Protokoll der Sitzung vom 28.01.2015

Was habe ich gesagt?

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Herr.)

Entschuldigung, natürlich „Frau Bernhardt“. Da gibt es auch gar keine zwei Meinungen und keinen Zweifel.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Vielleicht gelingt es ja auch, über das Ausschusssekretariat,

(Heiterkeit und Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

diese Passage aus dem Protokoll zu streichen. Ansonsten stehe ich natürlich zu meinem Versprecher und ich kann sagen, der war auf keinen Fall geplant oder gewollt.

Nichtsdestotrotz hat die Kollegin Bernhardt hier versucht – nicht nur versucht –, sie hat dem Plenum inhaltliche Ausführungen dargelegt, aber ich muss ganz ehrlich sagen, wenn ich die Redebeiträge der Fachpolitiker betrachte, dann kann ich keine positiven Aspekte erkennen, die sie irgendwie in die Diskussion eingebracht haben,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Doch! Haben Sie nicht zugehört?)

sondern die Richtung aller drei Redner war negativ.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Da haben Sie nicht zugehört, Herr Renz.)

Anhand von Zahlen versuchen Sie uns hier sozusagen niederzumachen. Das ist etwas ganz Besonderes, die Fähigkeit hat insbesondere der Kollege Foerster.

(Regine Lück, DIE LINKE: Sachargumente, ne?! Da kann man schlecht gegenargumentieren.)

Der versucht hier immer krampfhaft – das ist so mein Eindruck –, anhand von positiven Zahlen, die ja nicht von …

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Die positiven Zahlen sind ja nicht von der CDU.

Also, die positiven Zahlen sind da und er versucht sich immer, krampfhaft abzuarbeiten und ausschließlich alles in die Argumentation zu legen, diese Zahlen zu widerlegen. Das kann er ja machen, aber was er interessanterweise in einem zweiten Schritt macht, er versucht uns immer zu unterstellen, dass wir diese Zahlen nur positiv darstellen wollen.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Machen Sie das nicht, Herr Renz?)

Da kann ich nur sagen, sehr geehrter Herr Kollege, das hat weder ein Redner von der SPD noch von den GRÜNEN und von der CDU hier gemacht, sondern wir haben immer von Anfang an die Zahlen kritisch – positiv und negativ – betrachtet und unsere Stellungnahme auch dazu abgegeben.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Insofern brauchen Sie uns nicht einzureden, dass wir hier immer alles positiv sehen und schönreden wollen. Da sollten Sie möglicherweise Ihre Kraft inhaltlich anders einsetzen und nicht diese Negativdiskussion, die Ihre drei Redner zum Schluss an den Tag gelegt haben, was die Arbeitsmarktpolitik in Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise in Deutschland betrifft, in dieser Art und Weise darstellen.

Am Ende war es dann sogar für mich so, dass ich eine gewisse Weltuntergangsstimmung wahrgenommen habe. Und da muss ich nun wirklich sagen – wer die Realität betrachtet, und die meisten gehören dazu, die werden mir sicherlich recht geben –, dass wir hier in Deutschland beziehungsweise in Mecklenburg-Vorpommern ein funktionierendes Staatssystem haben, und das ist auch gut so. Deshalb will ich in dieser Debatte den Moment nutzen, um all den Menschen mal Danke zu sagen, die ihren Beitrag leisten, dass dieses Staatssystem so funktioniert, wie es funktioniert, nämlich gut.

(Egbert Liskow, CDU: Jetzt aber!)

Ich möchte mich bedanken bei Arbeitnehmern, bei Krankenschwestern, Polizisten, Maurern, Handwerkern insgesamt, die ihren Beitrag leisten durch das Zahlen von Steuern, durch das Zahlen von Sozialabgaben, die tagtäglich zur Arbeit gehen und ihren Beitrag leisten in der sozialen Marktwirtschaft, dass dieses Staatsgebilde so funktioniert.

Ich will auch an dieser Stelle den Arbeitgebern und Unternehmern danken,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

die in der Regel mehr als 40 Stunden – 50 Stunden und mehr – in der Woche ihren Beitrag in der sozialen Marktwirtschaft leisten, sodass das System so funktioniert. Ich glaube, es ist wichtig, das hier zu formulieren, weil ansonsten der Eindruck entsteht, dass wir, wie gesagt, kurz vor dem Weltuntergang stehen. Das möchte ich nicht zulassen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich sage Ihnen deutlich, Arbeitnehmer und Arbeitgeber in diesem Lande bilden das Fundament der sozialen Marktwirtschaft und sorgen dafür, dass wir uns soziale Errungenschaften, sprich die soziale Marktwirtschaft, auch leisten können.

