Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Jaeger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die NPD beschäftigt sich in ihrem Antrag mit dem Thema Kirchenasyl, und zwar ganz grundsätzlich mit dem Thema Kirchenasyl. Der hier dann geschilderte Fall ist ein Fall aus Wolgast, der in der Begründung eine Rolle spielt, aber der nicht im eigentlichen Antragstext in irgendeiner Form Erwähnung findet. Ich gehe auch nicht auf diesen konkreten Fall ein.

(Udo Pastörs, NPD: Das glaube ich. – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Das ist ja auch nicht Teil des Antrages.

(Thomas Krüger, SPD: Genau.)

Ich gehe auf das grundsätzliche Thema Kirchenasyl ein und die Art und Weise, wie die NPD mit dem Thema Flüchtlinge und Asylbewerber umgeht, konkret in unserem Land umgeht.

Dass Herr Andrejewski, ausgerechnet Herr Andrejewski, hier diese Rede halten wollte und offensichtlich ja auch geschrieben hat, ist so einer dieser – nein, Treppenwitz der Geschichte kann man dazu nicht sagen –, aber es ist genau der Richtige, der aus der NPD-Fraktion das machen musste. Herr Andrejewski war einer derjenigen, die 1992, als es zu den sehr, sehr schwierigen Zuständen in Rostock kam –

(Peter Ritter, DIE LINKE. Er war derjenige.)

und das war auch ein Versagen von Zivilgesellschaft und Staat in Rostock, was da passiert ist –,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

der zu denen gehörte, die diese schwierige Situation ausnutzten, die dort rumgegangen sind, Flugblätter verteilt haben in einer Auflage von 100.000 Stück,

(Thomas Krüger, SPD: Öl ins Feuer gegossen hat er. – Peter Ritter, DIE LINKE: Feuer gelegt hat.)

die da hießen „Widerstand gegen die Ausländerflut“ und „Rostock bleibt deutsch“. Das war Ihr Vorgehen dort ganz konkret.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Und Sie haben mindestens, mindestens billigend in Kauf genommen, dass dort die Unterkunft mit Brandsätzen angegriffen wurde, dass dort um ein Haar auch Menschen ums Leben gekommen wären.

(Stefan Köster, NPD: Verantwortlich sind Ihre Parteien dafür. Die haben wie immer versagt.)

Da wussten Sie ganz genau, was Sie taten, und Sie wussten auch, was Sie wollten in dieser Sache. Und dass Sie einen solchen Antrag stellen, gerade nachdem vor vier Tagen in Groß Lüsewitz eine Asylbewerberunterkunft angegriffen wurde mit zwei Molotowcocktails und es auch dort in Kauf genommen wurde, dass Menschen sterben, zeigt Ihre Art.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Sie hätten es mindestens zurückziehen können, nachdem, was da passiert ist.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Sie sich hier auf das Thema Rechtsstaat berufen, nachdem gerade vorher Tino Müller die Rede für die NPD zum Thema Stalking gehalten und ganz klar gesagt hat, die Bundesrepublik Deutschland ist für ihn kein Rechtsstaat – das war eine eindeutige Aussage. Da muss man doch nicht ein paar Anträge später kommen und sich hier als Kämpfer für den Rechtsstaat geben. Das ist wirklich ein Witz und das können Sie überhaupt nicht ernst meinen.

(Zurufe von Stefan Köster, NPD, und David Petereit, NPD)

Das tut überhaupt nicht weh. Hoffentlich tut es bei Ihnen weh.

Aber jetzt gehen wir zum Thema Asyl und zum Kirchenasyl. Interessant, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, ist, dass das Wort „Asyl“ tatsächlich vom „Kirchenasyl“ praktisch abgeleitet ist, und zwar natürlich nicht von Kirchen im christlichen Sinne, sondern Tempeln, die es im alten Israel gab

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

und auch bei den Germanen, wo klar war, wer dorthin geht, ist sozusagen Eigentum der Gottheit, und folgerichtig darf er dort nicht weggenommen werden. Das hat man als „Asyl“ bezeichnet, da kommt das Wort „Asyl“ her.

(David Petereit, NPD: Und das heißt jetzt was?)

