Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

Einen Redebeitrag von der damaligen Gleichstellungsministerin zu dem Thema gab es nicht und die Bereiche Kinder- und Jugendarbeit sowie Kinderbetreuung wurden in der Debatte zur geschlechterbewussten Pädagogik von der Landesregierung ganz ausgeblendet. Dabei standen die genderbezogene frühkindliche Bildung und Erziehung bereits in den vorangegangenen Konzeptionen. Und siehe da, sie stehen auch jetzt wieder drin. Aber wie glaubwürdig ist das, wenn man Anträge zur Untersetzung dessen, was in der Konzeption feststeht, ablehnt?

Und so ließe sich die Liste fortführen. So ernst scheint es der Landesregierung um die Gleichstellungspolitik nicht bestellt zu sein. Ich ergänze: bislang. Ich knüpfe daran große Hoffnungen.

Die Unterordnung der Gleichstellung als eine Abteilung im Sozialministerium und die personelle Unterbesetzung der Leitstelle sprechen Bände. Das kritisierten und kritisieren wir massiv. So konnten wir in der 6. Legislaturperiode außer einem „Paukenschlag“ kaum Neuerungen, Fortschritte oder Erfolge verbuchen. In der Konzeption wäre daher eine kritische Bestandsaufnahme mit Blick auf die letzten Konzeptionen sowie im Kontext des gleichstellungspolitischen Handelns der Landesregierung interessant gewesen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer von der eigenen Erfolgsbilanz geblendet ist, dem fehlt natürlich der Blick für die notwendigen Veränderungen.

Und ehe Sie nun wieder rufen, wo denn unsere Vorschläge wären, Herr Dr. Nieszery: Einige Vorschläge zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern, von Mädchen und Jungen haben wir in unserem Gesetzentwurf zur Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes im Jahr 2012 formuliert, auch diese Vorschläge haben Sie leider nicht angenommen.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein weiteres Beispiel: Die Landesregierung hat Mittel und Wege, über die Auftragsvergabe auch in die Privatwirtschaft einzuwirken, Entgeltgleichheit zu fördern und soziale Standards festzulegen. Sie hat die Möglichkeit, für eine kontinuierliche und aussagekräftige Datenlage zur Widerspiegelung der Lebenswirklichkeit von Frauen und Männern, Mädchen und Jungen zu sorgen. Sie hat die Möglichkeit, in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen positiv einzuwirken. Sie muss es nur endlich tun.

Es muss ein Grundverständnis für Gleichstellungspolitik her, auch im Land Mecklenburg-Vorpommern. Konzeptionen können nur wirken, wenn sie umfassend sind, verstanden werden und die Zuständigen ihre Verantwortung erkennen und wahrnehmen. Vom Umfang her ist die Konzeption überschaubar. Sie hat in den vergangenen Jahren nicht an Masse zugenommen, obwohl Erkenntnisse und Wirkungsfelder hinzugekommen sind, und so an Inhalt eben auch leider nicht.

Um die Gleichstellungspolitik endlich voranzubringen, die Konzeption aus allen Fachbereichen zu beleuchten und die Gleichstellung als Querschnittsaufgabe zu be

handeln, beantragen auch wir die Überweisung der Gleichstellungskonzeption in die Ausschüsse des Landtages, und zwar in alle Fachausschüsse, weil alle Fachbereiche von dieser Konzeption berührt sind. Die Federführung obliegt dem Sozialausschuss. Und wenn die Sozialministerin hier sagt, dass sie sich freut auf eine Debatte in den Ausschüssen, dann nehme ich die Freude sehr zur Kenntnis. Allerdings musste ich auch regis- trieren, dass das Abstimmungsverhalten wohl ein anderes sein wird, als im Ältestenrat ursprünglich angesprochen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat Frau Friemann-Jennert von der Fraktion der CDU.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Landesregierung hat wieder ein Gleichstellungskonzept vorgelegt, das vierte an der Zahl, zu dem meine Vorrednerin, Frau Ministerin, und mein Vorredner auch schon einiges vorgetragen haben. Und ich mache auch keinen Hehl daraus, dass es schwierig ist, für das Thema, bei dem der Saal nicht gerade voll ist, zu begeistern.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, warum wohl?)

Herr Ritter – ist er noch da, ja –, da Sie betont haben, dass nicht alle Fraktionen die Aufsetzung des Themas auf die Tagesordnung verlangt hätten, ich habe mich dazu schlaugemacht, aber keine befriedigende Antwort darauf bekommen. Vielleicht war es nicht so wichtig.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für die CDU jetzt, oder wie? – Peter Ritter, DIE LINKE: Ja.)

Ich habe mich danach erkundigt, warum wir das nicht gemeinsam gemacht haben. Gut, aber zunächst einmal habe ich mich gefreut, dass wiederholt klargestellt wird, dass Gleichstellung ein Päckchen ist, das wir alle gemeinsam stemmen müssen. Es liegt nicht allein im Interesse der Frauen, Anerkennung zu erhalten. Wir alle brauchen in einer gesunden Arbeitswelt auch einen gesunden Spiegel unserer Gesellschaft. Insofern ist die zahlen-, aufgaben- und verantwortungsmäßige Gleichstellung unerlässlich.

