Protokoll der Sitzung vom 12.03.2014

Meine Damen und Herren, ich weiß aus Gesprächen mit Hebammen, und auch Herr Kokert hat es ja eben implizit bestätigt, der Bundesgesundheitsminister ist sich der Problematik sehr bewusst. Überall, wo Herr Gröhe aktuell geht und steht, trifft er auf sehr engagierte, sehr lautstarke Hebammen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist auch gut so.)

Auch die Zahl der Eltern, die sich solidarisch zeigen, steigt kontinuierlich. Das ist in der Tat gut so. Der Bundesminister weiß sehr genau, dass es nun zuerst mal seine Aufgabe ist, aktiv zu werden und gemeinsam auch mit der Versicherungswirtschaft Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Haftungsrisiko von mehreren Schultern tragen lassen.

Meine Damen und Herren, auch eine hoffentlich recht rasch gefundene Lösung zu den Berufshaftpflichtversicherungen darf uns aber nicht über einige Missstände, die deutlich grundsätzlicher Natur sind, hinwegtäuschen. Insgesamt ist die verstärkt zu beobachtende Einordnung einer Geburt als risikobehaftetes klinisches Unterfangen meiner Meinung nach kritisch zu sehen. Kollege Kokert ist darauf eingegangen.

Selbstverständlich – und das ist sehr erfreulich – hat sich durch die moderne Medizin in unserem Land die Kinder- und Müttersterblichkeit sehr deutlich reduziert. Das ist aber wohl in erster Linie darauf zurückzuführen, dass wir eine verbesserte Diagnostik haben, also während der Schwangerschaft. Diese Diagnostik ermöglicht eine genauere Risikoabschätzung. Und der Umstand der gesunkenen Kinder- und Müttersterblichkeit ist wahrscheinlich deutlich weniger darauf zurückzuführen, dass mittlerweile doppelt so viele Kaiserschnitte durchgeführt werden, wie tatsächlich medizinisch angezeigt sein dürften.

Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, birgt einige Risiken. Schließlich handelt es sich bei den teilweise ach so leichtfertig beworbenen Kaiserschnitten um große Bauchoperationen mit allem Drum und Dran. Die Entwicklung verursacht auch erhebliche Kosten, die letzten Endes von der Solidargemeinschaft getragen werden müssen.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Und dieselben Krankenkassen, die sich die Erhöhung der Vergütung von freien Hebammen haben hart abringen lassen

(Heiterkeit und Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und die selber im Grunde der Zentralisierung der Versorgung Vorschub leisten, zahlen an anderer Stelle mehr oder weniger anstandslos die hohen Kosten klinischer Hightechgeburten. Hier sollten seitens der Kostenträger, also der Krankenkassen,

(Vincent Kokert, CDU: Ja, da könnten die mal ein bisschen genauer hingucken.)

eine Rückbesinnung und ein Umdenken stattfinden, eine Rückbesinnung auf den Wert, letztlich auch auf den ökonomischen Mehrwert einer flächendeckenden natürlichen Geburtshilfe.

Dem System der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht jeder einzelnen Kasse, aber dem System der gesetzlichen Krankenversicherung geht es finanziell derzeit gut. Umso fraglicher erscheint, warum eine so wichtige und im SGB V auch rechtlich verbriefte Leistung wie die der Hebammen nunmehr seit Jahren auf der Kippe steht und immer wieder um die Existenz kämpfen muss. Umso fraglicher ist auch, warum das System der Krankenkassen und der Versicherer nicht in der Lage ist, aus sich selbst heraus den Rahmen für eine gute und langfristig tragfähige Arbeit von Hebammen zu gewährleisten,

(Vincent Kokert, CDU: Das ist die spannende Frage. – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist die Frage.)

und wieder eine Lösung, wie zum Beispiel die eines Haftungsfonds, angestrebt ist, wo nicht die Versicherer und die Kassen bezahlen, sondern zusätzliche Steuermittel aufgewendet werden müssen.

Meine Damen und Herren, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich befürworte ausdrücklich eine schnelle Lösung für die derzeitige Problematik bei der Berufshaftpflichtversicherung, bin aber trotzdem der Meinung, dass wir auch einen Blick auf die tieferliegenden Ursachen in unserem Gesundheitssystem werfen müssen, von dem viele Menschen und auch eine wachsende Anzahl von Experten – ein Beispiel ist die Anhörung im Gesundheitsausschuss Ende der letzten Legislaturperiode –, von dem also auch eine wachsende Anzahl von Experten zunehmend das Gefühl hat, dass die enorme finanzielle Belastung der Refinanzierung einer hochgerüsteten Apparatemedizin deutlich zuungunsten der auskömmlichen Ausstattung einer einfachen und natürlichen Gesundheitsdienstleistung verläuft.

