Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

Es muss deshalb auch versierten Pädagogen schwerfallen, Eltern, insbesondere Mütter, die durch ihre Aktivitäten hilfreich sind, auszugrenzen. Die tatsächlichen Gegebenheiten können dann zu einer falsch verstandenen Akzeptanz führen.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Mir missfällt im Übrigen im Bericht unter Punkt 13 generell eine Betrachtung in Genderperspektive. Irgendwie trifft es das Thema nicht richtig, wenn die Überschrift lautet: „Frauen und Mädchen in der rechtsextremen Szene“. An dieser Stelle muss politische Bildung wichtiger werden als Hilfe im Alltag sozusagen.

(Michael Andrejewski, NPD: Ich würde Wahrheitsdrogen empfehlen.)

Sie haben auch immer dieselben Sprüche.

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genau. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Ich komme zum Schluss.

Die gesamte Konzeption der Landesregierung beschreibt größtenteils nachvollziehbar die Gegebenheiten vor Ort und formuliert Ziele, die Überzeugungsarbeit voraussetzen. Ich bin sehr gespannt, wie die nächste Berichterstattung dazu ausfallen wird.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mal doch mit dem Ausschuss an, denn ich bin davon ausgegangen, auch bei meiner Rede, dass wir das weiterdiskutieren. Und ich erinnere mich an den Ältestenrat, dass wir gesagt haben, bis auf den Petitionsausschuss es in allen Ausschüssen zu diskutieren,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Unverhofft kommt oft, Frau Kollegin.)

weil hier heute gar nicht die Zeit wäre, noch mal in die Tiefe zu gehen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn dein starker Arm es will, stehen alle Räder still.)

Von daher ist zwar die Gendergleichstellungspolitik immer eine Querschnittsaufgabe, aber ich denke, da bringt vielleicht die Debatte noch etwas, das Ruder herumzureißen, denn das ist doch eher ein Selbstbetrug, hier zu sagen, wir nehmen das als Querschnittsaufgabe, nehmen hier die Unterrichtung als Einstieg, um dann mit dieser, wie Herr Ritter das schon sagte, verspäteten Gleichstellungskonzeption weiterzuarbeiten.

Und, Frau Friemann-Jennert, Sie haben wirklich viele Punkte benannt, die ich auch im Ausschuss weiter- diskutieren würde, wie beispielsweise Intersexualität. Das sind Punkte, die wir hier gar nicht in der Breite dis- kutieren können. Vielleicht haben Sie jetzt auch noch mal die Möglichkeit, in den nächsten Minuten – es ist ja doch manchmal ein bisschen unruhig so zwischen den Zeilen – das Gespräch dafür zu nutzen, dafür zu werben, dass wir in allen Ausschüssen das Thema Gleichstellungspolitik auf die Agenda setzen, und diese Unterrichtung wäre heute eben eine gute Möglichkeit.

Gleichstellung ist eine Querschnittsaufgabe. Darin stimmen wir mit den Verfasserinnen und Verfassern der Vierten Gleichstellungskonzeption völlig überein. Genau deshalb war und ist die Verlagerung des Aufgabenbereiches aus der Staatskanzlei in ein Fachressort für uns Bündnisgrüne auch nicht nachvollziehbar. Das hat sich nach den zweieinhalb Jahren eigentlich noch mehr herauskristallisiert. Und Herr Ritter hat es gesagt, ich werde es hier auch noch mal betonen: Das, was in den letzten

zweieinhalb Jahren als Gleichstellungspolitik gelaufen ist, verdient nicht immer den Namen, und das bedauern wir sehr.

Tatsächlich bildet die Konzeption in der vorliegenden Form überwiegend Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialthemen ab, was von einem durchgängigen GenderMainstreaming-Ansatz weit entfernt ist. Es fehlen beispielsweise Ansätze aus dem Finanzbereich – das ist schon genannt worden, Gender Budgeting – und es fehlen Anreize aus dem Wirtschaftsbereich für eine konsequente Aufstiegsförderung sowie klare Maßgaben für eine Verknüpfung von Wirtschafts- und Frauenförderung.

