Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

dann, wenn etwas sehr gut funktioniert an irgendeinem Industriestandort – Dassow könnte ich nennen, aber auch die Werften –, dann ist der Ministerpräsident da, und da legt man sich ins Zeug und sagt, guck, das ist unser Projekt, das funktioniert, die Werft baut gerade zwei Fähren, und dann schiebt man sich nach vorne. Wenn das Ganze dann nach hinten runterfällt, stutzt sich das Ganze auf die formaljuristische Realität zurück, indem man das sagt, was formalrechtlich richtig ist – wir haben es gerade von Herrn Schulte hier ausgiebig gehört –, dass man sagt, das ist gar nicht unser Problem, wir können aus formalrechtlichen Gründen hier überhaupt nicht mehr gestaltend eingreifen, und verschanzt sich hinter EU-Recht und Insolvenzrecht, was natürlich formal richtig ist.

Insofern, Herr Ministerpräsident, Herr Wirtschaftsminister, sind Sie für mich Rosstäuscher und Heuchler

(Vincent Kokert, CDU: Ordnungsruf! Ordnungsruf!)

und hintergehen die Belegschaft und die Zuliefererindustrie, haben Hoffnungen immer wieder geschürt und hervorgerufen. Das, was die Werftindustrie als Kernindustrie auch immer hier apostrophiert und vor der Wahl vom Ministerpräsidenten ganz groß herausgestellt wurde, wir bekennen uns zur maritimen Kernindustrie in Mecklenburg-Vorpommern, ist nichts anderes als eine große, große Lüge, die Sie den Menschen hier in diesem Lande aufgetischt haben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Der Einzige, der lügt, sind Sie, Herr Pastörs.)

Wir haben auch die Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass wir bis heute von der Landesregierung noch nicht mal eine konkrete Zahl auf den Tisch bekommen haben, die den Insolvenzwert, der Massewert in Zahlen ausgedrückt, überhaupt darstellt. Das wissen wir bis heute nicht. Es ist uns dreimal versprochen worden, dass geliefert wird. Herr Glawe hat das zuletzt im Ausschuss gesagt. Bis heute weiß die Landesregierung überhaupt gar nicht, was denn an Masse, in Geld ausgedrückt, überhaupt Gegenstand des Limits ist, von dem hier oft schwadroniert wird.

Der dritte Teil – und das muss auch mal ausgesprochen werden – ist die große Lüge, zu sagen, an den Werften muss es weitergehen, und wir schauen, es ist immer billiger, eine Insolvenz abzuwenden, als anschließend neu aufzubauen. Auch das ist nicht grundsätzlich richtig, Herr Schulte.

(Jochen Schulte, SPD: Doch.)

Das kommt immer darauf an, ob in diesem Industriebereich dann nach dem Verkauf natürlich Markt da ist. Wenn dieser Markt nicht da ist, helfen Ihnen auch keine fast 1 Milliarde Zuschüsse und Gelder, wie sie bisher annähernd in diese Werft hineingeflossen sind seit 1990. Auch das muss einmal gesagt werden.

Kurzum ist es aufschlussreich gewesen, dass hier der Herr Schulte einen Schritt gewagt hat auszusprechen, was der Ministerpräsident offensichtlich bisher überhaupt gar nicht gewagt hat. Hier hat Herr Schulte eben für die SPD und damit auch für eine Partei, die hier im Land in der Regierung sitzt, gesagt, in Stralsund ist es

wahrscheinlich mit der maritimen Industrie, mit der Werft zu Ende. Da wird wahrscheinlich nichts mehr kommen, und das ist auch mehr oder weniger das kleinere Übel. Ihm sei lieber ein Beschäftigungsvolumen von 100, 200 Beschäftigten in der Metallindustrie als 40 oder 50 auf einem Werftstandort.

Da haben Sie natürlich Recht. Nur Sie haben bisher den Leuten immer genau das Gegenteil erzählt und haben die Zulieferer – 4.000, 5.000, 6.000 Beschäftigte, je nachdem, was man dazurechnet – immer in der Hoffnung gewiegt, dass es eine Zukunft auch in Stralsund gibt. Und hier hören wir heute dann endlich die Bankrotterklärung der Regierung, die sagt:

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was für eine Bankrotterklärung?)

Wir haben keinen Einfluss. Wir können nichts mehr machen.

(Vincent Kokert, CDU: Bankrott ist hier nur einer.)

Das EU-Recht zwingt uns zu ganz bestimmten Verhaltensweisen, und der Insolvenzverwalter hat das Sagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden die Realitäten zur Kenntnis nehmen müssen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie auch.)

dass das, was jetzt in Stralsund geschieht, massiv zu einem Vertrauensbruch der Wählerschaft an der Küste führt – nicht nur auf den Standort Stralsund bezogen wird es ein ganz klarer Vertrauensbruch

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Warten wir es mal ab, Herr Pastörs! Warten wir es mal ab.)

der gesamten maritimen Industrie an der Ostseeküste hier

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dann warten wir es doch mal ab!)

in Mecklenburg und Vorpommern bedeuten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Haben Sie jetzt wieder ins Orakel geguckt, oder was?)

