Protokoll der Sitzung vom 24.04.2015

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Informieren Sie sich mal ein bisschen besser!)

Die offizielle Begründung lautete Medienberichten zufolge, es bestünde ein unwiderruflich zerstörtes Vertrauensverhältnis. Die Eltern hingegen fühlen sich erpresst nach dem Motto: entweder Vollverpflegung mit Pauschalabrechnung oder Rauswurf.

Das Gesetz und dessen Folgen belegen aber auch, dass die Landespolitik die Eltern zunehmend entmündigt. Viele Eltern stellen sich aber auch zu Recht die Frage: Was bekommt mein Kind in der Kindertagesstätte eigentlich zu essen? Die Landesregierung geht davon aus, dass in rund 80 Prozent der Kindertagesstätten eine vollwertige und gesunde Verpflegung während der gesamten Betreuungszeit bereits Bestandteil des Betreuungsangebotes sei und hervorragend funktioniere. Aber auch hier sieht die Wirklichkeit gravierend anders aus.

Unterhalten Sie sich doch mal mit Anbietern, die das Essen zubereiten! Für die zur Verfügung stehenden Finanzmittel ist das viel beschworene gesunde Essen gar nicht zu leisten.

(Patrick Dahlemann, SPD: Das ist totaler Quatsch! – Thomas Krüger, SPD: Es gibt auch andere Anbieter.)

Aber auch ein anderer Sachverhalt lässt tief blicken, in Küchen für Schul- und Kita-Essen stoßen Kontrolleure gerade in Mecklenburg-Vorpommern, Herr Krüger, auf gravierende Mängel.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Bei gut der Hälfte aller Kontrollen kommen Mängel bei der Hygiene zum Vorschein. Zur Beanstandung führten Kontrollen vor allem in den Kreisen Ludwigslust-Parchim, Vorpommern-Rügen, Rostock und Schwerin. Aber auch die Qualität lässt stark zu wünschen übrig. Nur ein Drittel aller Einrichtungen soll tatsächlich eine ausgewo- gene Ernährung mit viel Obst und wenig Fleisch anbieten.

Sie hören, zwischen dem offiziellen Anspruch der Landespolitik und der Wirklichkeit liegen wieder einmal Welten.

(Thomas Krüger, SPD: Das ist Ihre Wirklichkeit.)

Der Antrag der LINKEN bewirkt jedoch keine Verbesserung, denn es mangelt vor allem an der richtigen Mittelverwendung. – Wir lehnen den Antrag der LINKEN ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt noch einmal die Abgeordnete Frau Bernhardt von der Fraktion DIE LINKE.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Frau Hesse, um es noch mal deutlich für Sie zu wiederholen:

(Gelächter vonseiten der Fraktion der CDU)

Wir begrüßen die Vollverpflegung! Was wir kritisieren, ist die Umsetzung. Und nicht nur Lesen bildet, sondern auch Zuhören, Frau Hesse.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Hat sie getan. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Nein, das hat sie nicht getan. Sie musste sich ja mit Herrn Heydorn unterhalten.)

Und das Abschieben der Verantwortung ist einfach unerträglich.

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Ich möchte Sie fragen, Frau Hesse: Warum haben Sie denn einen wenig aussagekräftigen Brief, eine Konferenz und einen Flyer herausgegeben, wenn Sie nicht zuständig sind?

(Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Dann hätten Sie sich doch den ganzen Aufwand sparen können.

Und, Herr Lindner, Ihre Worte müssen für die Eltern wie eine Klatsche wirken.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Problemlos, Extrembeispiele, temporäre Unsicherheiten, Umsetzungsschwierigkeiten konnte ich von Frau Hesse, von Herrn Lindner hören. Und es ist einfach nur in hohem Grade unerträglich, wenn man sich die Petition von letzter Woche ansieht mit 3.000 Unterschriften von Eltern, die abgegeben wurden bei uns im Petitionsausschuss,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

die Beschwerden von Trägern, die sich alleingelassen fühlen und dann den Schwarzen Peter ausbaden müs

sen. Dann kann man doch nicht nur von Einzelfällen reden bei 3.000 Unterschriften.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das macht mich einfach sprachlos.

(Zuruf von Bernd Schubert, CDU)

Ich denke, Eltern fühlen sich aufgrund der derzeitigen Praxis, dass sie selbst kein Frühstück oder keine Vesper mitgeben dürfen, entmündigt. Das wurde auch gerade in dem Brief, der allen Fraktionen und auch der Ministerin vorgestern zugegangen ist, noch mal deutlich gemacht. Und ich frage mich, warum gerade eine Kita im Rahmen der Vollverpflegung bei der Absicherung des Frühstücks oder der Vesper sich nicht auch der Eltern, abgesichert durch einen Betreuungsvertrag, bedienen kann. Wer hat denn das zu verbocken, Frau Ministerin oder Herr Heydorn? Die Landesregierung mit ihren Hinweisen, so sieht doch die Realität aus. Und da möchte ich Ihnen mal die Antwort der Landesregierung vorlesen, warum wir diese Praxis jetzt umstellen.

