In Vorbereitung auf die heutige Rede habe ich einen Aufsatz von Patrick Wildermann gelesen und der schrieb unter dem markanten Titel „Brennen ohne Kohle“ zur Situation der Theaterlandschaft in Deutschland Folgendes, ich darf das zitieren: „Wer am Wochenende in die Oper geht und sich ,Carmen‘ anschaut, denkt wahrscheinlich, die Sängerin lässt sich nach der Vorstellung in den Fond ihres Mercedes fallen und fliegt auf ihre Finca nach Mallorca. … In den meisten Fällen steigt sie aber aufs Fahrrad und fährt in ihre Zweiraumwohnung.“
Am Volkstheater gab es nach meinen Informationen 2012 allein 104 nicht ständig Beschäftigte und wie hoch deren Gehälter sind, das war ebenfalls in der „OstseeZeitung“ nachzulesen: 2.400 Euro für die Opernsolistin, 2.100 Euro für die Tänzerin, 1.800 Euro für die Maskenbildnerin. Den Genannten hilft leider auch der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen nicht. Ich habe sie dennoch erwähnt, weil ich noch einmal deutlich machen wollte, wie schwierig es heute ohnehin schon ist, überhaupt eine längerfristige, meint, feste Anstellung an einem Theater zu finden. Und über die Konsequenzen für die persönliche Lebensplanung muss ich, denke ich, hier nicht im Detail ausführen, die kann sich jeder selbst ausmalen. Nicht nur deshalb ist es aus meiner Sicht doch wohl das Mindeste, was man in einem ohnehin schmerz
lichen Prozess verlangen kann, dass die handelnden Institutionen und Personen sich im Falle struktureller Anpassungen darauf verständigen, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten.
Der Minister hat auf das Mecklenburgische Staatstheater hingewiesen. Hier ist dies nach einem sehr schwierigen Diskussions- und Verhandlungsprozess gelungen. Bis 2020 werden 30 Stellen sozial verträglich abgebaut, was übersetzt heißt, dass die betreffenden Kolleginnen und Kollegen in der Mehrzahl in Rente oder in den Vorruhestand gehen und die frei werdenden Stellen nicht wieder besetzt werden. Ich will ganz ausdrücklich sagen, was das künftig für die künstlerische Leistungsfähigkeit unseres Hauses heißt, das können wir aus der heutigen Sicht auch noch nicht einschätzen. Dennoch federt natürlich der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen die sozialen Folgen ein gutes Stück ab.
Ich erwarte vom Kultusminister, dass er seiner sozialen Verantwortung für die Kolleginnen und Kollegen hier gerecht wird. Herr Brodkorb, Ihr unsägliches Teile-undherrsche-Spielchen sollten Sie beenden und von nun an mit den Theatermachern im Land, auch und gerade in Ihrer Heimatstadt, gemeinsam an einer vernünftigen und, wie ich finde, sozial verträglichen Lösung arbeiten.
In der Begründung unseres Antrages wird auch auf Fragen der Glaubwürdigkeit der Landesregierung abgestellt. In der Tat kann man ins Zweifeln kommen, wenn einerseits immer vom sozialen Zusammenhalt und der Schaffung neuer Arbeitsplätze, guter Arbeitsplätze fabuliert wird und andererseits bestehende Arbeitsplätze, in diesem Fall an den Theatern, geschliffen werden. Und das passt leider auch ein Stück weit ins Bild, weil gute Arbeit ist der Landesregierung angeblich immer sehr wichtig, offenbar nur nicht bei den Theatern und Orchestern und auch nur bedingt im eigenen Haus. Ich darf hier in dem Zusammenhang mal an die Verdopplung der befristeten Arbeitsverträge in den Landesministerien seit 2008 oder an die Arbeit der zahlreichen Praktikantinnen und Praktikanten zum Nulltarif in den Ministerien und Landesbehörden erinnern.
