Protokoll der Sitzung vom 16.05.2014

Auch das OVG Nordrhein-Westfalen stellt mit Beschluss vom 14.08.2007 darauf ab, dass die „Beschränkung der Regelnutzung in einem Reinen Wohngebiet auf das Wohnen bzw. in einem Allgemeinen Wohngebiet auf das Überwiegen der Wohnnutzung der Schaffung einer Umgebung (dient), die durch Wohnruhe und Homogenität der Nutzung geprägt ist“. Eine vorübergehende Beherbergung stellt in diesem Sinne kein Wohnen dar.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in den Antworten zu den Kleinen Anfragen auf den Drucksachen 6/2734 und 6/2892 hat die Landesregierung bereits Bezug auf

die Konsequenzen der Entscheidung des OVG-Urteils vom 28. Dezember 2007 zur Unzulässigkeit von Ferienwohnungen in Wohngebieten und in unbeplanten Orts- lagen genommen. Es ist doch unstrittig, dass Planung, Aufsicht und Regulierung privater Ferienwohnungsangebote den kommunalen Aufsichtsbehörden obliegen. Vor dem Hintergrund der ergangenen Urteile liegt es nun in den Händen der kommunalen Selbstverwaltungshoheit, in welcher Art und Weise sie die Nutzung in den betroffenen Gebieten rechtssicher gestalten wollen. Nicht das Land, sondern die kommunalen Akteure werden letztlich entscheiden müssen, ob und welche Möglichkeiten bestehen, Korrekturen an Bebauungsplänen vorzunehmen. Natürlich sollte das dann immer nur anhand der konkreten Gestaltung des Einzelfalls vor Ort eingeschätzt werden.

Ich erinnere an dieser Stelle an unsere ausführlichen Diskussionen im Wirtschaftsausschuss am vergangenen Donnerstag. Dort wurde unter anderem dargelegt, dass eine Bundesratsinitiative durch das Land MecklenburgVorpommern zur Änderung der Baunutzungsverordnung keinen Erfolg hätte, da nur das Land Brandenburg uns unterstützen würde. Auch wurde den Mitgliedern mitgeteilt, dass ja bereits 2012 und 2013 durch die untere Bauaufsichtsbehörde den betroffenen Gemeinden eine zeitliche Befristung zur Umsetzung der notwendigen Planungsänderung gewährt wurde. Aber diese Zeit wurde eben zweimal nicht genutzt, um tätig zu werden. Und erst zwei Monate nach dem letzten Aufschub wurde dann nur ein halbherziger, allgemein gehaltener Beschluss gefasst. Der Landkreis Rostock konnte also gar nicht anders handeln, da ihn die einschlägigen Gerichtsurteile verpflichteten, die Nutzungsuntersagung auszusprechen.

Meine Damen und Herren, wir dürfen aber hierbei auch nicht außer Acht lassen, dass sich Behörden amtspflichtwidrig verhalten und sich gegebenenfalls schadenersatzpflichtig machen würden, wenn sie einen zwar in Kraft gesetzten, aber gleichwohl unwirksamen Bebauungsplan anwenden. Vor diesem Hintergrund werden die unteren Aufsichtsbehörden selbstverständlich tätig, wenn entsprechende Hinweise über das Vorhandensein von Ferienwohnungen in allgemeinen und reinen Wohngebieten an sie herangetragen werden. Sie sind dann gesetzlich in der Pflicht,

(Regine Lück, DIE LINKE: Die sind aufgefordert worden.)

baurechtliche Missstände zu prüfen und bei Nachweis zu beseitigen.

Natürlich gibt es auf beiden Seiten – bei den Befürwortern und bei den Gegnern von Ferienwohnungen – starke Argumente. Ich bin mir nicht sicher, ob allein die Erarbeitung einer Handreichung durch die Landesregierung mit dafür sorgen wird, dass einvernehmlich rechtlich einwandfreie Lösungen in den betroffenen Kommunen erzielt werden können, die der Herstellung bauplanungs- und bauordnungsrechtlicher Zustände dienen. Die Handreichung wird empfehlenden Charakter haben und durch das Wirtschaftsministerium noch vor der Sommerpause fertiggestellt werden.

Meine Damen und Herren, auch ich habe gemeinsam mit meiner Kollegin Frau Drese mit den Sprechern der Bürgerinitiativen „pro Urlauber als Nachbarn“ und „Pro Ostseebad Rerik“, welche sich für die Beibehaltung der

Ferienwohnungen ausgesprochen haben, das Gespräch geführt. Ich kann teilweise ihre Interessen nachvollziehen. Ich habe aber Post von der Bürgerinitiative „Wohnen in Nachbarschaft“ bekommen und kann auch ihre Argumente durchaus nachvollziehen, gerade weil diese auf geltendem Recht basieren. Und weil das so ist, liegt der Ball in der kommunalen Selbstverwaltung im Benehmen mit der unteren Bauaufsichtsbehörde. Nur im Verständnis dieser beiden Akteure kann es zu Lösungen für die Vielfalt der zu klärenden Fälle kommen.

