Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Was „aber“? Kein „aber“!)

wenn in einem konkreten Fall die Medien bestimmte Behauptungen erheben, muss natürlich bis zum Abschluss eines rechtsstaatlichen Verfahrens für die Beteiligten die Unschuldsvermutung gelten. Solange ihre Schuld nicht bewiesen ist, gelten sie bitte schön als unschuldig.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das ist, glaube ich, unter uns klar und unstrittig.

(Beate Schlupp, CDU: Das wäre schön, wenn es so wäre.)

Und ein Drittes: Das, was hier behauptet wird, hat nach meiner Überzeugung nichts mit dem Prinzip öffentlichprivater Partnerschaft zu tun, sondern Korruption, so schlimm es ist, gibt es in allen Formen oder in fast allen Formen von Verwaltung. Ob wir nun Güter beschaffen, ob wir Dienstleistungen einkaufen, wenn wir Bescheide herausgeben, begünstigende Bescheide, in all solchen Feldern findet der Versuch statt, mit unlauteren Mitteln auf Verwaltungen einzuwirken. Dieses hat nichts mit PPP speziell zu tun, dieses gibt es in allen Bereichen der Verwaltung.

Und der letzte Satz hierzu: Ich denke, die Finanzministerin hat klargemacht und hat im Finanzausschuss auch so gehandelt, dass sie selbstverständlich bereit ist, hier bestehende Fragen zu beantworten,

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

sodass es Aufklärung geben kann und Aufklärung gibt.

(Egbert Liskow, CDU: Sie hat alle Fragen ausgiebig beantwortet.)

Sie hat alle Fragen beantwortet.

Wenn Sie weitere Fragen haben, Herr Saalfeld, stellen Sie die im Finanzausschuss. Dieses ist nicht das, was wir jetzt und hier zu tun haben.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Nein.)

Jetzt und hier würde ich mich viel lieber dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zuwenden, in dem es um öffentlichprivate Partnerschaften, kurz ÖPP, geht. Manchmal finden wir auch in der Literatur noch die englische Abkürzung PPP, Public-private-Partnership. Diesem Thema würde ich mich gern zuwenden, und ich würde mich dabei, die Finanzministerin hat das freundlicherweise ja schon angekündigt, auch mit dem dritten Punkt Ihres Antrages befassen, in dem es um öffentlich-private Partnerschaften auf der kommunalen Ebene geht.

Aber lassen Sie mich zunächst einmal an einem Punkt ansetzen, der auch bei Helmut Holter durchgeklungen ist, nämlich die Frage der definitorischen Unschärfe. Dass uns hier eine Fraktion einen Antrag vorlegt und dann mit einem mündlich vorgetragenen Änderungsantrag den eigenen Antrag dahin gehend präzisiert, dass erst mal klargemacht wird, worum es denn eigentlich geht, ist selbstverständlich hier gegeben und es ist sogar ehrenwert, so zu handeln, Herr Kollege Holter.

(Egbert Liskow, CDU: Aber auch hilfreich?)

Aber es zeigt uns doch, wie schwierig es eigentlich ist, exakt zu definieren, worüber wir denn reden. Ich habe deshalb selbst versucht, eine Definition herauszufinden. Ich bin auf ein Gutachten mit dem Titel „PPP im öffentlichen Hochbau“ gestoßen, das im Jahre 2003 von einem Lenkungsausschuss unter Führung des Bundesministeri

ums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen – so war damals der Zuschnitt – erarbeitet worden ist und dessen grundsätzlicher Tenor sich in ganz vielen Definitionen, die ich im Übrigen in der Literatur gefunden habe, fortsetzt.

Danach ist öffentlich-private Partnerschaft, eine, Zitat, „langfristige vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, bei der die erforderlichen Ressourcen (z.B. Know-how, Betriebsmittel, Kapital, Personal) in einen gemeinsamen Organisationszusammenhang eingestellt und vorhandene Projektrisiken entsprechend der Risikomanagementkompetenz der Projektpartner angemessen verteilt werden“, Zitatende.

Ich glaube, meine Damen und Herren, dieses Zitat, auch wenn es nicht aus einem amtlichen Papier kommt, aber doch aus einem unter Regierungsverantwortung hergestellten Papier, ist etwas, was in der Diskussion der folgenden Jahre durchaus so etwas wie grundlegend gewesen ist. Wenn Sie sich dieses Zitat auf der Zunge zergehen lassen, dann stellen Sie fest, da geht es gar nicht nur um Bau, sondern da geht es um eine langfristig vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft. Das kann selbstverständlich im Bausektor stattfinden, indem man eine Einrichtung, eine JVA, vielleicht auch mal eine Kita oder sonst etwas, gemeinsam errichtet, das kann sich aber auch auf ganz andere Gebiete erstrecken. Deswegen, Herr Holter, danke für das Wort „Prinzip“, ja, es geht um das Prinzip.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Auch das ÖPP-Beschleunigungsgesetz von 2005 im Deutschen Bundestag – übrigens mit rot-grüner Mehrheit, die CDU hat sich damals der Stimme enthalten –, mit rot-grüner Mehrheit vom Deutschen Bundestag beschlossen, bringt uns definitorisch nicht weiter, also bleiben wir bei dieser genannten Definition.

