Protokoll der Sitzung vom 10.12.2014

Die Landeswahlleiterin, die wohl am ehesten und fachlich fundiert hätte aufklären können, war der Einladung zur Anhörung nicht gefolgt und hatte auch keine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Das Innenministerium hat erklärt, dass die kritisierte Wahlkreisaufteilung anhand der Vorgaben der Landesregierung erarbeitet worden sei. Das hilft aber keinen Zentimeter weiter. Der Gesetzentwurf, so das Ministerium, trage dem Spannungsbogen zwischen verfassungsrechtlichen Vorgaben und dem einhelligen Wunsch der Koalitionsfraktionen Rechnung, so wenige Änderungen wie nötig vorzunehmen. Die Mitteilung, dass diese Regelung letztlich auf der Basis politischer Entscheidungen im Koalitionsausschuss zustande kam, war zwar zu vermuten, enthält aber gerade keine fachliche Begründung.

Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen haben kurz vor Toresschluss dann noch eine Entschließung in den Innenausschuss eingebracht, die auf Beratungen im Sozialausschuss zurückgeht. In der Landes- und Kommunalwahlordnung sollen Regelungen geschaffen werden, um Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung einen Zugang zu einem Wahlraum im Wahlbereich zu ermöglichen. Das ist natürlich zu begrüßen, aber auch nicht neu. Ich darf an entsprechende Initiativen meiner Fraktion, insbesondere im Sozialausschuss, aber auch im Landtag, erinnern. Hier hätten wir also schon deutlich weiter sein können.

Meine Damen und Herren, zu dem von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten Änderungsantrag beantragen wir die getrennte Abstimmung der Punkte 1 bis 4. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 90 Minuten – stärkste Fraktion, da habe ich viel Zeit.

(Marc Reinhardt, CDU: Dann mal los!)

Der Ausschussvorsitzende hat sich ja sehr kurz gehalten, der Minister ist gar nicht erst anwesend.

(Marc Reinhardt, CDU: Entschuldigt! Entschuldigt! Bundesparteitag.)

Ich sage ja nicht, dass er nicht entschuldigt ist.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Egbert Liskow, CDU: Der Ton macht die Musik. – Glocke der Vizepräsidentin)

Ich stelle nur fest, er ist nicht anwesend. Ich hatte schon öfter das Vergnügen oder auch die schwierige Situation, immer direkt nach dem Minister zu sprechen, wenn eigentlich alles gesagt ist. Das ist heute mal nicht der Fall.

(allgemeine Unruhe)

Ich wollte auch erst viel später zu dem Punkt kommen, den Frau Rösler eben noch mal so – was heißt „noch mal“? –, eben kritisiert hat bezüglich der...

Einen Moment, Frau Tegtmeier.

(Unruhe bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie...

Herr Ritter, ich versuche gerade auszuführen, dass ich darum bitten würde, dass die Gespräche zwischen den Bänken so nicht stattfinden, sondern dass man dann die Lobby aufsucht, damit die Rednerin hier vorne ihre Rede halten kann und sie auch noch zu verstehen ist. Das gilt natürlich für alle anwesenden Abgeordneten. Ich hoffe, dass Frau Tegtmeier jetzt ihre Rede ungestört fortsetzen kann.

Bitte schön, Frau Tegtmeier.

Danke, Frau Präsidentin!

Einen wichtigen Hinweis möchte ich insbesondere Frau Rösler geben: Bei Ihrer sachlichen Darstellung der Diskussion in Bezug auf die Wahlkreiszuschneidung haben Sie einen entscheidenden Punkt vergessen meiner Meinung nach, nämlich den Punkt, es konnte definitiv kein besserer Vorschlag gemacht werden.

(Heinz Müller, SPD: Auch nicht von Frau Rösler.)

Auch der Städte- und Gemeindetag ist extra noch mal gefragt worden – er hatte das ja auch kritisiert –: Können Sie hier einen besseren Vorschlag machen? Die Antwort lautete, nein.

(Marc Reinhardt, CDU: Sehr richtig, sehr richtig.)

Das Landes- und Kommunalwahlgesetz, wie es uns hier heute vorliegt, hat meiner Meinung nach drei Aspekte: Redaktionelle Änderungen sind darin untergebracht, aber auch eine Fehlerbeseitigung ist drin, wie wir alle wissen, und es hat zahlreiche tatsächlich inhaltliche Änderungen gegeben.

Als redaktionelle Änderungen würde ich zum Beispiel die Klarstellung von nicht ganz verständlichen Regelungen ansehen, wie zum Beispiel in Bezug auf die Wahlbehörden: Wer darf wann und wo nicht mitwirken?

Zur Beseitigung von Fehlern ist mir nur eins ins Auge gesprungen, und zwar in Bezug auf die Regelungen zur Bürgermeister- oder Landratswahl in dem Zusammenhang, wenn eine Situation eintritt, dass die Gemeindevertretung hier diejenigen wählt. Diese Regelung war bei der Übertragung der letzten Novelle um einen entscheidenden Faktor verkürzt worden, nämlich hier ist ein Verfahren, das für ehrenamtliche Bürgermeister vorgesehen

war, durch dieses Versehen auf hauptamtliche ausgeweitet worden. Dieser Fall trat nie ein, deswegen ist das auch nie zwischenzeitlich mal unangenehm aufgestoßen.