Da geht es darum, als Dienstleister für eine Kindertageseinrichtung dauerhaft und verlässlich nach den Standards des Vereins Deutsche Gesellschaft für Ernährung die Verpflegung für alle Kinder zu organisieren, da erscheint die Übernahme der Aufgabe durch die Eltern in den allermeisten Fällen unrealistisch. Oha, es geht also um die Qualitätsfrage, warum Eltern kein Essen mehr mitgeben dürfen. Die Diskussion können wir gern führen und Frau Gajek hat sie schon angefangen.

Uns erreichte eine Beschwerde aus Rostock, dass einjährige Kinder Kassler und Sauerkraut gegessen haben. Das ist keine gesunde und altersgerechte Ernährung und das ist kein Einzelbeispiel, wie ich in der Praxis erlebt habe.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Wer kontrolliert denn überhaupt die Verpflegung in den Kitas nach den DGE-Standards? Die Landesregierung nicht, so in der Antwort auf die Kleine Anfrage zu lesen.

(Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Es wird also mit zweierlei Maß gemessen. Bei den Caterern geht die Landesregierung pauschal davon aus, dass sie Essen nach den DGE-Standards liefern, bei den Eltern erscheint dies unrealistisch. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass Eltern unter Generalverdacht gestellt werden, ihren Kindern keine vollwertige Ernährung mitzugeben.

Und selbst wenn einzelne Eltern ihren Kindern Milchschnitten mitgeben sollten, so kann ich nur die Worte einer Kita-Leiterin wiederholen: „Ich will in den Kindertageseinrichtungen die Milchschnittendiskussion mit den Eltern, damit ich Eltern dazu bekomme, was eine gesunde und vollwertige Verpflegung ist.“ Und das ist auch der richtige Ansatz. Die Kindertageseinrichtungen sind doch die Gelegenheit, Eltern vor Ort in dem Prozess zu einer gesunden und vollwertigen Ernährung mitzunehmen.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Doch was passiert denn jetzt? Anstatt Eltern mitzunehmen, werden sie entmündigt. Das müsste auch Ihrem

Verständnis wiedersprechen, Frau Hesse, und Sie haben vorhin so schön das Grundgesetz zitiert, wo in Artikel 6 festgeschrieben ist: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern …“ Und jetzt werden sie durch die Praxis einfach aus der Vollverpflegung rausgestoßen. Sieht so die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft auf Augenhöhe aus? Ich denke, nein. Aber diese Worte entpuppen sich immer nur als leere Worthülsen Ihrerseits, dass Sie die Erziehungs- und Bildungspartnerschaften wollen.

Aber nicht nur die Entmündigung der Eltern macht mich sprachlos, nein es wird noch auf die Spitze getrieben. Eltern dürfen das Ganze auch noch bezahlen, und zwar nicht, wie bei den übrigen Betreuungskosten zusammen mit Land, Landkreis, kreisfreier Stadt und Wohnsitzgemeinden, nein, die Verpflegungskosten sind allein von den Eltern zu tragen. Und da verstehe ich die Eltern, die laut rufen: Wer bestellt, soll das Ganze auch zahlen. Und diese Kosten sind nicht gering.

In Rostock betragen sie zum Beispiel für die Vollverpflegung pro Ganztagsplatz in der Krippe zwischen 61,20 Euro und 87,38 pro Monat. Und es geht noch höher. In einer Kita betragen die Verpflegungskosten 109,65 Euro pro Monat.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: In welcher denn?)

Ein anderes Beispiel aus dem Landkreis Rostock – als ich mit meinem Kollegen Professor Fritz Tack in Güstrow war, berichtete uns eine Mutter unter Tränen, dass sie nicht mehr wüsste, wie sie die Kita-Kosten noch zahlen solle. 70 Euro fielen für die Hortbetreuung an und zusätzliche 130 Euro für die Vollverpflegung. Schon da ist ein deutliches Missverhältnis zu sehen zwischen Bildung und Verpflegung. Sie wüsste nicht mehr weiter, so berichtete sie uns, als ihren Arbeitgeber zu bitten, ihre Arbeitszeit um zwei Stunden zu kürzen, damit sie in die Elternbeitragsübernahme fiele.

Anhand dieses Beispiels möchte ich Sie fragen: Sieht so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus? Ihr Konzept von Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht langsam nicht mehr auf, wenn der Besuch in Kindertageseinrichtungen zum Luxus wird. Da hilft auch keine Elternbeitragsentlastung mehr angesichts dieser Probleme.

Ich habe gehört, Frau Hesse, dass Sie diesbezüglich, bezüglich der Kosten für Vollverpflegung, mit den Jugendämtern im Gespräch sind. Das begrüße ich ausdrücklich, denn hier muss unbedingt nach einer Obergrenze und nach Transparenz geschaut werden.

Herr Heydorn, der jetzt leider nicht mehr im Raum ist …