Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

Es gab eine Absprache in der Enquetekommission, darüber bin ich informiert, dass gemeinsam dieser Bericht zur Mobilität erarbeitet wird. Es gab aber nicht die Absprache, dass zu den Fragen des integrierten Verkehrskonzeptes keine Anträge gestellt werden dürfen. Das sind für mich zwei verschiedene Themen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Völlig richtig. – Peter Ritter, DIE LINKE: Keine Mobilitätsthemen.)

Meine Damen und Herren, die Bundestagsfraktion DIE LINKE stellte eine Große Anfrage „20 Jahre Bahnreform“. Die Antwort offenbart, fast die Hälfte der stillgelegten Strecken liegt im Osten. Seit 1994 wurden 211 Strecken mit rund 2.500 Kilometern in den neuen Bundesländern stillgelegt. Allein in Mecklenburg-Vorpommern waren es 19 Strecken mit circa 300 Kilometern.

Sie, Herr Minister Pegel, kündigten an, weitere Strecken nicht wieder zu bestellen beziehungsweise das Angebot auszudünnen, sofern die Regionalisierungsmittel nicht angehoben werden, ein Prozess, der gerade abläuft. – Danke für die Teilinformation. Ich kenne Sie als ehrlichen, offenen Menschen, wenn Sie nicht mehr wissen, dann können Sie hier auch nicht mehr sagen. – Damit das nicht passiert, muss über Einsparmaßnahmen nachgedacht werden, und das, glaube ich, Herr Schulte und Herr Pegel, unterscheidet uns, das hat auch Herr Eifler angesprochen: Sie denken zuerst die Wirtschaftlichkeit, wir denken zuerst die Versorgungssicherheit und kommen dann zur Wirtschaftlichkeit.

(Jochen Schulte, SPD: Nein, eben nicht in diesem Zusammenhang.)

Das ist auch in vielen anderen Fragen so. Das ist gut so, dass wir uns da unterscheiden, ansonsten würde hier, glaube ich, so manche Debatte zu gar nichts führen.

Herr Schulte, Sie haben hier zu einem Antrag „Energiewende braucht Verkehrswende“ gesprochen und da habe ich mit den anderen meiner Fraktion aufmerksam zugehört. Haben Sie dort nicht vorgeschlagen, statt der klassischen Eisenbahnfahrzeuge wesentlich kostengünstigere Triebwagen einzusetzen? Das könnte Millionenbeträge sparen

(Jochen Schulte, SPD: Ja, natürlich.)

und die würden dann, …

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Ich rufe das bloß auf.

… könnten wieder ins System fließen.

Ich meine ja auch – ich glaube, da unterscheiden wir uns jetzt gar nicht, unabhängig von der Polemik –, dass man tatsächlich neu denken muss und sich auch keine Denkverbote auferlegen sollte.

Wir haben schon in der Vergangenheit den Vorschlag von PRO BAHN aufgegriffen, einen landeseigenen Fahrzeugpool nach dem Vorbild von Niedersachsen anzuschaffen. Sie, Herr Minister Pegel, haben darauf Bezug genommen. Natürlich, das wissen wir auch, das kostet erst mal Geld, richtig Geld,

(Zuruf vonseiten der Fraktion der SPD: Ja, sehr viel Geld.)

weil klar ist, die Investition muss durch das Land erfolgen und wird dann dem Besteller, dem Auftragnehmer tatsächlich zur Verfügung gestellt. Aber wir sind der Überzeugung, dass sich das in der Endkonsequenz rechnet. Das ist ja auch eine Frage, über die – aber nun wird er ja abgelehnt, wie ich höre, der Antrag – man tatsächlich diskutieren sollte.

