Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, wir wollen mit der Sitzung beginnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 86. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie bemerken können, fehlen die Vertreter der NPD-Fraktion heute Morgen komplett,
wahrscheinlich weil sie damit gerechnet haben, dass ich heute Morgen noch etwas sage zum gestrigen Tag und zu unserer gestrigen Gedenkveranstaltung. Ich werde das tun, obwohl sie nicht anwesend sind, damit es zumindest auch im Protokoll erscheinen kann.
Ich glaube, Sie sind einig mit mir, dass wir gestern Abend eine ganz besondere Veranstaltung erlebt haben mit einem Zeitzeugen, der nicht nur sein persönliches Leben geschildert hat und die furchtbaren, schrecklichen Ereignisse, die ihn ganz persönlich betrafen in der Zeit der NS-Diktatur, als Betroffener zu der großen Bevölkerungsgruppe der Juden in Deutschland gehörte, sondern jemand, der es auch verstanden hat, mit seinem Bericht seine ganz persönliche Sicht auf die Dinge mit allen Gefühlen, mit allen Bewertungen und Empfindungen zu transportieren und einzuordnen in die geschichtlichen Ereignisse. Und eine Besonderheit, die wir bisher auch so nicht erlebt haben, ist, dass eine Betrachtung der Zeit danach erfolgte aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln, unter Berücksichtigung ganz unterschiedlicher Entwicklungen und auch der Schwächen, die es gegeben hat.
Ich glaube, dass dieser Vortrag sehr viel Anregungen für Diskussionen und Gesprächsstoff geliefert hat, um zu reflektieren, was damals geschehen ist, aber was auch an Fehlern danach gemacht wurde.
Sicherlich hat jeder seine Sicht auf diesen Vortrag und seine Bewertung. Aber was uns eint, ist, dass wir mit Sicherheit aus dieser Veranstaltung gestern Abend gegangen sind in der festen Überzeugung, dass wir als Demokraten auf dem richtigen Weg sind und dass wir es nicht zulassen werden, dass Menschen sich über andere erheben und egal unter welchem Deckmantel, ob nun unter der Flagge der NPD, unter einer Bewegung, die sich angeblich dem Wohle des Volkes widmet, oder wie auch immer, eine Bewegung zu nutzen, um Menschen verächtlich zu machen, um Hass und Gewalt zu schüren, um Egoismen voranzustellen. All das werden wir nicht zulassen. Wir sind da auf einem guten Weg, wir haben dafür hier im Parlament gute Voraussetzungen geschaffen. Das wird auch so bleiben und davon werden wir uns auch nicht beirren lassen. Und egal, in welchem Fell und Schafsfell die Vertreter der NPD daherkommen, wir werden sie enttarnen. Wir werden deutlich machen, wes Geistes Kind sie sind und mit welchen kruden Ideen, Worten und Handlungen sie versuchen, Unfrieden in unserer Gesellschaft zu stiften und Menschen aufzuhetzen. Das werden wir nicht zulassen. Das wird auch in Zukunft so bleiben, ob sie sich nun dieser Worte entziehen oder nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die vorläufige Tagesordnung der 86. und 87. Sitzung liegt Ihnen vor. Ich frage Sie, ob dieser vorläufigen Tagesordnung widersprochen wird? – Das sehe und höre ich nicht. Damit gilt die Tagesordnung der 86. und 87. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich es nicht versäumen, unserem Minister für Inneres und Sport Lorenz Caffier ganz herzlich nachträglich zu seinem 60. Geburtstag zu gratulieren.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gratulationen)
Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 86. und 87. Sitzung die Abgeordneten Dr. Ursula Karlowski und Johann-Georg Jaeger zu Schriftführern.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Gemeinsame Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen“ beantragt.
Einen wunderschönen guten Morgen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke meiner Fraktion dafür, dass sie unsere gemeinsame Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen zum Thema der heutigen Aktuellen Stunde erklärte. Keiner hier im Saal kann sich gegenwärtig in seiner politischen Arbeit, bei Gesprächen überall im Land, dort, wo er zu Hause ist, unter Freunden und in der Familie diesem Thema entziehen.
