Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 68. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.

Die gemäß Paragraf 73 Absatz 1 Satz 2 unserer Geschäftsordnung im Benehmen mit den Fraktionen geänderte vorläufige Tagesordnung der 68., 69. und 70. Sitzung mit Stand vom 14. Mai 2014 liegt Ihnen vor. Wird der geänderten vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 68., 69. und 70. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 68., 69. und 70. Sitzung die Abgeordneten Torsten Koplin, Dr. Ursula Karlowski und Johann-Georg Jaeger zu Schriftführern.

Sehr geehrte Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unserem Kollegen Heinz Müller ganz herzlich nachträglich zu seinem 60. Geburtstag gratulieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Die Fraktion der NPD hat einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 6/2965 zum Thema „Regierungserklärung zur finanziellen Schieflage der ,P+S-Werften‘ im Som- mer 2011“ vorgelegt. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 2 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Europa tut gut“ beantragt.

Aktuelle Stunde Europa tut gut

Das Wort hat für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Drese.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde „Europa tut gut“ ist aktueller denn je. Wir in Mecklenburg-Vorpommern profitieren auf vielfältige Weise von der Mitgliedschaft Deutschlands in der EU.

(Heinz Müller, SPD: So ist es. – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Unter anderem hat unser Land in den zurückliegenden Jahren umfangreiche finanzielle Unterstützung erfahren.

(Stefan Köster, NPD: Aber wie viel haben wir denn netto reingezahlt? – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Mit Mitteln aus EU-Strukturfonds wurden zahlreiche Projekte ins Leben gerufen und erhebliche Verbesserungen der Infrastruktur in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Kultur erzielt.

(Michael Andrejewski, NPD: Von unserem eigenen Geld.)

Bei vielen Baustellen in unserem Bundesland kommt aus Brüssel eben nicht nur das Schild am Bauzaun. Mecklenburg-Vorpommern hat seit der deutschen Einheit stark von der EU profitiert.

(Michael Andrejewski, NPD: Besonders von Griechenland.)

Unser Land hat allein in der letzten Förderperiode von 2007 bis 2013 rund 2,65 Milliarden Euro aus Brüssel erhalten.

(David Petereit, NPD: Und wie viel wollen wir zahlen? – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Mit diesen Mitteln wurde ein entscheidender Beitrag zum Wirtschaftswachstum und zur Strukturverbesserung ge- leistet. Seit 2014 gehört Mecklenburg-Vorpommern auch aufgrund der so erreichten Wirtschaftskraft nicht mehr zu den Regionen, die in die höchste Förderperiode fallen, erhält dennoch weiter finanzielle Mittel von der EU in erheblichem Umfang.

Mecklenburg-Vorpommern hat seit Gründung des Landes von der fortschreitenden europäischen Einigung großen Nutzen gehabt. Das gilt aber bei Weitem nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch in einem umfassenden Sinn: Abschaffung der Handelsbarrieren, ungehinderter grenzüberschreitender Verkehr, kultureller Austausch,

(Stefan Köster, NPD: Abschaffen der Souveränität.)

Kooperation bei Forschung und Entwicklung, partnerschaftliche Zusammenarbeit im Ostseeraum,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Freiheit und Frieden mit allen Nachbarn, und dies ist nicht selbstverständlich.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Seit über 20 Jahren ist Mecklenburg-Vorpommern an Aufbau und Fortentwicklung der bilateralen europäischen und internationalen Zusammenarbeit auf regionaler Ebene beteiligt. Unser Bundesland bildet als Ostseeanrainer und mit seiner Grenze zu Polen das Tor zum Baltikum und nach Skandinavien. Durch die geografische Lage ist das Land einer der Knotenpunkte in der Güterverkehrswirtschaft im Ostseeraum. Der Seegüter- wie auch der Passagierverkehr mit den Ostseeanrainerstaaten sind ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor.

Im Bereich der Gesundheitswirtschaft und der Biotechnologie ist der Ostseeraum eine der führenden Regionen weltweit. Und angesichts der herausragenden Bedeutung des Tourismus spielt für das Land der Ostseeraum auch beim Meeres-, Küsten- und beim Kreuzfahrttourismus

die entscheidende Rolle. Warnemünde ist der deutsche Hafen für Luxusliner geworden.

In dem letzten Europa- und Ostseebericht der Landes- regierung wird ausführlich dargestellt, wie sehr unser Land im europäischen und internationalen Entwicklungsgewebe eingebunden ist. Dazu zählen vor allem die umfangreichen und intensiven Kontakte zu unserem Nachbarland Polen. Gerade der Zusammenarbeit mit unseren polnischen Nachbarn kommt dabei eine besondere Rolle zu.

Vor zehn Jahren trat Polen der Europäischen Union bei. Der Beitritt Polens am 1. Mai 2004 war der Moment, der den Fall des eisernen Vorhangs endgültig markierte. Die EU wurde damals Richtung Osten erweitert und begrüßte zehn neue Mitglieder. Was in den 1950er-Jahren mit sechs Staaten als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft begonnen hatte, ist heute ein Staatenbund mit 28 Mitgliedern und mehr als einer halben Milliarde Einwohnern.