Wenn wir im Grundgesetz das Asylrecht so stark verankert haben, dann deswegen, weil wir aus der Geschichte des Zweiten Weltkrieges, der Verfolgung von vielen Menschen in Deutschland gelernt haben, die auf das Asyl in anderen Ländern dieser Erde angewiesen waren und denen dieses Asyl das Leben gerettet hat. Genau deswegen hat das Asylrecht für alle demokratischen

Fraktionen einen so hohen Stellenwert innerhalb unserer Verfassung.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von David Petereit, NPD)

Und selbstverständlich ist es so, dass die demokratischen Fraktionen unterschiedliche Meinungen haben zum Thema: Wie stark muss das Asylrecht in welche Richtung entwickelt werden? Da streiten wir ja heftig in diesem Haus. Das ist völlig klar. Aber uns eint grundsätzlich, dass wir anerkennen, dass das Asylrecht ein ganz wesentliches Recht innerhalb des Grundgesetzes ist und dass wir dieses erhalten wollen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Das Kirchenasyl versteht sich – und das ist eine ganz klare Aussage aller wichtigen Leute innerhalb der EKD, aber auch der Katholischen Kirche – nicht als ein rechtsfreier Raum, der außerhalb unseres Grundgesetzes steht, sondern als Hilfe dem Grundgesetz gegenüber, unserem Rechtsstaat gegenüber.

(Heiterkeit bei Stefan Köster, NPD: Natürlich!)

Und das ist genau der entscheidende Unterschied,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

das ist genau der entscheidende Unterschied der Herangehensweise zur NPD.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Die Kirchen erkennen grundsätzlich das Recht auf Asyl an, sehen, dass jede Regelung, die wir treffen – egal, ob wir GRÜNEN, die SPD, die CDU oder die LINKEN sie machen würden –, immer in den Randbereichen Ungerechtigkeiten schaffen würde.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und die Kirchen setzen dort ein Zeichen. Dieses Zeichen wird von uns anerkannt und gesehen. Das bedeutet, dieses Zeichen soll dazu dienen, dass die Intention des Rechtsstaates zum Tragen kommt, nämlich Menschlichkeit.

Ihr Anliegen ist es, dass Sie grundsätzlich die Rechtfertigung unseres Rechtsstaates bestreiten, dass Sie hier immer wieder darauf hinweisen, um zu erreichen, dass Sie so die kleinen Unmenschlichkeiten, die Sie daraus ableiten können, hier voll zum Entfalten bringen wollen. Das ist doch Ihr Ansatz, den Sie haben. Sie trampeln damit auf den Allerschwächsten in dieser Gesellschaft noch mit rum und versuchen sozusagen, über eine Form von Neiddebatte in der Bevölkerung dadurch irgendwelche Stimmenmehrheiten zu bekommen. Das ist schäbig. Das will ich Ihnen ganz deutlich sagen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Krüger, SPD: Genau das. – Stefan Köster, NPD: Sie billigen Rechtsbruch.)

Ich will auch nicht verhehlen, dass es natürlich Diskussionen gibt innerhalb unseres Rechtsstaates zum Thema Kirchenasyl, wo es unter Umständen Missbrauch geben könnte, und auch innerhalb der Kirchen gibt es dazu harte Diskussionen untereinander. Aber der Grundsatz bleibt: Wir stehen zum Thema Kirchenasyl!

Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, hat in einem Interview, wo er sich auch kritisch zum Kirchasyl äußert, den Satz gesagt: „Wir stellen das Kirchenasyl an sich überhaupt nicht infrage.“ Das ist ein Satz des Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Dann geht er natürlich ein auf die Probleme, die es gibt, gerade mit dem Thema Dublin. Da geht es um das Thema „sichere Herkunftsstaaten“, wo Menschen, die über ein Drittland zu uns gekommen sind, ihren Asylantrag nicht bei uns stellen dürfen, sondern ihn in einem anderen Land stellen dürfen – müssen, nicht dürfen. Müssen! Wenn sie aber sechs Monate in Deutschland offiziell gemeldet waren und dort eine ladefähige Adresse vorweisen können, dann ist es möglich, den Asylantrag auch in Deutschland zu stellen und zu bescheiden. Das ist ein wesentlicher Hintergrund für einen Großteil der Fälle im Kirchenasyl, die eben sagen, diese sechs Monate halten diese Menschen im Kirchenasyl durch –

(Stefan Köster, NPD: Damit sie hinterher das Recht beugen können.)

übrigens nicht auf Kosten irgendeines Steuerzahlers, weil Kosten für das Kirchenasyl tragen die Kirchgemeinden vollständig selber. Und das ist wichtig.

(Stefan Köster, NPD: Wo kriegen die denn ihr Geld her? – Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Von Spenden.)

Das sind Menschen in den Kirchgemeinden, die sich engagieren, die Geld zusammentragen, und das wird von den Kirchgemeinden bezahlt.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Die kriegen keinerlei staatliche Unterstützung im Kirchenasyl. Das ist wichtig.