Hebammen leisten eine überaus wertvolle gesellschaft- liche Arbeit und sind die eigentlichen Kostensenker und Kostensenkerinnen im Gesundheitssystem. Bei der Schwangerenvorsorge, während der Geburt, im Wochenbett, beim Stillen – überall stehen Hebammen mit Rat und Tat bereit, helfen mit oder sorgen dafür, dass die Neugeborenen und vor allen Dingen natürlich auch deren Eltern einen guten Start ins Familienleben haben, von der Geburtsvorbereitung bis hin zur Stillförderung, die nachweislich nicht nur Geld spart, weil keine künstliche Nahrung gekauft werden muss, sondern die bei den Babys auch die Wahrscheinlichkeit einer späteren Diabeteserkrankung oder eines Übergewichtes reduziert – seien es diese beiden Erkrankungen beispielsweise ebenfalls als Kostentreiber.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und die Bindung.)

Deshalb muss es in der Selbstverwaltung weiterhin mit Hochdruck darum gehen, dass eine zu geringe Vergütung nicht länger die wertvolle Arbeit der Hebammen behindert. Dafür werden wir uns weiterhin einsetzen, meine Damen und Herren. Und es muss natürlich zunächst einmal der Zusammenbruch der Berufshaftpflicht verhindert werden.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Ich unterstütze eine zügige Regelung auf Bundesebene, die die Kosten der Haftpflicht für Hebammen begrenzt und langfristig für Verlässlichkeit sorgt. Darum werden wir uns mit vereinten Kräften in Schwerin und auch in Berlin kümmern, in unser aller Interesse. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

(Julian Barlen, SPD: Oha! Geburtshilfe nur für deutsche Mütter.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wieder einmal bejammern SPD, CDU, LINKE und GRÜNE die Folgen ihrer eigenen Politik beziehungsweise ihres Nichthandelns.

Die Landesregierung soll sich also nun bei der Bundesregierung dafür starkmachen, dass sich diese wiederum für eine zeitnahe Umsetzung der Neustrukturierung der Haftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen

einsetzt und auch die Möglichkeit eines staatlich finanzierten Haftungsfonds Berücksichtigung findet. Dabei sind es doch Ihre Parteien, die durch die ausufernde Privatisierung dafür gesorgt haben, dass immer mehr gesellschaftliche Belange aus dem Ruder laufen.

Und gerade beim Schutz gegen Risiken ist es immer mehr Bürgern beinahe unmöglich, gewisse Gefahren zu einem bezahlbaren Beitrag abzusichern. Dass es sich bei den Versicherungskonzernen um keine Sozialverbände handelt, sondern diese dem Gesetz des Marktes ausgesetzt sind, bei dem allein die Profitmaximierung eine alles beherrschende Rolle einnimmt, sollte Ihnen auch nicht unbekannt sein.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Waren Sie dafür nicht mal tätig?)

Auch wenn es für den Bürger unverständlich erscheint, entscheidet bei den Versicherungskonzernen vor allem das mutmaßliche Leistungsrisiko über die mögliche Absicherung eines Risikos und folglich auch über die Höhe des Beitrages.

Es ist schon genannt worden: Zahlten die Hebammen im Jahre 2000 für die Geburtshilfe noch 404 Euro Jahresbeitrag, liegt die Beitragsprämie mittlerweile bei 4.242 Euro im Jahr. Und das Ende der Fahnenstange ist hier noch lange nicht erreicht. Bevor die Versicherer die Hebammen offenbar im kommenden Jahr dann ganz fallenlassen und eine weitere Absicherung dieses Versicherungsschutzes ablehnen, beabsichtigen sie, zum 1. Juli dieses Jahres eine weitere Beitragssteigerung um rund 20 Prozent von derzeit 4.242 Euro dann auf 5.091 Euro.

Die NÜRNBERGER Versicherung – so war es aus den Medien zu entnehmen – will sich zum 1. Juni 2015 gänzlich aus dem Geschäft zurückziehen und die bestehenden Versicherungsverträge kündigen, sodass dann die Gefahr steigt, dass überhaupt keine Absicherung mehr möglich ist. Ohne Haftpflichtversicherung dürfen Hebammen aber nicht arbeiten, was also de facto einem Arbeitsverbot gleichkommt.