Ich habe Ihnen vielleicht noch zu sagen, warum bis heute trotz unserer Anfragen nicht geklärt ist, wer Verantwortung trägt. Und wenn man in der Politik von Verantwortung spricht, dann erschöpft die sich ja meist damit, dass vielleicht so ein Ministerpräsident mit Anspruch auf Pension zurücktritt. Mehr ist ja nicht an Verantwortung. Dann tritt man zurück und sagt, man habe die Verantwortung übernommen. Haben Sie, Herr Ministerpräsident, bis heute überhaupt mal den Versuch unternommen, herauszufinden, wer denn für die Fehlkonstruktion der beiden Werften verantwortlich ist? Wir haben hier vom Schrottpreis von 8 Millionen gehört. Wer ist verantwortlich für diese Fehlleistung auf den Werften? Und es ist schon ein Hohn, wenn sich da ein Bieter meldet und sagt: Ja, ja, wir kaufen die Fähren, wir bauen sie um, aber nur dann, wenn wir wieder Fördergelder vom Land bekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was hier heute besprochen worden ist, ist der Beweis dafür, dass Ihre Industriepolitik vollkommen gescheitert ist, Herr Ministerpräsident.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Herr Pastörs, ich weise Ihre Bezeichnung sowohl des Ministerpräsidenten als auch des Wirtschaftsministers als unparlamentarisch zurück.

(Udo Pastörs, NPD: Welche Formulierung? Ich habe mehrere benutzt.)

Zum einen erkläre ich Ihnen, dass Sie meine Anmerkungen hier nicht zu kommentieren haben. Wenn Sie Fragen haben, können Sie zu mir kommen, dann sage ich Ihnen gerne,

(Udo Pastörs, NPD: Gerne. Ich schau gleich mal vorbei. – Heiterkeit bei Tino Müller, NPD)

welche Bezeichnungen es waren. Ich hab aber keine Lust, Ihre Behauptungen hier zu wiederholen, und das auch noch in aller Öffentlichkeit.

(Udo Pastörs, NPD: Ich schau gleich bei Ihnen vorbei. Ich mach das, wie Sie gesagt haben, ja.)

Ich rufe jetzt auf für die Fraktion der CDU den Fraktionsvorsitzenden Herrn Kokert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Kollege Suhr! Sehr geehrter Herr Kollege Holter! Ich will nicht verhehlen, dass es auch den Koalitionsfraktionen im Prinzip recht war, dass Sie das heute beantragt haben.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na immerhin was.)

So konnte man wenigstens mal in der Öffentlichkeit und auch völlig ungeschützt

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wertfrei.)

unter der gesamten Öffentlichkeit des Landes darüber reden, wer welche Prioritäten setzt und wer bisher welche Leistungen vorzubringen hat.

Und, Herr Kollege Suhr, Ihre Rede war zwar mutig, aber ich glaube, Sie hatten wenig in der Hand – ich hab mir im Prinzip nichts aufgeschrieben –, haben hier aber eine gewaltige Bugwelle vor sich hergeschoben,

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dafür ist der Zettel aber ziemlich voll.)

wo ich mich frage, wohin Sie eigentlich mit Ihrem Tagesordnungspunkt wollten. Bisher ist das ein völliger Schuss in den Ofen gewesen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sagen wir zu Ihnen auch oft. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Ich hoffe, dass Sie die Vorwürfe, die Sie der Landesregierung gemacht haben, noch das eine oder andere Mal hier inhaltlich untersetzen. Denn von dem, was wir so gehört haben – nicht nur in den letzten Tagen, in den letzten Wochen und Monaten –, war von den GRÜNEN bisher zum Werftstandort Stralsund weder etwas zu sehen noch etwas zu hören.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh, da sind Sie falsch informiert.)

Das kann sein. Das kann sein. Wenn Sie die IG Metall, den Betriebsrat und die Zulieferbetriebe als schlecht informiert bezeichnen, ist das Ihre Auffassung. Ich kann Ihnen sagen, dass der Kollege Nieszery und ich allein gestern wieder drei Stunden genau mit diesen Herrschaften zusammengesessen und sehr offen und ehrlich darüber geredet haben, wie vielleicht die Perspektiven für diesen Werftstandort sind. Das sind keine Gespräche, die einfach sind, das sage ich Ihnen wirklich. Ich würde auch lieber andere Gespräche führen. Wir sind da in schwierigem Fahrwasser, was diesen Standort angeht. Aber eins eint uns. Sie haben ja bisher null Konzept vorgetragen, vielleicht kommt das noch.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Glaub ich nicht.)

Eins eint uns: Die beiden Koalitionsfraktionen und die Regierung werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um den maritimen Standort in Stralsund zu erhalten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das ist der entscheidende Unterschied zu dem Klamauk, den Sie hier immer vortragen. Mich ärgert wirklich ein Punkt, und glauben Sie mir, ich bin da eigentlich unabhängig, weil es nicht mein …