Zum Abschluss nur noch einmal so viel: Jede arbeitslos werdende Künstlerin und jeder Künstler an den Theatern unseres Landes, das ist nicht nur eine Nummer, nicht nur ein Zugang für die Arbeitslosenversicherung mehr, soweit sie oder er überhaupt die Anwartschaften für den Bezug von Arbeitslosengeld erfüllen, sondern in der Regel auch ein verlorener Einwohner und ein kreativer Kopf weniger fürs Land, der sich oft über sein Engagement am Theater hinaus auch noch ehrenamtlich für die Gesellschaft engagiert, wenn sie oder er auf der Suche nach Arbeit das Land verlassen muss.
Wenn also der Abbau von Stellen schon unvermeidlich erscheint, dann sollten Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, mit Ihrer Zustimmung zu diesem Antrag heute zumindest eines deutlich machen: dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Foerster, Sie hatten wohl nicht ganz dem Minister zugehört. Er hat von tariflichen Bezahlungen gesprochen, zukünftigen, und Sie haben von Absenkung der Löhne und ähnlichen Dingen geredet. Also wir haben das nicht vor abzusenken, sondern den Tarif zu zahlen.
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Da haben Sie nicht richtig zugehört. – Heinz Müller, SPD: Ich glaube, das hast du schon richtig gehört. Da hat irgendjemand getrickst. – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)
Also die wesentlichen Punkte hat der Kultusminister Herr Brodkorb bereits ausgeführt. Ich möchte sie nicht alle wiederholen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Land ist für Ihr Anliegen der falsche Adressat. Nur die Träger der Theater und Orchester haben die Möglichkeit, die strukturellen, finanziellen und vor allem personellen Entscheidungen zu treffen, damit es im Land eine zukunftsfähige und finanzierbare Theater- und Orchesterlandschaft geben wird. Nur die Landkreise und die Städte vor Ort können entscheiden, ob es zu betriebsbedingten Kündigungen kommt oder nicht. Allein aus diesem Grund kann man diesen Antrag schon ablehnen. Der Minister hat es ausgeführt, wie es Schwerin gemacht hat. Warum sollen es nicht die anderen Träger der Orchester im Osten und in Rostock ebenso tun?
Ich möchte aber hier noch einmal auf ein Papier von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingehen, das in den letzten Tagen verschickt wurde. Ich begrüße zunächst, dass die GRÜNEN mittlerweile die Notwendigkeit der Konsolidierung im östlichen Landesteil einsehen. In ihrem in Teilen interessanten Konzept betrachten sie die fünf Standorte Putbus, Stralsund, Greifswald, Neubrandenburg und Neustrelitz. Ein paar Korrekturen seien mir aber erlaubt. Wenn Sie die Mehrbelastung für das Land und die Träger durch Ihre 2-Prozent-Steigerung für das Theater Vorpommern und die TOG zusammenrechnen, dann kommen für den Zeitraum 2016 bis 2020 eben nicht 7,85 Mil- lionen Euro zusammen, sondern 7,917 Millionen. Statt der von Ihnen ausgerechneten Mehrbelastung für Land und Träger für das Jahr 2020 betragen diese nicht 2,68, sondern 2,675. Okay, 50.000 sind aber auch Geld.
Alles wäre vielleicht wenig problematisch, wenn Sie nicht hier die einmaligen Ausgaben über Abfindungen der dauerhaften Mehrbelastung für die Träger und das Land
gegenüberstellen. Sie verschweigen hier absichtlich, dass die jährlich zusätzlichen 2,675 Millionen Euro für Träger und Kommunen natürlich auch nach 2020 aufzubringen sind. Das wird alleine ohne weitere Steigerung bis 2030 Mehrausgaben von 26,75 Millionen betragen.
(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ab 2020 steigt doch das Land nach Aussagen von Herrn Brodkorb ohnehin in die Dynamisierung ein. – Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Doch, das sollte stimmen. Aber trotzdem ist es eine sehr hohe Summe, selbst wenn das Land einsteigt, sind es dann 20 Millionen.
