Protokoll der Sitzung vom 22.04.2015

Es hat viele gute Gründe, dass die demokratischen Fraktionen dieses Landtages sich im Vorfeld miteinander zu solchen Problemen beraten,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

miteinander Anträge erarbeiten und diese Anträge hier im Landtag miteinander beraten und schließlich auch beschließen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich zum vorliegenden gemeinsamen Antrag eins feststellen: Um den Schweriner Weg scheint es gegenwärtig besser bestellt zu sein als um ein erfolgreiches NPD-Verbots- verfahren. Deshalb erfüllt mich auch der vorliegende gemeinsame Antrag nicht allein nur mit Freude, sondern zugleich auch mit großer Sorge.

Der vorliegende Antrag bezieht sich nur mittelbar auf die NPD beziehungsweises das NPD-Verbotsverfahren. In erster Linie geht es eigentlich um die V-LeuteProblematik. Und hier ist ein gemeinsamer Antrag der demokratischen Fraktionen dieses Landtages durchaus keine Selbstverständlichkeit,

(Stefan Köster, NPD: Auch Mielke war ein Demokrat.)

denn es gibt, das haben wir auch in der Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NSU hier ausführlich diskutiert, durchaus erhebliche Differenzen zwischen den demokratischen Fraktionen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 3. De- zember 2013 wurde der Antrag auf ein Verbot der NPD vom Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Bis heute ist das Hauptverfahren nicht eröffnet. Öffentlich ist das Thema NPD-Verbot weitgehend aus der medialen Berichterstattung verschwunden. Mit Beschluss vom 19. März dieses Jahres fordert nun das Bundesverfassungsgericht den Bundesrat zur Überarbeitung des Verbotsantrages auf. So fordert das Gericht unter anderem mehr Beweise für die Abschaltung von V-Leuten innerhalb der NPD. So soll der Bundesrat darlegen, wie sichergestellt worden sei, dass in der Klageschrift keine Geheimdienstinformationen über die Prozessstrategie der NPD verwertet wurden. Darüber hinaus geht es um Nachweise, dass seit Ende 2012 keine sogenannte Nachsorge abgeschalteter Quellen in den NPD-Vorständen betrieben wird. Und schließlich geht es um die Frage der Quellenfreiheit des NPD-Parteiprogramms und eines Positionspapiers.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis zum 15. Mai muss der Bundesrat nun die entsprechenden Nachweise über den Abzug der Verfassungsschutzinformanten einbringen. Erst anschließend entscheiden die Karlsruher Verfassungsrichter, ob ein Hauptverfahren eröffnet wird oder aber, ob der Verbotsantrag erneut als unzulässig abgewiesen wird. Das Thema V-Leute, an dem das erste Verbotsverfahren 2013 gescheitert war, ist nun auch im

zweiten Anlauf wieder von zentraler Bedeutung, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte uns allen zu denken geben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere drei Gründe sprechen aus Sicht meiner Fraktion dafür, dass sich auch und vor allem der Landtag MecklenburgVorpommern zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes positioniert.

Erstens hat dieser Landtag am 24. Oktober 2012 den Antrag „NPD-Verbotsverfahren baldmöglichst einleiten“ mit den Stimmen aller demokratischen Fraktionen verabschiedet,

(Michael Andrejewski, NPD: Das gab es schon 2006.)

weil die NPD darauf aus ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen, und mit aggressiv-kämpfe- rischen Mitteln die Abschaffung des demokratischen Rechtsstaates anstrebt. Daran hat sich nichts geändert, das erleben wir täglich, nicht nur hier im Parlament.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens ist in einem Verbotsverfahren die Frage nach dem Einfluss der entsprechenden Partei zu hinterfragen. Es ist zu klären, ob ein Verbot nötig und ob es verhältnismäßig sei. Hier spielt die Bedeutung der NPD eine Rolle, die im Bund, gemessen an den Wahlergebnissen, eher marginal, in bestimmten Ländern und Regionen aber nicht gering ist. Und da die NPD, zum Glück, nur noch im Landtag unseres Bundeslandes vertreten ist, ist eben auch unsere Verantwortung eine besondere.