Dabei gab es auf mancher Seite durchaus Ängste. In den EU-Staaten, nicht zuletzt in Deutschland, fürchtete man, dass polnische Armutszuwanderer den Arbeitsmarkt überfluten würden. Während Arbeitnehmer in den bisherigen EU-Mitgliedsstaaten fürchteten, dass Millionen von Arbeitsuchenden aus dem Osten ihnen den Job wegnehmen könnten,

(Vincent Kokert, CDU: Ja, so ändern sich die Zeiten.)

fürchteten die Polen, dass reiche Kapitalisten aus dem Westen sich billig Grund und Boden unter den Nagel reißen könnten. Keines dieser Szenarien wurde wahr.

(Heinz Müller, SPD: So ist es. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Heute gehört Polen zu den wichtigsten Partnern Mecklenburg-Vorpommerns. Seit 1991 haben MecklenburgVorpommern und Polen ein enges freundschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis mit einem dichten Netzwerk von grenzüberschreitenden Kontakten aufgebaut.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Torsten Koplin, DIE LINKE)

Zu keinem anderen Land und keiner anderen Region pflegt unser Bundesland so vielfältige und intensive Beziehungen wie zum Nachbarland Polen. Die Osterweiterung 15 Jahre nach dem Fall der Mauer markierte 2004 auch endgültig die Überwindung der Spaltung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Europäische Union steht für gemeinsame Werte und ist ein langjähriger Garant von Frieden und Freiheit. Gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt, politische Einheit, Demokratie, Nachhaltigkeit und ein gemeinsamer Markt kennzeichnen die EU. Der Integrationsprozess Europas ist ein einzigartiges Beispiel für die friedliche Einigung nahezu eines ganzen Kontinents.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Dass 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges und 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges Frieden und Stabilität in der Nachbarschaft der EU keine Selbstverständlichkeit sind, zeigt sich auch zehn Jahre

nach der Osterweiterung. Die Ereignisse in der Ukraine haben Europa in die schwerste Krise seit dem Fall des eisernen Vorhangs gebracht.

(Zurufe von Vincent Kokert, CDU, Michael Andrejewski, NPD, und Stefan Köster, NPD)

Die Entwicklung im Osten und Süden der Ukraine zeigt, wie fragil die Situation ist. Dieser Konflikt wäre noch vor Jahren der Auslöser für einen Krieg in ganz Europa gewesen. Die Krise erinnert uns daran, dass es nicht in erster Linie um Euro und Cent geht. Europa ist Projekt für Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Es geht um die Verteidigung von Werten für die Generation von Menschen, die vieles haben riskieren müssen. Gut ist, dass Europa für uns selbstverständlich geworden ist. Für die Menschen vor 100 Jahren war es noch der Traum von Frieden.

Wir wissen, dass ein Großteil der Herausforderungen und Probleme heute nur noch gemeinschaftlich in der Europäischen Union gelöst werden können. Einzelne Nationalstaaten oder gar Regionen in Europa haben in unzähligen Bereichen nicht das Potenzial, aus eigener Kraft zu wirksamen Lösungen zu gelangen. Das Zusammenwachsen Europas ist für uns in Mecklenburg-Vor- pommern tagtäglich spürbar, denn eine wachsende Zahl an EU-Entscheidungen, zum Beispiel in der Wirtschaftspolitik, der Umwelt- oder der Gleichstellungspolitik, betreffen in ihren Auswirkungen sogar unmittelbar die Bürger hierzulande.

Die Bedeutung der Arbeit der europäischen Institution wird jedoch vielerorts noch unterschätzt. Dagegen werden heute mehr denn je Entscheidungen in Brüssel getroffen, die auch uns in Mecklenburg-Vorpommern direkt oder unmittelbar betreffen. Dabei ist das Europäische Parlament das einzige Entscheidungsorgan der EU, dessen Legitimität unmittelbar auf Wahlen basiert. Das Parlament übt eine Funktion als Kontroll- und Rechtssetzungsorgan im Gefüge der europäischen Institution aus.

(Michael Andrejewski, NPD: Das Scheinparlament.)

Seit 1979 werden die Mitglieder des Europäischen Parlaments direkt gewählt. Seitdem wurden die Kompetenzen des Parlaments auch stetig vergrößert.

Europa spielt sich nicht fern unseres Alltags ab. Entscheidungen des Europäischen Parlaments haben Konsequenzen für jeden Einzelnen von uns. Mit den Wahlen zum Europäischen Parlament in diesem Jahr wird die EU-Volksvertretung für über 500 Millionen Einwohner in den EU-Mitgliedsstaaten direkt gewählt. In Deutschland findet die Europawahl am 25. Mai statt, gleichzeitig haben wir Kommunalwahlen. Damit können wir viel stärker als bisher darüber mitentscheiden, welche politische Richtung Europa nehmen soll. Es geht um die Frage, welches Europa wir wollen.

Wir wollen ein friedliches Europa. 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs darf militärische Gewalt nie wieder Mittel der Politik werden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)