Zwei glückliche Umstände hatte die damalige Sozialministerin auf ihrer Seite: Erstens war das Rettungsschiff die ganze Zeit in direkter Nähe. Zweitens fand die Übung nicht weit von der Küste entfernt statt.
Beide Umstände trugen dazu bei, dass Frau Schwesig noch weitere Termine an dem Tag wahrnehmen konnte. In einer echten Notsituation wäre sie möglicherweise erst nach einigen Stunden gerettet worden,
denn Schiffe sind bekanntlich nicht die schnellsten Rettungsmittel. Schon damals war also allen Beteiligten klar, dass diese Übung nicht den schnellsten Rettungsweg nachstellte. Schneller geht es natürlich, wenn der Rettungshubschrauber nicht nur einen Rettungsschwimmer absetzt, sondern mit einer Rettungswinde die verunglückte Person direkt aufnimmt und zu einer Klinik fliegt. Die therapiefreie Zeit könnte so enorm verkürzt werden.
Der Mediencoup der damaligen Sozialministerin war also trotz eindrücklicher Bilder auch gleichzeitig ein Tritt ins Fettnäpfchen, denn der eingesetzte Hubschrauber, der „Christoph 47“ aus Greifswald, hatte keine Seilwinde zur schnellen Rettung,
weil das Land sich um eine größere Verantwortung für die Luftrettung auf See drückt. Der Rettungshubschrauber besitzt auch kein Wetterradar und kann nur zehn Minuten auf offener See fliegen.
Meine Damen und Herren, die Lücke bei der Rettung auf See sollte der tragisch verunglückte Hubschrauber „Christoph Offshore 2“ auf Rügen übernehmen. Dieser war vom Energiekonzern EnBW und vom Netzbetreiber 50Hertz finanziert und von der DRF betrieben worden. So tragisch das Unglück ist, so schnell müssen wir als Land jetzt Verantwortung übernehmen und einen Ersatz organisieren,
(Minister Harry Glawe: Es gibt doch schon einen neuen Hubschrauber. Haben Sie das nicht mitgekriegt?)
wenn das Land und die Kommunen nicht auf die Hilfe des Bundes zurückgreifen wollen. Natürlich kommen die Bundespolizei oder die Bundeswehr und helfen im Notfall, aber es gibt in der Tat – und das bemängelt auch die DRF – eine Lücke, und zwar auf See, und ich glaube, diese Lücke steht uns als Küstenland nicht besonders gut.
Eine Möglichkeit wäre nun, die entsprechende Ausrüstung des „Christoph 47“ in Greifswald vorzunehmen. Die Diskussion darum ist schon lange im Land bekannt, umso erstaunlicher ist es allerdings, dass bisher noch nichts zur Verbesserung der Situation geschehen ist.
Bereits vor drei Jahren stand im „Hamburger Abendblatt“ ein entsprechender Artikel, der sich genau mit diesem Thema beschäftigt hat, der ziemlich klar und deutlich und auch mit entsprechenden Zahlen dargelegt hat, was eine solche Ausrüstung kosten würde. Die Kosten für eine Seilwinde belaufen sich auf etwa 400.000 Euro für die Anschaffung sowie auf jährliche Trainingskosten in Höhe von 50.000 Euro. Diese Zahlen habe ich aus dem besagten Artikel des „Hamburger Abendblattes“.
Zwischenzeitlich hat das Sozialministerium mir auf eine Kleine Anfrage geantwortet, hat auch noch mal eine Stellungnahme des ADAC eingeholt und diese Kosten nicht bestätigt, aber zumindest aufgeführt in meiner Kleinen Anfrage. Das Ministerium kommt auf ungefähr 450.000 Euro Einmalkosten und hat dann noch aufgeführt, dass natürlich für das Training und für den laufenden Betrieb der Winde auch entsprechende Kosten zu veranschlagen wären.