(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und dann haben Sie erklärt, Sie wollen dynamisieren, und dann kommen Sie auf die gleichen Kosten.)
Auch ich hätte mir wie von Herrn Koplin gewünscht, dass Sie ebenfalls Alternativen für den westlichen Landesteil in die Diskussion eingebracht hätten.
Die SPD-Landtagsfraktion wird diesen Antrag ablehnen, da allein die Träger entscheiden können, ob es betriebsbedingte Kündigungen bei den Theatern und Orchestern gibt, und das Land sich nicht in das kommunale Selbstverwaltungsrecht einmischen wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist hier schon mehrfach von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern angesprochen worden, die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat gemeinsam mit den Vertretungen in den Kommunalparlamenten, sprich in den Bürgerschaften und in den Kreistagen im östlichen Landesteil, ein alternatives Theaterkonzept vorgelegt. Ich möchte darauf an dieser Stelle nicht allzu sehr eingehen, weil uns dieses Theaterkonzept in der nächsten Landtagssitzung dezidiert beschäftigen wird.
Ich möchte insofern nur vorgreifen, dass ich sage, dass der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen auch in unserem Theatermodell eine der tragenden Säulen ist. Und es ist zwar eine absolut richtige Forderung, die Sie hier stellen, wie gesagt auch eine Prämisse in unserem Theatermodell, aber Sie müssen die Folge bedenken,
wenn Sie wie in Ihrem Antrag diese Forderung alleine stehen lassen, denn was bleibt, ist, dass die Kommunen die Lasten alleine tragen müssten. Das wäre aus unserer Sicht zum einen ein Widerspruch gegenüber dem Konnexitätsprinzip. Wenn das Land sagt, wir wollen keine betriebsbedingten Kündigungen, muss es auch die Kosten dafür zumindest anteilig übernehmen, denn die entscheidende Ursache für die Finanzprobleme der Theater und Orchester liegt in der nicht erfolgten Anpassung sowohl der kommunalen Mittel, aber eben auch der Landesmittel. Diese wurden nicht angepasst an die Preissteigerung, die sie haben im Energiebereich, die sie haben, was den Inflationsausgleich anbelangt, und die Tarifsteigerungen, die eigentlich die Theatermitarbeiter verdient hätten.
Solange den Theatern die Tarif- und Betriebskostensteigerungen nicht erstattet werden durch die Träger beziehungsweise durch das Land, wird es immer die Gefahr des Stellenabbaus geben. Deshalb glauben wir, dass unser Änderungsantrag, was die Forderung der Dynamisierung ausmacht beziehungsweise eine Gegenfinanzierung eröffnet für diese Forderung nach keinen betriebsbedingten Kündigungen, dieser Änderungsantrag macht zum einen, das haben Sie selbst gesagt, Herr Koplin, Ihren Antrag rund.
Und wir haben noch eine zweite Änderung vorgeschlagen. Man könnte denken, es ist nur ein kleines i-Tüpfelchen – wir tauschen zwei Wörter aus, einmal den bestimmten Artikel „der“ gegen die Präposition „von“ –, aber tatsächlich ist dieses kleine Wörtchen mit drei Buchstaben sehr relevant. Statt der Formulierung „im Zuge der Umstrukturierungsmaßnahmen“ schlagen wir vor, „im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen“. Ich vermute, es ist Ihnen unabsichtlich untergerutscht, aber man könnte doch meinen, dass dadurch dem geneigten Leser des Antrages impliziert würde, dass die Umstrukturierungsmaßnahmen, wie der Bildungsminister sie vorschlägt – und das war ja zu dem Zeitpunkt, als wir den Antrag stellten, das einzige Modell, das derzeit diskutiert wurde –, so alternativlos seien. Das ist es tatsächlich nicht, denn ansonsten, ich zitiere mit Ihren eigenen Worten, ansonsten müsste ich annehmen, dass Sie – und jetzt kommt das Zitat – „auf diesem Weg … indirekt den Kulturkannibalismus aus dem Hause Brodkorb (stützen), statt ihn klar abzulehnen“.
