Zunächst erst mal, Frau Gajek, möchte ich mich als Kommunalminister für Ihre Ausführungen, die Sie gemacht haben, bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Öffentlichen Dienst entschuldigen, indem Sie ihnen unterstellen,
indem Sie ihnen unterstellen, dass sie an den Handlungen schuld sind, die nach Ihrer Ansicht nicht zulässig sind. Liebe Frau Gajek, es gilt in der Bundesrepublik Deutschland das deutsche Recht.
Und nach deutschem Recht haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung in einem durchaus sehr schwierigen Job ihre Entscheidungen zu treffen. Da von oben herab solche Behauptungen aufzustellen, halte ich für unseriös und das halte ich für nicht vernünftig und aufbauend den Mitarbeitern gegenüber. Deswegen an der Stelle für sie: Sorry, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Vielleicht macht Frau Gajek dazu noch Ausführungen oder wird sich selbst entschuldigen.
Ja, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Welt ist in den letzten Jahren in vielen Regionen aus den Fugen geraten. Sie ist komplizierter und damit auch unsicherer geworden. Die Krisenherde in der Welt sind zahlreich – Syrien, Ukraine, Afghanistan. Menschen aus den unterschiedlichen Regionen suchen in Deutschland und damit auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern Zuflucht.
Sie flüchten vor Krieg oder Verfolgung. Es steht unserer Zivilgesellschaft gut zu Gesicht, dass wir diese Menschen freundlich empfangen und uns um sie kümmern. Das gebietet uns nicht nur die christliche Nächstenliebe, das gebietet uns letztendlich auch die Vernunft, unser Sinn für Gerechtigkeit – wie ich meine, in der Mehrheit der Bevölkerung – und unser Mitgefühl.
Deswegen ist es selbstverständlich, dass wir vernünftige Unterkünfte zur Verfügung stellen und versuchen, eine gute Versorgung und Betreuung der Asylbewerber sicherzustellen. Selbstverständlich nehmen wir dafür auch Geld in die Hand. Ich persönlich bin nicht der Meinung, dass uns das überfordert, auch wenn es eine gewaltige Anstrengung für alle Beteiligten ist – vollkommen unstrittig –, im Gegenteil, ich glaube sogar, dass wir in Deutschland, aber insbesondere auch in vielen anderen europäischen Partnerländern noch mehr in der Frage machen könnten.
Im Libanon leben weit über eine Million Menschen, Flüchtlinge, in einem Land, das nicht einmal halb so groß ist wie Mecklenburg-Vorpommern. Ich habe selbst gesehen mit dem einen oder anderen Kollegen, unter welchen Bedingungen die Männer, Frauen und Kinder dort untergebracht sind. Ich habe mit dem libanesischen Sozialminister gesprochen und habe seine Verzweiflung gespürt. Da wäre es doch geradezu ein Hohn zu behaupten, dass die Europäer und Deutschland in der Frage nicht mehr leisten können.
Doch unabhängig davon, ob ein Asylsuchender vor dem Krieg in Syrien, vor politischer Verfolgung im Iran oder vor der Armut im Kosovo flüchtet – für alle gelten die gleichen Gesetze und Regeln. Und dazu gehört auch ein rechtsstaatliches und ordentliches Asylverfahren, was von den Mitarbeiter/-innen der öffentlichen Verwaltung nach geltendem deutschem Recht umgesetzt wird. Die Entscheidungen der Behörden, die regelmäßig durch Verwaltungsgerichte sinnvollerweise überprüft werden, sind für jedermann bindend. Niemand darf sich darüber hinwegsetzen. Die einzige Ausnahme – aber eben eingeschränkte Ausnahme, Frau Gajek – bildet dabei das Kirchenasyl.
Meine Damen und Herren, das Kirchenasyl hat eine jahrtausendealte und sehr wechselvolle Geschichte. In vielen Fällen hat es Leben gerettet, in anderen Fällen wurde es missbraucht. Diskussionsstoff bot es immer, über Jahrtausende – so auch heute. Das Kirchenasyl ist in Deutschland auch Ausdruck der besonderen Beziehung zwischen Staat und Kirche.
Die Kirchen stehen nicht über dem Gesetz, aber der Staat gewährt Ihnen einen besonderen und im Übrigen nur auf die jeweilige örtliche Kirche bezogenen Schutzraum. Falls Sie das in meiner Pressemitteilung nicht verstanden haben, will ich Ihnen gerne nachhelfen: Genau von diesem besonderen Schutzraum, der eben nicht ausgehöhlt werden darf, auch nicht von der Kirche, habe ich in der Pressemitteilung gesprochen.
Derzeit beanspruchen bundesweit über 400 Menschen diesen Schutzraum. In Mecklenburg-Vorpommern sind es derzeit 40. Die meisten von ihnen sind Dublin-Fälle.
wenn sich Menschen an die Kirche wenden, und ich respektiere das Engagement der Kirchen und der Menschen, die den Asylsuchenden helfen wollen.
Als Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern akzeptiere ich natürlich den besonderen Schutzraum Kirche. Niemand muss befürchten, dass plötzlich ein Sondereinsatzkommando vor der Kirche steht und Asylbewerber aus der Kirche holen will.
Gleichwohl möchte ich aber an dieser Stelle festhalten, dass es für das Kirchenasyl keine rechtliche Grundlage gibt.
Die Kirchen genießen diesbezüglich keinen rechtlichen Sonderstatus. Hier stimme ich mit Bundesminister de Maizière vollkommen überein, das habe ich auch erklärt und dazu stehe ich.
Umso wichtiger ist es, den sensiblen Umgang mit dem Kirchenasyl weiter zu begleiten. Soll es fortbestehen, darf seine Akzeptanz, die des Kirchenasyls – und das ist, glaube ich, unstrittig, für die Aufgaben, die es sich mal ursprünglich ins Stammbuch schrieb –, darf seine Akzeptanz nicht gefährdet werden. In Einzelfällen kann das Kirchenasyl dazu führen, dass ein zuvor als unzulässig beschiedenes Asylbegehren aufgrund einer dann beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durchgeführten Prüfung positiv beschieden wird. Aber es muss eben die Ausnahme bleiben. Dann, denke ich, wird das weiterhin akzeptiert, auch von den Behörden des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Eines darf aber nicht passieren, Frau Gajek: Das Kirchenasyl darf nicht dazu genutzt werden, die Überstellfristen im Rahmen des Dublin-Verfahrens systematisch verstreichen zu lassen – und den Eindruck hat man ja in dem einen oder anderen Fall in Mecklenburg-Vorpom- mern in der Kirche –, um darüber Asylverfahren in Deutschland zu erzwingen. Das hat nichts mit geltendem Recht zu tun. Hier hebele ich geltendes Recht aus. Da ist die Frage, in wessen Ermessen und in wessen Zuständigkeitsbereich das fällt, wenn wir eingangs sagen, es gilt für alle das gleiche Recht, denn dann ginge es eben nicht mehr nur um humanitäre Hilfe, dann wird der Gedanke des Schutzraums Kirche ausgehöhlt und er wird nicht vor Missbrauch geschützt. Das wäre aus meiner Sicht inakzeptabel und das kann auch auf gar keinen Fall die Kirche wollen.
Nicht jedes Land im Dublin-Verfahren erreicht die hohen deutschen Standards, insbesondere bei der Unterkunft, das will ich nicht infrage stellen, zumal ich mich mit der
Materie sehr intensiv beschäftigen muss. Auch Pflege- und Sozialleistungen sind in Deutschland auf einem sehr hohen Standard – das ist gut so, um das auch gleich klarzustellen. Im Fall Griechenland wurde darauf bereits reagiert. Asylbewerber werden nicht mehr dorthin überstellt. Einzelne Regionen in den sogenannten DublinLändern stehen auch unter Beobachtung, ob das in Zukunft weiter durchgeführt werden kann oder nicht.
Vor diesem Hintergrund begrüße ich es ausdrücklich, dass mit den Kirchen in wesentlichen Punkten eine Einigung zum Thema Kirchenasyl in der letzten Woche erzielt wurde. Insofern ist Ihr Antrag möglicherweise in vielen Fällen hinfällig. Ausgangspunkt ist das Gespräch des Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit dem Bevollmächtigten der Evangelischen und der Katholischen Kirchen. Auf folgende Ergebnisse wurde sich dabei verständigt:
Erstens. Die anstehenden Überstellungen Einzelner in Unterzeichnerstaaten der Dublin-Verordnung ist allein kein ausreichender Anlass für die Gewährung von Kirchenasyl – Klammer auf: alle Dublin-Fälle, die in die Kirche gehen, nur um die Zeit der Rücküberstellung zu überschreiten. Das ist kein ausreichender Anlass. Vielmehr müssen im jeweiligen Einzelfall begründbare besondere Härten vorliegen. Kirchenasyl wird nur als Ultima Ratio gewährt. Das tun wir ja bereits. Was Einzelfälle betrifft, prüfen wir.