Entscheidungen sollten insbesondere mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen deshalb nicht vom Zaun gebrochen werden.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Letztendlich müssen die Entscheidungen in den betroffenen Kommunen vor Ort gefällt werden. Hier hat das Land kein Mitspracherecht. Das hohe Gut der kommunalen Selbstverwaltung muss und wird Bestand haben.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion muss diesen Antrag ablehnen, da er rechtlich nicht haltbar ist und der Landtag und die Landesregierung hier nicht zuständig sind.

(Regine Lück, DIE LINKE: Keine Begründung.)

Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Fraktionsvorsitzende Herr Suhr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst mal mit einem Vorwurf aufräumen, der sowohl in der entsprechenden Ausschusssitzung des Wirtschaftsausschusses immer wieder durchschwang, wie auch gerade zumindest in dem Redebeitrag, den Frau Kuder für den Fachminister gehalten hat. Dieser Vorwurf orientiert darauf oder versucht den Eindruck zu vermitteln, dass die Antragsteller sich mit ihrem Antrag einseitig positionieren würden, und zwar zugunsten derer, die Ferienwohnungsnutzungen durchsetzen,

(Vincent Kokert, CDU: Nee, dafür bräuchten Sie ja mal Mut.)

Ferienwohnungsnutzungen durchsetzen wollen.

Über Mut werden wir heute am Tag, lieber Herr Kokert, noch reden.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Andreas Butzki, SPD: Ja, da sind wir schon sehr gespannt. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Das ist mitnichten so. Das ist mitnichten so, sondern es geht hier um eine Situation, in der wir eine Unsicherheit aufseiten vieler Bürgerinnen und Bürger und eine Unsicherheit aufseiten der Kommunen haben, die die Planungshoheit haben, die in eine Situation hineingerutscht

sind, die sie noch vor Jahren anders eingeschätzt haben und mit der sie jetzt im Augenblick nur umgehen und Abhilfe schaffen können, indem sie mit einem Riesenaufwand Bebauungspläne verändern. Das ist im Augenblick die Ausgangssituation.

Wir sprechen von einer Dimension, auch die möchte ich hier einmal vortragen, dass wir laut dieser Studie, die vorhin zitiert worden ist, 8.600 nicht gewerbliche Ferienwohnungen in Mecklenburg-Vorpommern haben. Wir reden von einer Größenordnung von 5,11 Millionen Übernachtungen und wir reden – auch laut Studie – von einem Umsatz in einer Größenordnung von 347 Millionen Euro.

(Regine Lück, DIE LINKE: Völlig richtig.)

Das ist die Größenordnung.

So, was ist passiert an dieser Stelle? Da gibt es in der Tat, das Thema ist komplex, unterschiedliche Kategorisierungen. Sie, die Vorredner, haben sich gerade auf das Urteil aus 2007, dann 2012 noch mal durch eine andere Instanz bestätigt, bezogen. Wir haben Bebauungspläne, die vor 2007 erstellt worden sind und aus denen heraus der Eindruck entstand, und zwar nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Wohnungen oder Ferienwohnungen in diesen Bebauungsplänen hatten, sondern auch bei den Kommunen der Eindruck bestand, dass die Nutzung von Ferienwohnungen erlaubt ist. Wir haben eine Rechtssituation, wo Bebauungspläne nach 2007 erstellt worden sind, wo der Eindruck vermittelt worden ist – und das ist von meiner Kollegin der LINKEN gerade richtig gesagt worden –, dass es legal sei, in diesen Bereichen Ferienwohnungen zu unterhalten.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Darauf haben sich die Menschen verlassen.)

Die Menschen haben sich darauf verlassen, es gibt schriftliche Dinge. Und teilweise haben die Kommunen, beispielsweise auch in meiner Heimatstadt, die mitten in einem Tourismusgebiet liegt, dies auch noch unterstützt, indem sie beispielsweise diese Ferienwohnungen über die Tourismuszentralen vermarktet haben.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Auch das ist so. Welchen Eindruck sollen ein Bürger oder eine Bürgerin denn haben, wenn dies alles geschieht und dann plötzlich eine Kommune kommt und sagt, nun untersage ich dir die Nutzung dieser Ferienwohnung?

