Protokoll der Sitzung vom 18.09.2014

Dies könnte zum Beispiel in der Leitstelle für Gleichstellung im Sozialministerium geschehen. Auch in den Kommunen muss die Gleichstellung von gleichge

schlechtlichen Lebensweisen sowie die Beseitigung von Homophobie in eigener Verantwortung aufgegriffen werden. Kommunale Gleichstellungsbeauftragte, das wissen wir, die in der Kommunalpolitik auch unterwegs sind, betreuen dieses Thema häufig mit. Aber weiß das die Bevölkerung? In den Tätigkeitsprofilen geht dies leider meistens unter. Und unter den Bedingungen unserer neuen großen Kreise ist es vor allen Dingen für die Gleichstellungsbeauftragten in den Landkreisen eine kaum zu bewältigende Aufgabe.

Deshalb plädieren wir mit unserem Antrag dafür, in den kommunalen Körperschaften dafür zu werben, dass das Thema Homo-, Trans- und Intersexualität, Transgender und Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensweisen sowie Beseitigung von Homophobie als Angelegenheit auch der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung aufgegriffen und personell und sachlich entsprechend ausgestattet wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe im März 2011 eine Kleine Anfrage auf Drucksache 5/4149 gestellt, wie das Thema in der Landesregierung verankert ist. Die Antwort war ernüchternd. Irgendwie sind alle Ressorts, aber dann auch wieder keines so richtig zuständig. Wenn es um homophobe Gewalt geht, dann ist es vermutlich das Innenministerium, wenn es um Jugendliche geht, offensichtlich das Sozialministerium mit der Abteilung Jugend. Wenn es um AIDS-Prävention geht, was natürlich Thema für alle sein sollte, unabhängig von der sexuellen Orientierung, ist es die Gesundheitsabteilung und so weiter und so fort.

Aber an keiner Stelle sind Kompetenzen gebündelt, um die Belange der Lesben, Schwulen, Transgender, trans- und intersexuellen Menschen in Gänze zu erfassen und umfassend zu vertreten. Das war in der 5. Legislaturperiode so und das ist eben auch jetzt noch so.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, MecklenburgVorpommern versteht sich als weltoffenes Bundesland, in dem Vielfalt und Toleranz gelebte Werte sein sollen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Hesse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zuallererst: Die Belange von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen, und da stimme ich Herrn Ritter zu, sind eine Querschnittsaufgabe. Das gilt für die Gesellschaft insgesamt und das gilt für die Landesregierung. Und diese Landesregierung nimmt das Thema sehr ernst. Jedes Ressort kümmert sich innerhalb seines Aufgabenbereiches um dieses weite Themenfeld und es liegt selbstverständlich in der Natur meines Hauses, dass wir dem Gesamtkomplex Gleichstellung besondere Aufmerksamkeit widmen, schließlich berühren viele unserer Themen

auch den Alltag der Menschen mit gleichgeschlecht- lichen Lebensweisen. Politik rund um Kindheit, Jugend, Familie, Job, Gesundheit, Alter und Pflege betrifft nun mal uns alle.

Schon seit Beginn der 90er-Jahre fördert das Sozial- ministerium den Landesverband der Lesben und Schwulen, „Gaymeinsam“ e. V., und andere schwul-lesbische Vereine im Land mit rund 80.000 Euro pro Jahr. Und ja, mir ist auch klar, dass eine regelmäßige Finanzspritze noch keine Gleichstellungspolitik ausmacht. Das Sozialministerium und das Bildungsministerium engagieren sich deshalb seit 2012 gemeinsam mit der Polizei, Landkreisen, AOK, dem Verein LOBBI, den demokratischen Fraktionen und Parteien, dem Landesrat für Kriminalitäts- vorbeugung und vielen Vereinen der Trans- und Homosexuellenarbeit im Netzwerk gegen Homophobie. Dieses Netzwerk mit seinen zahlreichen Akteuren – auch hieran sehen Sie, es geht um eine Querschnittsaufgabe – schafft Akzeptanz und Aufklärung.

Mit landesweiter Öffentlichkeitsarbeit wollen wir die Augen und Köpfe der Menschen öffnen, denn wo kein Wissen ist, wachsen Vorurteile,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

wie eines der Kampagnenmotive besagt. Seit März dieses Jahres sitzen außerdem eine ressortübergreifende ministerielle Planungsgruppe und eine weitere mit Interessenvertretern besetzte Planungsgruppe daran, einen Landesaktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und gleichgeschlechtlicher Vielfalt in Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln.

Hinter diesem sperrigen Namen steckt vor allem ein Ziel: Der Kampf gegen Diskriminierung. Dafür brauchen wir zuerst detaillierte Informationen. Deshalb wird der Landesaktionsplan mit einer entsprechenden Studie starten. Zum Beispiel werden Fragen gestellt: Wie empfinden Sie Ihre Situation? Mit welchen Vorurteilen haben Sie zu kämpfen? Es wird außerdem darum gehen, die pädagogischen und sozialpädagogischen Fachkräfte zu schulen. Wie gehe ich um mit jemandem, der mit seinem Outing hadert, wie mit seiner Familie? Und auch der Landesaktionsplan wird sich an die Öffentlichkeit wenden, um sowohl gesellschaftliche Institutionen als auch die Gesellschaft selbst wacher und sensibler zu machen.