Ich vermute, diese Formulierung kommt Ihnen bekannt vor. Das war Ihre Bemerkung zu unserem Theatermodell, was natürlich völlig absurd ist, dass wir dem Kulturkannibalismus der Landesregierung folgen, sonst hätten wir natürlich kein eigenes Modell auf den Weg gebracht, das sich explizit für den Erhalt der jetzigen Theaterstruktur an den Standorten im östlichen Landesteil mit den vier Sparten ausspricht. Wir haben deshalb ein eigenes Theatermodell für den öffentlichen Landesteil auf den Weg gebracht, denn der zweite Teil des METRUM-Gutachtens beschäftigt sich genau mit den Umstrukturierungsmaßnahmen aus Sicht der Landesregierung.
Das METRUM-Gutachten für den östlichen Landesteil hat 80 Seiten, davon sind 10 Seiten fehlerhaft. Zum einen stimmen Prozentrechnungen nicht, Veranstaltungszah- len in dem Musterspielplan sind falsch. An anderer Stelle addiert die METRUM Management GmbH Personalkosten falsch und veranschlagt für die Musicalbesetzung 200.000 Euro mehr, als eigentlich vorgesehen sein müsste.
Aber der gravierendste Fehler – und das sollte Sie, meine Damen und Herren von der CDU, hellhörig machen – der gravierendste Fehler,
der gravierendste Fehler ist der METRUM Management GmbH bei der Prüfung des Modells 4, also der Orchesterfusion, unterlaufen. METRUM vergaß, hier die Stellenreduzierung bei den Musikern mit einzuberechnen. Sie selbst haben vorgeschlagen, die Musiker um 28 Stellen zu reduzieren, haben diese 28 Stellen aber nicht in den Folgerechnungen berücksichtigt, sodass es zu einer Fehlkalkulation kam. Die METRUM Management GmbH bescheinigt dem Modell 4 lediglich ein Einsparpotenzial von 1,5 Millionen, tatsächlich liegt das Einsparpotenzial bei 3,6 Millionen.
Bei uns entsteht dadurch der Eindruck, dass hier absichtlich alternative Modelle schlechtgerechnet wurden. Die gesamte Prüfung des Modells 4 ist somit hinfällig und es sind offensichtliche Fehler an dieser Stelle passiert. Was METRUM bisher vorgelegt hat, ist als Entscheidungsgrundlage völlig unbrauchbar.
Ich möchte letztlich noch auf das eingehen, was der Minister hier gerade gesagt hat. Er sprach davon, dass es eine erfolgreiche Fusion in unserem Nachbarland Schleswig-Holstein gab. Tatsächlich ist es so, das Landestheater Schleswig-Holstein bespielt drei Orte: Rendsburg, Flensburg und Schleswig. Die Entfernung zwischen diesen drei Orten beträgt in Wahrheit nur die Hälfte der Kilometer oder der Entfernung, wie es der Minister Brodkorb und die METRUM Management GmbH für den östlichen Landesteil vorschlagen. Die Entfernung zwischen Neustrelitz, Neubrandenburg, Greifswald, Stralsund und Putbus ist nämlich doppelt so lang wie die in unserem Nachbarland.
Und noch ein zweiter Hinweis. Wenn wir uns die Mitarbeiterzahlen des Landestheaters Schleswig-Holstein anschauen, so ist dieser Mitarbeiterteil genauso groß, wie es die Fusion oder die Umstrukturierungsmaßnahmen für den östlichen Landesteil vorsehen. Wir hätten dann also im östlichen Landesteil ähnlich viele Mitarbeiter wie im Landestheater Schleswig-Holstein. Jedoch, und das ist wichtig, leistet das Landestheater Schleswig-Holstein mit der gleichen Mitarbeiterzahl nur halb so viele Veranstaltungen, wie es die Spielpläne am Theater Vorpommern und der Theater- und Orchestergesellschaft zurzeit vorsehen.