Protokoll der Sitzung vom 03.07.2015

(Rainer Albrecht, SPD: Ist doch nicht wahr!)

Und das, meine ich, darf nicht sein. Das ist eine hausgemachte Schwächung.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Doch, doch, das schreibe ich Ihnen ins Stammbuch, eine hausgemachte Schwächung durch diese Koalition. Deswegen passt Ihr Antrag, wo Sie die Freien Berufe schützen und stärken wollen, mit dem, was Sie an praktischer Politik in Mecklenburg-Vorpommern machen, nicht zusammen. Und da können Sie sich gern auf NordrheinWestfalen berufen. Nordrhein-Westfalen hat nämlich in diesem Zusammenhang auch deutlich gemacht, dass es einer akademischen Ausbildung bedarf. Um eine Bauvorlageberechtigung von mindestens vier Jahren zu haben, müssen die entsprechenden Fachleute ausgebildet sein, also eine akademische Ausbildung bekommen haben. Sie brauchen eine zweijährige praktische Tätigkeit in dem betreffenden Fachgebiet. Sie müssen selbstverständlich Kammermitglied sein und sie haben eine regelmäßige, verpflichtende Fortbildung nachzuweisen. Auch das galt bisher hier im Land. Das soll jetzt mit der Kleinen Bauvorlageberechtigung aufgegeben werden. Warum, das erschließt sich für uns nicht. Ich will das nur deswegen in dem Zusammenhang hier ansprechen, weil es um die Stärkung der Freien Berufe geht.

Und wenn ich da jetzt höre und lese, dass die Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern in MecklenburgVorpommern sich noch mal mit Nordrhein-Westfalen auseinandergesetzt hat, dann kann ich nur kurz darauf verweisen, wir werden bei der Landesbauordnung und dann hier noch mal debattieren, dass es dort um untergeordnete Anlagen geht. Es hat mit einer Bauvorlageberechtigung erst mal gar nichts zu tun, weil hier gar keine Bauvorlagen notwendig sind für diese untergeordneten Anlagen. Und deswegen driftet Ihr Antrag, den wir unterstützen, dem wir auch zustimmen werden, mit dem, was Sie hier in Mecklenburg-Vorpommern konkret machen, auseinander.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Mit dem Fremdkapitalverbot stimme ich mit Ihnen überein und auch hier muss Ihnen klar sein, dass im Zusammenhang mit der Kleinen Bauvorlageberechtigung Sie sich widersprechen. Wenn Sie auf der einen Seite wollen, dass das Fremdkapitalverbot bestehen bleibt, Sie auf der anderen Seite mit der Kleinen Bauvorlageberechtigung zum

Planen und Bauen aus einer Hand den Verbraucherschutz gefährden, das Vier-Augen-Prinzip aufgeben …

(Rainer Albrecht, CDU: Was zu beweisen wäre.)

Das ist so. Ich weiß ja nicht, Herr Albrecht, ob Sie den Planer und den Ausführenden als eine Person beauftragen würden. Ich würde das nicht machen.

Deswegen, meine Damen und Herren, haben wir nicht nur inhaltliche Gründe gegen die Kleine Bauvorlageberechtigung, sondern auch im Interesse der Freien Berufe sind wir dagegen. Zu der HOAI habe ich bereits etwas gesagt. Auch hier widersprechen Sie sich, denn die HOAI, die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, betrifft diesen Berufsstand, aber eben nicht die Handwerker und Bautechniker. Und damit ändern Sie die Wettbewerbsbedingungen im Baubereich und das kann nicht sein. Das führt zu einem ungleichen Wettbewerb. Über die Baukultur will ich mich hier im Weiteren gar nicht auslassen,

(Udo Pastörs, NPD: Aber Sie müssen das hier ja mal ansprechen.)

auch das sehe ich gefährdet.

Abschließend möchte ich, meine Damen und Herren, noch mal zu den Rechtsanwälten zurückkommen. Ich habe das Grußwort des Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern Stefan Graßhoff gelesen, und zwar mit Sorge gelesen, weil er auf ein Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums aufmerksam macht. Dieses Eckpunktepapier bringt zum Ausdruck, dass es eine weitgehende Gleichstellung der angestellten Unternehmens- juristen und der freiberuflichen Rechtsanwälte geben soll. Da habe ich doch ein Déjà-vu beim TTIP. Was ist denn hier los?

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Dass also die Freiberufler nun mit den Angestellten gleichgestellt werden sollen, das kann doch wohl nicht sein. Das führt zu einer Schlechterstellung der Wettbewerbssituation derer, die frei am Markt agieren. Und deswegen bin ich der Überzeugung, auch hier sollten Sie als Koalition bei Ihren Partnern in Berlin aktiv werden, damit am Ende nicht der freie Beruf des Rechtsanwalts gefährdet wird über bundespolitische Entscheidungen.