Die Konzeption spricht von einem fairen Verhältnis der Geschlechter beziehungsweise einer gemeinsamen

Herausforderung im Engagement dazu. Wenig emotional argumentieren wir zu Recht mit dem Fachkräftemangel, der uns längst erreicht hat. Fragwürdig ist allerdings, warum dabei gerade die Arbeitsbereiche Tourismus und Pflege genannt werden, ausgerechnet keine Berufsgruppen, in denen Männer bisher die Oberhand hatten, wo die Vergütung nicht traumhaft ist und die Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten bei familienbedingter Ortsgebundenheit überschaubar sind.

Und wenn die BA für 2025 mehr als sechs Millionen fehlende Arbeitskräfte prognostiziert, werden es verstärkt Frauen, Ältere und Menschen mit Migrationshintergrund sowie Zuwanderer sein, deren Arbeitskraft benötigt wird. Die Landesregierung hat für die Umsetzung der Förder

ziele vor allem EU-Mittel vorgesehen und im Übrigen auf bereits vorgeplante Haushaltsmittel zugegriffen. Nicht gefunden habe ich, dass für einen bestimmten Zweck oder zur Umsetzung eines ganz speziellen Zieles Haushaltsmittel noch einmal hinzugepackt worden sind. Insofern stellt die Landesregierung alle genannten Ziele nebeneinander. Es gibt in der Konzeption keine Schwerpunktsetzung.

Besonders wichtig ist es mir, dass die Landesregierung sich noch einmal klar dazu bekennt, dass in allen Beschäftigungsgruppen ein faires Verhältnis der Geschlechter angestrebt werden soll.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist das Mindeste. Wir sind immer viel zu bescheiden.)

Dieser Kernsatz ist möglicherweise für die Arbeitszufriedenheit von Frauen viel entscheidender als der Wunsch nach Frauen in Spitzenpositionen. Auf diese Art und Weise eröffnen sich Fortkommensmöglichkeiten, die bisher erst schwach umgesetzt werden, denn im letzten Bericht haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass Frauen in ihren Vergütungsgruppen deutlich länger verbleiben als Männer.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Soziale Verantwortung und wirtschaftliche Notwen- digkeiten müssen in ein gesundes Gleichgewicht kommen.

An dieser Stelle wünsche ich mir tatsächlich auch erheblich mehr Engagement, denn eins ist auch klar: Ohne berufliche Zufriedenheit brauchen wir uns über Begleitkonzepte wie betriebliches Gesundheitsmanagement oder Betriebsausflüge keine Gedanken zu machen, die reichen nicht. Des Pudels Kern, auf den wir Einfluss nehmen können, ist die berufliche Zufriedenheit, und etwas mehr Verbindlichkeit auch für die Bereiche des lebensphasenorientierten Personalmanagements würde uns daher gut stehen. Und dabei müssen wir schon unterscheiden, was geht. Ich glaube, eine Bürokraft kann bei entsprechenden Voraussetzungen durchaus einen Vorgang mit nach Hause nehmen, um ihn von dort zu bearbeiten. Bei Präsenzberufen ist es dagegen viel problematischer mit der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben, und was im öffentlichen Dienst noch als kleinste Hürde anzunehmen ist, gehört bei manchen privaten Arbeitgebern ganz sicher noch nicht zu gelebter Unternehmenskultur.

Dennoch gibt es Aktivität dazu. Frau Hesse hat es schon angesprochen. Das Wirtschaftsministerium zum Beispiel initiiert mit der Unterstützung der Aktionswoche „Familie + Wirtschaft = Wachstum“ Aktivitäten zur Sensibilisierung von Unternehmen in dieser Hinsicht. Aber in der Konzeption sind ja etliche Beispiele als Tabellen angefügt.

Meine Damen und Herren, ich mache jetzt mal einen Schwenk in ganz andere Bereiche, nämlich in jene, um die im Allgemeinen ein großer Bogen gemacht wird. So ein Thema hat gerade die Landeskoordinierungsstelle CORA aufgegriffen. Die Forderung nach rechtlicher und sozialer Gleichstellung von Frauen und Männern, die mit Prostitution ihren Lebensunterhalt verdienen,

ist ja nicht neu, sie wird aber von einer breiten Öffentlichkeit immer noch klischeehaft wahrgenommen.

Wir sprechen im Bericht nur über Opfer von Menschenhandel. Sex work, so heißt das heute, und Menschenhandel sind oft gleichgesetzt, aber das eine ist eine freiwillige Dienstleistung, also Arbeit, das andere ist eine Straftat. Die Konzeption spart Ersteres gänzlich aus, obwohl zumindest Schutz- und Zufluchtsstätten, Beratungsstellen, Polizei und so weiter damit zu tun haben.

