Und da es gewünscht worden ist, ist es auch in den Finanzausschuss zu überweisen, mitberatend in den Finanzausschuss zu überweisen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, für meine Fraktion kann ich sagen – und da muss ich Unterstellungen, Herr Kollege Suhr, die Sie vor einigen Wochen hier geäußert haben, wir würden auf die Bremse treten, wir würden verzögern, um noch Fakten zu schaffen – energisch zurückweisen. Wir werden aufs Tempo drücken.
Wir wollen nicht etwa, dass das Verfahren parlamentarisch aufgehalten wird, sondern wir wollen, dass das parlamentarische Verfahren möglichst zügig über die Bühne geht. Das heißt natürlich nicht, dass wir irgendwelche notwendigen Verfahrensschritte übergehen wollen, das liegt uns fern, aber das heißt, dass wir sie umgehend Stück für Stück vornehmen werden und dass wir beraten werden. Und wir gehen davon aus, dass wir im Juni in Zweiter Lesung hier über diesen Gesetzentwurf erneut beraten werden und dass wir dann auch beraten werden auf der Basis einer Stellungnahme des Europa- und Rechtsausschusses, der die mitberatende Stellungnahme des Finanzausschusses berücksichtigt hat.
Wir werden, meine sehr verehrten Damen und Herren – ich glaube, ich kann das sagen, auch wenn ich dem Europa- und Rechtsausschuss in seinen Beratungen natürlich den nötigen Respekt zolle –, dazu kommen, dass dieser Landtag, so vermute ich es, mit deutlicher Mehrheit diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen wird, und wir werden dann auf einen Volksentscheid zusteuern. Und auch hier sage ich, dieser Volksentscheid wird natürlich in den verfassungsrechtlich gebotenen Zeiträumen so schnell wie möglich stattfinden, das heißt, wir werden zu einem Volksentscheid im September dieses Jahres kommen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dieses so sagen kann, weil ich sehr sicher bin, dass wir diesen Gesetzentwurf nicht annehmen werden. Wir würden ihn annehmen, wenn sich eine neue Situation ergäbe oder wenn sich völlig neue Argumente ergeben hätten. Beides, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht der Fall. Neue Argumente haben die Unterstützer des Volksbegehrens nicht vorgebracht. Sie haben das vorgebracht, was auch in der normalen parlamentarischen Diskussion zur Verabschiedung des Gerichtsstrukturneuordnungsgesetzes vorgebracht
Es gibt von den Gegnern der Reform kein einziges neues Argument und deswegen erwarte ich, dass wir so votieren werden. Etwas anderes wäre es und würde uns vielleicht zu einer anderen Position bringen, wenn sich die Situation grundlegend geändert hätte. Aber wie soll das geschehen, meine Damen und Herren? Nein, die Situation ist die gleiche, wie wir sie vor ein beziehungsweise zwei Jahren oder eineinhalb Jahren bei der Diskussion gehabt haben, wie wir sie analysiert haben und wie sie uns Gründe nahelegt, die uns zu diesem Gesetz geführt haben.
Wir haben eine demografische Entwicklung, die uns handeln lässt. Sie lässt uns handeln in vielen Bereichen, eine staatliche Organisation. Wenn man im Jahr 1990 noch fast zwei Millionen Einwohner hatte, jetzt noch nicht einmal mehr 1,6 Millionen und in absehbarer Zeit noch 1,4 Millionen, dann kann dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, an den Organen des Staates, ob sie nun exekutiv oder judikativ sind, nicht einfach vorbeigehen und dies einfach ignoriert. Wir müssen hier Anpassungen vornehmen.
Und wenn wir feststellen, Frau Ministerin hat es gesagt, dass die Eingangsbelastungen bei unseren Gerichten zurückgehen, wenn also der Arbeitsanfall niedriger wird, dann werden wir bei unserer Gerichtsstruktur reagieren müssen. Wir haben aber auf der anderen Seite eine Situation, dass die Bandbreite der Aufgaben, die unsere Gerichte wahrnehmen müssen, insbesondere unsere Amtsgerichte wahrnehmen müssen, dass die Bandbreite sehr hoch ist und dass diese Bandbreite eine Spezialisierung des Personals in den Gerichten notwendig macht. Wir brauchen den Richter, der Experte in seinem Gebiet ist, oder die Richterin, und der Allrounder im Königlich Bayerischen Amtsgericht ist nicht mehr der Richter des 21. Jahrhunderts, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und wir brauchen Gerichte, die flexibel auf Problemsituationen reagieren können.
