Protokoll der Sitzung vom 11.03.2015

Menschen? Wie glaubwürdig machen wir Politik? Das geht uns alle an!

(Torsten Renz, CDU: Alles dann macht einen neuen Tagesordnungspunkt! Das würde jetzt zu weit gehen.)

Na, das hat doch damit etwas zu tun, ja, wie glaubwürdig machen wir Politik

(Helmut Holter, DIE LINKE: Na, Herr Renz, wenn Sie reden, reden Sie auch über alles.)

und treffen unsere politischen Angebote den Nerv,

(Torsten Renz, CDU: Aber das ist mir zu wichtig, das kann man nicht nebenbei abhaken.)

die Bedarfslage und die Notwendigkeit für die Menschen im Land. Wenn wir uns dieser Frage stellen, dann kommen wir zu anderen Antworten, auch hinsichtlich der Rolle und Bedeutung von Kulturpolitik. Darum geht es. In diesem Sinne bitte ich noch mal, in sich zu kehren, zu sagen, geben Sie diesem Antrag eine Chance, denn es heißt nicht mehr und nicht weniger, als Alternativen zuzulassen, Regierungsversprechen einzuhalten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Koplin.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3736. Wer dem zuzustimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Und die Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3736 abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU sowie Fraktion der NPD, bei keinen Stimmenthaltungen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8: Das ist die Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Fukushima mahnt: Atomausstieg europaweit vorantreiben!, die Drucksache 6/3757.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fukushima mahnt: Atomausstieg europaweit vorantreiben! – Drucksache 6/3757 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Suhr von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Genau heute vor vier Jahren begann eine der größten Atomkatastrophen, die wir erleben mussten.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Vier von sechs Reaktorblöcken des Atomkraftwerks Fukushima wurden zerstört. Nach einem Erdbeben und den darauf folgenden Tsunamiwellen kam es in drei Blöcken des Atomkraftwerks Fukushima zu Kernschmelzen. Große Mengen an radioaktivem Material wurden freigesetzt und kontaminierten Luft, Boden, Wasser und Nahrungsmittel.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Entsorgungsar- beiten werden voraussichtlich 30 bis 40 Jahre andauern. Die Kosten der Katastrophe werden inzwischen auf fast 200 Milliarden Euro geschätzt, Tendenz übrigens steigend. Wir wissen, die Zahlen werden permanent nach oben angepasst. Nahezu jeden Tag werden, allerdings unter einer inzwischen doch deutlich verringerten öffentlichen Aufmerksamkeit, immer neue Hiobsbotschaften verkündet.

Am gestrigen Tage kam es erneut zum Austritt von radioaktiv kontaminiertem Wasser. Am Rande einer Abflussrinne außerhalb der inneren Barriere, der sogenannten inneren Barriere, wurde ein Wasseraustritt festgestellt, der mit 8.300 Becquerel pro Liter eine immens hohe Konzentration von Betastrahlern wie Strontium enthielt. Vermutlich sind mindestens 750 Tonnen kontaminiertes Wasser ausgetreten und im Boden versickert. Radioaktiver Müll wird säckeweise am Strand gestapelt und es mehren sich die Fälle von illegal abgelegten Dekontaminationsabfällen.

Auch viele Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima ist die Lage vor Ort nicht unter Kontrolle. Sie müssen nur mal im Internet recherchieren, da finden Sie nahezu jede Woche eine neue Hiobsbotschaft, die eins deutlich macht: Die Gewinnung von Atomenergie ist nicht kontrollierbar. Uns allen sollte dies nicht nur am heutigen Tag eine Mahnung sein, und wir sollten uns an einem solchen Tag daran erinnern, wie sehr viele Tausend Menschen immer noch unter den Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima leiden. Übrigens nicht nur unter dieser Katastrophe, wir haben ja auch eine andere Katastrophe, die 1986 in Russland, in Weißrussland passiert ist –

(Torsten Renz, CDU: Sowjetunion. – Michael Andrejewski, NPD: In der Weißrussischen Sowjetrepublik. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Entschuldigung, in der Sowjetunion passiert ist, das ist richtig, Herr Renz – und worunter heute nach wie vor die damals schon Lebenden, aber auch ihre Kinder massiv zu leiden haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir können für die Opfer in Japan von hier aus wenig tun, aber wir können in Deutschland und vor allem auch in MecklenburgVorpommern Voraussetzungen dafür schaffen, dass die erneuerbaren Energien als „die“ Alternative zur Atomenergie weiter und mit hohem Engagement ausgebaut werden

(Udo Pastörs, NPD: Besonders die Biogasanlagen.)

und dass eine echte Energiewende der Katastrophe von Fukushima Rechnung trägt.

