Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

und sagen, wir wollen zu 100 Prozent die Teilzeit abschaffen?

Ist es nicht vielleicht so, die Ministerin hat es dargestellt, Sie möglicherweise haben es auch angerissen, dass zum Beispiel bei Familiengründung, wenn Sie zwei, drei Kinder haben, die sich vielleicht im Alter von vier, fünf oder sechs Jahren oder wie auch immer bewegen oder in die Schule kommen, dass vielleicht sogar Familien einfach sagen, nein, wir möchten gar nicht Vollzeit arbeiten? Haben Sie sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt? Ist es nicht vielleicht sogar sinnvoll, neben der Tatsache, dass es eine eigene Entscheidung der Familie ist, insbesondere der Mütter oder aber auch der Väter, dass sie sagen, nein, wir wollen gar nicht Vollzeit arbeiten?

(Henning Foerster, DIE LINKE: Viele haben gar keine Alternative. Da hätten Sie mal zuhören sollen bei der Einbringung.)

Also insofern müssten wir doch diese Tatsache viel mehr untersuchen, ob sich daraus ableiten lässt, dass wir Teilzeitarbeit insgesamt abschaffen wollen, und dass die Menschen Schlange stehen und sagen, wir wollen alle sofort in Vollzeit.

Und wenn wir uns dann die Werte mal anschauen – und zwar habe ich mir herausgesucht die Werte aus der Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln –, wie sieht es in der Realität aus: Wir nehmen als Erstes, das möchte ich Ihnen gerne darstellen, die geringfügig Beschäftigten. Die geringfügig Beschäftigten werden befragt: Wie groß ist ihr Drang, wollen sie Vollzeit arbeiten? Es stellt sich heraus, 15 Prozent der geringfügig Beschäftigten möchten Vollzeit arbeiten.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, da gibt es aber auch noch so Steuerfragen, ne?!)

Das ist also ein Wert, der nicht so überzeugend ist, dieses Instrument am Arbeitsmarkt, Teilzeit, abzuschaffen.

Wie sieht es aus mit den Teilzeitbeschäftigten, die wir konkret ansprechen? Da beträgt der Wert 24 Prozent, also auch ein Wert, der weit von 50 Prozent oder mehr entfernt ist. Und inwieweit man da diesen Handlungsdruck erkennen kann,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht doch um Lebensphasen, Herr Renz.)

den Sie erkennen, das bleibt mir eher ein Geheimnis.

Manchmal ist es ja so, dass die Quellen einem nicht so angenehm sind. Möglicherweise ist es in diesem Fall so, wenn Sie die Quelle (Institut der deutschen Wirtschaft Köln) anzweifeln. Deshalb habe ich auch noch mal nachgeschaut, was das Statistische Bundesamt dazu sagt. Da haben wir eine ganz erstaunliche Entwicklung und die möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.

Im Jahre 2011, das sind die aktuellen Zahlen, die ich jetzt habe, haben 16 Prozent der Personen, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, gesagt, das ist für uns eine Notlösung. Man spricht von sogenannten „unfreiwilligen Teilzeitbeschäftigten“. Also von den Teilzeitbeschäftigten, die unfreiwillig diesem Arbeitszeitvolumen nachkommen, sagen 16 Prozent, das ist für uns eine Notlösung.

Und wissen Sie, was das Interessante ist, meine sehr geehrten Damen und Herren? Gegenüber den Vorjahren ist der Anteil unfreiwilliger Teilzeitbeschäftigung aus dem Jahre 2010 von 21 Prozent auf 16 Prozent zurückgegangen. Das können Sie jetzt werten, wie Sie wollen. Ich werte das auf alle Fälle so, dass wir hier nicht den Untergang des Abendlandes haben und dass wir diesen Antrag der LINKEN jetzt brauchen, die ein Thema hier möglicherweise über Gebühr strapazieren wollen und heraufbeschwören wollen. Ich glaube, es ist nicht so dramatisch, wie Sie es darstellen. Es sind Punkte, die angegangen werden müssen, das habe ich gesagt. Die sind klar definiert im Koalitionsvertrag. Diese Punkte werden wir angehen, auch das ist klar. Und insofern sehen wir bei diesen gesamten Punkten keinen Handlungsbedarf.

