Deshalb soll der Tarifvertrag einer kleinen Gewerkschaft nicht gelten, wenn eine größere Gewerkschaft einen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Streiks wären dann für die kleinere Gewerkschaft aber unzulässig.
Rechtlich zulässig sind sie nämlich nur dann – das wissen Sie auch, Herr Renz –, wenn es um die Erzielung eines Tarifvertrages geht.
Da die kleinere Gewerkschaft aber gar keinen Tarifvertrag abschließen kann, darf sie auch nicht zum Streik aufrufen.
Und das Gesetz hat noch einen bösen Nebeneffekt, es trägt nämlich den Spaltpilz in den Deutschen Gewerkschaftsbund. Während die Industriegewerkschaften IG BCE und IG Metall das Gesetz befürworten, sind ver.di, die GEW und die NGG dagegen. Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, kurz EVG, die selbst in Konkurrenz zu der Berufsgewerkschaft GDL steht,
hat Professor Däubler in seinem Gutachten für meine Bundestagsfraktion belegt. Schon die Annahme, die DGB-Gewerkschaften würden durchweg vom Mehrheitsprinzip profitieren, lässt sich empirisch nicht belegen. So ist in Krankenhäusern denkbar, dass mal ver.di, mal der Marburger Bund die Mehrheit stellt. In Zeitungsredaktionen ist es heute schon so, dass der Deutsche Journalistenverband häufig mehr Mitglieder hat als die jeweilige ver.di-Fachgruppe. Von daher bleibt zu hoffen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die angekündigten Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich sein werden, denn ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. In Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es: „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet.“
„Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.“
Deshalb muss das Prinzip „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ auf dem Verhandlungsweg zwischen den Gewerkschaften erreicht werden. Sehr wohl, Herr Renz, die Gewerkschaften müssen das aushandeln – das darf eben nicht politisch verordnet werden –, und das über den Eingriff in die Tarifhoheit der Gewerkschaften und auch der anderen Seite.
Eine starke Demokratie braucht jedoch starke und selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger, die für ihre Rechte eintreten und diese im Zweifel auch durch wirksame Streiks durchsetzen. Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren, ist nicht nur bei den Arbeitsbedingungen, sondern auch bei der Tarifbindung und bei der Betriebsratsdichte im unteren Feld der Bundesrepublik Deutschland anzutreffen. Ursächlich dafür sind der geringe Organisationsgrad der Beschäftigten, fehlende Erfahrung mit Arbeitskämpfen, aber auch Aktivitäten von Unternehmerinnen und Unternehmern, die gezielt versuchen, die Organisation ihrer Belegschaft zu verhindern.
Die Landesregierung steht wie auch die Unternehmerverbände im Land im Wort, ihre wohlklingenden Erklärungen mit Leben zu erfüllen und die Tarifbindung tatsächlich zu stärken, denn die Belegschaften und die Beschäftigten der Betriebe und Branchen streiken nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil sie ihre Arbeit auch im Lohn und in anderen Arbeitsbedingungen gewürdigt sehen wollen.
Ich komme zum Schluss. Die Fraktionen hier im Landtag und alle gesellschaftlichen Akteure sollten anerkennen, dass die Beschäftigten ihre legitimen Rechte wahrnehmen, und sie brauchen unsere Solidarität. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Stellt denn das einer hier infrage? Stellt das hier jemand infrage?)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Gestatten Sie mir gleich zu Beginn eine kleine Nachhilfe zu Begrifflichkeiten. Das Wort „diskreditieren“ ist auf Wikipedia folgendermaßen definiert: „Als Diskreditierung … bezeichnet man das gezielte Untergraben des in eine Person oder Sache gesetzten Vertrauens in der Öffentlichkeit. Oftmals wird zum Erreichen der persönlichen Ziele das Mittel der Lüge benutzt.“
Und es ist keineswegs so, dass die Mehrheit des Bundestages das Vorhaben verfolgen würde, mit diesem Gesetz gezielt das Streikrecht zu untergraben und das dahinterstehende Streben nach besseren Arbeitsbedingungen gleich mit.
Gleiches gilt für den Bundesrat, der aller Voraussicht nach nicht den Vermittlungsausschuss anrufen wird, um Änderungen am Tarifeinheitsgesetz herbeizuführen, denn dieses Gesetz ist ein gewolltes Gesetz, gewollt von beiden Seiten, von Arbeitgebern und Gewerkschaften, die beide die Tarifeinheit als schützenswerte Errungenschaft erachten.
