Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

Frau Friemann-Jennert, Sie haben ja jetzt darauf hingewiesen, dass die Petitionen des Landesfrauenrates und anderer Vereine an die Sozialministerin beziehungsweise auch an die Landtagspräsidentin übergeben werden. Ich frage Sie – dann werden wir die ja auch in den Petitionsausschuss bekommen –: Sind Sie bereit, dafür zu stimmen, dass die Petenten in die Petitionsausschusssitzung mit eingeladen werden, wenn wir die behandeln?

(Zuruf vonseiten der Fraktion der CDU: Das kann sie doch jetzt noch nicht beantworten.)

Ja, das ist eine Sache, die natürlich im Petitionsausschuss zu klären ist,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ja.)

und das werden wir auch an der Stelle tun.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja oder nein? Das ist eine ganz einfache Frage.)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung befasst sich bereits mit der Optimierung des Hilfe- und Schutz- systems für die Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt und sie wird auch die Forderungen der Online- petition ernst nehmen. Hierfür allerdings bedarf es keines Antrages der LINKEN. Die Koalitionsfraktionen werden den Antrag deshalb ablehnen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall Wolf-Dieter Ringguth, CDU – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also wenn ich mich jetzt richtig erinnere, thematisieren wir Opferschutz. Ich glaube, im September hatten wir es, im Oktober, auch jetzt, und Frau Friemann-Jennert, dann zu sagen, es ist geregelt und abgesichert – mitnichten!

Ich möchte auf ein paar Punkte zu sprechen kommen. Das eine ist die Richtlinie für die Finanzierung der Frauenhäuser. Nach Auskunft der Ministerin wird sie ja endlich am 01.01.2015 in Kraft treten und ich denke, das wird im Zuge der Petition auch noch mal thematisiert werden: Wie ist die Richtlinie ausgestattet? Wie ist eine Dynamisierung vorgesehen und wie wird perspektivisch der Opferschutz umgesetzt?

Eine zweite Sache, die wir natürlich begrüßen, ist die Aufnahme in den Landesaktionsplan. Die Frage ist aber perspektivisch: Was machen wir bis zum nächsten Jahr? Wo können Männer differenzierte Beratung, Unterstützung und auch Unterkunft finden? Das wird sicher nicht so häufig sein wie bei Frauen. Man geht nach wie vor davon aus, da streiten sich die Statistiker, ob es jetzt jede dritte oder jede vierte Frau ist, die im Leben von häuslicher Gewalt betroffen ist. Nichtsdestotrotz ist allgemein bekannt, dass 97 Prozent der Opfer von häuslicher Gewalt weiblichen Geschlechts sind.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Da bin ich mir gar nicht so sicher.)

Also von daher würde mich das interessieren, und auch noch mal eine Spezifizierung, wo die Traumaambulanzen sind, inwiefern es eine regionale …, also wie man da hinkommt. Ich denke, das müsste dann noch mal spezifiziert werden: Ab wann stehen sie jemandem zu und gibt es eben gerade für Frauen und Männer in den ländlichen Räumen die Zugänge? Denn das ist es ja, wenn wir uns die Frauenhäuser angucken, dass es dann doch, glaube ich, Nachholbedarf gibt.

Jetzt komme ich noch mal auf Frau Friemann-Jennert zurück.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der CDU: Oh!)

Frau Friemann-Jennert, Barrierefreiheit, da ist die Pflicht für uns, sie bis 2022 umzusetzen. Und natürlich, Sie waren ja wahrscheinlich auch schon in Frauenhäusern und wissen, dass die Zugänge, ich glaube, wirklich bei über 90 Prozent eben nicht barrierefrei sind.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Natürlich muss man gucken, wo macht man das. Und man darf, glaube ich, nicht mit dem Vorschlaghammer kommen und sagen, also wenn ihr das bis dann und dann nicht umgesetzt habt, dann funktioniert das nicht.

Aber das Frauenhaus ist der eine Punkt, der zweite sind die Beratungsdienste. Ich finde, eine Barrierefreiheit ist immer nicht nur im baulichen Sinne zu verstehen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

sondern das, was wir hier perspektivisch auf den Weg bringen müssen, ist doch, die Barrierefreiheit zu maximieren, damit Opfer schnell Hilfe und Unterstützung bekommen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Und Sie erinnern sich, beim letzten Mal, als Sie als CDU- und SPD-Fraktion den Antrag zum Stalking eingebracht haben, das Strafgesetzbuch zu verändern, habe ich gesagt, das ist ein Weg, aber es ist nicht der Weg, sondern man muss es parallel laufen lassen mit einer Beratungsstruktur, die andockt an die Bedürfnisse und die Bedarfe derjenigen, die von Stalking betroffen sind. Da haben wir definitiv extremen Nachholbedarf.