Wenn Sie in einem Nebensatz, das ist das Letzte, was ich Ihnen inhaltlich noch mit auf dem Weg geben möchte, wenn Sie sozusagen in einem Nebensatz hier erwähnen in Ihrem Antrag – der geht ja beim Lesen fast unter, Sie

können froh sein, dass Sie Vertreter der CDULandtagsfraktion haben, die Ihnen das nicht durchgehen lassen –, wenn Sie in einem Nebensatz hier dann mal so formulieren, das Land möchte auch untersuchen, ob wir, ich zitiere, damit es auch nicht verkehrt wird: „Mit Blick auf die Unternehmensstrukturen im Land ist zudem die Beschäftigung der Möglichkeiten auf Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern nach Absatz 7 problematisch“, also wenn Sie das herausgreifen, die Unternehmensstruktur, und die detailliert und strukturiert hier auch noch angehen wollen, dann frage ich mich: Nehmen Sie überhaupt bei Ihren Gedankengängen, was die Flexibilität des Arbeitsmarktes betrifft, nehmen Sie da überhaupt Rücksicht, oder kommt das in Ihren Gedankengängen vor, was wir für eine Unternehmensstruktur in MecklenburgVorpommern haben?

(Henning Foerster, DIE LINKE: Wollen wir nun eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf, oder nicht?)

Sie können,

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Sie können nicht durchmarschieren durch ein Land und alles gleichsetzen. Es gibt nämlich regionale Unterschiede. Und in Mecklenburg-Vorpommern haben wir eben eine Unternehmerstruktur, Mittelstand, kleine und Kleinstunternehmen, die Sie möglicherweise ganz anders behandeln müssen als eine Struktur in Baden-Württemberg oder Bayern. Da möchte ich Sie einfach nur bitten, dass Sie das in Ihren Ausführungen mal berücksichtigen, und nicht, dass Sie Initiativen hier lostreten wollen, die einzig und allein dann noch die Strukturen des Arbeitsmarktes in Mecklenburg-Vorpommern treffen. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

Ich möchte insbesondere, wenn es darum geht, was wir im Bund dann tun werden, aus meiner ganz persönlichen Sicht sagen, dass mir ein Punkt besonders am Herzen liegt. Ich befürchte nämlich eine gewisse Überregulierung, die möglicherweise im Bund entstehen kann. Aber ich will Ihnen ganz klar sagen, in einem Punkt, das, was Familien betrifft, wo Familien Kinder aufziehen, dass die insbesondere berücksichtigt werden müssen, auch im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, was die Rückkehr zur Vollbeschäftigung mit gesetzlichen Regelungen betrifft, das liegt mir ganz besonders am Herzen. Diesen Bevölkerungsgruppen sollten wir unsere Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen und entsprechende Regelungen auf den Weg bringen. Ich bin da guten Mutes, dass das passiert, aber dazu brauchen wir nicht Ihren Antrag von der Fraktion DIE LINKE. Den werden wir heute an diesem Tag, das kann Ihnen so deutlich sagen, ablehnen.

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Aber nur heute.)

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall Wolf-Dieter Ringguth, CDU – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der Beifall ist aber auch begrenzt.)

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 22 heute am Schluss der Tagesordnung nach dem Tagesordnungspunkt 10 aufzurufen.

Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

Das Wort hat nun die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ganz klar: Zustimmung zum Grundanliegen des Antrags. Es geht darum zu verhindern, dass Teilzeit für Frauen zur Falle wird. Diese Teilzeitfalle zu verhindern, das ist ein ganz klares Anliegen der Bündnisgrünen, nicht erst seit gestern, dazu habe ich hier schon des Öfteren gesprochen und dazu steht meine Fraktion.

Es geht aber auch darum, die partnerschaftliche Aufteilung von Familienarbeit und Erwerbsarbeit zu befördern, und dieser Aspekt fehlt im Antrag der LINKEN völlig, obwohl der die Schaffung einer familiengerechten Arbeitswelt im Titel führt. Da vertreten wir Bündnisgrüne eine differenziertere Sichtweise und ich möchte das kurz begründen.

Es ist richtig, um sowohl Familie als auch Beruf gerecht zu werden, arbeiten zurzeit vor allem Frauen in Teilzeit. Was meist nur als Regelung für eine vorübergehende Phase, etwa für die Kindererziehung, aber zunehmend eben auch für die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger gedacht ist, wirkt sich häufig ungewollt als Dauerphänomen aus. Viele Frauen bleiben, ohne es zu wollen, auf der Teilzeitstelle sitzen. Das schlägt sich lebenslang auf die Entgelthöhe und die Altersversorgung nieder und im schlimmsten Fall ist sie die Ursache für Altersarmut und gesellschaftliche Ausgrenzung.

