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Es geht um die Frage der Angemessenheit der Vergütung.)

ja, um hier entsprechend die Ausbildungsvergütung angemessen zu regeln.

Ich habe mir einfach mal die Mühe gemacht und nachgeschaut, auch wenn es 1969 war: Was hat der Gesetzgeber damals eigentlich gesagt, wie setzt sich die Ausbildungsvergütung zusammen, welche Richtschnur habe ich in diesem Bereich, wenn ich als Gesetzgeber handele? Der Gesetzgeber hat damals gesagt, die Vergütungszahlung hat zwei Funktionen, zum einen einen angemessenen Beitrag zur Deckung der Lebenshaltungskosten des Auszubildenden, das ist die erste Funktion der Ausbildungsvergütung, und zum anderen eine angemessene Entlohnung für die erbrachte Arbeitsleistung des Lehrlings. Das fehlt mir übrigens auch in Ihren Vorstellungen, wenn Sie hier sprechen.

Sie sprechen aus meiner Sicht sehr, sehr einseitig nur aus der Betrachtungsweise des Auszubildenden, und wir sollten uns immer wieder ins Gedächtnis rufen, der Arbeitsmarkt oder das Ausbildungsverhältnis besteht aus zwei Vertragspartnern, nämlich dem Auszubildenden und dem Arbeitgeber, und ich glaube, das sollten Sie in Ihrer Diskussion dann auch betrachten. Ich gehe sogar so weit, dass im Bereich des Ausbildungsverhältnisses, solange der Auszubildende keine 18 Jahre alt ist, die Eltern auch eine entsprechende Rolle spielen.

Aber zurück zur Thematik, welche Funktion hat die Ausbildungsvergütung. Ich habe also gesagt oder der Gesetzgeber hat damals gesagt: einen angemessenen Beitrag zur Deckung der Lebenshaltungskosten. Wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, „die Notwendigkeit, den eigenen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren“, dann sind das, glaube ich, verschiedene Dinge. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich Sinn und Zweck sein soll, einem Lehrling so viel Geld zur Verfügung zu stellen – auch vor dem Hintergrund der betrieblichen Situation –, dass er sein gesamtes Umfeld sozusagen finanziert, sprich: möglicherweise ein Auto, eine eigene Wohnung und, und, und.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Wie geht denn das mit 500 Euro, Herr Renz? – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Mit 500 Euro?)

Ich glaube schon, dass die Lehrzeit ein besonderer Prozess ist, in dem andere Gesetze gelten, dass es eben nur um eine angemessene Beteiligung geht, und ich bin aber auch der Auffassung in dem zweiten Punkt, dass sich die Entlohnung entsprechend an der Leistung orientieren muss.

Wenn Sie natürlich schon im ersten Lehrjahr mit 500 Euro zum Beispiel beginnen, wo möglicherweise der Lehrling über überbetriebliche Ausbildung, Weiterbildungslehrgänge, Berufsschule et cetera im ersten Halbjahr im Prinzip kaum einen Betrieb erreicht, wenn es zum Beispiel auch um Blockbeschulung geht, dann hat er noch

gar keine Arbeitsleistung für den Betrieb abgeleistet. Ist er dann da, geht es natürlich auch los, über einen entsprechenden Gesellen zum Beispiel die Arbeitsprozesse zu begleiten. Das heißt, die abgelieferte Arbeitsleistung zu Beginn einer Ausbildung,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist aber doch bei der Ausbildung so.)

die ist natürlich auch sehr unterschiedlich im Ausbildungsprozess. Auch das, denke ich, muss berücksichtigt werden bei einer entsprechenden Festlegung der Höhe der Ausbildungsvergütung. Und das Interessante,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Der Lehrling soll ausgebildet werden. Er soll keine Leistung bringen. – Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

das Interessante bei dieser Gesetzgebung ist dann, dass man sagt – das ist nämlich der Punkt, auf den es dann hinausläuft –, dass diese Rechtsprechung, weil es ja auch entsprechende Prozesse in diesem Bereich gab, immer wieder zurückgeht auf die Tarifpartner, nämlich dass Tarifpartner diese Dinge vereinbart haben, diese Lohnfindung in dem Bereich, und immer wieder muss man die Frage stellen: Warum lassen Tarifpartner zum Beispiel unterschiedliche Vergütungen in Ost und West zu?

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: In Nord und Süd.)

Warum solche unterschiedlichen Höhen? Fakt ist, dass die Rechtsprechung immer wieder so geendet hat, dass in diesem Bereich die Höhe nie angegriffen wird aufgrund der Tatsache, dass Tarifpartner sich hier geeinigt haben.

Wenn man jetzt sagt, das alles gilt nicht mehr, das wird vielleicht ein Prozess sein, dann muss man sich dieser Situation stellen. Aus meiner Sicht ist es zurzeit so, dass das geltendes Recht ist und diese Angemessenheit von Entlohnung und Arbeitsleistung immer wieder betrachtet werden muss. Zumal – das auch nur als Stichpunkt, weil ich heute etwas wenig Zeit bei diesem Tagesordnungspunkt habe – ein Auszubildender mit 17 Jahren, der wird von mir gleichgesetzt zum Beispiel mit einem Gymnasiasten, wo es keine Ausbildungsvergütung gibt, wo auch die Eltern in der Pflicht sind, oder nachher entsprechend mit Studenten, die ja auch keine Vergütung bekommen,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Wo wohnt denn der Gymnasiast in der Regel? Im Wohnort bei seinen Eltern.)

wenn sie nicht Eltern haben, die hier entsprechend zu wenig verdienen.