Ich habe hier in den Diskussionen um unser Gesetz den Fall des Amtsgerichts Bad Doberan angeführt, wo eine langfristige Erkrankung eines Mitglieds des Richterkörpers dazu geführt hat, dass ein Teil der Rechtsprechung,
Familienrecht, ganz einfach über viele Monate nicht mehr stattfand. Dies, meine Damen und Herren, ist nicht die Justiz, die wir uns vorstellen. Wir brauchen eine Justiz, die auch mit solchen Problemen wie etwa der langfristigen Erkrankung von Richtern fertig wird.
Und all dies geht nicht in Zwerggerichten, all dies geht nur dann, wenn unsere Gerichte eine Mindestgröße haben, die ihnen Spezialisierung ermöglicht und die ihnen ermöglicht, auf Problemsituationen zu reagieren. Wir brauchen größere flexiblere Gerichte, sie brauchen eine Mindestgröße im Personal, sie müssen leistungsstark sein. Und dieses ist viel wichtiger als das Gericht – ich sage es mal polemisch – um die Ecke, das dann aber in seiner Leistungsfähigkeit nicht unseren Anforderungen entspricht.
Dieses, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, war auch, wenn Sie zurückschauen, Gegenstand von Äußerungen in den Anhörungen von Sachverständigen, die uns gesagt haben, es geht um Flexibilität, es geht um Leistungsstärke und nicht um örtliche Nähe.
Und ein letztes Argument oder ein bis zwei will ich noch anführen. Das eine ist das Thema Zweigstellen. Hier ist immer wieder gesagt worden, „Zweigstellen ist Tod auf Raten“, und immer wieder haben wir gesagt, dieses ist falsch. Wir wollen Zweigstellen nicht als Zwischenstation zur Auflösung, sondern wir wollen Zweigstellen als Organisationsprinzip, weil das, was wir wollen, ist die Flexibilität, die wir brauchen, die Möglichkeit, Richter im Bedarfsfall von einem Ort zum anderen zu geben, damit sie dort in Notsituationen wie Krankheit einspringen. Das können wir mit Zweigstellen erreichen und deswegen sind Zweig- stellen für uns Prinzip.
Aber man kann dieses Argument so oft wiederholen wie die tibetanische Gebetsmühle, wer es nicht hören will, der hört es nicht und sagt immer wieder, das ist Sterben auf Raten. Und ich weiß nicht, welche Motivation dahintersteckt: Will man es nicht wahrhaben oder versteht man es nicht?
Und ein Weiteres: Es wird argumentiert von den Gegnern, wir hätten nun sehr weite Entfernungen zu unseren Gerichten. Nun, rein mathematisch – mit der Mathematik hatten wir es ja heute schon, Herr Holter – ist es natürlich richtig, dass, wenn ich weniger Standorte habe, es durchaus dazu kommen kann, dass es für einzelne Bürgerinnen und Bürger weiter ist, zu ihrem Gericht zu kommen, das stimmt. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist dies denn wirklich ein so schlagendes Argument? Wie häufig muss denn ein Bürger zu seinem Amtsgericht und ist bei den wenigen Fällen im Leben, in denen das vorkommt, dieses nicht zumutbar?
Ein Weiteres: Wie viele Fälle in unseren Amtsgerichten finden denn völlig ohne die Beteiligten statt, in denen allein die Anwälte und das Gericht hier eine Verhandlung führen und dann zu einer Entscheidung kommen? Mehr, ein sehr großer Prozentsatz wird so geführt und die Beteiligten sind gar nicht mehr anwesend.
Ein Letztes: Wie viel Arbeitsgerichte haben wir denn? Das sind deutlich weniger. Und behauptet jemand, hier findet Rechtsstaat nicht mehr statt, Rechtsstaat werde zerstört,
die Justiz ziehe sich aus der Fläche zurück und es entstehe ein sozusagen für die Wahrnehmung der Bürger rechtsloser Raum? Keineswegs, meine sehr verehrten Damen und Herren, und genauso ist es bei den Amtsgerichten. Solche Argumente sind aus der Luft gegriffen, sie sind frei erfunden und sie entbehren jeder Beziehung zur Realität.
Und weiter: Natürlich entstehen an der einen oder anderen Stelle dort ein paar Probleme. Aber ich glaube, für Probleme kann man Lösungen finden und man kann hier kompensatorische Dinge machen. Ich nenne als Beispiel das Thema Betreuung. Wir haben das Angebot, und wir haben es nicht nur als theoretisches Angebot, sondern es wird praktiziert von Gerichtstagen in Betreuungssachen vor Ort.