Ich will hier nicht unerwähnt lassen, dass es auch gute Ansätze in dieser Konzeption gibt. Zum Beispiel sind das die Zielvereinbarungen für die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen innerhalb der Landesregierung und regelmäßige Berichterstattung im Kabinett.

(allgemeine Unruhe)

So, meine Kollegen, eine Berichterstattung im Kabinett, das ist ein begrüßenswerter Anfang. Machen Sie mehr daraus, Frau Hesse, und ich denke, auch alle Minister, denn das ist eine Querschnittsaufgabe, und damit sind alle Ministerinnen und Minister und insbesondere auch der Ministerpräsident aufgefordert. Wir meinen, wer A sagt, muss auch B sagen. Machen Sie erstens die Berichterstattung dem Landtag beziehungsweise der Öffentlichkeit zugänglich und etablieren Sie zweitens konkrete Gleichstellungsziele auch in anderen Bereichen, und zwar so, dass sie mithilfe von Indikatoren messbar und auswertbar werden!

Die Vierte Gleichstellungskonzeption gliedert sich in Teil I „Herausforderungen, Ziele, Handlungsschwerpunkte“ und in Teil II „Maßnahmen“, wobei diese Bezeichnungen eher irreführend sind. Teil I könnte in weiten Teilen auch „Bestandsaufnahme“ heißen und Teil II „Ergänzende Auflistung laufender Vorhaben“, wobei gar nicht gesagt werden soll, dass die Analysen grundsätzlich falsch wären. Sie sind nur nicht entsprechend untersetzt und es fehlen die Schlussfolgerungen.

So ist beispielsweise auf Seite 10 zu lesen, ich zitiere: „Berufe und Lebensmuster, die als weiblich gelten, werden nach wie vor geringer bewertet als männliche.“ Zustimmung, meine Damen und Herren! Und welcher Handlungsbedarf ergibt sich nun daraus für die Landesregierung?

Unser Vorschlag lautet: Konsequente Strukturen und Rahmenbedingungen für eine geschlechtergerechte

Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in unserem Bundesland können wir erreichen, wenn ein entsprechendes Querschnittsziel in den EU-Strukturfonds unterlegt wird. Die gezielte Förderung von geschlechtergerechter Beschäftigung in Unternehmen kann dadurch verbessert werden, dass bei Förderentscheidungen mindestens die Kriterien und Zuwendungsvoraussetzungen der Richtlinie zur Förderung gewerblicher Wirtschaft aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ zugrunde gelegt werden.

Ich möchte Ihnen ein weiteres Beispiel dafür geben, dass mit dem vorliegenden Papier kurz gesprungen wird. Die gendersensible Verbesserung der Berufsorientierung, auf Seite 9 und folgenden, ist sicher ein wichtiges Unterfan

gen. Aber die Betrachtung darf dort nicht stehen bleiben. Auch für Frauen, die sich beruflich umorientieren wollen oder müssen, sind adäquate Angebote erforderlich. Das Schlecker-Debakel hat einmal mehr gezeigt, wie reflexartig die Frauen immer noch in Gesellschaft, Politik und Arbeitsverwaltung auf Erziehungs- und Pflegearbeit abonniert und reduziert werden. Was wir brauchen, ist ein zielgruppenorientiertes Landesqualifizierungs- und Förderprogramm für Frauen, denen seitens der Arbeitsverwaltung keine Umschulungsangebote unterbreitet werden oder die sich berufsbegleitend qualifizieren möchten.

Wo wir, meine Damen und Herren Abgeordnete, gerade bei den zu überwindenden Stereotypen sind, wir müssen uns davon verabschieden,

(Vincent Kokert, CDU: Muss man eigentlich jede Rede bis zum Schluss vorlesen?)

Frauen nur im Familienkontext wahrzunehmen. Nicht jede Frau ist Mutter und es ist nicht nur das Muttersein. Es sind nicht nur die biografischen Brüche, zum Beispiel durch Erziehungszeiten oder auch Pflegezeiten, die zur Ungleichbehandlung am Arbeitsmarkt führen. Es sind auch strukturelle Gründe, und die müssen wir konsequent angehen. Der gerade eine halbe Woche zurückliegende Internationale Frauentag hat ja genügend Anlass zur Thematisierung mittelbarer und unmittelbarer Diskriminierung gegeben.

