Meine Damen und Herren, wir beginnen nun mit der Abstimmung. Ich bitte Sie, sich zu Ihren Plätzen zu begeben, damit vom Präsidium aus das Stimmverhalten eines jeden Mitgliedes des Landtages zu erkennen ist. Darüber hinaus bitte ich alle im Saal Anwesenden, während des Abstimmungsvorganges von störenden Gesprächen Abstand zu nehmen.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Geschäftsführer, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche …
Ich bitte die Schriftführer – fürs Protokoll korrigiere ich mich –, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche für zwei Minuten.
An der Abstimmung haben insgesamt 59 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 21 Abgeordnete, mit Nein stimmten 38 Abgeordnete. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/2625 abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 27: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Qualitätsstandards der freien Berufe gewährleisten, Drucksache 6/2626.
Antrag der Fraktion DIE LINKE Qualitätsstandards der freien Berufe gewährleisten – Drucksache 6/2626 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Antrag meiner Fraktion geht es nicht nur wegen der Vielzahl der betroffenen Berufe um ein sehr komplexes Thema. Hintergrund ist der Vorschlag der EU-Kommission von 2011, die Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen zu verändern. Gegenwärtig wird durch die Kommission eine Überprüfung der reglementierten Berufe vorgenommen, die bereits im April vorliegen soll. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden.
Wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen, hat der Bundesrat dazu im November Stellung bezogen. Aus meiner Sicht begrüßt er zu Recht das Ziel, die Transparenz der national sehr unterschiedlichen Reglementierungen zu erreichen, Zugangsstrukturen zu vereinfachen und einen besseren Zugang zu den Dienstleistungen im Binnenmarkt zu gewährleisten.
Allerdings ist es fraglich, warum die Kommission im Vorschlag vom 19. Dezember 2011 zugleich in die Regelungen der Mitgliedsstaaten selbst eingreifen will. Abge- sehen davon, dass es sich bei den freien Berufen um extrem unterschiedliche Bereiche und in der Bundesrepublik um mehr als eine Million Freiberufler und drei Millionen Arbeitgeber handelt, schließen sie auch hoheitsrechtliche Tätigkeiten ein, die eindeutig von den Staaten selbst zu entscheiden sind.
Zudem muss nach meiner Überzeugung gewährleistet werden, dass die Qualität freiberuflicher Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger auf hohem Niveau geschützt wird in der Bundesrepublik Deutschland durch die Berufsbilder, Reglementierungen und entsprechende Bildungs- und Ausbildungssysteme, die zum Beispiel die duale Ausbildung mit dem Erwerb der Meisterqualifikation verbinden.
Meine Fraktion und ich persönlich sehen zudem auch die Gefahr, dass auf diesem Wege eine weitere Deregulierung wie in der bereits beschlossenen Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union angestrebt wird. Eine solche Deregulierung halte ich für den Verbraucherschutz, für die Qualität der freien Berufe und beschäftigungspolitisch für kontraproduktiv.
Der Bundesverband der Freien Berufe und die Bundesrechtsanwaltskammer haben in ihren Stellungsnahmen eindringlich auf die Probleme, mögliche Gefahren und auf Kritiker hingewiesen. Der Bundesrat ist dem weitgehend gefolgt.
Ausdrücklich möchte ich in diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass im Bundesrat dazu festgestellt wurde, dass in Deutschland der Meisterbrief auch Garant sei, dass Führungskräften von Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen nicht nur die erforderlichen Fach
kompetenzen, sondern auch arbeitspädagogische und betriebswirtschaftliche Grundlagen vermittelt werden. Meine Fraktion teilt daher die kritische Position des Bundesrates.
Wir selbst sollten uns auch darüber klar sein, wie viele Freiberufler und dadurch die Berufsausbildung für Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern betroffen sind und wie bedeutsam dieser Bereich für die Wirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher ist. Es ist nach meiner Überzeugung daher notwendig, dass auch der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern dazu Stellung nimmt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich in dieser Frage auch sehr grundsätzlich und persönlich werden. Als wir im Dezember im Landtag über die Verhandlungen zwischen den USA und der Europäischen Union diskutierten, konnten wir eine hohe Übereinstimmung zwischen den demokratischen Fraktionen feststellen,
Die LINKE hatte die Staatskanzlei im Europa- und Rechtsausschuss bereits im August 2013 um eine Information und Position dazu gebeten – wir erhielten sie im Januar 2014. Als wir diesmal, wieder im Januar, im Ausschuss um Ähnliches zur Mitteilung der Kommission zu den Freiberuflern gebeten haben, konnten wir erneut keine Auskunft bekommen. Da die Europäische Kommission eine Evaluation bereits im April vorlegen will, können wir uns eine solche Zeit diesmal nicht leisten.