Außerdem missfällt es mir, dass Sie immer noch davon ausgehen, dass nur die Unterscheidung von Jungen und Mädchen allein bestimmend ist. Wir lassen dabei außer Acht, dass der Bund längst begonnen hat, sich auch anderen Menschen zuzuwenden. Wir haben eine nicht verschwindende Anzahl intersexuell geborener Kinder. Die Eltern konnten bisher keine personenstandsrechtliche Eintragung veranlassen, da es lediglich Jungen oder Mädchen geben soll. Minderheiten werden also erneut landespolitisch nicht berücksichtigt. Wahrscheinlich ist dies auch nicht möglich, denn das ganze Konzept baut ja gerade auf dieser Klassifizierung auf.

Mir würde es deutlich besser gefallen, wenn mehr auf die Erweiterung individueller Lebenschancen abgestellt würde und weniger auf Gruppendynamik. Inwieweit sich dieser Gedanke frühzeitig in Bildung und Erziehung einbeziehen lässt, darüber wäre zu reden. Mit der Konzeption sollen bisherige Verhaltensweisen und Muster aufgebrochen werden, eine Chance, jedes einzelne Kind, jeden einzelnen jungen Menschen individuell zu begleiten und zu fördern. Es genügt nicht, Geschlechterrollen überwinden zu wollen. Bei frühzeitiger Anerkennung des einzelnen jungen Menschen müssen Stereotype nicht überwunden werden, sie erwachsen gar nicht erst und Inklusion wäre weit fortgeschritten.

Meine Damen und Herren, ich wechsle nun noch einmal das Blickfeld in den Bereich Bildung und Wissenschaft. Dort ist von Frauenmangel eigentlich nicht zu sprechen. Wir haben so viele junge Frauen, die einen Bildungsabschluss schaffen, danach auch ein Hochschulstudium absolvieren, um erfolgreich ins Berufsleben zu starten. Und was passiert dann? Dann lassen sich familiäre Wünsche und der Arbeitsalltag häufig nicht mehr selbstverständlich miteinander in Einklang bringen. Oft hängt auch beruflicher Erfolg damit zusammen. Genau an diesem Punkt entsteht die Schräglage und damit schließt sich dann der thematische Kreis.

Es steht in dem Bericht, dass eventuell das Steuerrecht tradierte Rollenbilder verfestige.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Hm!)

Wissen tun wir dies nicht und mir sind dazu auch keine Untersuchungen bekannt, die darüber Aufschluss geben. Lediglich eine Aussage einer Vertreterin des DEW in der aktuellen Presse meinte, dass das deutsche Steuersystem tradierte Beschäftigungsmodelle begünstigt. Ich sage dazu erst einmal: was zu beweisen wäre.

(Martina Tegtmeier, SPD: Ich glaube, das ist längst bewiesen.)

Ich sage das, aber wir können es eben nicht hundertprozentig sagen.

Dann hat das Thema Rente...

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das liegt daran, weil Sie noch keine Umfrage gemacht haben. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Herr Ritter, ja, das machen Sie dann.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das hätten Sie gerne, das hätten Sie gerne.)

Ich bitte noch kurz um Aufmerksamkeit.

Dann hat das Thema Rente noch sehr viele Aspekte, an denen gearbeitet werden kann und muss, insbesondere für Frauen mit unterbrochener Erwerbsbiografie und Frauen, die Kinder großgezogen haben. Ich möchte an dieser Stelle aber jetzt nicht Bundespolitik vertreten, dafür stehe ich heute nicht hier.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gesundheitspolitik geschlechterorientierter auszugestalten ist eine Forderung, die zunehmend wichtig wird. Dabei ist festzustellen, dass gerade im Bereich Prävention die Krankenkassen schon geraume Zeit unterwegs sind. Bei dieser Frage stehen die Männer sogar und tatsächlich im Präventionsfahrtwind der Frauen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Meinen Sie jetzt die Vorsorge?)

Im Bericht findet sich der Verweis auf die Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Mecklenburg-Vorpom- mern, Arbeitskreis „Gender & Gesundheit“, mit einem guten Internetauftritt, aber das Thema selbst, muss ich sagen, hat mich da nicht so angehoben.

Zuletzt möchte ich besonderes Augenmerk auf den Bereich der Rechtsextremismusprävention legen, ein besonders sensibler Bereich, denn rechts macht sich auf örtlicher Ebene schon im frühkindlichen Bildungsbereich breit. Mütter mit Engagement im Kindergarten oder in der Grundschule sind schwer als politisch rechts auszumachen. Noch viel schwieriger ist ein Stoppen dieser Frauen, denn jede Einrichtung sucht händeringend engagierte Mitmacher.

(Stefan Köster, NPD: Wollen Sie die alle einsperren, oder was?)

Es muss deshalb auch versierten Pädagogen schwerfallen, Eltern, insbesondere Mütter, die durch ihre Aktivitäten hilfreich sind, auszugrenzen. Die tatsächlichen Gegebenheiten können dann zu einer falsch verstandenen Akzeptanz führen.