(Egbert Liskow, CDU: Die FDP war auch dabei.)

Also ÖPP hat viele Formen und ÖPP hat viele Inhalte. Nicht drin, und darüber sind sich die Fachaufsätze einig, nicht drin sind reine Finanzierungsmodelle. Das von Ihnen in Ihrem Einleitungssatz, Herr Holter, angesprochene Verfahren des Cross-Border-Leasings

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist was anderes, das weiß ich.)

ist ein anderes Verfahren. Auch hier geht es um die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und privaten Kapitalgebern. Dieses ist aber ein reines Finanzierungsmodell und hat mit dem ÖPP-Prinzip, das wir ansonsten diskutieren, nichts zu tun. Außerdem müssen wir sagen, Cross-Border-Leasing, das so um die Jahrtausendwende hoch im Kurs war und für viele als die ganz große Modegeschichte gesehen wurde, um irgendwie Geld zu generieren, ist seit 2004 durch eine veränderte Gesetzgebung in den Vereinigten Staaten ohnehin tot. Deswegen ist es etwas, was uns hier nicht weiter befassen muss.

Ähnliches gilt für das Prinzip von Sale-and-Lease-Back, das ist ein reines Finanzierungsmodell, das wir nicht unter ÖPP fassen. Auch Aktiengesellschaften, bei denen die öffentliche Hand zwar die Mehrheit hat, aber be

stimmte Aktienteile einfach an die Börse gebracht worden sind, um Geld zu verdienen, das muss man doch klar sagen, gelten nicht als ÖPP. Wenn ich mir die Hamburger Hafen und Logistik AG angucke, bei der die Freie und Hansestadt über eine Aktienmehrheit verfügt und ein Teil einfach in Streubesitz ist, das ist nicht ÖPP, wie wir es verstehen.

ÖPP finden wir – und darauf hat sich die bisherige Diskussion konzentriert – im Hochbau. Aber darüber, was im Hochbau in Mecklenburg-Vorpommern auf der Landesebene passiert, hat, glaube ich, die Ministerin alles Notwendige gesagt. Wenn noch etwas übrig geblieben ist, dann hat das Egbert Liskow abgeräumt.

(Egbert Liskow, CDU: Abräumer.)

Hier haben wir alles geklärt und wir haben gesehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, parlamentarische Kontrolle ist möglich.

Wir haben aber vor allen Dingen eines gesehen, und das würde ich gern noch einmal unterstreichen: Wenn wir solche Verträge und wenn wir solche Verhaltensweisen von Politikern des Landes bewerten, dann können und dürfen wir das nicht aus der heutigen Situation heraus und mit den heutigen Maßstäben und den heutigen Ansprüchen tun, sondern wir müssen sozusagen eine historische Bewertung vornehmen. Wir müssen schauen, in welcher Situation haben sie gestanden, welche Zwänge, welche Möglichkeiten und welche Begrenzungen haben bestanden, und dann können wir vielleicht dahin kommen, dass wir ihr Verhalten adäquat bewerten.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wenn wir dies tun und uns ein bisschen in die frühen 90er-Jahre zurückversetzen – mir fällt das wegen unseres unterschiedlichen Lebensalters etwas leichter als dem Kollegen Saalfeld, der damals noch zur Schule gegangen ist, aber ich will Ihnen das nicht vorwerfen, das trifft auch für zwei Mitglieder der Landesregierung zu –, wenn ich mich in die damaligen Verhältnisse zurückversetze, dann, glaube ich, war man ganz froh, dass man die brennenden Probleme gelöst hat und dass man irgendwelche Wege gefunden hat, dies zu tun. Dies den damals Handelnden vorzuwerfen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, das wäre sehr ungerecht.