In Mecklenburg-Vorpommern werden die einzelnen Strecken für 12 bis 15 Jahre bestellt und mit der Ausschreibung werden neue Fahrzeuge vorgeschrieben. Das ist sicherlich allen, die sich damit beschäftigt haben, hinreichend bekannt. Die Angebote der Eisenbahnunternehmen enthalten die Kosten für den Kauf der neuen Fahrzeuge. Machen wir das aus einem entsprechenden Landespool, könnten die Fahrzeuge selbstverständlich länger, vielleicht 25 bis 30 Jahre Dienst tun, und damit hätten nicht nur die großen, sondern auch kleine Eisenbahnunternehmen eine Chance, den Zuschlag zu erhalten, weil diese in der Regel nicht diese Investition realisieren können. So etwas ist natürlich langfristig vorzubereiten und im Haushalt abzubilden. Deswegen bringen wir auch den Antrag ein, um über diese Fragen zu diskutieren. Wenn ich solche Wege gehen will, dann muss ich die entsprechenden Voraussetzungen schaffen.

Und, Herr Jaeger, Sie hatten ja in einer Kleinen Anfrage gezielt danach gefragt, ob das Land den Aufbau eines landeseigenen Fahrzeugpools in Erwägung gezogen hätte. Das wurde seinerzeit in der Antwort auf Ihre ganz konkrete Frage verneint. Die Begründung war, es seien weder die wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen noch die entsprechende Zielsetzung des Landes gegeben. Wir haben heute gehört, auch vom Minister, dass das nicht gewollt ist aus entsprechenden Gründen, die der Minister sieht. Das sind nicht unsere Gründe, deswegen waren wir der Auffassung und deswegen steht auch in unserem Antrag diese Formulierung, dass man genau das unterstützen sollte und dass der Landtag dieses eben nicht nur herausfordern, sondern von der Region ganz konkret einfordern sollte.

Sollte es wirklich so kommen, meine Damen und Herren, dass die Länder zukünftig allein für den SPNV und ÖPNV zuständig sein sollten, sind eine Kostenreduzierung und ein effektiver Mitteleinsatz existenziell für die Sicherung öffentlicher Verkehrsangebote notwendig. Auf der anderen Seite gilt es, Mehreinnahmen zu erzielen. Wir wollen ja mehr Fahrgäste, die sich mit dem öffentlichen Perso

nenverkehr bewegen, und dazu gehören sowohl die Einheimischen als auch die Urlauberinnen und Urlauber, die nach Mecklenburg-Vorpommern kommen.

Und, ich sagte es schon, vor der Wirtschaftlichkeit muss die Sicherung des Versorgungsauftrages stehen und Mobilität erfüllt im Rahmen der Daseinsvorsorge eine Schlüsselfunktion. Genau darum geht es, und deswegen muss das bei Entscheidungen entsprechend Priorität haben. Ich will Ihnen sagen, weil auch darauf kurz reflektiert wurde, wie das in Nordwestmecklenburg gelaufen ist.

Der Kreistag Nordwestmecklenburg beschloss unlängst einen innovativen Nahverkehrsplan, der ab 2016 gelten soll. Dieser versucht all das zu vereinen, was wir LINKEN uns unter einem neuen Denken vorstellen. Sieben Linien bilden ein angebotsorientiertes Taktnetz, einschließlich des Stadtverkehrs in Wismar. Es wird ein nachfrageorientiertes Ergänzungsliniennetz geben und in Zeiten und Räumen schwacher Nachfrage kommen alternative Bedienformen zum Einsatz. Die deutliche Angebotsausweitung soll mehr Fahrgäste anlocken. Der Plan kommt mit dem vorhandenen Budget aus. Das Tarifsystem soll vereinfacht und bezahlbar sein, sogar Sozialtarife sollen eingeführt werden.

Übrigens könnten Sie mir bei Gelegenheit mal erläutern, nicht hier und heute, was das bedeuten soll, 20 Millionen mehr, wenn es um ein einheitliches System in Mecklenburg-Vorpommern geht. Das kann ich nun wirklich nicht nachvollziehen, aber ich würde mich freuen, wenn ich da mal eine Aufklärung bekommen könnte. Das mal nebenbei bitte, Herr Minister.

Der Plan basiert zudem auf einem breiteren politischen Konsens, denn die Kreistagsmitglieder wollten keine weitere Verzögerung durch die Landrätin Kerstin Weiss hinnehmen. Sie hoben den Nahverkehrspunkt selbst auf die Tagesordnung und beschlossen ihn. Aber noch gilt es, Hürden zu nehmen. Die Genehmigung steht noch aus. Ein privater Busunternehmer droht mit einer Klage, weil eine Direktvergabe an ein kommunales Unternehmen erfolgen soll. Die neue Landrätin sieht Risiken für den Kreishaushalt, falls das Konzept nicht gleich aufgeht.

Die Erfahrungen mit der Umsetzung dieses Nahverkehrsplanes ab 2016 sind für die anderen Landkreise wichtig, obgleich die Bedingungen überall anders sind – das stimmt vollkommen, Herr Schulte, wie Sie das ausgeführt haben –, also nicht eins zu eins übernommen werden können. Interessant ist die vorgesehene Direktvergabe an ein kommunales Unternehmen, verbunden mit der Auflage, einen Teil der Leistungen unterzuvergeben. Das berücksichtigt die vorhandene Unternehmensstruktur.

22 Betriebe im Land verfügen über eine Linienverkehrskonzession für den ÖPNV beziehungsweise die Schweriner und die Rostocker Straßenbahn. Das Verschmelzen kommunaler Busbetriebe in die neuen Kreisstrukturen ist noch nicht überall abgeschlossen. Ein Großteil der Konzessionen läuft bis Ende 2015 beziehungsweise 2016 ab. Für Privatunternehmen ist es eine Existenzfrage, Bedienungsgebiete zu behalten beziehungsweise neue zu bekommen.

Mir stellt sich eben auch die Frage, wie wir ein neues Denken entwickeln können, um solche Fragen zu regeln. Ich hatte ja bei der Einbringung gesagt, dass man über

Kreisgrenzen und Regionalgrenzen hinaus denken sollte, um tatsächlich größere regionale Verbünde zu schaffen. Deshalb ist die in Nordwestmecklenburg gewählte Form gerechtfertigt und ich appelliere an die Landesregierung, dem neuen und innovativen Nahverkehrsplan eine Chance zu geben und seine Umsetzung zu begleiten.

Da ich gerade bei Nordwestmecklenburg bin, ja, da gab es in der Tat diesen Feldversuch, nicht nur am Salzhaff, sondern auch auf Usedom, INMOD. Dieser Feldversuch ist abgeschlossen worden und Professor Onnen-Weber hat mitgeteilt, wie die Ergebnisse waren. Ich kann Ihnen nur sagen, das ist sicherlich bekannt: Am Salzhaff ist dieses Projekt eingestellt worden und auf Usedom werden die Angebote stark eingeschränkt. Also scheint es ja wohl nicht so funktioniert zu haben. Es hat wohl nicht die Ergebnisse gebracht.

Meine Damen und Herren, die Verkehrspolitik unter Minister Schlotmann begann hoffnungsvoll. Er sprach sich, Herr Minister Pegel, für einen einheitlichen Bus- und Bahntarif in Mecklenburg-Vorpommern aus. Er wollte ein einfaches, transparentes und landeseinheitliches Preissystem

(Jochen Schulte, SPD: Da hätte er vielleicht mal nachdenken müssen.)

und mehr Fahrgäste für Bus und Bahn. Ja, das hatte Volker Schlotmann angekündigt.

(Jochen Schulte, SPD: Aber um es mal ganz deutlich zu sagen, Herr Kollege Holter, das ist nicht zu vertreten.)

Ich höre Ihnen gerne zu.

(Jochen Schulte, SPD: 242 Millionen Regio- nalisierungsmittel sind das, was wir haben.)

Herr Schulte, bei allem Verständnis für Ihre Wünsche, sich dazu zu äußern, das geht jetzt nicht.

(Jochen Schulte, SPD: Ich sage dazu gleich was.)