Hier in Deutschland geht es aber nicht nur um den Atomausstieg und um die Energiewende, es geht auch um ein Bemühen und um ein transparentes Verfahren für eine

ergebnisoffene Endlagersuche. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch Mecklenburg-Vorpommern als möglicher Standort infrage kommt, auch das müssen wir uns immer wieder bewusst machen. Ich weiß, dass Minister Pegel regelmäßig zu Gesprächen eingeladen ist, auch entschuldigt durch den Landtag, wenn parallel Termine stattfinden, in deren Rahmen es um die Kriterien für einen geeigneten Endlagerstandort geht.

Ich halte es übrigens für unbedingt geboten, dass der Minister, sofern es Berichtenswertes gibt, im Landtag einmal über den Fortgang der Verhandlungen und der Gespräche in der Endlagersuchkommission und den vorbereitenden Gremien unterrichtet.

Sehr geehrte Damen und Herren, Ähnliches gilt für das Problem und die Verteilung der Zwischenlagerung der insgesamt 26 zurückerwarteten Castorbehälter. Sie kennen die öffentliche Diskussion. Wie Sie sicher wissen, hat Umweltministerin Hendricks kürzlich erklärt, sie wolle diese Castoren, wörtlich, Zitat, „auf verschiedene Standorte in einem bundesweit ausgewogenen Verhältnis … verteilen“. Das Umweltministerium arbeitet angeblich derzeit an einem entsprechenden Konzept, und ich finde, dass es immens wichtig ist, dass dieser Landtag frühzeitig darüber in Kenntnis gesetzt wird, auch über die Frage, ob in den teilweise auch öffentlich vorgetragenen Gedankenspielen aus anderen Landesregierungen der Standort Lubmin eine Rolle spielt.

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen, wir haben hier als Opposition keinen Dissens zwischen der Landesregierung und der Opposition in der Frage der Perspektive des Standortes Lubmin als Zwischenlager.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich will hier auch ausdrücklich sagen, wir unterstützen und unterstreichen, dass die Landesregierung alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpft, um die Bedingungen dort zu lockern – nein, nicht zu lockern, sondern das, was die EWN dort vorhat, nicht zuzulassen, Stichwort: Pufferlagerung.

Aber Radioaktivität, sehr geehrte Damen und Herren, macht nicht vor Grenzen halt. So gut und wichtig es ist, dass Deutschland beim Ausstieg aus der Atomenergie eine Vorreiterrolle übernommen hat, so wichtig ist es auch, dass wir unsere Nachbarn, dass wir unsere Partner vor allem in Europa dabei unterstützen, auf die Erneuerbaren zu setzen und Planungen zu neuen Atomkraftwerken ad acta zu legen.

Uns erfüllen die Vorhaben unserer Nachbarländer mit großer Sorge, sei es in Polen, wo sich nur 400 Kilometer von unserer Landesgrenze der Standort für ein erstes Atomkraftwerk in Prüfung befindet, oder seien es die vier Atomkraftwerke – in Finnland, in Frankreich, zwei in der Slowakei –, die sich derzeit im Bau befinden. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, wenn sogar die Europäische Union billigt, dass der Bau des geplanten britischen Atomkraftwerkes Hinkley Point C subventioniert wird. Mir fehlt auch jedes Verständnis dafür, dass die Bundesregierung unserer Aufforderung, gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission zur Beihilfe für das geplante Atomkraftwerk Hinkley Point C beim Gerichtshof der Europäischen Union zu klagen beziehungsweise sich der österreichischen Klage anzuschließen, nicht Folge leistet.

Ich halte es für ausdrücklich nicht geboten, dass vor dem Hintergrund, dass eine Energiewende in MecklenburgVorpommern, eine Energiewende in Deutschland nicht ausreicht, sondern dass wir eine europäische, sogar eine weltweite Energiewende brauchen, die Europäische Union bei der Förderung oder der Akzeptanz der Förderung des geplanten britischen Atomkraftwerkes eine so passive Rolle,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

ja sogar eine billigende Rolle spielt. Ich finde, auch hier müssen wir in Mecklenburg-Vorpommern alle Möglichkeiten nutzen, dagegen vorzugehen.