Inhaltliche Änderungen gibt es, wie gesagt, wie ich finde, nicht gerade wenige. Es betrifft zum einen bei den Wahlbehörden den Wahlausschuss, dass bei der Zulassung von Wahlvorschlägen nun auch im Sinne des Kandidaten entschieden wird, also bei Stimmengleichheit ist der Wahlvorschlag zugelassen.

Auch bei der Aufstellung gibt es zwei Änderungen. Zum einen wird die Reihenfolge verbindlich festgelegt und bei der Abstimmung ist die einfache Mehrheit erforderlich. Das wurde bei der letzten Novelle verändert, da war die qualifizierte Mehrheit gefragt. Bei der Unterzeichnung der Wahlvorschläge erklären die Unterzeichnenden an Eides, praktisch als eidesstattliche Erklärung, dass – na, jetzt komme ich auf das Wort nicht, egal –, Sie versichern an Eides statt – so, da ist es wieder –, dass sie berechtigt sind zu unterzeichnen.

Es wurden Regelungen für die Rücknahme verändert. Auf den Stimmzetteln wird auch festgehalten, welches Wahlergebnis für die Reihenfolge oder vielmehr, es wird geregelt, wie die Reihenfolge auf den Stimmzetteln zu erfolgen hat beziehungsweise welches Wahlergebnis für die Reihenfolge bei Bürgermeister- und Landratswahlen zugrunde gelegt wird. Außerdem gibt es eine Ausweitung der Unzulässigkeit der Wahlwerbung auf Briefwahlräume, um das mal so verkürzt zu sagen.

Bei Wahlen in besonderen Fällen gibt es die Feststellung, welche Teile des Wahlverfahrens mangelhaft sind und zu erneuern sind. Das betroffene Gebiet bei Gebiets- änderungen muss benannt werden. Bei der Annahme einer Wahl ist jetzt entscheidend, dass die Ernennungsurkunde angenommen wird oder aber auch nicht. Wenn sie nicht angenommen wird, ist die Wahl nicht angenommen, dann wird es eine Neuwahl geben müssen.

Des Weiteren gibt es eine wichtige Änderung, wie ich finde, beim Verfahren des Nachrückens, also wenn eine gewählte Person ausscheidet und jemand von der Liste des Wahlvorschlags nachrückt. Bis jetzt war das so geregelt, dass dieses nach einer Woche eintrat. Nun ist es auch möglich, dass derjenige, der nachrückt, sofort erklärt, er ist damit einverstanden, er nimmt den Sitz an. Dann gilt das auch sofort und es gibt diesen Verzug nicht mehr.

Bei der Ausübung des Wahlrechts ist hier eine Erweiterung für die Personen, die einen Wahlschein haben, auf die Urnenwahl in einem beliebigen Wahlbezirk im Wahlbereich ausgedehnt. Die Einreichungsfristen wurden leicht verändert, sie wurden um zwei Tage verlängert, das heißt, nun am 75. Tag vor der Wahl bis 16.00 Uhr, vorher war es am 73. Tag bis 18.00 Uhr.

Eine sehr gute Regelung, wie ich finde, ist die Änderung der Stichwahl nach Einwohnerzahlen. Ich finde es wesentlich praktikabler, wie das jetzt im Gesetz geregelt ist. Auch der Situation der Überschneidung von Wahlbereichen ist hier Rechnung getragen worden. Auch hier ist eine sehr vernünftige Regelung gefunden worden.

Die kommunalen Spitzenverbände haben einige sehr überlegenswerte Vorschläge gemacht, die letztendlich aber keine Mehrheit gefunden haben und die nicht unter

stützt wurden. Die verkürzten Öffnungszeiten der Wahllokale war eine, die Abschaffung der Stichwahlen eine ganz andere. Auch wir haben darüber intensiv diskutiert, will ich mal sagen, aber wir sind mehrheitlich der Meinung gewesen, die Stichwahl abzuschaffen, das ist nicht sinnhaft.

(Heinz Müller, SPD: Richtig, richtig. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Na ja.)

Und auch über einen Vorschlag,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Na ja.)

der gemacht wurde, die Gleichbehandlung der Wahlvorstände, wo es um den Zeitausgleich geht für die aufgewandte Zeit, haben wir lange diskutiert. Aber letztendlich konnten wir dem nicht beipflichten und haben das nicht als Änderung mit aufgenommen.

Wie schon richtig gesagt wurde, haben wir neu hineingenommen in das Gesetz Regelungen zur Wahlsichtwerbung, zum einen, dass Wahlvorschlagsträgern, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes an Wahlen teilnehmen, für den Zeitraum von sechs Wochen vor dem Wahltag in angemessener Weise die Durchführung von Wahlsichtwerbung in öffentlichen Verkehrsräumen zu ermöglichen ist, und zum anderen, dass über einen Antrag auf Genehmigung von Wahlsichtwerbung die Gemeinde innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrages zu entscheiden hat und die Genehmigung erteilt wird, wenn sie nicht innerhalb dieser Frist versagt wird.