Über 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. In Deutschland suchten allein letztes Jahr über 200.000 Frauen, Männer und Kinder Schutz vor Krieg und Gewalt, suchten einen Platz, wo sie für sich und ihre Familien ein sicheres Zuhause aufbauen können. In unserem Bundesland haben 2014 4.362 Menschen um Asyl gebeten.
Mit den Flüchtlingen, die zu uns kommen, sind uns inzwischen auch die Krisen und Unruhen der Welt und ihre oft verheerenden Auswirkungen ganz nah. Wir erfahren von leidvollen Schicksalen und erleben Menschen, die sich voller Hoffnung auf ein neues, sicheres Leben auch in unser Land aufgemacht haben. Mit ihrer ganzen Vielfalt sind sie gekommen. Verschiedene Nationen, Religionen, Hautfarben, Sprachen bringen uns das nah, was für viele von uns bisher anders und fremd war. Nicht jeder steht dieser Situation unvoreingenommen und offen gegenüber. Manch einer ist eher skeptisch, abwartend, vorsichtig, gar ängstlich.
Vor gut zwei Wochen war ich zu Gast in der Regionalen Schule mit Grundschule Wilhelm Höcker in Woldegk. Die Schülerinnen und Schüler der ersten bis dritten Klassen begrüßten ihre vielen Gäste zum Tag der offenen Tür mit einem Lied. Drei Zeilen daraus möchte ich zitieren:
„Ich bin anders als du bist anders als er ist anders als sie! Wir … sind anders als ihr, ihr, ihr seid anders als wir. Na und? Das macht das Leben eben bunt!“
Später berichtete mir der Schulleiter noch, dass seit einiger Zeit zwei Schüler einer ukrainischen Flüchtlingsfamilie an der Schule die 5. und 7. Klasse besuchen und es dadurch keinerlei Schwierigkeiten gibt. Und genau hier haben wir gemeinsam Verantwortung dafür, dass unsere Kinder so unbeschwert und selbstverständlich aufwachsen.
Wenn es uns gelingt, dass diese gesungenen Worte in Zukunft Gefühl und Handeln dieser Kinder anregen, haben wir viel erreicht, sind wir Vorbilder für sie.
Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland ist sich unserer humanitären Verantwortung in dieser besonderen Lage bewusst.
Die Welle der Hilfsbereitschaft ist groß. Gleichwohl ist die logistische und finanzielle Herausforderung für Bund, Länder, Städte und Gemeinden sowie Hilfsorganisationen und Behörden enorm. Wenn man auf die Menschheitskrisen in der Welt schaut, dann wird deutlich, dass wir uns auf mehr Asylsuchende einzustellen haben. Damit verbundene Herausforderungen und Probleme gilt es, gemeinsam über Länder- und Parteigrenzen hinweg anzugehen.
Die Bundesregierung hat bereits verschiedene Maßnahmen zur Entlastung von Ländern und Kommunen sowie zur Beschleunigung der Asylverfahren ergriffen. Insbesondere ist das Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erheblich aufgestockt und den Ländern und Kommunen sind Zusagen für umfangreiche finanzielle Unterstützung durch den Bund gegeben worden. Dennoch gibt es durchaus weiteren Regelungsbedarf.
Die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge, besonders für die betroffenen Kommunen, bedeuten einen großen Kraftakt. Sie müssen den Flüchtlingen langfristig Wohnraum bieten, sie müssen die Integrations- und Deutschkurse organisieren, sie müssen die Flüchtlingskinder in den Schulen und Kitas unterbringen und die Eltern bei der Arbeitsaufnahme unterstützen. Die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern nehmen ihre Aufgabe sehr verantwortungsvoll wahr.
