Protokoll der Sitzung vom 13.12.2013

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Problem, meine lieben Damen und Herren der GRÜNEN, ist eher grundlegender Art. Sie können oder wollen sich keine Problemlösung außerhalb Ihrer Ideen vorstellen. Trotz Ihrer Kritik wird es auch weiterhin Ziel der europäischen Politik sein, Flüchtlinge aufzunehmen und in allen Mitgliedsstaaten das gleiche Schutzniveau zu verwirklichen.

Viel wichtiger, meine Damen und Herren, ist das Tätigwerden vor Ort und die Beseitigung von Gründen, die zur Flucht von Millionen von Menschen führen. Ich rede von der Bekämpfung von Armut, Hunger, der Überwindung totalitärer Regime und der Schaffung von Frieden und Demokratie. Viele Menschen machen sich nicht auf den Weg nach Europa, weil sie hier leben wollen. Nein, sie wollen in geordneten und gesicherten Verhältnissen leben.

Vielleicht an dieser Stelle mal ein Beispiel. Kollege Al-Sabty hatte vorhin auf die Türkei abgestellt, als es um Flüchtlinge ging, und ich muss ganz ehrlich sagen, ich konnte dieses Beispiel überhaupt nicht nachvoll- ziehen.

Wir hatten ja vor Kurzem gerade die Gelegenheit, mit dem Innenminister ein syrisches Flüchtlingslager in der Türkei, unmittelbar an der Grenze zu Syrien, zu besuchen. Ich muss ganz ehrlich sagen, dort haben wir vor allen Dingen festgestellt, dass diese syrischen Flüchtlinge in der Türkei herzlich willkommen waren, dass die Türkei sich mit riesigem logistischem Aufwand um die syrischen Flüchtlinge gekümmert hat. Und was auch feststellbar war – ich unterstreiche das an dieser Stelle noch einmal –, war ihr Wunsch nach geordneten und gesicherten Verhältnissen, war der Wunsch aller Syrer, mit denen wir gesprochen haben, wieder heimzukehren in ihre Heimat und nicht das Verweilen in der Türkei oder möglicherweise die Weiterreise nach Europa. Hilfe zur Selbsthilfe, daran müssen wir arbeiten!

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird auch weiterhin den Schwerpunkt europäischer Flüchtlingspolitik bilden. Und selbstverständlich, das ist ein langer und das ist ein mühsamer Weg. Die Situation in den Krisengebieten kann dann nur nachhaltig verbessert werden, wenn dort noch jemand wohnt, der sie ändern kann und dem wir dabei helfen können.

Meine Damen und Herren, genau auf diesem Prinzip baut die europäische Asylpolitik auf, denjenigen zu helfen, die Hilfe brauchen, und denjenigen Schutz zu bieten, die den Schutz Europas benötigen. Damit ist gleichzeitig der Kreis der legalen Flüchtlinge klar beschrieben.

Wer sich auf den Weg nach Europa macht, nimmt häufig auch gefährliche Wege auf sich. Nicht selten kommt es dabei zu tragischen Unglücken, wie Lampedusa am 3. Oktober zeigte, als ein überladenes Flüchtlingsboot in Seenot geriet und sank. Bei diesem Unglück sind die Ursachen aber nicht primär in der europäischen Flüchtlingspolitik zu suchen. Lampedusa ist als Aufforderung zu verstehen, unsere Entwicklungshilfe zu verstärken. Zu Recht „fordert“ das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 23. Oktober, ich zitiere, „die EU auf, den Krisengebieten in Nordafrika und im Nahen Osten weiterhin humanitäre, finanzielle und politische Hilfe anzubieten, um gegen die eigentlichen Ursachen von Migrations- und humanitärem Druck vorzugehen“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Europäische Union hat am 2. November an den Außengrenzen ein neues System in Betrieb genommen,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tja.)

das heißt Eurosur. Viele Vorredner haben darauf abgestellt. Mit diesem System können die beteiligten Behörden besser kommunizieren und vor allem schneller reagieren und das, denke ich, ist das Entscheidende.

Bislang waren häufig Küstenwache, Marine und Polizei der Mitgliedsstaaten nicht ausreichend vernetzt. Im Mittelmeerraum waren rund 50 verschiedene Behörden für die Überwachung der Seegebiete zuständig. Die damit einhergehenden langen Kommunikationswege wurden nun erheblich verkürzt. Sämtliche an den Außengrenzen erfassten Daten laufen im Lagezentrum in Warschau zusammen und werden entsprechend koordiniert.

Aber Eurosur bietet vor allem auch die Möglichkeit, Flüchtlingsströme rechtzeitig zu erkennen und einzelne

Boote zu lokalisieren. Es ist richtig, dass mit dem System einerseits die illegale Einwanderung unterbunden werden kann, wie es der Name suggeriert, aber ich denke, viel wichtiger ist, dass das System auf der anderen Seite vor allen Dingen Leben retten kann, weil sie nämlich rechtzeitig erkannt werden, diese Flüchtlingsboote. Der Schutz und die Rettung von Flüchtlingen werden mit dem Eurosur-System deutlich verbessert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, von den jährlich über 300.000 Asylanträgen – laut Pro Asyl 2012 –, die in der EU gestellt werden, entfallen rund 20 Prozent auf Deutschland. Wie auch in allen anderen Bereichen übernehmen wir damit bereits einen Großteil der in Europa anfallenden Aufgaben. Die von Ihnen geforderte Abkehr vom Kriterium der illegalen Einreise und stattdessen die freie Wahl des Aufenthaltsortes würde zu unkontrollierbaren Menschenbewegungen führen, mit denen einzelne Mitgliedsstaaten hoffnungslos überfordert wären.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Standard.)

