Als kleiner Tipp zum Schluss: Forschen Sie nach den Gründungsvätern Ihrer Partei, Herr Suhr, und Sie werden feststellen, dass auch Ihre Partei nicht denkbar wäre ohne ihre heimattreuen Gründerväter.
Wir lehnen Ihren Antrag ab, nicht weil das Anliegen grundsätzlich falsch, sondern weil es aus Ihrer Richtung kommt und nur eins ist: verlogen.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Als Erstes möchte ich mich bei der antragstellenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für den Antrag bedanken und insbesondere dafür, dass es gelungen ist, die Aussprache zu diesem Antrag heute durchzuführen, exakt vier Jahre vor dem Reaktorunglück in Fukushima.
Ausgelöst durch Erdbeben und Tsunami sind am 11. März 2011 durch den Ausfall der Kühlung der Reaktoren im Abklingbecken die Reaktoren 1 bis 4 havariert mit allen schon bekannten Folgen: Kernschmelze in den Reaktoren 1 bis 3 – das Schlimmste, der Super-GAU, das überhaupt passieren kann –, 70 Tonnen radioaktive Brennstoffe, 164.000 Menschen, die ihre Heimat verloren haben, und 2.000 Quadratkilometer verseuchte Fläche.
Heute, vier Jahre später, müssen wir feststellen, dass die Havarie immer noch nicht unter Kontrolle ist. Man kann auch sagen, dass Reaktorunglück ist nach wie vor in Aktion und läuft weiter ab, weil es bisher praktisch noch keine Möglichkeit gab, das Unglück in seinen Folgen wirklich zu stoppen. Es treten immer noch riesige Wassermengen an radioaktiv verseuchtem Wasser aus. Wir haben nach wie vor eine Sperrzone, die dazu führt, dass dort 80.000 Menschen nicht in ihre Heimat zurückkehren können, sowie langfristige Folgen für Umwelt, Gesundheit, Land- und Fischereiwirtschaft, die noch gar nicht abzusehen sind, insbesondere im Pazifik unmittelbar vor Fukushima.
10.833 hoch radioaktive Brennelemente können nicht entfernt und eingelagert werden für die nächsten 300.000 Jahre, weil dieses Curium bisher praktisch überhaupt noch nicht von Menschen oder durch Technik bewegt werden konnte. Man ist völlig ratlos, auch vier Jahre nach der Katastrophe, wie man mit diesen Brennelementen gedenkt umzugehen.
Zum einen, ich glaube, das wurde auch schon von den Vorrednern gesagt, es müsste eigentlich, so wie immer im Leben, dem Letzten jetzt klargeworden sein, meine Damen und Herren, es gibt keine sicheren Atomkraftwerke. Es gibt keine sicheren Atomkraftwerke! Wer etwas anderes behauptet, sagt die Unwahrheit. Die Gefahren für Mensch und Umwelt sind völlig unkalkulierbar. Das muss man sich auch immer wieder in Erinnerung rufen mit den Bildern von Tschernobyl und Fukushima.
Zweite Schlussfolgerung: Atomkraftwerke sind nicht mehr bezahlbar. Vielleicht waren sie auch in der Vergangenheit nicht bezahlbar, aber inzwischen gibt es Erkenntnisse, die deutlich machen, es ist mit Abstand die teuerste Energieform, und zwar mit Abstand. Wenn wir eine Kilowattstunde aus Wind und Sonne durchschnittlich für circa 10 Cent erzeugen können, so sind neueste Studien bei Atomstrom zu der Erkenntnis gekommen, beachtet man Endlager- und Versicherungskosten, dann kostet eine Kilowattstunde Atomstrom 4 Euro – durch Studien belegt und nachzuprüfen. Gigantisch, also nicht mehr bezahlbar!