Hier geht es aber nicht um das vollständige Tätigkeitsfeld der Hebammen, sondern einzig und allein um das Risiko der Absicherung von Komplikationen im Zusammenhang mit der Geburtshilfe. Viele freiberufliche Hebammen bieten deshalb nur noch die Vor- und Nachsorge an und damit keine Geburtshilfe mehr, eigentlich eine der Hauptaufgaben. Denn für die reine Vor- und Nachsorge soll die Haftpflichtprämie etwa 400 Euro jährlich be- tragen.

Von diesen Rückzugsabsichten der privaten Versicherungskonzerne sind schätzungsweise 3.500 freiberufliche Hebammen, die noch Geburtshilfe anbieten, betroffen. Das sind die Ergebnisse Ihrer Politik, meine Damen und Herren.

Ihre Forderungen, Vertreter von SPD, CDU, LINKE und GRÜNEN, sind durchaus berechtigt und richtig. Die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einem bezahlbaren Versicherungsschutz für die Hebammen sind aber schon lange bekannt. Denn es ist nicht das erste Mal, dass sich der Landtag mit diesen schwerwiegenden Problemen hier auseinandersetzen muss. Sie, Vertreter der genannten Parteien, haben alle bereits die Möglichkeit gehabt, sich dieser Problematik nicht nur hier im Landtag durch schwergewichtige Worthülsen anzunehmen, sondern durch praktisches Handeln im Bundestag oder in den verschiedenen Regierungen Taten folgen zu lassen.

Eine Onlinepetition „Rettet unsere Hebammen“, die schon von rund 350.000 Unterstützern unterzeichnet wurde, sowie zahlreiche Proteste bundesweit – auch hier heute vor dem Landtag – zeigen den breiten Widerstand der Bürger gegen die Ungerechtigkeit zulasten der Hebammen.

Die Entwicklungen bei den privaten Versicherungs- konzernen zeigen deutlich auf, dass zum Beispiel über die Versicherungsmöglichkeiten der Sparkassen endlich

Absicherungsmöglichkeiten bei öffentlichen Anbietern geschaffen werden müssen. Die immer schwieriger werdende und kaum zu bezahlende Absicherungsmög- lichkeit für Hauseigentümer in den sogenannten Überschwemmungsgebieten und auch neuerlich jetzt bei den Hebammen sollte bei Ihnen endlich zu der Einleuchtung führen, dass nur eine Versicherungsmöglichkeit bei einem öffentlichen Anbieter Abhilfe schaffen kann.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Einleuchtung!)

Der deutsche Amtseid des Artikels 56 im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beinhaltet unter anderem den Schwur, die Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Dieser Schwur sollte endlich auch einmal umgesetzt werden. Der angeblich freie Markt und die angeblich so soziale Marktwirtschaft rauben vielen Selbstständigen die Luft zum Atmen und schlussendlich die Existenz. All die jenen sind Opfer Ihrer politischen Handlungsunfähigkeit. Aus Sicht der NPD ist es daher zwingend notwendig, dass auch in Deutschland endlich ein öffentlicher Versicherungsanbieter, der bezahlbaren Versicherungsschutz bietet, geschaffen wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Barlen hatte es ja schon umfassend ausgeführt. Trotz alledem, es ist mir einfach eine Herzensangelegenheit, und deswegen nehme ich mir das Recht, hier auch noch einige Minuten zu reden.

Ich war seinerzeit in der letzten Legislaturperiode im Sozialausschuss dabei, als wir diese Anhörung zur proble- matischen Ausgestaltung der Tätigkeit unserer Hebammen durchführten, und habe mich doch auch teilweise sehr gewundert über die Positionen, die da vertreten wurden, insbesondere auch von den Gynäkologinnen, die dort anwesend waren. Denn ich würde mal behaupten, schwangere Frauen mit Kranken, Patientinnen gleichzusetzen, schlägt eigentlich fast dem Fass den Boden aus.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Schwangere Frauen sind in der Regel die gesündeste, die gesundheitsbewussteste Bevölkerungsgruppe, die wir überhaupt haben. Sobald …

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber krank sind sie nicht.)

Krank? Nicht die Spur! Das sind die Gesündesten und auch die Gesundheitsbewusstesten.

Sobald eine Frau einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen hält – was macht sie dann als Erstes? Sie drückt ihre Zigarette im Weinglas aus