Ein Letztes: Wir prüfen den Ausstieg. Das Thema Anklam, die Polizeistation in Anklam, zeigt, dass die Landesregierung diese Verträge begleitet und dass ein Teil dieser Verträge dort, wo es sinnvoll und möglich ist, auch vorzeitig beendet wird.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich finde dies gut, denn aus der heutigen Sicht bewerten wir die Dinge ganz anders. Ich finde es auch gut – und damit komme ich eigentlich zum kommunalen Teil –, wenn ich auf der kommunalen Ebene nicht nur in unserem Land Bestrebungen sehe, dass das Eigentum der Kommunen, das real privatisiert worden ist oder das in Verträge von öffentlich-privater Partnerschaft gegeben worden ist, nun wieder die Gemeinden an sich ziehen.

Wenn in Rostock – und ich glaube, die SPD in Rostock ist daran sehr maßgeblich beteiligt, aber ich will das nicht allein auf die Fahne der SPD schreiben,

(Egbert Liskow, CDU: Das geht auch nicht.)

das sehen andere Fraktionen in Rostock genauso –, wenn in Rostock der Versuch gemacht wird, beispielsweise die Wasserversorgung wieder komplett in die öffentliche Hand zu überführen, dann halte ich das für einen richtigen Prozess und ich finde, der verdient unsere Unterstützung.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ÖPP ist bunt und ÖPP ist nicht nur „Wasser in Rostock“. ÖPP hat verschiedene Formen und verschiedene Inhalte, ich sagte es bereits. Das Modell, das vielleicht am weitesten geht, ist das Modell der Bildung von gemischten Gesellschaften, das heißt Kapitalgesellschaften, GmbHs oder Aktiengesellschaften, wo das Kapital von Kommunen, Städten, Kreisen und privates Kapital zusammengeführt werden, wo aber nicht nur Kapital zusammengeführt wird, sondern wo auch Know-how, wo Personal, wo spezifische Kompetenzen der Vertragspartner zusammengeführt werden, um öffentliche Aufgaben gemeinsam vernünftig zu erledigen. Dieses, meine sehr verehrten Damen und Herren, funktioniert auf der kommunalen Ebene in unserem Land vielfach und geräuschlos.

Da ich den Kollegen Ritter gerade so schön sehe: Wenn Sie, Herr Kollege, morgen nach Ende der Sitzung nach Hause fahren nach Stavenhagen, dann müssen Sie eigentlich nur, ich weiß gar nicht, so ein paar Kilometerchen weiter fahren und sind in Rosenow. Dort sehen Sie ein Beispiel für eine solche öffentlich-private Partnerschaft, wo seit vielen Jahren die damaligen Kreise – durch die Kreisgebietsreform jetzt die als Rechtsnachfolger –, diese Kreise eine gemeinsame Gesellschaft, die OVVD, betreiben und diese OVVD wiederum über eine Tochtergesellschaft gemeinsam mit privaten Unternehmen, die im Bereich der Abfallwirtschaft tätig sind, eine Abfallaufbereitungsanlage betreiben. Das funktioniert, das läuft zur Zufriedenheit aller Beteiligter und kein Hahn kräht danach. Ich finde das einfach gut, dass es hier gelingt, eine solche Form der Zusammenarbeit zu installieren. Sie läuft seit mehr als 20 Jahren und sie läuft gut.

(Beate Schlupp, CDU: Das ist so.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir über ein Prinzip öffentlich-privater Partnerschaft reden – Herr Holter, über das Prinzip wollten Sie reden, und ich rede gern mit Ihnen über das Prinzip –, dann hören Sie doch auf, sich nur die Skandalrosinen herauszupicken und zu sagen, da seht ihr doch, dieses Verfahren kann doch gar nicht klappen. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Verfahren kann nicht nur sehr gut klappen, das klappt auch sehr gut, nur ist das nicht das, was die LINKEN, die an einer Skandalisierung interessiert sind, interessiert.

(Beifall Dr. Norbert Nieszery, SPD – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Deswegen sage ich Ihnen, lassen Sie uns das ganze Prinzip einmal umfassend betrachten und lassen Sie es uns ohne eine Voreinstellung betrachten,

(Egbert Liskow, CDU: Einmal muss der Chef auch eine Meinung haben. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, so ist das.)

dann kommen wir zu einer völlig anderen Wertung.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Wenn wir sehr, sehr weit gehen mit unserer Definition von öffentlicher und privater Zusammenarbeit – Herr Holter, Ihnen geht es doch vor allen Dingen um die Philosophie „Staat – gut“, „Privat – schlecht“, weil privat ist der Profitmaximierung verpflichtet, Staat ist dem öffentlichen Wohl, bestenfalls, wenn es klappt, dem öffentlichen Wohl verpflichtet, so ist doch die Philosophie.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Na das macht keinen Sinn, Herr Müller. Das macht wirklich keinen Sinn. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Doch! Mach ruhig weiter, Heinz. Du bist auf dem richtigen Weg.)