Das, was im Augenblick passiert, ist so eine Art Politik des „Augen zu und durch“. Wir reden im Augenblick über die konkreten Konflikte in den Gemeinden, in denen Bürger ihre rechtlich gerechtfertigten Bedenken artikulieren und sagen, die Nutzung der Ferienwohnung meines Nachbarn ist nicht rechtmäßig. Jetzt sind die Kommunen gezwungen, an der Stelle zu handeln. Wir reden aber im Augenblick nicht über die Dimension, die habe ich gerade genannt, über die Dimension von Ferienwohnungen, wo die Nutzung unrechtmäßig ist, weil sie sich in allgemeinen Wohngebieten befinden, wo die Gemeinden die Augen zumachen und hoffen, dass sich niemand meldet und sagt, das, was mein Nachbar macht, ist unrecht- mäßig.

Wenn man dieses Problem nicht löst – und das ist der Kernpunkt der Auseinandersetzung –, dann wird es diese

Auseinandersetzung in den vielen Kommunen in den nächsten Jahren immer wieder geben, und zwar davon abhängig, ob sich jemand meldet und sagt, hier ist ein Zustand, der rechtswidrig ist – und davor duckt sich die Landesregierung weg. Das ist ein Riesenproblem, was auf uns sukzessive zukommt,

(Vincent Kokert, CDU: Ja, weil wir da auch so viel machen können! Das ist ja so ein Quatsch, was Sie erzählen.)

was auf uns sukzessive zukommt

(Andreas Butzki, SPD: Das weiß er doch selber. – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

und wo ich nicht fassen kann, wie da eine Landesregierung im Wirtschaftsausschuss zum Ausdruck bringt und sagt, na ja, wir versuchen noch nicht mal mehr, die zugrunde liegende rechtliche Grundlage der Baunutzungsverordnung in irgendeiner Form anzupassen,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

sodass die Kommunen ihr Planungsfeld auch in einfacher Art und Weise umsetzen können. Denn das, was ihnen im Augenblick zugemutet wird, ist, dass sie in Größenordnungen, in Tausenden von Fällen ihre Bebauungspläne ändern, wenn sie den dort vorherrschenden Zustand legitimieren wollen. Das ist im Augenblick die Situation, sehr geehrte Damen und Herren.

(Andreas Butzki, SPD: Tausende Baupläne!)

Es ist zu kurz gedacht, einfach zu sagen, na ja, ihr kriegt eine Handreichung, so, wie es der Wirtschaftsminister angekündigt hat.

Ich will in dem Zusammenhang einmal aus einem Schreiben des Landkreises Rostock zitieren – er wurde ja gerade von Herrn Albrecht auch zitiert, der Landkreis Rostock –, der ein Gespräch geführt hatte mit der Bürgerinitiative „pro Urlauber als Nachbarn“. Ich möchte deshalb aus diesem Schreiben zitieren, weil daraus deutlich wird, was die Kommunen, was die Landkreise erwarten. Dort heißt es, ich zitiere: „Nachdem der Landkreis“, wir reden über den Landkreis Rostock, „über die gefassten Beschlüsse der Stadt Ostseebad Kühlungsborn Kenntnis erlangt hatte“, dort war der Wille zum Ausdruck gekommen, Bebauungspläne zu ändern, „wandte ich mich mit Schreiben vom 06.05. an den Wirtschaftsminister Herrn Harry Glawe, um einen persönlichen Termin mit ihm und Vertretern der betroffenen Kommunen zu erhalten. Hierüber sind auch die Bürgermeister der Stadt Ostseebad Kühlungsborn, Herr Rainer Karl, und der Bürgermeister von Graal-Müritz, Herr Frank Giese, in Kenntnis gesetzt worden. Ziel dieses gemeinsamen Gesprächs soll es sein, die ihnen gegenüber“, gemeint ist die Bürgerinitiative, „abgegebenen Äußerungen aus dem Wirtschaftsministerium für den Landkreis als verbindliche Direktive in schriftlicher Form zu erhalten. Wie Sie wissen, geht es darum, eine klare Aussage seitens der Fachaufsicht zu erhalten, die dem Landkreis die Möglichkeit eröffnet, die eingeleitete Untersagungsverfügung für die illegale Ferienwohnungsnutzung auszusetzen. Eine Rückmeldung des Wirtschaftsministeriums haben wir bisher jedoch nicht erhalten.“

Und das, sehr geehrte Damen und Herren, macht zumindest den Eindruck, dass sich das bestätigt, was ich hier zum Ausdruck gebracht habe: Die Landesregierung duckt sich vor dieser zentralen Frage weg.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Genau. – Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)

Die Kommunen sind verunsichert, sie ringen darum, Hilfe zu erhalten,

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und die Landesregierung zieht sich auf eine Handreichung zurück. Ich konnte es gar nicht fassen, als Sie gesagt haben,

(Vincent Kokert, CDU: Das geht mir auch häufig so.)