Momentan beruft sich die Landesregierung aber auf eine unklare gesetzliche Regelung, die jetzt im Zuge der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes behoben werden könnte. Während das Land nämlich nach aktueller Gesetzeslage der Träger der öffentlichen Luftrettung ist, sind die Landkreise und kreisfreien Städte Träger des übrigen öffentlichen Rettungsdienstes einschließlich der Wasserrettung an Stränden und Binnengewässern jeweils für ihr Gebiet. Das finden Sie in dem Paragrafen 6 des aktuellen Rettungsdienstgesetzes Mecklenburg-Vor- pommern.
Die Luftrettung über Wasser beziehungsweise See ist nicht explizit geregelt. Deshalb sollten wir mit der anstehenden Novellierung des Rettungsdienstgesetzes die Chance nutzen, hier für Klarheit zu sorgen. Es ist jetzt eine ganz eigenartige Situation: Da steht drin, das Land ist für die Luftrettung zuständig. Dann kommt die DRF auf das Land zu und sagt, wir hätten gerne eine Rettungswinde, kostet 450.000 Euro. Darauf sagt das Land, wir sind nicht zuständig, da sind die Landkreise zuständig, weil die für die Wasserrettung zuständig sind. Dann sagen die Landkreise und kreisfreien Städte: Ja, entschuldigen Sie, für die Luftrettung ist das Land zuständig. – Es ist nicht klar geregelt in der momentanen Gesetzeslage.
Meine Damen und Herren, Sie warten sicherlich schon darauf, wann ich denn nun endlich den Bogen zu den Polizeihubschraubern hinbekomme.
(Zurufe vonseiten der Fraktion der CDU: Jawoll! – Heinz Müller, SPD: Das wär doch mal was. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich finde das nicht so lächerlich. Das ist doch eine ernste Angelegenheit hier. Genau.)
denn es geht uns heute um die wichtige Angelegenheit der Luftrettung. Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sind hier wirklich auch Potenziale vorhanden.
Hierzu fördert gerade das Bundesforschungsministerium das Projekt „PrimAIR“, in dessen Rahmen ein Konzept zur primären Luftrettung in strukturschwachen Gebieten untersucht und erstellt wird. Ich gehe darauf gerne auch in der Aussprache nochmals ein.
Meine Damen und Herren, in Zeiten von enormen Steuereinnahmen und Haushaltsüberschüssen kann das In- nenministerium gerne – und jetzt hören Sie genau zu! –,
aber ein Hinweis sei mir diesbezüglich doch erlaubt: Beide Polizeihubschrauber haben Seilwinden, die kaum benutzt werden. Da will ich jetzt auch keine Neiddebatte lostreten.
Wenn aber schon die Polizeihubschrauber solche Technik vom Land bezahlt bekommen, dann muss auch das Geld dafür da sein, die Rettungshubschrauber im Land mit der entsprechenden Technik auszustatten. Ich will nicht, dass die Seilwinden von dem einen Hubschrauber abgeschraubt und an den anderen angeschraubt werden.
Wie gesagt, es geht mir nicht um eine Neiddebatte, ich möchte nur, dass das Land die Verantwortung für die Ausstattung der Rettungshubschrauber mit der gleichen Hingabe übernimmt, wie es das bei den Polizeihubschraubern bisher gemacht hat.
Ich finde es momentan hart an der Grenze, dass wir über Jahre eine Lücke bei der Rettung über See haben.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach so? Und deswegen sind unzählige Menschen verstorben, oder? Ist das so?)
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ist das so? Können Sie nachweisen, dass irgendwann dadurch ein Mensch zu Schaden gekommen ist?)
Es gibt momentan eine Gesetzeslücke, auf die die Rettungsdienste hinweisen. Ich glaube, das sollten wir nicht einfach vom Tisch wischen,
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Machen Sie! Ja, machen Sie! Sie sind der Lückenspringer hier. – Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU)