Protokoll der Sitzung vom 22.04.2015

Kolleginnen und Kollegen, ich verstehe aufgrund des Themas die Aufgeregt- heit hier im Parlament, möchte Sie aber doch bitten, dass wir den letzten Tagesordnungspunkt entsprechend un- serer Geschäftsordnung hier so abhandeln, dass die Rednerin/der Redner gut zu verstehen ist. Das war ja

zwischenzeitlich schwierig. Während der Debatte gab es dazu Anfragen und Beschwerden hier beim Präsidium. Ich möchte an Sie alle appellieren und darum bitten, dass wir diesen Tagesordnungspunkt sozusagen vernünftig und in sachlicher Form debattieren hier im Parlament.

(Udo Pastörs, NPD: Der Würde des Hauses gemäß.)

Jetzt erhält die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Gajek das Wort.

Ja, danke, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, eins ist deutlich geworden: Opfern muss geholfen werden.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Da nehme ich hier alle beim Wort, aber da möchte ich eben nicht nur die Worte hören, sondern auch Taten sehen.

Aber ich möchte jetzt zu einzelnen Punkten kommen. Wir reden hier über strukturelles Doping. Dieses gibt es mit dem Maßnahmenplan seit 1974 und es unterscheidet sich grundsätzlich von dem, was in der Bundesrepublik passiert ist.

(Vincent Kokert, CDU: So ist es. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Wir haben unseren Antrag so gesehen, dass wir gesagt haben, wir müssen ganz konkret in die drei Nordbezirke gucken, denn Herr Caffier war gestern bei der Podiumsdiskussion dabei und wir waren am Montagabend beim Kongress der Deutschen Sportjournalisten, wo es um das Thema Doping ging, auch um Doping für Leistungssteigerung, was natürlich heute auch angewandt wird. Dem Innenminister gebe ich ja nicht oft recht, aber ich habe dann doch gestaunt über seine Position. Er hat angeregt, darüber zu diskutieren: Muss es immer die Medaille sein? Mache ich eine Zuwendung immer über die Medaille oder ist nicht vielleicht auch ein achter, neunter oder zehnter Platz ausreichend? Ich denke, das ist eine Diskussion, die wir führen sollten.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Aber das ist eine Diskussion, die wir aufgrund von Ergebnissen ableiten können.

(allgemeine Unruhe)

Wer die SVZ heute gelesen hat, hat eine Ausführung darüber bekommen, was gestern diskutiert wurde und von dem Film, der vorher gelaufen ist. Man geht davon aus, dass durch das staatlich aufgelegte Dopingprogramm 12.000 Leistungssportlerinnen und Leistungssportler in allen drei Klassifizierungen systematisch gedopt wurden. Das sind 12.000 Menschen.

(allgemeine Unruhe – Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Alles aufgeklärt.)

Gestern waren einige Betroffene anwesend.

Wir hatten auch eine interne Anhörung bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN im Bundestag dazu. Es kamen vorder

gründig Frauen dort hin. Ich weiß nicht, es wurde ja jetzt eben gesagt, wir wüssten schon alles. Dann frage ich mich, warum die Frauen und auch die Männer nach wie vor Gutachten einholen müssen, wo es nicht anerkannt wird,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

dass es eine Kausalität gibt, dass die Frauen und die Männer zum Teil am Existenzminimum sind. „Von der DDR verheizt“ hat Bonk gesagt, „Von der DDR verheizt, vom vereinten Deutschland vergessen.“ Er ist über 30 Jahre durch seine Frau gepflegt worden.

Aber ich möchte zu dem kommen, was davor war, die Diskussion, Frau Wippermann, mit Verlaub,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da muss man nicht drauf eingehen. – Vincent Kokert, CDU: Nee.)

es wissen viele offensichtlich nicht, was staatlich strukturiertes Doping eigentlich heißt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das wissen nur Sie.)

Der deutsche Doping-Opfer-Hilfe-Verein war gestern und vorgestern hier in Schwerin. Wir waren gestern Abend bei der Podiumsdiskussion. Ich habe dort keinen von den Sportpolitikern und Sportpolitikerinnen gesehen.

(Rudolf Borchert, SPD: Weil wir das alles schon wissen.)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie mit den Kolleginnen, dass Sie mit den Betroffenen ins Gespräch kommen. Aber Sie sagen ja, das ist entbehrlich.