Diese Tarifeinheit ist ein wichtiger Baustein für eine funktionierende Tarifautonomie und an der sollte uns allen doch sehr gelegen sein. Diese Tarifautonomie beinhaltet viele Freiheiten und Handlungsspielräume der Sozialpartner und das soll so, das muss auch so sein. Das Grundgesetz sieht die Tarifparteien in der Verantwortung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen.
Ein Mittel zum Zweck kann hier das gebrauchte Streikrecht sein. Streiks sind ein probates Mittel, um nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch die Gesellschaft auf empfundene Missstände aufmerksam zu machen. Ich glaube, niemand hier im Raum stellt das Streikrecht in Abrede.
Die allermeisten Gewerkschaften wissen das und gehen verantwortungsvoll mit diesem Instrument um, auch um es nicht auszunutzen und abzunutzen, denn Arbeitskämpfe brauchen vor allem eins, um erfolgreich zu sein: breite Akzeptanz. Diese Gratwanderung können wir gerade wieder beim Kita-Streik erleben.
Historisch gesehen haben die Gewerkschaften in Deutschland einen energischen Beitrag geleistet zu vielen sozialen Errungenschaften in der Arbeitswelt, von der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bis zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Wir erleben Gewerkschaften als wichtige Stimme in gesellschaftlichen Fragen, als starken Partner in der Politik, als festen Rückhalt für den einzelnen Arbeitnehmer, die einzelne Arbeitnehmerin. Dass das so ist, liegt auch daran, dass sie es seit jeher schaffen, ihre Stimmen zu bündeln und als Kollektiv aufzutreten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau diesem Kollektivgedanken trägt das Tarifeinheitsgesetz Rechnung. Wenn Sozialpartner verhandeln, soll am Ende eine Lösung für die gesamten Belegschaften und nicht nur für einzelne Teile stehen. Wenn die verschiedenen Gewerkschaften für ihre Interessen streiken, ist für das Ergebnis entscheidend, wer die Mehrheit der Beschäftigten vertritt. Das bedroht weder die Existenz kleiner Gewerkschaften, noch höhlt es das Streikrecht aus. Vielmehr stellt eine solche Regelung die Tarifautonomie auf demokratische Füße.
Wer Gleiche vertritt, soll untereinander auf Koalition statt auf Konfrontation setzen. Der Bundesvorsitzende des DGB Reiner Hoffmann hat es so formuliert: „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag: Zu diesem Prinzip wollen wir zurück.“ Diesem Prinzip sollte eben auch der Gebrauch des Streikrechts entsprechen, mehr sagt das Gesetz nicht. Auch die größten Freiheiten bedürfen einiger Regeln.
Im Übrigen hat die Tarifeinheit in Deutschland eine lange Tradition. Jahrzehntelang gab es sie, und die wenigen Jahre ohne haben gezeigt, dass die Kakofonie in tariflichen Auseinandersetzungen dem sozialen Frieden in unserem Land nicht unbedingt zuträglich ist. Sie erinnern sich an die Wikipedia-Definition, „Diskreditierung“ als „das gezielte Untergraben des in eine Person oder Sache gesetzten Vertrauens in der Öffentlichkeit“.
Dass wir hierzulande so sehr auf die Tarifautonomie und das Streiten und Streiken für bessere Arbeitsbedingungen vertrauen, liegt auch daran, ich sagte es bereits, dass davon so oft so viele profitiert haben. Eine Zersplitterung in zu viele Einzelinteressen aber lässt auch dieses Vertrauen zersplittern. Der zähe und verbissene Tarifstreit, zum Beispiel zwischen Bahn und Lokführergewerkschaften, ist dafür wohl das prominenteste Beispiel. Gewerkschaften zur Zusammenarbeit anzuhalten, schwächt sie nicht und diskreditiert sie in keinster Weise, im Gegenteil.
Meine Damen und Herren, eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht hat noch keinem Gesetz geschadet, denn auch hier geht es um Akzeptanz. Wie das Gesetz dort bewertet wird, werden wir sehen. Dem aber vorzugreifen und dem Bund und nicht protestierenden Landesregierungen hier zumindest indirekt die Diskreditierung des Streikrechts als Motiv zu unterstellen, halte ich für einigermaßen aktionistisch und auch populistisch. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich das Thema der Aktuellen Stunde gelesen habe, habe ich mir zuerst die Frage gestellt, warum kann DIE LINKE ein einfaches Thema nicht in einfache Worte auch für einfache Leute packen.