Ein weiterer Punkt ist die Kinderbetreuung und die Kinderberatung. Ich selbst habe ja von 1990 bis 1992 das autonome Frauenhaus in Schwerin aufgebaut, habe damals meine Fachschularbeit dazu geschrieben und weiß, wie brisant es ist, wenn Kinder in die Frauenhäuser kommen. Es muss unser aller Ziel sein, die Kette der Gewalt zu durchschlagen …

(allgemeine Unruhe)

Ich finde schon, dass ich doch gerne die Aufmerksamkeit hätte, weil das die Punkte sind, wenn wir mittel- und langfristig häusliche Gewalt …

(Torsten Renz, CDU: Meistens liegt es am Redner.)

Nein, ich glaube, manchmal am Thema und dass es viele leider nicht so interessiert. Deshalb ist es eben wichtig, dass wir diesen Antrag heute hier noch mal debattieren.

Es geht um die Kinder in den Frauenhäusern und da fordere ich Sie als SPD und CDU auf – die Petition wird es thematisieren und ich denke, wir werden das Thema hier noch häufiger im Landtag haben –, lassen Sie uns im Sozialausschuss an dieses Thema wirklich perspektivisch herangehen. Und wenn ich höre, dass die Haushalte, nämlich die kommunalen Haushalte, sich da zurückhalten – ja, warum denn? Weil wir eine Haushaltskonsolidierung haben!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Natürlich. Und da kommst du mit einer neuen Stelle. Wie lächerlich ist das denn?)

Wenn wir das in der Jugendbetreuung als freiwillige Leistung haben, dann können wir – gerade bei der Haushaltslage, wenn ich jetzt hier an Schwerin denke – dem, wie heißt das, PwC-Berater, dem kann ich doch nicht plausibel erklären, wie wichtig es ist, dass Kinderbetreuung zum Regelangebot eines Frauenhauses gehört.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig. – Peter Ritter, DIE LINKE: Ja.)

Und ich hoffe und ich ermutige Sie,

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

das hier nicht nur zu sagen, sondern zu handeln, weil das die Leute draußen brauchen.

Einen nächsten Punkt: Sie sind ja jetzt mit dem Grundgesetz gekommen und dass das nicht so mit der Bundesfinanzierung einhergeht. Frau Friemann-Jennert, die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hat im März 2013 einen Antrag gestellt und hat gerade auch dort noch mal den Bundestag aufgefordert, den Rechtsanspruch wenigstens zu prüfen. Ich muss mich doch nicht mit dem zufriedengeben, was ich schon immer hatte.

Es ist nach wie vor so, dass die Versorgung gerade bei Opfern häuslicher und sexualisierter Gewalt in den Ländern sehr unterschiedlich ist. Und wir haben dadurch, dass wir bis vor ein paar Jahren eine Gleichstellungsbeauftragte hatten – nämlich an der Staatskanzlei, das war Chefsache –, Standards erarbeitet, die wirklich gut sind. Die sind aber in den letzten Jahren ein bisschen vernachlässigt worden und ich denke, da wird Frau Hesse auch noch ein bisschen Nachholbedarf haben.

(Egbert Liskow, CDU: Oh!)

Aber es geht doch darum, hier einen Rechtsanspruch zu haben fernab vom Einzelanspruch. Nicht, dass wir nachher Gesetze haben nach irgendeinem Gesetzbuch, wo dann die Frau wieder, oder der Mann, mit den Erfahrungen der Gewalt allein ist, weil dies als Einzelanspruch gilt und als ihr privates Problem. Häusliche Gewalt ist nach wie vor strukturelle Gewalt und sie ist gesellschaftlich verankert. Solange wir in diesen Abhängigkeitsverhältnissen, Gewaltverhältnissen leben, gibt es leider diese häusliche Gewalt. Und ich denke …

(Martina Tegtmeier, SPD: Die gab es immer schon.)

Die gab es immer schon, das stimmt. Aber wir, gerade zu DDR-Zeiten,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Die Hoffnung, dass das irgendwann ganz und gar weg ist, habe ich auch nicht. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

ich erinnere mich noch daran, 1990, Frau Tegtmeier, ich war erschüttert, als das Frauenhaus damals geöffnet hat, und ich wusste nicht …

(Manfred Dachner, SPD: Das ist ja wohl ein Witz!)

Das ist kein Witz, Herr Dachner. Das ist Realität.

(Torsten Renz, CDU: Was wollen Sie denn jetzt sagen?)

Darf ich noch zu Ende sprechen?

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Weil es eben hieß, häusliche Gewalt gab es immer: Das darf uns aber nicht ausruhen lassen auf den Sachen, die wir die letzten zehn, zwanzig Jahre gemacht haben.

(Manfred Dachner, SPD: Das ist richtig.)