Es ist ausgesprochen gut, dass die Landesregierung den Empfehlungen des Bundesrates zugestimmt hat, aber erstens entbindet das meiner Überzeugung nach den Landtag nicht davon, ebenfalls aktiv zu werden. Zweitens ist es höchste Zeit, auch die Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern und insbesondere die freien Berufe sowie die Verbraucherinnen und Verbraucher einzubeziehen. Meine Fraktion hat genau deshalb gefordert, dass der Landtag über den Fortgang des Verfahrens der Europäischen Kommission informiert wird und sich die Landesregierung auf Bundesebene für einen umfassenden Verbraucherschutz und hohe Standards hinsichtlich der Reglementierungen des Zugangs zu freien Berufen einsetzt.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der CDU, werden uns entgegenhalten, dass die Landesregierung im Bundesrat ja bereits zugestimmt habe. Abgesehen davon, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur gegenüber der Landesregierung, sondern auch gegenüber der Rolle des Parlaments Verantwortung haben, bleibt es aber bisher dabei, dass es in Mecklenburg-Vorpommern absolut keine öffentliche Diskussion dieses Problems gibt. Persönlich habe ich mich in der Vorbereitung auf unsere heutige Diskussion äußerst aktiv bemüht, eine Position der Landesregierung über die allgemeine Zustimmung im Bundesrat hinaus zu finden. Auch in den regelmäßigen Briefings der Staatskanzlei für den Ausschuss für Europa und Recht findet sich null Komma null. In den Medien des Landes und bei den beruflichen Organisationen in Mecklenburg-Vorpommern wird das immer noch nicht diskutiert. Auf Bundesebene und in anderen Bundesländern ist das anders. Wenn es
stimmt, dass auch bei uns viele Freiberufler und ihre rechtlichen Bedingungen und Qualitätsstandards betroffen sein können, sollte meiner Meinung nach der Landtag einen Beitrag zu dieser Öffentlichkeit und zur öffentlichen Diskussion leisten.
Der Antrag meiner Fraktion will nicht mehr, als die Unterstützung des Landtages für die Zustimmung der Landesregierung im Bundesrat deutlich zu machen und eben dazu beizutragen, dass Betroffene in den freien Berufen in Mecklenburg-Vorpommern und die Verbraucher in die Information und Diskussion einbezogen werden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Ich würde Ihnen noch mehr danken, wenn Sie genau in diesem Sinne unserem Antrag zustimmen.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
(Der Abgeordnete Jochen Schulte beginnt seine Rede bei abgeschaltetem Mikrofon. – Heinz Müller, SPD: Mikro!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, das war das Zauberwort, deswegen ist das Mikro jetzt auch angeschaltet worden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt etwas schwierig für mich, da bin ich ganz ehrlich. Es ist etwas schwierig für mich, zu diesem Antrag zu sprechen – ich bin nun mal Freiberufler.
Es ist halt so, dass viele von uns gerade auf dem Parlamentarischen Abend des Landesverbandes der Freien Berufe dafür geworben haben, dass sich die freien Berufe in diesem Land auf der einen Seite natürlich selber stärker positionieren, aber auf der anderen Seite auch vielleicht etwas deutlicher wahrgenommen werden – auch in der Landespolitik – hinsichtlich ihrer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung, für die Arbeitsmarktentwicklung, für die Anzahl der Arbeitsplätze.
Und wir haben ja heute Vormittag oder heute Mittag über den Werftstandort Stralsund gesprochen und über die ursprünglich, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, zwölfhundert Arbeitsplätze, die es dort mal gab an dem Werftstandort.
Ja, es kommt mir jetzt auch nicht auf ein oder zwei an, sondern ich setze das nur mal in die Relation zu der Anzahl der Anwälte, die es allein in der Hansestadt Rostock gibt. Ich glaube, das sind momentan etwas über 400, und ich schätze, mit den Anwälten selber, mit den selbstständigen, und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dort beschäftigt sind, hat allein dieser Zweig der freien Berufe wahrscheinlich mehr Beschäftigte in der Hansestadt Rostock, als die Werft das am Standort
Die Anwälte sind ja nur einer von vielen Zweigen der freien Berufe. Und deswegen finde ich das persönlich – gerade weil ich aus diesem Beruf komme, wie einige andere Kolleginnen und Kollegen ja auch in diesem Haus, sowohl in dieser Wahlperiode als auch in der letzten – sehr gut, Herr Kollege Brie, dass Sie in Ihrem Redebeitrag darauf hingewiesen haben, welche Bedeutung die Anzahl der freien Berufe, welche wirtschaftliche Bedeutung, welche arbeitsmarktpolitische Bedeutung, sie bundesweit hat.
Deswegen bin ich vom Grundsatz her durchaus der Auffassung, dass man natürlich deutlich machen muss: Wenn es entsprechende Reglementierungen gibt, oder nein, hier ist es ja im Grunde genau das Gegenteil, Liberalisierung – wobei mir das Wort Liberalisierung bei dem, was die Europäische Kommission da plant, eigentlich schon eher im Halse steckenbleibt –, weil hier geht es nicht um freien Berufszugang für Außenstehende, freien Wettbewerb auf dem Markt, sondern letztendlich geht es hier um die Absenkung von Qualitätsstandards für die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Weil die freien Berufe – das gilt nicht nur für Anwälte, das gilt für Steuerberater, es gilt für Ärzte, für viele andere auch, bis in den Bereich der Vermessungsingenieure in diesem Land, auch für Notare – sind eigentlich diejenigen, die nicht nur ihrer gewerblichen Selbstständigkeit verpflichtet sind, sondern – bleiben wir bei dem Beispiel der Rechtsanwälte als verfassungsrechtlich gesichertes Organ der Rechtspflege – eben über ihre eigene gewerbliche Tätigkeit hinaus Bedeutung für die gesamte gesellschaftliche Entwicklung zumindest wahrnehmen sollen.