Protokoll der Sitzung vom 02.07.2015

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das war es dann aber auch schon mit dem Lob während meiner Redezeit, die mir zur Verfügung steht,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

denn das, was Sie mit diesem Antrag abliefern, ist mehr als erschreckend. Es zeigt wieder einmal, wie weit die Koalition in ihrer Politik von der Realität entfernt ist. Sie rennen – wie ich das eben gerade zum Ausdruck gebracht habe – den Entwicklungen hinterher. Allgemeines Gerede, ohne dass Sie den Kern der Probleme wirklich benannt haben. Ich möchte das im Einzelnen darstellen, es wird sicherlich wehtun.

2013 haben CDU, CSU und SPD auf Bundesebene in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass 2018 in Deutschland eine flächendeckende Grundversorgung mit einer Datengeschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung stehen soll.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Gut, das hatte Frau Merkel schon einmal angekündigt, nämlich irgendwann 2008, damit 2010/2011 diese Angebote vorliegen. Jetzt scheint ja die Bundesregierung Ernst machen zu wollen. Das haben wir eben von Herrn Minister Pegel noch mal gehört. Auch das scheint schwierig, darauf komme ich im Einzelnen noch zurück. Bereits heute wissen wir aber, dass drei Jahre vor diesem Datum das Ziel für Mecklenburg-Vorpommern nicht erreicht werden kann. Ich komme auf die Stelle zurück, die Herr Pegel angesprochen hat, wo ich ihn ausdrücklich auch unterstützen will.

Auch wenn die Bundesregierung nicht flächendeckend von 100 Prozent, sondern von etwa 95 Prozent Versorgungsgrad spricht, flächendeckend 50 Megabit pro Sekunde bis 2018 wird es nach meiner Einschätzung in Mecklenburg-Vorpommern nicht geben können, wird es einfach nicht geben können, weil die Bedingungen nicht dafür gegeben sind. Und da kann der Landtag die Digitale Agenda der Bundesregierung, Herr Schulte, begrüßen bis zum Gehtnichtmehr, aber an der Tatsache ändert sich nichts.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Auch kann der Landtag die Ziele der Bundesregierung tausendmal zur Kenntnis nehmen, begrüßen oder was auch immer mit ihnen machen, aber die Ausgangssituation wird sich dadurch weder verbessern, noch werden dadurch die Ziele erreicht. Also Sie sollten jetzt nicht den Menschen Sand in die Augen streuen, sondern es geht darum, Klartext zu sprechen, Tacheles. Flächendeckende 50 Megabit pro Sekunde wird es in Mecklenburg-Vor- pommern, wenn alles gut geht – und da drücke ich die Daumen –, 2020 geben, und das ist schon, da sind wir uns sicherlich einig, ein sportliches Ziel.

Wie komme ich zu dieser Einschätzung? Minister Pegel hat das TÜV-Gutachten, also das Gutachten TÜV Rheinland, hier vorgetragen und ich will die Zahlen kurz wiederholen. Einen Förderbedarf von rund 2 Milliarden Euro hat der TÜV Rheinland ermittelt, 2 Milliarden für eine flächendeckende neue Infrastruktur mit Glasfaserleitungen bis an das Gebäude. Ich erspare mir jetzt die Details, was Sie im Einzelnen ja hier sehr anschaulich dargestellt haben. Diese Ausbauvariante ist nach dem jetzigen Stand der Technik die zukunftsfähigere, als mit Glasfaser an den Verteilerkasten zu gehen und dann mit Kupfer weiter an die Häuser.

In Mecklenburg-Vorpommern ist der Breitbandausbau im Ländervergleich ein Sonderfall, und zwar im negativen wie im positiven Sinne. Zum einen sind die Kosten für den Breitbandausbau insgesamt deutlich höher als anderswo. Das hat eben was mit der Struktur unseres Landes zu tun. Minister Pegel ist darauf eingegangen. Allerdings zeigt sich, dass die Kosten zwischen der Basislösung und den Kosten beim Ausbau mit Glasfaser sich „nur“ um 20 Prozent unterscheiden. In anderen Bundesländern, das haben wir eben gerade schon mal gehört, sind diese Differenzen bei 300 bis 400 Prozent.