Ich will meine knapp bemessene Zeit hier nicht für eine Wiederholung nutzen. Sie können bei Interesse auch gern in den Protokollen der 37. bis 39. Plenarsitzung unter dem Tagesordnungspunkt „Entgeltgerechtigkeit umsetzen – Gleichstellung am Arbeitsmarkt aktiv gestalten“ nachlesen. Das ist die Drucksache 6/1635.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt in der Gleichstellungskonzeption etliche Sätze, in denen die Landesregierung ihre Bereitschaft zum Abschluss von Vereinbarungen dokumentiert, beispielsweise auf Seite 18, oder ihren Plan verkündet, frauenfördernde Netzwerke zu initiieren und zu pflegen, nachzulesen auf Seite 17. Da kann ich nicht umhin zu fragen: Was heißt das denn konkret? Beinhalten solche Vereinbarungen und Vernetzungen ideelle oder auch finanzielle Förderungen? Sind damit Parameter und Zielzahlen verknüpft? Wer vereinbart was mit wem und weshalb? Wie werden die Ergebnisse nachbereitet?

Das sind im Übrigen auch die Fragen, die sich mir bei der Lektüre des Teils II, Sie erinnern sich, „Maßnahmen“, aufgedrängt haben. Vieles an der dortigen Auflistung bleibt hinsichtlich der Ergebniserwartungen sehr im Vagen. Teilweise werden Selbstverständlichkeiten und originäre Aufgabenbeschreibungen der Verwaltung als Maßnahmen aufgeführt, etwa im Bereich Vernetzung. Das ist enttäuschend.

Die aufgelisteten Maßnahmen sind weder durch Laufzeiten noch durch Berichtsdaten konkretisiert. Wenn dann auch noch eine exakte Benennung von Zielen fehlt, sodass der Verlauf oder die Umsetzung der Maßnahmen nicht nachvollziehbar gemacht werden können, dann können Fortschritte der Gleichstellungspolitik in unserem Land weder kenntlich gemacht noch überprüft werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der Vierten Gleichstellungskonzeption ist die Landesregierung weit, wirklich weit hinter ihren politischen Möglichkeiten zurückgeblieben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na, na, na!)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und appelliere noch mal,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na, na, na, Frau Gajek!)

in die Ausschüsse zu überweisen. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion DIE LINKE.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Kollege Peter Ritter hat den Kontext der Gleichstellungskonzeption und die Anforderungen an eine solche bereits dargestellt.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte mich nun näher auf die Handlungsfelder beziehen. Die Konzeption ist in zwei große Teile unterteilt, wie Sie wissen. Der erste benennt die Ziele und Handlungsschwerpunkte, der zweite Teil beinhaltet konkrete Umsetzungsschritte.

Der Blick, der auf eine solche Konzeption geworfen wird, ist meistens ein ganz pragmatischer. Es stellen sich die Fragen: Was wurde bisher erreicht? Gibt es konkrete Handlungsansätze? Lassen sich die Maßnahmen auf die Lebenswirklichkeit übertragen? Sind die Zuständigkeiten klar formuliert? Und vor allem, steckt tatsächlich ein Konzept dahinter und geht die Konzeption dann auch weit genug? Leider lassen sich diese Fragen nicht vollständig und erst recht nicht zufriedenstellend beantworten.

Die gesetzlichen Grundlagen für die Gleichstellung von Frauen und Männern sind unter anderem Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 13 der Landesverfassung, Artikel 2 des EG-Vertrages. Darauf bezieht sich die Gleichstellungskonzeption des Landes und beleuchtet verschiedene Handlungsfelder. Es geht um die Chancengleichheit von Frauen und Männern in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen.

Ziel der Konzeption soll es sein, eine uneingeschränkte Gleichberechtigung der Geschlechter herzustellen und zur Zielerreichung jegliche Form von Benachteiligung abzubauen. Fakt ist jedoch, dass eine solche bloße Gleichstellungsberechtigung nicht zu einer tatsächlichen Gleichstellung führt. Vielmehr müssen strukturelle Hindernisse beseitigt und alle Wirkungsmechanismen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Lebenswelten von Frauen und Männern betrachtet werden. Eben dies fehlt mir bislang noch in der Politik der Landesregierung.