(Heinz Müller, SPD: Es ist ja schön, wenn Sie Erkenntnisprozesse haben. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ich denke, gerade die drei Säulen für die Opfer des systematischen Dopings zeigen ganz deutlich die Ansatzpunkte. Nur, und das steht heute ja auch in der Zeitung, es ist so, wir wissen nicht genau, wie viele es gibt. Es gibt die Beratungsstelle, da arbeiten zurzeit zwei Frauen auf 450-Euro-Basis. Sie sind bei der Haferland-Stiftung untergekommen in einem Raum, drei mal drei Meter. So geht man mit Menschen um, die gedopt wurden!

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist aber auch ein anderer Schnack.)

Es sind bislang 700, wie wir heute gelesen haben, Frauen und Männer, die eine Beratung aufgesucht haben. Man rechnet, so wurde es gestern gesagt, mit circa 100 Frauen und Männern aus Mecklenburg-Vorpommern. Es wurde auch gesagt, dass nur in zwei Sportarten nicht gedopt wurde. Das waren Segeln und Rhythmische Gymnastik. In allen anderen Sportarten ist gedopt worden, nicht nur mit Anabolika. Eiskunstläuferinnen sind mit Psychopharmaka vollgestopft worden, damit sie nicht so eine Angst haben zu fallen.

Alles das ist zu verurteilen. Das habe ich auch von allen vier Fraktionen so gehört. Ich denke aber, dass es um mehr geht, nämlich darum, dass wir in die Strukturen

reingucken können. Und da möchte ich noch mal auf den Film „Unterstützende Mittel“ zu sprechen kommen, den wir gestern gesehen haben. Das war wahrlich nicht nur strukturelles Doping. Dass der Sportler/die Sportlerin das verabreicht bekommen hat, das war ein System. Ich meine, wenn hier 25 Jahre lang dieses Thema nicht diskutiert wurde, dann muss ich doch zumindest die Möglichkeit haben, kritisch da reinzugucken, warum nicht

(Heinz Müller, SPD: Können Sie doch machen. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dann machen Sie das doch!)

und warum es zum Beispiel einen Landessportbund gibt, der nach wie vor Probleme mit einzelnen Vereinen hat, so, dass er sagt, wir haben damit kein Problem.

Ich finde den Vorschlag – den hätte ich jetzt auch gemacht – einer Überweisung in den Ausschuss sehr wichtig, sehr gut, denn dieser Antrag, und das habe ich auch bei der Einbringungsrede gesagt, ist ein Teil. Wir hätten uns andere Sachen nehmen können. Ich nehme jetzt noch mal die Punkte, die Herr Koplin hier aufgeführt hat.

Also was hatte er gesagt? Anti-Doping-Gesetz, da würde man wieder sagen, gilt jetzt nicht für MecklenburgVorpommern, weil es ist eine bundesweite Geschichte.

Die Frage der Opferhilfe, das Opferentschädigungsgesetz, dazu gibt es Positionen.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Das wird zurzeit auch im Bund diskutiert. Aber wissen Sie, was da ist? Das ist nämlich ähnlich wie hier: Der eine sagt, ich bin nicht verantwortlich, und der andere sagt, ich bin nicht verantwortlich. Und wer leidet? Das sind die Betroffenen, das sind Frauen und Männer, die geschundene Seelen haben, die kaputte Körper haben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ist gut jetzt.)

Ich denke, es ist die Pflicht.

Und jetzt spreche ich noch mal die SPD ganz konkret an:

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na dann mal los!)

Warum kein Überweisungsantrag, warum sich nicht dort diesem Thema stellen, der Frage, die wir aufgeworfen haben, aber auch anderen Dingen?

Mir wurde gestern zum Beispiel gesagt, ein Kardiologe, der Arzt war in dem System, hat noch bis vor zwei Jahren gearbeitet. Er hat über 20 Jahre praktiziert. Es ist vieles nicht aufgearbeitet worden.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Von daher hoffe ich, dass die SPD dem Überweisungsantrag zustimmt, weil ich denke, das ist das Einzige. Die Menschen draußen messen Sie an den Taten.

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

Und eins ist bei dem Thema wirklich deutlich geworden: Es gibt viel Halbwissen. Es ist nach wie vor so, dass