Ich plädiere für eine zukunftssichere und nachhaltige Lösung, sonst werden in den nächsten Jahren 1,5 Milliarden Euro investiert und 2025 fangen wir dann wieder von vorne an. Das wäre nicht nachhaltig, meine Damen und Herren. Und da glaube ich – und nach Ihrer Rede glaube ich das nicht nur, sondern ich bin davon überzeugt –, dass wir in dieser Frage mit Ihnen auf einer Wellenlänge sind: besser nachhaltig und sich ein Stück mehr Zeit nehmen als schnelle Lösungen, die dann in einigen Jahren wieder neue Investitionen erfordern.

Wie das Finanzministerium die ganze Geschichte sieht, Frau Polzin, erschließt sich mir noch nicht, aber wir werden sicherlich im Rahmen der Haushaltsdebatte dazu einiges hören. Es sollte lieber heute einmal richtig und mehr investiert werden, was am Ende billiger ist als heute ein dicker Batzen, morgen ein dicker Batzen und in fünf Jahren noch mal ein richtig dicker Batzen, sondern jetzt einmal richtig, damit dann auch diese Versorgung, dieses Angebot alle, die es wünschen, erreicht.

Diese Entscheidung muss die Regierung treffen und dann auch in den entsprechenden Förderrichtlinien abbilden. Ist also die Nachhaltigkeit beispielsweise bei der Kofinanzierung von Bundesmitteln ein Förderkriterium? Das ist eine Frage, die ich hier aufwerfen will, denn dies ist eine Frage, die in Ihrem Antrag absolut gar keine Rolle spielt, obwohl auch hier die Zeit für eine Entscheidung drängt.

(Jochen Schulte, SPD: Herr Kollege Holter, Sie haben schon gehört, dass ich dazu gesprochen habe?!)

Schließlich müsste eine solche Entscheidung frühzeitig kommuniziert werden, damit die Antragsteller bei Fördermitteln wissen, welche Kriterien denn ganz konkret gelten. Bisher ist die Landesregierung noch gänzlich blank und weiß nicht, wie bei der Vergabe von Fördermitteln verfahren werden soll.

Mal ein kleiner Zwischenruf oder eine Zwischenbemerkung zur Rede des Ministers: Eigentlich ist es doch für den Antragsteller verrückt. Der Bund vergibt Fördermittel, das Land vergibt Fördermittel, dann können bestimmte Förderprogramme nicht miteinander kombiniert werden. Am Ende steht noch eine Kommune oder der Kreis als einzelner Antragsteller doch vor diesem Problem hilflos da und braucht also, ganz klar, wie in der Vergangenheit auch, Unterstützung. Besser wäre doch Förderung aus einer Hand, dass man dann tatsächlich …

(Jochen Schulte, SPD: Dafür sind wir nicht zuständig.)

Weiß ich ja, aber Sie richten sich ja mit Ihrem Antrag …

Also, Herr Schulte hat gesagt, für die Zuhörer: Dafür ist er nicht zuständig oder die Koalition nicht zuständig. Das ist richtig. Aber der Punkt ist doch, dass der Antrag sich auch an den Bund richtet. Und deswegen, meine Damen und Herren, halte ich es für richtig und für notwendig, dass hier Klarheit herrscht, damit der Antragsteller, der ein solches Vorhaben umsetzen will, dann auch klar weiß, an wen er sich zu wenden hat.

Herr Holter, ich glaube, Herr Schulte möchte eine Frage stellen. Würden Sie das zulassen?

Ich glaube das auch.

Wie?

(allgemeine Heiterkeit)

Würden Sie das zulassen? Hat er Ja gesagt?

(Minister Dr. Till Backhaus: Er glaubt das auch. Wir glauben alle.)

Er glaubt das auch, also ja.

Ja, bitte.

Herr Schulte, bitte.

Ich glaube das nicht nur, ich weiß das sogar.