Ich verstehe aber auch nicht, dass Bundesministerin Hendricks an einem Tag erklärt, Zitat, sie „halte diese Entscheidung der EU-Kommission für grundfalsch und“ könne „gut verstehen, dass Österreich schon eine Nichtigkeitsklage ins Auge gefasst“ habe, am anderen Tag aber dagegen stimmt, wenn es darum geht, gemeinsam am Europäischen Gerichtshof zu klagen. Das ist zumindest keine gradlinige Position.

Vor dem Hintergrund schlägt Ihnen die GRÜNE-Fraktion in dem Ihnen vorliegenden Antrag unter Ziffer II in drei Punkten vor, dass wir auf allen europäischen Ebenen darauf hinwirken, dass aus der deutschen Energiewende eine europäische Energiewende wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, die deutsche Energiewende, die aus unserer Sicht noch viel entschiedener vorangetrieben werden könnte, ist nicht nur ein Modellprojekt, es ist auf jeden Fall ein Zukunftsprojekt, und ich finde, das können wir nicht genügend unterstreichen. Wir müssen auf unsere europäischen Nachbarn einwirken, dass sie das erkennen und auch entsprechend umsetzen.

Wir schlagen Ihnen weiterhin vor, dass wir konsequent in allen Stellungnahmen, in allen Berichten darauf hinwirken, dass es ablehnende Stellungnahmen dieses Landes zur Kern- oder Atomenergie gibt, seien es der Ostseebericht oder andere Papiere, die wir hier im Landtag haben, aber auch die, die die Landesregierung beeinflusst.

Und schlussendlich, unter dem dritten Punkt, schlagen wir Ihnen vor, dass die Landesregierung dazu ermuntert wird, alles Mögliche zu versuchen, um die Bundesregierung dazu aufzufordern und es auch durchzusetzen, dass wir uns der Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, die Österreich angestrengt hat, anschließen. Dies sieht dieser Antrag vor.

Ich sehe keinen großen Dissens zwischen dem, was bisher immer vorgetragen worden ist in diesem Haus, und den Forderungen, die wir Ihnen jetzt vorschlagen. Insofern hoffe ich sehr, dass Sie sich, anders als sonst, zu einer Zustimmung durchringen können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Herr Pegel. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich knüpfe ein Stück weit an, ich zitiere allerdings nicht aus eigenen Internetquellen, sondern würde die Bundesagentur für Erneuerbare Energien zitieren, die kürzlich in einer Pressemitteilung anlässlich des heutigen Tages verlautbaren ließ, ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin, dass „bis heute die havarierten Reaktoren des Atomkraftwerkes Fukushima … nicht vollständig unter Kontrolle“ sind, „noch immer“, Sie haben es gerade erwähnt, „radioaktiv verseuchtes Wasser“ austritt, „in und um die Sperrzone herum … es fast 80.000 Bewohnern nicht gestattet“ ist, „wieder in ihrer Heimat zu wohnen“, auch langfristig keine echte Perspektive besteht, und „die langfristigen Folgen für Umwelt, Gesundheit sowie die regionale Land- und Fischereiwirtschaft noch längst nicht absehbar“ sind. Zitatende.

Wir werden uns da relativ schnell einig sein, selbstredend sind die Folgen für die Menschen in und um Fukushima verheerend. Zugleich, und das ist, glaube ich, die globale politische Dimension, hat Fukushima aber in vielen Teilen der Welt die Debatte über die Nutzung der Kern- spaltung zur Energieerzeugung neu entfacht und in Deutschland zu einem, nach meinem Gefühl, weitgehenden Konsens in einer der wohl über Jahrzehnte strittigsten politischen Fragen überhaupt geführt.

Fukushima war in der deutschen Debatte der Anfang vom Ende der deutschen Kernkraftwerke. Damit verbunden war als erster Meilenstein das Abschalten mehrerer Kernkraftwerke per sofort und der Beschluss, dass bis zum Jahr 2022 alle deutschen Kernkraftwerke, aus heutiger Sicht noch neun, vom Netz gehen werden. Bekanntermaßen war das übrigens nicht der erste Ausstieg aus der Kernenergienutzung in Deutschland. Bereits 2000 hatte die rot-grüne Bundesregierung – nach zähen Verhandlungen im Übrigen – mit den großen Energiekonzernen einen konsensualen Ausstieg aus der Kernkraft angestoßen.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit der Folge von Klagen, wie heute auch.)