Wir machen hier keinen Dialog, sondern jetzt hat Herr Holter das Wort, und dann besteht ja die Gelegenheit, sich erneut zu Wort zu melden. Bitte.

Der Punkt ist ja, es geht mir gar nicht um Volker Schlotmann und Christian Pegel als Personen, sondern es geht mir darum, dass wir zwei Verkehrsminister einer Partei hier in Mecklenburg-Vorpommern haben. Da gab es einen Wechsel. Darum geht es jetzt auch nicht. Es geht mir um die Frage: Gibt es hier eine Kontinuität oder keine Kontinuität? Volker Schlotmann hat dieses als Minister vertreten. Wenn es nun nicht mehr durch den jetzigen Minister vertreten wird,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist der Diskontinuität anheimgefallen.)

wie Herr Schulte das gerade gesagt hat, dann muss das auch so gesagt werden. Vielleicht trifft das ja auch für andere Fragen zu.

Minister Schlotmann wollte die Schiene stärken,

(Jochen Schulte, SPD: Aber nicht dadurch.)

und er hat unter anderem unterstützt, dass die südliche Bahnanbindung der Insel Usedom von Ducherow über Karnin bis Swinemünde wieder aufgebaut wird. Dafür gab es hier sogar einen Landtagsbeschluss im Jahre 2012 und eine Anmeldung zur Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan. Selbst der Ministerpräsident warb für die Verlängerung der Darßbahn, zunächst bis Zingst, später bis Prerow. Die Darßbahn sollte der Investitionsschwerpunkt der Eisenbahnpolitik sein. Da muss ich Sie fragen, Herr Pegel: Was ist daraus geworden?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na nix.)

Gilt das noch oder gilt das nicht in Bezug auf das einheitliche Tarifsystem? Wenn es hier auch neue Überlegungen gibt, dann bitte ich Sie, das so auszusprechen, ansonsten stellt sich die Frage: Worauf soll man sich denn als Politik und auch als Bevölkerung hier verlassen? Was ist daraus geworden?

Ich höre nichts von einem einheitlichen Tarifsystem und die Direktverbindung von Usedom nach Berlin ist im Entwurf des Landesraumentwicklungsprogramms nicht zu finden. Deswegen bin ich der Meinung, Sie handeln hier halbherzig. Auch die Darßbahn Barth–Zingst ist im Entwurf des Landesraumentwicklungsprogramms zum zweiten Beteiligungsverfahren nicht mehr enthalten, allerdings war sie im Entwurf zum ersten Beteiligungsverfahren enthalten. Damit stellt sich doch die Frage, wie auch für die Urlauber, die nach Mecklenburg-Vorpom- mern kommen, attraktive Bahnangebote entwickelt werden. Das ist eine Frage, die übrigens auf der ITB immer eine Rolle gespielt hat, meine Damen und Herren. Wie ist es denn mit der logistischen Erreichbarkeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern und auch innerhalb von Mecklenburg-Vorpommern? Welche mobilen Angebote gibt es jenseits des privaten oder des gemieteten Autos?

Das sind Fragen, die sich bei der Beschäftigung mit dieser Frage für uns neu ergeben haben und die wir einfach hinterfragen. Gibt es hier eine Kontinuität zu dem, was die Regierung in der Vergangenheit verkündet hat, oder eben nicht? Wir wollten mit diesem Antrag, das ist ja teilweise gelungen, eine inhaltliche Diskussion anschieben, dass wir neben dem, was in der Regierung zum integrierten Landesverkehrskonzept angeschoben wird, auch schon vorher diskutieren.

Eines haben wir ja gestern und heute, Herr Schulte, mehrfach erlebt: Sie als Regierung und als Regierungskoalition wollen uns das fertige Produkt vorsetzen. Dazu sollen wir uns dann verhalten. Korrekturmöglichkeiten geschweige denn Einflussmöglichkeiten des Parlamentes, und damit meine ich „des Parlamentes“, gibt es dann nicht mehr.