Ich halte das für eine hervorragende Einrichtung, damit diejenigen, die in Betreuungssachen tätig sind – und wir alle wissen, das ist eine schwierige Angelegenheit –, dann zu diesen Gerichtstagen gehen können und das Nötige erledigen können. Aber dann, meine Damen und Herren, stelle ich fest, dass eine Stadt wie Ueckermünde, vertreten durch ihren Bürgermeister, wenn das Justizministerium kommt und sagt, wir möchten gern Gerichtstage in Betreuungssachen durchführen und wir würden dazu gern städtische Räume in Anspruch nehmen, wir zahlen auch Miete, dass dann der Bürgermeister von Ueckermünde sagt, nein, machen wir nicht. Wir möchten nicht, dass unsere Bürger informiert und betreut werden, wir möchten eine Verschärfung der Situation. Wir möchten eine Gerichtsstrukturreform bekämpfen und deswegen stellen wir euch Räume für die Betreuung der Bürger nicht zur Verfügung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das für eine Politik? Geht es solchen Leuten wie Gerd Walther – und ich nenne ihn beim Namen – eigentlich wirklich um die Interessen seiner Bürgerinnen und Bürger? Geht es ihm wirklich darum, in Betreuungssachen Hilfe zu organisieren? Nein, darum geht es ihm keineswegs. Es geht ihm nur um eins, um Scharfmacherei gegen eine Gerichtsstrukturreform, und das halte ich für eine unverantwortliche Politik, meine Damen und Herren.
Also theoretisch sagen uns viele, ja, Reformbedarf sehen wir, klar, aber so nicht, wir wollen nicht. Wie anders, das können wir nicht sagen, sagen wir auch nicht, aber so jedenfalls nicht. Und wenn ich in die vierte Etage dieses Hauses gehe und durch den Flur gehe zu unserem Fraktionsraum der SPD, komme ich an einem Raum der Fraktion DIE LINKE vorbei, da hängt seit vielen Monaten bei den LINKEN an der Tür ein Plakat.
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das hängt auch gut da. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das haben Sie doch letztes Jahr schon erzählt, Herr Müller, das hat so einen Bart. – Egbert Liskow, CDU: Wir kommen nicht so oft daran vorbei. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)
Lieber Kollege Ritter, das mag ja sein, dass Sie das letztes Jahr schon erzählt haben. Ich bin mal gespannt …
Ich bin mal gespannt, ob Sie und Ihre Fraktion und Ihr Redner oder vermutlich Ihre Rednerin hier neue Argumente zur Gerichtsstruktur vorbringen werden,
(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, weil Sie mich auch nicht fragen, ob ich das ablehne oder nicht. Wo kommen wir denn da hin?!)
Sie haben das Plakat ja immer noch da hängen und deswegen werde ich auch darauf Bezug nehmen können. Und ich werde so lange darauf Bezug nehmen, wie es dort hängt, und das werden Sie mir schon gestatten.
Also dort stehen, auf einem Plakat dargestellt, Plakate übereinander geschichtet und optisch clever gemacht, dies ist ja richtig bedrohlich. Sie bedeuten das Unheil, das über uns kommt. Da sind eine Polizeireform, eine Kreisgebietsreform, eine Gerichtsstrukturreform und ein paar andere.
Interessant übrigens, lieber kommunalpolitischer Kollege Ritter, da ist auch eine Funktionalreform genannt,
die ja von Ihrer Partei, übrigens von meiner auch, immer gefordert worden ist. Jetzt ist auch das Unheil, jetzt darf auch das nicht sein. Und das Plakat sagt, wir wollen keine Reformen.
Hier gibt es politische Kräfte, die sagen, wir wollen keine Reformen. Es soll alles besser werden, aber es darf sich nichts ändern. Dieser Satz, meine Damen und Herren, ist nicht von mir, er ist von Gorbatschow und er bezog sich
auf die späte Sowjetunion. Es soll alles besser werden, aber es darf sich nichts ändern. Und das scheint mir auch Ihre Haltung zu sein: Wir wollen keine Reformen, aber es muss alles besser werden. So, meine Damen und Herren, werden wir den Herausforderungen, vor denen unser Land steht, nicht gerecht. Wir werden ohne Reformen nicht auskommen, auch wenn sie manchmal nicht einfach sind, auch wenn sie manchmal für einzelne Betroffene mit Härten verbunden sind. Aber wir werden ohne Reformen nicht vorwärtskommen und wir werden dieses Land nicht weiter vernünftig gestalten.
Und zu diesen Reformen, die notwendig sind, gehört auch eine Reform unserer Gerichtsstruktur. Deswegen stehen wir zu dieser Reform. Wir werden, das kann ich jetzt schon prognostizieren, den Gesetzentwurf nach den Ausschussberatungen hier ablehnen. Wir stellen uns dem Votum der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Wir stellen uns dem, weil wir davon überzeugt sind, dass wir die richtige Politik machen und dass dazu auch diese Gerichtsstrukturreform gehört. – Vielen Dank.