Die Opposition hat in der Ausschusssitzung zu beiden Regelungen ziemliches Misstrauen zum Ausdruck gebracht und eigentlich auch ziemlich unverblümt gesagt, dass sie das als Aushebelung des Satzungsrechts der Gemeinden ansieht, weil die Gemeinden per Satzung regeln können, wo ist im Gemeindegebiet Wahlwerbung zulässig und wo nicht. Ich möchte das ganz entschieden zurückweisen, weil – und so kann man das auch aus der Stellungnahme von Rechtsanwalt Peter Kehl, der einer der Anzuhörenden im Innenausschuss war, entnehmen – den Parteien wird bereits mit dem Grundgesetz in Arti- kel 21 die Aufgabe zugewiesen, „bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken“. Sie haben die „Aufgabe“, „die Rückkopplung zwischen Staatsorganen und Volk sicherzustellen“. Sie „können diesen Auftrag … nur dann wirksam wahrnehmen, wenn sie nicht nur innerparteilich arbeiten, sondern auch nach außen tätig und sichtbar werden. Nur durch den offenen Wettbewerb mit anderen Parteien und Verbänden wird der für die Demokratie entscheidende pluralistische Diskurs gewährleistet.“ Das ist die Tatsache.

Tatsache ist auch, dass der Innenminister zusammen mit dem Wirtschaftsminister in der Vergangenheit immer einen Runderlass zur Werbung im öffentlichen Raum herausgab, in dem auch genau das niedergeschrieben steht. Nun kann man sich natürlich fragen: Warum muss es dann noch in das Gesetz? In das Gesetz muss es aus dem Grund, weil die Knebel, die vor Ort angelegt werden, mitunter sehr, sehr eng sind, sodass es der Sache an sich gerecht wird, wenn wir im Gesetz noch mal darauf hinweisen, dass dieses Anrecht besteht.

Für mich persönlich ist sogar Absatz 2 noch wichtiger, nämlich dass Anträge auf Wahlwerbung auch beschieden werden müssen von der Gemeinde. Leider zeigt die

Praxis, dass manchmal solche Anträge einfach gar nicht entschieden oder beschieden werden. Und wenn dann eine Partei – oder wer auch immer – trotzdem Plakate hängt, weil es ja ihr Recht ist, Wahlwerbung zu machen, dann wird sie von der Gemeinde deshalb gerügt. Das ist ein Zustand, ich denke, der geht in die falsche Richtung und wird Wahlen nicht gerecht.

Darüber hinaus gibt es natürlich ganz wichtige Regelungen, die nicht im Gesetz direkt, sondern in der Wahlordnung zu regeln sind. Eine Regelung wurde vorhin auch schon angesprochen vom Ausschussvorsitzenden, nämlich dass mobilitätseingeschränkte Wahlberechtigte tatsächlich Zugang zu einem Wahlraum im Wahlbereich haben sollen. In der Tat war es so, dass ursprünglich ein Antrag im Sozialausschuss vorlag, dieses ins Gesetz zu nehmen, wie die Bündnisgrünen das nachher auch für sich übernommen haben, denn, ich glaube, das ist so ungefähr derselbe Wortlaut, den Sie da genommen haben.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Urheberschaft haben wir gekennzeichnet.)

Wir haben uns dahin gehend korrigiert als Antragsteller, also CDU und SPD oder vielmehr SPD und CDU in dem Fall, dass wir anerkannt haben, dass einige Regelungen in diese Richtung bereits in der Wahlordnung enthalten sind. Aber ich denke, die Regelung, die wir da hinzugefügt haben, geht noch mal darüber hinaus und ist deswegen auch in der Wahlordnung an der richtigen Stelle. Und warum das so ist, darauf komme ich gleich, wenn ich zu den Anträgen der Bündnisgrünen etwas ausführe, noch mal zurück.

Im Vorfeld der Anhörung gab es ein paar Fragen, die sich auch um dieses Thema ranken, nämlich: Inwieweit sind die im Landes- und Kommunalwahlgesetz enthaltenen Ausschlusstatbestände für Menschen mit Behinderungen, wie Paragrafen 5 und 2 Landes- und Kommunalwahlgesetz, mit der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar? Welche Änderungen des Landes- und Kommunalwahlgesetzes wären im Sinne des internationalen Menschenrechtsschutzes angezeigt?

Ableitend von dieser Fragestellung, würde ich sagen, hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN drei, nein, ableitend davon zwei Fragen definiert, eine noch zusätzlich, auf die ich zuerst eingehen möchte – also nein, Anträge formuliert, Entschuldigung. Einer der Anträge lautet: Um Interessenkollisionen von Amt und Mandat zu vermeiden, sollte es Bürgermeistern nicht möglich sein, zeitgleich im Kreistag mitzuarbeiten. Solange ich mich mit Wahlgesetzen hier im Land befasse, solange kommen diese Diskussionen immer wieder auf. Ich würde Ihnen empfehlen, das mit der kommunalen Ebene zu diskutieren