Es gibt übrigens kein einziges Versicherungsunternehmen der Welt, das noch bereit wäre, ein Atomkraftwerk zu versichern. Atomkraftwerke sind nicht versicherbar!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie sieht das aus in Europa? Auf Deutschland gehe ich jetzt nicht mehr ein, das haben meine Vorredner gesagt. Der Antrag hebt ja sehr stark ab auf die Situation in Europa, und da muss man zur Kenntnis nehmen – mein Kollege Dietmar Eifler hat das schon gesagt, es ist aber leider so –, dass wir von 27 Staaten in Europa 14 Atomstaaten haben, 14 Staaten, die einen Großteil ihrer nationalen Energiepolitik auf Atomstrom ausgerichtet haben. Frankreich mit circa 60 Prozent, etwa in der Größenordnung, ja, 70 …
Das ist natürlich eine Größenordnung, die man auch zur Kenntnis nehmen muss. Frankreich steht auch an der Spitze dieser 14 Atomstaaten und hat versucht, allerdings ohne Erfolg, dass die Europäische Union Gelder zur Verfügung stellt, nicht nur für Atomforschung, sondern auch für den Neubau von Atomkraftwerken und für die sogenannte Erfüllung von Sicherheitsauflagen.
Bundeswirtschaftsminister Gabriel und auch der Energieminister unseres Landes haben vorige Woche noch mal klargestellt: Das wird es mit Deutschland nicht geben, sondern strikte Ablehnung aller Versuche, in der Europäischen Union die Unbezahlbarkeit von Atomkraftwerken mit Geldern der Europäischen Union, und damit also auch mit deutschem Geld, zu subventionieren. Das mal zur Klarstellung. Das ist nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, wenn man sich ansieht, wie die Kräfteverhältnisse in der Europäischen Union sind und die Interessenlagen.
Jetzt geht der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Punkt 3 natürlich richtigerweise einen Schritt weiter und fordert uns auf, mit tätig zu werden bei der Bundesregierung, dass wir uns der Klage von Österreich gegen die britische Regierung anschließen, weil gegen Wettbewerbsregeln verstoßen wird, weil der Neubau eines Atomkraftwerkes in Großbritannien eine langfristig garantierte Einspeisungsvergütung bekommen soll, darüber hinaus einen Inflationsausgleich, das heißt also, faktisch eine klassische umfangreiche staatliche Investition. Die Klage von Österreich wird begründet mit dem Verstoß gegen Wettbewerbsregeln. Das kann man und muss man dann auch so begründen, und es gibt sicherlich viele Gründe, dass man rein emotional sagt: Das ist doch eine Riesensauerei dort in Großbritannien, da muss man dagegen sein.
Man muss allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass es wohl wenig Aussicht gibt, dass Österreich Erfolg haben
wird mit der Klage, so sehr ich mir das wünschen würde. Es ist sicherlich auch kein Zufall, dass bisher einzig nur Österreich klagt und vielleicht ein, zwei Staaten sich der Klage angeschlossen haben, weil es auch etwas mit Erfolgsaussichten zu tun hat. Warum sage ich das?
Mir geht es jetzt nicht um die Frist, Johann-Georg, um die zehn Wochen – das wird ja sowieso nichts mehr werden –, sondern ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir mit dem Energieausschuss in Brüssel waren, diese Frage diskutiert haben in der Wettbewerbskommission und ich auch der Meinung war: Dagegen muss man doch einschreiten, das kann doch nicht sein, das ist doch ein klarer Verstoß gegen Wettbewerbsre- geln – gerade weil wir ja auch faktisch die Diskussion hatten zur Genehmigungsfähigkeit des deutschen EEGs. Die hochrangigen Vertreter der Wettbewerbskommission haben uns angeguckt, haben höflicherweise zugehört und haben uns anschließend erklärt, das hat nichts mit Wettbewerbsrecht zu tun. Was da in Großbritannien gemacht wird, ist gedeckt durch höchststaatliches Vertragsrecht, in dem Fall durch den EURATOM-Vertrag.
Kollegin Regine Lück hat hier erklärt, der gehört auf den Müllhaufen der Geschichte, und ich sage, ich wäre eigentlich schon froh, wenn wir den wenigstens verändern könnten, weil ich habe mir den Vertrag mal angeguckt.
… ich erspare mir jetzt mal, auf 234 Artikel einzugehen, aber man muss schon zur Kenntnis nehmen, dieser EURATOM-Vertrag – das habe ich so auch nicht gewusst –, seit 1. Januar 1958 in Kraft, ratifiziert von allen europäischen Staaten, beschlossen im März 1957 als zweiter der europäischen Verträge, ist bis heute unverändert die Vertragsgrundlage für, wie es so schön heißt, die friedliche Nutzung der Kernenergie für Energiezwecke in der Europäischen Union. Das ist europäisches Vertragswerk, ob uns das gefällt oder nicht. Und bei der Vertragskonstellation innerhalb der Europäischen Union haben jetzt die Staaten, die inzwischen ausgestiegen sind aus der Atomkraft, enorme Schwierigkeiten, mit diesem Vertrag umzugehen. Die anderen 14, wie Großbritannien, beziehen sich natürlich darauf.