Herr Kollege Holter, gestatten Sie mir denn die Frage: Halten Sie es trotzdem für sinnvoll, dass das Land und die hier bestehenden Kommunen trotz des zugegebenermaßen bestehenden, na ja, Verwaltungschaos will ich ja nicht sagen, aber der Problematik die bestehenden Fördermittel in Anspruch nehmen sollen? Oder ist Ihre Schlussfolgerung dann die, dass man warten soll, bis in zehn Jahren vielleicht diese Probleme, die Sie angesprochen haben, gelöst sind, aber die Fördermittel nicht mehr vorhanden?

Nein, nein, nein, nein.

(Vincent Kokert, CDU: Das klang so ein bisschen raus, das war auch mein Eindruck.)

Wie bitte?

(Vincent Kokert, CDU: Das klang so ein bisschen raus.)

Nein, das war ein falscher Eindruck. Also das, was zur Verfügung steht, sollten wir schon ausschöpfen. Und deswegen ist es notwendig, dass die Kommunen dabei beraten werden, all das, was im Angebot ist, so zu nutzen, dass der Ausbau erfolgen kann. Da sind wir uns vollkommen einig. Ich wollte bloß eine Situation beschrieben haben. Das ist vollkommen klar. Deswegen müssen die Kommunen und die anderen, die jetzt solche Formen realisieren wollen, entsprechend unterstützt werden. Denn, ich will das weiterführen, aus unserer Sicht sollten gerade die Kommunen oder kommunale Unternehmen ermutigt werden, den Ausbau der Infrastruktur in ihre eigenen Hände zu nehmen.

Hier bietet sich die Möglichkeit, dass Kommunen oder kommunale Unternehmen als Anbieter von Infrastruktur auftreten oder gar auch als Leistungserbringer. Das hat den Vorteil, dass in Zukunft weniger Investitionen deutlich weniger öffentliche Mittel benötigen, weil die Mittel, die Einnahmen aus Verpachtung oder Betreibung, wiederum für Investitionen eingesetzt werden können. Doch erstens muss die Lösung politisch kommuniziert werden und zweitens muss den Kommunen oder den kommunalen Unternehmen der finanzielle Handlungsspielraum eingeräumt werden. Und da schließt sich die Frage noch mal an, die Herr Schulte gerade gestellt hat.

Deswegen ist bisher auch ungeklärt, ob und, wenn ja, wie viele Kofinanzierungsmittel der Kreis oder die einzelne Kommune aufbringen müssen. Es wäre richtiger gewesen, auch hier im Landtag diese Frage zu diskutieren und sich nicht nur wie im Antrag auf allgemeine Bekundungen zu beschränken.

Ich will etwas zum Punkt 3 des Antrages sagen. Dort heißt es sinngemäß, dass sich bei der Fördermittelvergabe auf die Schließung der Versorgungslücken im ländlichen Raum konzentriert werden soll und dass die Fördermittel eine möglichst große Hebelwirkung für private Investitionen entfalten sollen. Schauen wir uns einmal an, was der Bund nach aktuellem Stand vorhat. Damit lässt sich der Punkt 3 bestens bewerten. Der Bund wird ein Förderprogramm für den Breitbandausbau auflegen, was sich zu 50 Prozent aus den Einnahmen aus den Frequenzversteigerungen und 1,1 Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket speisen wird. Wenn ich jetzt aber höre, dass aus dem Konjunkturpaket die Gelder dort nicht hineinfließen dürfen, dann haben wir schon wieder entsprechend weniger Mittel.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Die eingereichten Förderanträge beziehungsweise Förderprojekte werden nach einem Scoring-Modell bewertet. Nach den Kriterien sollen vor allem ländliche Räume mit einem geringen Versorgungsgrad gefördert werden. Dabei spielen auch die strukturellen und wirtschaftlichen Faktoren in den Regionen eine Rolle. Noch steht nicht fest, ob der Bund die Projekte mit 50 oder 75 Prozent

fördert. Vielleicht weiß der Minister das jetzt anders. Er hat in seiner Rede von 50 Prozent gesprochen. Mag ja sein, dass es schon eine Entscheidung des Bundes gibt, das habe ich bis eben nicht gewusst. Klar ist aber, dass das Land und auch die Kreise und Kommunen die Mittel zur Kofinanzierung aufbringen müssen. Nach diesen Vergabeprinzipien werden also ohnehin nur Projekte finanziert, die den Ansprüchen Ihres Antragspunktes 3 entsprechen.