Zweitens. Liegen begründbare besondere Härten vor, soll so früh wie möglich eine Einzelfallprüfung stattfinden, die zwischen Kirche und Bundesamt abgestimmt wird.
Drittens. Die Einzelfallprüfung soll möglichst noch vor dem Eintritt in ein Kirchenasyl und bei Dublin-Fällen vor Ablauf der sogenannten 6-Monate-Frist erfolgen.
Viertens. Die Kommunikation zwischen Kirchen und Bundesamt soll verbessert werden. Dieses Ziel soll durch zentrale Ansprechpartner auf beiden Seiten erreicht werden. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass einzelne Kirchgemeinden ihre Einzelfälle direkt und ungesteuert an das Bundesamt leiten. Auch solche Fälle haben wir in Mecklenburg-Vorpommern.
Fünftens. Bis Herbst 2015 läuft eine Pilotphase, in der diese neue Kommunikationsstruktur zur Lösung von Einzelfällen aufgebaut und erprobt werden soll. Zudem sollen gemeinsame Verfahrensregelungen festgelegt werden. In dieser Zeit wird die 6-Monate-Dublin-Frist, wie man so schön sagt, beibehalten. Ob die Frist wieder auf 18 Monate heraufgesetzt wird, wie sie es schon mal gewesen ist, soll erst nach Ablauf und Auswertung der Pilotphase festgestellt werden.
Als Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern bin ich mit dieser Vereinbarung und mit diesem Verhandlungsergebnis sehr zufrieden.
Es stärkt die rechtsstaatlichen Verfahren und sichert das Kirchenasyl in nachvollziehbaren Grenzen. Auf diese Weise können der öffentliche Disput beseitigt und die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche fortgesetzt werden, die ja in der Regel auch besteht.
Im Übrigen sehe ich keine Notwendigkeit, das DublinVerfahren infrage zu stellen. Für die GRÜNEN ist das Kirchenasyl der Nachweis für Schutzlücken im europäischen Asylsystem. Dem muss ich entschieden widersprechen und habe dies hoffentlich auch mit den Ausführungen getan. Es gibt keine Schutzlücke. Jeder politisch oder religiös Verfolgte, jeder Kriegsflüchtling findet in jedem EU-Staat Schutz und Zuflucht.
In einigen Ländern mögen die Standards für die Unterbringung der Asylbewerber höher, in anderen etwas niedriger sein. Das Wichtigste ist aber, Frau Gajek, die Asylbewerber sind in Sicherheit und müssen nicht mehr um ihr Leben fürchten. Das sollten auch Sie von den GRÜNEN anerkennen.
Insofern sollte von allzu forschen und populistischen Theorien Abstand genommen werden. Dafür ist das Thema, liebe Frau Gajek, viel zu wichtig und vor allen Dingen viel zu sensibel.
Lassen Sie uns doch bitte erst mal die Pilotphase bis Ende 2015 in Gang bringen, deren Auswertung abwarten und im Ergebnis der Auswertung sehen, wie wir in Zukunft mit Kirchenasyl im Verhältnis zwischen Kirche und Staat umgehen. Das ist ein vernünftiges Verfahren. Das erwartet die Kirche von der Politik, das erwartet die Politik von der Kirche. Und deswegen sollten wir uns nicht mit zusätzlichen Schaufensteranträgen in dieser Frage das Leben erschweren. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Jochen Schulte, SPD – Vincent Kokert, CDU: Die SPD applaudiert gar nicht mehr?)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer aus seiner Heimat vor Krieg, Bürgerkrieg und Verfolgung fliehen muss, hat einen Anspruch auf Schutz und Unterstützung. Die aktuelle Situation macht es erforderlich, dass die Voraussetzungen dafür zu schaffen sind, dass die Herausforderung steigender Flüchtlingszahlen künftig praktisch gemeistert werden kann.