Die Problematik beginnt aber viel früher, schon mit der Berufswahl. Denn die Ausbildungsentscheidung hat im Verlauf der Erwerbsbiografien von Frauen mindestens so weitreichende Auswirkungen wie die Entscheidung zur Familiengründung und für Kinder. Die sogenannten frauentypischen Berufe sind nämlich nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass sie häufig besonders ausgeprägte Fähigkeiten im Bereich der Sozialkompetenz und der Dienstleistungsbereitschaft erfordern, sie sind auch dadurch gekennzeichnet, dass sie gering vergütet werden. Insofern wirkt sich eine Teilzeittätigkeit in diesen Berufen besonders verheerend aus. Das wird in der Antragsbegründung auch richtig ausgeführt, schlägt sich allerdings im Antragstext nicht einmal als Randgedanke nieder.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich auf eine Unschärfe im vorliegenden Antrag hinweisen. Teilzeit wird nicht klar definiert. Viele denken bei Teilzeit automatisch an eine Halbierung der sogenannten Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden. Das ist so nicht der Fall. Die Palette ist deutlich vielschichtiger und das ist gut so, denn das entspricht der Lebensrealität. Es ist aber selbstverständlich nicht gut, wenn wie auch immer ausgestaltete Teilzeitkonzepte im Zusammenwirken mit einer miserablen Bezahlung gekoppelt werden, sodass keine Existenzsicherung mehr vorliegt. Dann nämlich greift der oben skizzierte Teufelskreis.

Eine aktuelle Untersuchung des WSI, des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Böckler-Stiftung, weist klar nach, dass es für atypische Beschäftigung in vielen Fällen schwer ist, ein existenzsicherndes Einkom

men zu erreichen. Besonders schwer ist das für Minijobberinnen und Minijobber, Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter. 84,3 Prozent der Minijobber/-innen und 67 Prozent der Leiharbeiter/-innen verdienten 2010 laut der WSI-Studie weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns. Dasselbe traf für 20,9 Prozent der Teilzeitbeschäftigten zu.

Ganz klar: Lohndiskriminierung ist in keinem Fall akzeptabel,

(Torsten Renz, CDU: Das ist aber nicht Thema des Antrages.)

aber es besteht doch ein deutlicher Unterschied zwischen einer geringfügigen Beschäftigung und einer in Teilzeit ausgeübten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Es ist zwar richtig, Minijobbende gelten nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz als Teilzeitbeschäftigte, aber Minijobs sind zum Glück kein Prototyp für Teilzeiterwerbstätigkeit. Ich bin der Meinung, es handelt sich hier um unterschiedliche Tragweiten, und in dieser Hinsicht sollte deshalb auch differenziert werden.

Wir Bündnisgrünen sagen, Teilzeitarbeit ist nicht per se schlecht, sie soll aber unter fairen Rahmenbedingungen gewählt und durchgeführt werden. Sie darf weder Frauen noch Männern dauerhaft gegen ihren Willen aufgedrängt werden,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

denn Teilzeitarbeit wider Willen ist nicht nur höchst ungerecht, sondern auf lange Sicht auch volkswirtschaftlich gaga.

Dazu kommt, dass hier ein signifikanter Teil der Erwerbs- tätigen nur mit reduzierter Kraft arbeiten darf, obwohl gleichzeitig verzweifelt Fachkräfte gesucht werden. Das können Sie doch auf Dauer niemandem plausibel machen, meine Damen und Herren. Teilzeit wider Willen geht vor diesem Hintergrund gar nicht.

(Torsten Renz, CDU: 16 Prozent in Deutschland!)

Wenden wir uns der Thematik konstruktiv zu.

(Torsten Renz, CDU: 16 Prozent in Deutschland!)

Eine zukunftsorientierte Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik muss Anreize für eine familiengerechte Arbeitswelt schaffen. Dazu gehört ganz grundsätzlich die Förderung guter Arbeit, sozialversicherungspflichtig,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

existenzsichernd, zukunfts- und konkurrenzfähig und nachhaltig.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Paradiesisch!)

Dazu gehört ganz entscheidend ein Rückkehrrecht in Vollzeit oder auch auf eine höhere Teilzeitstundenzahl, angepasst an die vielfältigen Lebenslagen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

(Torsten Renz, CDU: Am besten bei einem Unternehmen mit zwei Leuten.)

Dazu gehört ein Ausbau der Flexibilisierungsmaßnah- men für Frauen und für Männer, Herr Renz. Dazu gehört aber auch die Förderung von Führungspositionen in Teilzeit ebenfalls für Frauen und für Männer. Nur so kann das im Titel des Antrags erwähnte Ziel, eine „familiengerechte Arbeitswelt“ zu „befördern“, auch wirklich erreicht werden.

(Torsten Renz, CDU: Das rechnen Sie einem Unternehmer, der nur drei Arbeitnehmer hat, mal vor am besten. Dann werden wir bald keine Arbeitnehmer mehr haben.)