Die möglichst große Hebelwirkung, die die Landesregierung erzielen möchte, müssen Sie mir in Ihren Redebeiträgen bitte noch einmal erklären, denn das Verfahren läuft doch folgendermaßen: Es gibt ein Markterkundungsverfahren. Das heißt, es wird geprüft, erkundet, welche Anbieter in welcher Region es gibt und welche Pläne diese für den Ausbau der Breitbandinfrastruktur in den nächsten Jahren haben. Noch einfacher gesagt: Wer baut hier bis 50 Megabit pro Sekunde aus, ohne dass es Fördermittel gibt? Im Anschluss wird ein Projekt ausgeschrieben. Auch wieder einfach gesagt heißt das: Wer braucht wie viel Geld, um in diesem Gebiet 50 Megabit pro Sekunde zu realisieren? Der billigste Anbieter gewinnt. Punkt.

Und jetzt kommen Sie mit einer möglichst großen Hebelwirkung auf private Investitionen. Es wird eine Hebelwirkung geben, weil die öffentlichen Gelder nicht die gesamten Investitionskosten, sondern die Wirtschaftlichkeits- lücke abdecken werden. Aber beim Breitbandausbau bewegen wir uns nicht im normalen Marktgeschehen. Es herrscht hier ein klassisches Marktversagen. Was soll das also? Vielleicht liefern Sie mir noch eine gute Erklärung, damit ich das verstehe, was Sie denn hier mit diesem Antrag, mit diesem Punkt 3 ganz konkret wollen. Wenn nicht, ist Ihr Punkt 3 einfach nur überflüssig und teilweise auch Quatsch.

Besser wäre es gewesen, es hätte im Antrag gestanden, dass die Landesregierung ohne Wenn und Aber jeden Euro, der aus dem Bund kommt, kofinanziert. Das scheint mir innerhalb der Landesregierung noch nicht wirklich ausgefochten.

(Beifall Peter Ritter, DIE LINKE, und Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nämlich die spannende Frage, alles andere ist Technik. Die Frage ist, wie viel stellt das Land zur Verfügung, um diesen Breitbandausbau voranzutreiben.

Wo wir gerade beim Stichwort „Markterkundung“ sind: Das Markterkundungsverfahren in Mecklenburg-Vorpommern hat am 15.06. – vor 14 Tagen – begonnen, rund zwei Wochen, bevor der Bund ursprünglich in die erste Runde gehen wollte, die sollte nämlich gestern, am 01.07., beginnen. Gestern lag aber noch keine Förderrichtlinie vor, wie wir eben auch noch mal vom Minister gehört haben.

„Welt online“ war zu entnehmen, dass diese Richtlinie nun im August kommen soll. Ich bin der Auffassung, dass es nicht wirklich schlecht für Mecklenburg-Vorpommern ist, dass der Bund hier nicht aus dem Knick kommt und seine ambitionierten Zusagen nicht einhält. So besteht die Möglichkeit, dass Ihr Ministerium, Herr Pegel, das Breitbandkompetenzzentrum, die Kreise und die Kommunen weiter an förderfähigen Projekten arbeiten. Vielleicht wird dann auch Ihre Notlösung, Herr Pegel, nicht

mehr notwendig sein. Diese sah ja vor, dass der Bund einlenkt und M-V Projekte, die noch nicht ausgeschrieben worden sind, auf der Grundlage des TÜV-Gutachtens einreichen kann, also ein Verfahren über vorläufige Bescheide. Ich habe noch keine Information, ob der Bund überhaupt bereit ist, sich darauf einzulassen.