Aufgabe ist es, durch eine frühzeitige Orientierung sowohl auf zentrale als auch auf dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern die Situation in Mecklenburg-Vor-
pommern nicht eintreten zu lassen, dass Zelte oder Container errichtet werden müssen. Den Landkreisen, kreisfreien Städten, kreisangehörigen Städten gebührt daher unser besonderer Dank.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU, Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE, und Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie schaffen die Voraussetzungen, dass Flüchtlinge und Asylbewerber in unserem Land menschenwürdig untergebracht und versorgt werden. Die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern können die Kosten für Asylsuchende, die sich aus Sozialleistungen und Unterbringungs- kosten zusammensetzen, im Gegensatz zu einer Reihe anderer Bundesländer vollständig beim Land abrechnen.
Als Landespolitikerinnen und Landespolitiker haben wir größtes Verständnis für die Sorgen und Probleme vor Ort. Um Abhilfe zu schaffen, gibt es auf allen Ebenen Gesprächsbereitschaft. So sind zum Beispiel die Sozialministerin mit den Landräten und Oberbürgermeistern in den kreisfreien Städten und das Bildungsministerium mit den Staatlichen Schulämtern in engem Kontakt.
Auch interministeriell finden Gespräche auf Ebene der Staatssekretäre statt, die, wie kürzlich auch vom Landkreistag angeregt, dafür sorgen, dass im Innen-, Finanz-, Bildungs- und Sozialministerium ressortübergreifend eine Koordinierung und Abstimmung erfolgen kann. Ist diese Zusammenarbeit erfolgreich, dann können sicher die wichtigsten Fragen, wie zum Beispiel die Unterstützung der Kommunen bei der Schaffung von Unterkünften, eine auskömmliche Betreuung, die materielle und personelle Absicherung von Kita-Betreuung und Schulbesuch, die Überwindung der Sprachprobleme, der Zugang zu Sprachkursen als Grundvoraussetzung von Integration und Fragen der Finanzierung, besser gemeinsam geregelt werden. Letztlich muss es nur noch den demokratischen Kräften in unserem Parlament gelingen, über bisherige Vorbehalte hinaus in der Sache gemeinsam zu entscheiden.
Sehr geehrte Damen und Herren, für die große Mehrheit der Menschen in diesem Land sind Mitmenschlichkeit und die Bereitschaft, jenen zu helfen, die vor Krieg und Gewalt aus ihrer Heimat flüchten müssen, eine Selbstverständlichkeit. In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch für die große Hilfsbereitschaft und Solidarität in unserer Bevölkerung bedanken.
Die Kirchen, Flüchtlingsinitiativen und nicht zuletzt die unzähligen Ehrenamtlichen leisten hier großartige Arbeit. Initiativen, wie zum Beispiel der Interkulturelle Kalender vom Netzwerk „Integration durch Qualifizierung“ oder die Ausstellung „WER VERSTEHT DAS SCHON“ mit Ge
dichten von Migranten und Flüchtlingen verschiedenster Herkunft, die wir gerade gestern in unseren Räumen unter großer Anteilnahme eröffnet haben, können uns auf sehr emotionale Weise helfen, Fremdes kennenzulernen und besser zu verstehen. Kommen wir mit unseren neuen Mitbürgern persönlich ins Gespräch, suchen wir Kontakt! Es wird für beide Seiten eine Bereicherung sein.
Vor uns liegt eine große Integrationsaufgabe. Wir tun gut daran, dass jeder, der hier Schutz für sich, seine Familie und seine Kinder sucht, eine Perspektive erhält. Es ist richtig und wichtig, den betreffenden Menschen sehr früh Zugang zu Arbeit und Beschäftigung, zu Sprachkursen und Schulen zu eröffnen. Viele Menschen, die bei uns Schutz suchen, sind gut ausgebildet und wollen sich mit ihren Fähigkeiten in unsere Gesellschaft einbringen.
Wir sehen darin weder die Gefahr einer Überfremdung noch die Gefahr einer Islamisierung. Vielmehr ist unser Land auf Zuwanderung angewiesen. Für Deutschland, für Mecklenburg-Vorpommern kann das eine Chance sein.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Für meine Fraktion ist das Thema „Aufnahme und Integration von Flüchtlingen“ Verpflichtung für andauerndes politisches Handeln – gestern und heute ebenso wie morgen und übermorgen.