Standard ist völlig in Ordnung, Frau Gajek. Standard kann ich durchaus unterstreichen und Standard wäre auch im Sinne der Rechtsprechung des EuGH.

Selbst mit einem finanziellen Ausgleichsfonds wäre die erforderliche Logistik und Verwaltung nicht zu bewältigen. Davon abgesehen, stünde die Finanzierung eines solchen Vorhabens auf tönernen Füßen. Wenn ich mir die heutige Verteilung der Flüchtlinge ansehe, dann träfe die Zahlungspflicht wohl eher die südeuropäischen Staaten, und ich kann mir schwerlich vorstellen, dass Portugal, Spanien, Italien oder Griechenland die entsprechenden Mittel bereitstellen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie sehen, Ihr Antrag läuft wieder einmal einem Idealbild hinterher, das auch, wie immer und wie wir in den letzten Tagen schon häufiger festgestellt haben, an der Praxis scheitert.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Och!)

Wir werden Ihren Antrag ablehnen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Manfred Dachner, SPD)

Vielen Dank, Herr Silkeit.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der NPD.

Herr Müller, bevor ich Ihnen das Wort erteile, der guten Ordnung halber, mir ist einer Ihrer Zwischenrufe entgangen. Sie haben sich in Bezug auf die Anmerkung auf die Einhaltung der Geschäftsordnung und der Hausordnung dahin gehend geäußert, dass Sie davon gar nichts halten. Das ist eine ganz bewusste Missachtung der Würde dieses Hauses und aus diesem Grund erteile ich Ihnen nachträglich dafür einen Ordnungsruf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Lampedusa muss ein Wendepunkt für die europäische Flüchtlingspolitik sein“ – ja, das wäre wün

schenswert, da kann ich vollumfänglich zustimmen. Ab sofort muss es heißen: Grenzen dicht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Grenzen dicht für alle Asylschnorrer,

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die nach unserem Lebensraum trachten,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil sie, aus welchen Gründen auch immer, selbst nicht in der Lage sind, ihr eigenes Land zur Blüte zu führen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Welch ein bösartiger Nazi.)

Grenzen dicht für alle Verbrecher, die auf der Suche nach dem großen Geld

(Zurufe von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ihre kriminellen Geschäfte in unser Heimatland verlagern wollen. Und Grenzen dicht, weil die weißen Völker Europas

(Heinz Müller, SPD: Also jetzt reichts aber! – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Guck mal in den Spiegel, du Brauner! Das glaub ich doch nicht!)

nicht noch mehr Multikulti vertragen können.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Der Antrag der GRÜNEN geht selbstverständlich in die entgegen…,

Herr Abgeordneter! Herr Abgeordneter Müller, ich ermahne Sie hier und wir verbitten uns in diesem Hohen Haus offene rassistische Hetze gegen Menschen anderer Hautfarbe,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das glaub ich ja wohl nicht. Du alte Pappnase du!)

anderer Nation und die grundsätzliche Unterstellung, dass es sich um Kriminelle handelt. Ich bitte Sie, dies zu berücksichtigen, sonst werde ich Ihnen das Wort entziehen.

… selbstverständlich in die entgegengesetzte Richtung. Ich halte es daher für besonders wichtig, noch einmal vor allem für alle Zuhörer im Land zusammenzufassen, was uns die GRÜNEN hier heute zumuten, worüber wir überhaupt reden.

Die GRÜNEN wollen, dass alle Menschen, ich wiederhole, alle Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machen, freudig begrüßt werden, egal, ob tüchtig oder faul, ob anständig oder kriminell.

(Thomas Krüger, SPD: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“)

Sie sollen die Möglichkeit bekommen, sich in jedem beliebigen Land niederzulassen, da, wo es ihnen am besten gefällt, in der Praxis also da, wo es am meisten zu holen gibt, in Deutschland.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh nee, das ist doch alles Unsinn! – Stefan Köster, NPD: Nein, das ist die Wahrheit.)

Die absehbaren Folgen dieser fundamentalen Änderung der Asylpolitik werden in dem Antrag der GRÜNEN nur am Rande erwähnt. Ein vermeintlicher Lösungsansatz fällt bei näherer Betrachtung sofort durch, weil dieser die Situation weiter verschärfen würde, denn ein finanzieller Ausgleichsfonds für die überdurchschnittlich aufnehmenden Mitgliedsstaaten, wie ihn die GRÜNEN fordern, wird kein Anreiz sein, bessere Aufnahmebedingungen in den zahlenden Staaten zu schaffen. Vielmehr ist der Fonds als Einladung zum Zahlen zu verstehen, um sich den Ärger vom Hals zu halten.