(allgemeine Unruhe)

Und wenn ich jetzt schon nicht ins Detail verfalle und einzelne Zahlen hier hoch- und runterdekliniere, dann will ich die Gelegenheit nutzen, wenn wir über die soziale Marktwirtschaft und über Arbeitsmarktreformen sprechen, auf zwei, drei Punkte einzugehen.

Der erste Begriff, den ich an dieser Stelle nennen möchte, ist die „Eigenverantwortung in der sozialen Marktwirtschaft“. „Eigenverantwortung“ bedeutet, dass diejenigen, die in Deutschland leben und die körperlich und geistig in der Lage dazu sind, ihren Lebensunterhalt allein zu verdienen und nicht auf die Hilfe anderer angewiesen sind, diese Eigenverantwortung auch wahrnehmen und umsetzen. Eigenverantwortung ist ein wesentlicher Baustein, damit das Ganze funktioniert.

Und dann kommen wir automatisch zum Thema Solidarität. Wer soll in dieser sozialen Marktwirtschaft Solidarität erfahren? Ich bin der Auffassung, Solidarität müssen die erfahren, die eben nicht körperlich und geistig in der Lage sind, eigenständig für sich zu sorgen. Die sollen diese Solidarität bekommen und die haben auch das Recht darauf, dass sich die Gesellschaft darum kümmert. Das ist ein Wesensmerkmal der sozialen Marktwirtschaft.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Nee, das ist ein Wesensmerkmal des Raubtierkapitalismus.)

Aber ich glaube, bei dieser Diskussion ist es auch wichtig zu sagen, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist. Wenn ich sage, Solidarität ist keine Einbahnstraße, dann meine ich damit, dass wir auch Gerechtigkeit in diesem System haben müssen. Und Gerechtigkeit – dann bin ich nämlich bei den Arbeitsmarktreformen, die wir 2004/2005 in Deutschland auf den Weg gebracht haben – bedeutet nämlich auch, dass die, die aufgrund der Eigenverantwortung in der Lage sind, den Forderungen, die ich an sie stelle, gerecht werden, und ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen und sich bewegen sowie in Form von Eigenverantwortung ihren Beitrag leisten, sodass diese soziale Marktwirtschaft funktioniert. Wenn das infrage gestellt wird, dann ist nämlich das Funktionieren des Staatsgefüges nicht mehr in der Form zu erhalten.

Vorredner von SPD und den GRÜNEN haben es dargestellt, wie die Situation war. Auch ich schließe mich dem

an und stelle die Frage nochmals in den Raum, wie die Situation 2003/2004 war. Ist es überhaupt gerechtfertigt, bei diesem Tagesordnungspunkt die Situation von vor zehn Jahren auszublenden? Ich sage Ihnen: Nein, es ist nicht gerechtfertigt.

Sie wissen selbst, es gab dort Sprüche, wie „Deutschland ist der kranke Mann Europas“ oder Ähnliches, das will ich alles jetzt nicht weiter aufrufen. Aber Fakt war doch – auch das haben die Vorredner dargestellt –, dass wir eine Massenarbeitslosigkeit hatten von circa fünf Millionen. Was besonders bedrückend war, wir hatten eine Sockelarbeitslosigkeit, die stetig stieg, und – worauf noch keiner in dem Sinne eingegangen ist – wir hatten Kosten, die den Anschein erweckten, dass uns die Kosten in dieser sozialen Marktwirtschaft aus dem Ruder laufen.

Dazu will ich dann auch mal ein, zwei konkrete Zahlen nennen. Die gesamtfiskalischen Kosten im Bereich der Arbeitslosigkeit betrugen in den Jahren 2003/2004 über 90 Milliarden Euro. Das ist auch logisch, wenn ich eine Arbeitslosigkeit von 5 Millionen habe, dass das eine Spirale in Gang setzt, die zum Beispiel zu weniger Steuereinnahmen und zu höheren Lohnnebenkosten führt, und dass dadurch die Wirtschaft wieder zurückgeworfen wird. Das heißt also, Deutschland stand in dieser Phase – das war kein Prozess nur aus dem Jahre 2004, sondern das war ein Prozess, der sich über Jahre hinweg hinzog –

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja. – Heinz Müller, SPD: Vermutlich seit 1998 schon.)

vor dem Dilemma von diesen Kosten, die ich soeben zitiert habe, in Höhe von über 90 Milliarden.

Dann stellt sich schon mal die Frage: Wodurch sind diese hohen Kosten entstanden? Da ist es ja interessanterweise so – Herr Heydorn hat den Zusammenhang von Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld schon richtigerweise erklärt –, dass man differenzieren muss. Wir hatten ein System der Arbeitslosenhilfe, das Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre in Deutschland etabliert wurde. Das waren Zeiten, da sprachen wir in Deutschland von Vollbeschäftigung. Da konnte sich der Sozialstaat das auch leisten.