Die NPD will das demokratische System durch einen völkischen Staat ersetzen. Die volksverhetzenden Äußerungen der NPD bereiten den Nährboden für fremdenfeindliche Übergriffe,

(Stefan Köster, NPD: Bla, bla, bla!)

und NPD-Reden diffamieren schließlich die europäische Idee als „volksfeindliche EU-Diktatur“ und so weiter und so fort.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wir kennen das aus den Reden nicht nur hier im Parlament, sondern auch auf der Straße.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hierfür bedarf es aber keiner V-Leute oder geheimer Überwachung. Hier reicht gesunder Menschenverstand, hier ist Öffentlichkeit notwendig und zivilgesellschaftliches Engagement als Allererstes.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Drittens. Schließlich muss und kann MecklenburgVorpommern einiges zum Nachweis der aggressivkämpferischen Haltung der NPD gegen den Rechtsstaat leisten. Ein NPD-Verbotsverfahren ist nicht ohne Risiken und die künftige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist nicht vorhersehbar. Eine der großen

offenen Fragen eines neuen Verfahrens wird daher auch sein, ob und wie weit Haltungen und Taten der sogenannten Kameradschaftsszene der NPD zuzurechnen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch und gerade Mecklenburg-Vorpommern kann hinreichend

Auskunft geben zu den Verflechtungen zwischen der NPD und gewaltbereiten Kameradschaften. Wir konnten das erst am letzten Sonntag in Güstrow augenscheinlich erleben.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Eine Analyse des Landesvorstandes der NPD dürfte eindrucksvoll belegen, dass die NPD längst zum parlamentarischen Arm der Kameradschaften in MecklenburgVorpommern mutiert ist. Auch hier könnte im Zweifel Herr Köster detaillierte Auskünfte erteilen, da er selbst aus dieser Szene stammt.

(Michael Andrejewski, NPD: Gibt es die Stasi noch?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der erste Anlauf für ein Verbot der NPD scheiterte bekanntlich 2003,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

weil die Partei bis zur Führungsspitze mit V-Leuten durchsetzt war. Der Einfluss des Staates auf die NPD war dem Bundesverfassungsgericht zu groß. Nun scheint es beim zweiten Anlauf ähnliche Probleme zu geben. Zugespitzt lässt es sich so sagen: Dass die NPD noch nicht verboten werden konnte, verdankt sie letztendlich auch dem V-Leute-System.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb muss an dieser Stelle die Frage gestellt werden,

(Udo Pastörs, NPD: Braucht der Staat die NPD?)

ob der Einsatz von V-Leuten nicht am Ende den Extremisten der NPD mehr nützt als dem Staat.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Angeblich sind die Behörden auf die Spitzel angewiesen,

(Udo Pastörs, NPD: „Spitzel“! Sehr schöne Formulierung, absolut.)

um extremistische und terroristische Umtriebe frühzeitig erkennen zu können. Auf dieser Linie befindet sich auch unser Innenminister, jüngst dokumentiert in seiner Auseinandersetzung mit dem Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen. Eine Bilanz, wann, wie und wofür V-Leute tatsächlich hilfreich waren, liegt jedoch nicht vor, öffentlich schon gar nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die bekannte kritische Position meiner Fraktion gegenüber Verfassungsschutz und V-Leute-System war durchaus im Begriff, Allgemeingut zu werden. Der institutionelle Arm der streitbaren Demokratie stand nach dem NSU-Skandal vor einem Scherbengericht.

(Udo Pastörs, NPD: Allerdings.)

Die öffentliche und veröffentlichte Meinung standen in einem geschichtlichen Moment vor der Forderung, Demokratieschutz statt Verfassungsschutz. Es sollte anders kommen und sofort wurde festgestellt, V-Leute seien unverzichtbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das neue NPD-Verbotsverfahren wiederum auf der Kippe steht, dann liegt das Problem nicht beim Bundesverfassungsgericht, sondern bei der V-Leute-Praxis der Sicherheitsbehörden. Man wird den Eindruck nicht los, dass die Verfassungsschützer auch nach dem NSU offenbar weiterhin unkontrolliert ihr Ding machen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir haben hier vereinbart, dass wir an dieser Stelle gemeinsam Schlussfolgerungen ziehen wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch deshalb ist der vorliegende Antrag wichtig. Und deshalb soll aus Mecklenburg-Vorpommern ein deutliches Signal in Richtung Bundesrat kommen: Wir nehmen die Aufforderung des Bundesverfassungsgerichtes ernst. Ich bitte um Ihre Zustimmung zum Antrag. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Minister für Inneres und Sport Herr Caffier.