Wir alle sollten den Ergebnissen nicht vorgreifen. Sie können sich sicher sein: Mir ist dieses Thema auch ein persönliches Anliegen, für das ich auch gern Flagge zeige. Diese Belange als Querschnittsthema zu denken, heißt für mich, dass wir unsere Energie darauf verwenden müssen, die Köpfe der Menschen zu erreichen, denn genau da muss das Thema verankert werden und nicht in einer zusätzlichen Koordinierungsstelle. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau FriemannJennert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz gleich, welche positiven Intentionen diesem Antrag zugrunde liegen, er regt mich in gewisser Weise auf.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ach?! – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ja. Es wird von Ihnen, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, gefordert, etwas in die Gleichstellung einzubeziehen, was schon lange Bestandteil dieser ist, auch per Grundgesetz. Glauben Sie wirklich, meine Damen und Herren, dass das zuständige Ministerium der Gleichstellung nicht schon lange die von Ihnen benannte Personengruppe beachtet?

(Udo Pastörs, NPD: Zu wenig.)

Vielleicht haben Sie ja sogar noch ein paar von den Queers oder Queerinnen, wie sie sich nennen oder auch offiziell nennen dürfen, vergessen. Müssen wir nun für jede einzelne Minderheit oder jede einzelne sexuelle Orientierung personelle und strukturelle Voraussetzungen im Ministerium schaffen, damit Gleichstellung möglich ist? Vielleicht möchten die Damen und Herren der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als nächstes, und ich übertreibe das jetzt mal ein bisschen, die personellen Voraussetzungen für die Gleichstellung von Veganern fordern?

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Was soll das denn?! – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Vielleicht ist es Ihnen entgangen...

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist völlig unangemessen bei diesem Thema!)

Ich habe übertrieben, Herr Ritter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ihre Übertreibungen sind völlig unangemessen!)

Vielleicht ist es Ihnen entgangen, aber laut einer Pressemitteilung des Sozialministeriums vom 21.03. – und Frau Hesse hat es eben ja bereits gesagt – ist man dort dabei, einen Landesaktionsplan für bessere Gleichstellung und Akzeptanz

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, wo die CDU nicht mitarbeitet.)

sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu erarbeiten, der bis Ende 2015 fertiggestellt werden soll.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Darin heißt es aber auch, es sei eine Querschnittsaufgabe – das haben Sie selbst eben gesagt, Herr Ritter –, bei der alle Ressorts einbezogen werden sollen. Darüber hinaus ist mir nicht bekannt, dass damit auch an einer bestimmten Ressortanbindung gearbeitet wird. Ob das Sinn macht, wage ich auch zu bezweifeln. Vielleicht aber, und das schlage ich hiermit vor, kann das ein Thema der nächsten Gleichstellungsberichterstattung sein.

Es ist klar, meine Damen und Herren, dass Homophobie auch in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern noch eine große Rolle spielt, sonst würden sich die Leute hier auch nicht so echauffieren. Vielleicht hören Sie sich mal den Song „Der Tag wird kommen“ von Marcus Wiebusch an,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

dann weiß man, wo wir da tatsächlich stehen.

Ihre Forderung, liebe Fraktion DIE LINKE, ist nichts anderes als Sympathiebekundung, die schadet sicherlich niemandem, doch weiterbringen tut sie uns auch nicht. Außerdem müssen sich die kommunalen Körperschaften sowieso mit den Angelegenheiten dieser Personengruppe beschäftigen, denn die Lebenslagen der, ich mach das mal abgekürzt, LSBTTI-Menschen

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

dürften sich im Allgemeinen wohl nicht von den gesellschaftlich Üblichen unterscheiden. Bei den im Antrag aufgezählten Personengruppen handelt es sich vorwiegend um Menschen mit einer bestimmten sexuellen Orientierung und genau dieser Tatbestand ist ein weiterer Grund für meine einleitend genannte Aufregung.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Tatbestand?!)

Tatbestand ist vielleicht auch nicht so der richtige Ausdruck,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Genau, das ist nicht der richtige Ausdruck. – Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber gut, Sie wissen, was ich meine.

Ich finde in diesem Zusammenhang die Nennung von intersexuellen Menschen sehr bedenklich. Es handelt sich hier keineswegs allein um eine sexuelle Orientierung, Neigung oder seelische Entwicklung,

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

auch wenn diese manchmal ein belastender Folgeaspekt ist, sondern um eine biologische Andersstellung.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Menschen sind mit einem nicht eindeutig zugeordneten Geschlecht geboren worden und es handelt sich um dramatische Schicksale für die Betroffenen selbst und bei Neugeborenen insbesondere für die Eltern. Hier seien die zahlreichen Operationen an Säuglingen genannt, die zu fatalen Entwicklungen führen können.

(Zurufe von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Udo Pastörs, NPD)

Intersexuellen Menschen gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die ihnen ein möglichst normales Leben von Geburt an ermöglicht. Hier ist mit der nicht mehr zwingenden Eintragung des Geschlechts im Geburtenregister bereits ein wichtiger Schritt gemacht worden. Diese Gesetzesänderung hat jedoch auch viele noch ungeklärte Fragen aufgeworfen und diese gilt es in Zukunft zu klären. Doch diese Fragen werden sicherlich nicht durch eine Umstrukturierung des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und Soziales beantwortet werden können.