Ich will Ihnen das konkret sagen, im Laufe der Zeit: 1981 hatten wir circa 170.000 Leute, die sich in der Arbeitslosenhilfe befanden, im Jahre 1982 hatten wir einen sprunghaften Anstieg auf über 500.000, im Jahre 1995 waren es eine Million Menschen, die sich in der Arbeitslosenhilfe befanden, im Jahre 2002 1,6 Millionen Menschen, die sich in der Arbeitslosenhilfe befanden. Was bedeutete das oder was bedeutet das konkret für unsere Marktwirtschaft?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dass die Kohl-Regierung versagt hat.)

Da ist ja nicht nur auf der einen Seite diese enorme Anzahl von 1,6 Millionen Menschen, sondern Deutschland stand vor dem Thema, was tue ich, um möglicherweise diese Menschen in Arbeit zu bekommen oder um möglicherweise erst mal die Anreize zu schaffen, dass die Menschen auch das Ziel haben, in Arbeit zu kommen. Und wenn man weiß, dass die Arbeitslosenhilfe damals ausgelegt war auf kurz über 50 Prozent – sie war ausgelegt auf „unbefristet“ –, dann stellt sich für viele tatsäch

lich die Frage: Habe ich überhaupt einen Anreiz, in Arbeit zu gehen, bei den Möglichkeiten mit Nebenverdienst?

Da sind wir genau bei dem Punkt gewesen, was SPD und GRÜNE damals gemacht haben. Sie haben gesagt, wir müssen fordern, das fordern, was ich versucht habe zu erklären – soziale Marktwirtschaft, was auch Eigenverantwortung bedeutet. Dass das für den Einzelnen schmerzlich ist, wenn er plötzlich von einem hohen Sockel entsprechend heruntergefahren wird, von dem Bereich, in dem wir uns heute bewegen, das ist ganz klar. Aber ich denke, Politik hat die Verantwortung, das große Ganze im Blick zu haben, das heißt wiederum einen funktionierenden Arbeitsmarkt und soziale Absicherung für die, die es notwendig haben, um die soziale Marktwirtschaft zu realisieren, so, wie wir es verstehen.

Wir haben Maßnahmen auf den Weg gebracht, wie die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Es wurden Instrumente geschaffen, die auch eine Förderung für die nach sich ziehen, die in Arbeit kommen wollen. Da gibt es sicherlich viele Punkte, die man kritisieren kann. Dazu stehe ich, dass ich immer wieder sage, der Arbeitsmarkt ist kein starrer Prozess, sondern man muss sich dies auch anschauen im Laufe der Entwicklung und entsprechend reagieren.

Fakt ist auch, dass ich mich nicht hinstelle und sage, wir haben heute 43 Millionen Beschäftigungsverhältnisse und 2,8 Millionen Arbeitslose und das sind Rekordwerte, nur weil es diese Arbeitsmarktreformen gab. Das sage ich nicht, aber ich fordere Sie auch immer wieder auf, wenn Sie das infrage stellen, das dann mal konkret zu belegen. Argumente dazu habe ich nicht gehört. Ich bin schon der Auffassung, dass auch Arbeitsmarktreformen ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass wir zu diesen Ergebnissen gekommen sind, so, wie wir sie jetzt vorfinden, übrigens auch mit dem konkreten Wert, den ich vorhin genannt habe, von den über 90 Milliarden, die wir in diesem Bereich zur Verfügung stellen mussten, dass wir im Jahre 2011 – das ist zumindest meine aktuelle Zahl – in dem Bereich dieser Förderung auf 56 Milliarden Euro runtergefahren sind. Das hat natürlich auch entsprechende Folgen gehabt für den Arbeitsmarkt.

Für Mecklenburg-Vorpommern wurden Werte genannt, ich will es der Vollständigkeit halber auch noch mal tun. Die Chefin der Regionaldirektion, Frau Haupt-Koopmann, hat das, denke ich, da es ihre Zahlen sind, schon deutlich gemacht, deswegen will ich mich an ihren Zahlen orientieren. Wir haben im Jahre 2005 mit Beginn der Arbeitsmarktreform 180.400 Arbeitslose in Mecklenburg-Vorpommern gehabt. Wir hatten im Jahre 2014 im Durchschnittswert, auf das Jahr gesehen, eine Arbeitslosenzahl von 93.100, das heißt also, mathematisch haben wir die Arbeitslosenzahlen in diesem Zeitraum fast halbiert. Eine zweite wesentliche Zahl ist – auch die ist von Frau HauptKoopmann –, dass wir circa 40 Prozent neue Stellen geschaffen und diese auch besetzt haben. Da können Sie argumentieren – und das trotz Hartz IV –, ich denke, in beidem steckt sicherlich ein Fünkchen Wahrheit.

Zum Abschluss oder noch nicht ganz zum Abschluss