Ich möchte Ihnen zwei Zitate aus dem Vertrag zur Kenntnis geben, um mal deutlich zu machen, was da festgeschrieben ist, und das ist aktuelle Vertragsgrundlage.
Zum einen: „Allgemeines Ziel des“ EURATOM-„Vertrages ist es, zur Bildung und Entwicklung von Kernindustrien in Europa beizutragen, dafür zu sorgen, dass alle Mitgliedstaaten … aus der Entwicklung“ der Atomenergie profitieren, „und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.“ Ende erstes Zitat.
Zweites Zitat: „In dem Bewusstsein, dass die Kernenergie eine unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt darstellt, … entschlossen, die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen, welche die Energieerzeugung erweitert, die
Und letztes Zitat, ausdrücklich als Vertragsaufgabe im Artikel festgeschrieben: „Die Investitionen zu erleichtern“ – also die Investitionen in Atomkraftwerken sind zu erleichtern – „und die Schaffung der wesentlichen Anlagen sicherzustellen, die für die Entwicklung der Kernenergie in der EU notwendig sind“.
Hohe Hürden für eine Klage von Österreich, so sehr ich den Österreichern natürlich den Erfolg wünschen würde, auch für uns alle.
Meine Schlussfolgerung an der Stelle ist, auch wenn es heute vielleicht etwas, ich sage jetzt mal, utopisch klingt: Ich sehe nur eine Chance, dass es uns gelingt, in den Jahren gemeinsam den EURATOM-Vertrag auf den Müll zu transportieren, indem wir ihn abschaffen oder zumindest verändern. Aber das werden ganz dicke Bretter sein, die wir da zu bohren haben, um diese Vertragsgrundlage zu verändern.
Sie konnten meinen Ausführungen entnehmen, dass wir auch aus diesem Grunde natürlich dem Punkt 3 im Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wo die Landesregierung aufgefordert wird, tätig zu werden, um die Bundesregierung aufzufordern, die österreichische Klage zu unterstützen, nicht zustimmen werden. Ich möchte aber auch noch mal grundsätzlich deutlich machen, dass wir als SPD eine ganz klare Position haben zum Umgang mit Atomenergie und zum Atomausstieg, auch wenn das nicht immer so war. Mir ist schon noch bewusst, dass es das bleibende Verdienst von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in dem Fall der GRÜNEN ist, die dieses Thema besetzt und auch politisch vorangebracht haben. Dafür können wir uns als Sozialdemokraten nur bedanken.
Aber Tatsache ist auch, dass sich die SPD in einem schwierigen Prozess neu aufgestellt hat bei dieser Frage, einen Umdenkprozess durchgeführt hat, der dazu geführt hat, dass spätestens seit Tschernobyl und allerspätestens nach dem Berliner Grundsatzprogramm von 1989 für die SPD klar ist: Atomenergie ist keine Alternative. Wir müssen da schnellstmöglich aussteigen.
Und insofern ist es auch ganz klar, dass es gerade RotGrün war, die 2000 diesen Atomausstieg beschlossen haben, auch in der Konsequenz von SPD-Politik. Wie ge- sagt, in den 50er- und 60er-Jahren war das in der SPD noch lange nicht so weit. Wir sind ja damals auch mit dem EURATOM-Vertrag letztendlich verbandelt gewesen.
Letzte Bemerkung: Zum Stimmverhalten der SPD gehört natürlich auch, dass wir deutlich sagen, dass die Landesregierung, was die erneuerbaren Energien betrifft, längst handelt, weil selbstverständlich ist die entscheidende Alternative und die entscheidende Schlussfolgerung, um Atomkraft letztendlich auch zu verhindern, der Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier sind wir als Land bespielhaft, wir gehören in Deutschland mit zu den Besten, auch wenn wir noch besser werden könnten, und insofern brauchen wir keine Aufforderung, über den Antrag hier weiter tätig zu werden.