Wie gesagt, wir stimmen Ihrem Antrag zu,

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

aber wir erwarten von der Koalition, Herr Glawe, auch ein antragskonformes Verhalten hier in Mecklenburg-Vorpom- mern. An zwei konkreten Beispielen, bei den Rechtsanwälten und bei den Architekten und Ingenieuren, habe ich es deutlich gemacht. Deswegen sollten Sie das eine nicht nur sagen, sondern Sie sollten das andere auch machen und deutlich zeigen, dass Sie mit der Kompetenz, die Sie haben in Mecklenburg-Vorpommern, die Freien Berufe stärken und nicht schwächen, und wir nehmen Sie beim Wort.

(Minister Harry Glawe: Ja, sehr gut.)

Bei der Landesbauordnung sprechen wir uns wieder. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum freundlichen Teil meines Redebeitrages komme, möchte ich am Anfang vielleicht noch an ein, zwei Stellen auf die Rede vom Kollegen Holter eingehen, weil es ist ja offensichtlich geworden. Das sage ich jetzt mal in der Funktion als Anwalt. Herr Kollege Holter, nehmen Sie es nicht persönlich, aber da hat ein Blinder von der Farbe geredet. Das muss man mal ganz deutlich sagen und ich will das...

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wie alle Anwälte, ne?! Außer Ihrer Auffassung. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Darf ich zu Ende reden, Frau Kollegin Borchardt?

Ich will das mal an zwei Punkten deutlich machen. Das Anwaltsbild, das Sie haben, das Sie hier vermittelt haben, dass ein Anwalt von seinen Mandaten an einem Amtsgericht leben kann, mag es vor 200 Jahren gegeben haben, das entspricht schon seit Jahrzehnten nicht mehr der Realität. Ich bin nicht mehr überwiegend als Anwalt tätig, aber meine Anwaltskanzlei ist ja noch aktiv und das letzte Mandat, das ich selbst betreut habe in diesem Jahr, war vor dem Landgericht Chemnitz,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Weit weg.)

nicht vor dem Amtsgericht Rostock. Und keiner meiner Kolleginnen und Kollegen, weder in diesem Land noch in irgendeinem anderen Bundesland, wird davon leben können, dass sie am Amtsgericht vor Ort tätig sind, da geht es nämlich nicht um die Gerichte vor Ort, sondern um die Mandanten vor Ort. Das ist das Entscheidende.

Und, sehr geehrter Kollege Holter, der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, ist die Frage der Gleichstellung von Unternehmensanwälten mit freiberuflichen Anwälten. Wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, geht es da um die Diskussion, die seit Jahren läuft, inwieweit Justiziare tatsächlich der Sozialversicherungspflicht unterliegen beziehungsweise inwiefern dort dann tatsächlich auch diese weiterhin Mitglieder der entsprechenden freiberuflichen Versicherungssysteme sein können. Das ist einer der Punkte, der dort diskutiert wird.

Aber lassen Sie mich noch einen zweiten Satz sagen zur Landesbauordnung, Herr Kollege Holter. Über alles das, was Sie im Zusammenhang mit der Landesbauordnung gesagt haben, kann man diskutieren, und das werden wir sicherlich auch tun im Zusammenhang mit der Diskussion über die Landesbauordnung. Aber das ist, glaube ich, heute hier nicht der Fall, denn die Landesbauordnung selbst ist noch im parlamentarischen Verfahren. Und die Kritik, die Sie eben geäußert haben, wie Sie es jetzt bemängelt haben, bitte ich Sie doch einfach am Ende des Verfahrens anzubringen und nicht hier an dieser Stelle, wo das Verfahren überhaupt noch nicht zu Ende ist.

(Beifall Wolfgang Waldmüller, CDU)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das, was Sie kritisiert haben, Herr Kollege Holter, kann man ja durchaus ernst nehmen, nämlich das Auseinanderfallen dessen, was auch in der Bundesrepublik Deutschland im

Zusammenhang mit den Schönwetterworten bei Reden in Parlamenten zum Thema Freie Berufe gehalten wird und zu dem, was tatsächlich in der Realität stattfindet. Und da gibt es eine Menge Beispiele, die dann tatsächlich dafür sprechen, dass ja die Realität dessen, was politisch verabschiedet wird, nicht in Übereinstimmung mit dem ist, was wir immer wieder anmahnen.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vor dem Hintergrund ist Folgendes umso wichtiger – und jetzt komme ich zu dem Teil, was ich eigentlich hier sagen will –: Wenn wir in einer Situation sind, wo es tatsächlich darum geht, dass wir hier in diesem Parlament eine gemeinsame Position haben – Herr Kollege Holter, das weiß ich ja, dass wir in diesem Punkt eine gemeinsame Position haben,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Hab ich gerade gesagt.)

das ist ja nicht die Diskussion –, dann sollten wir das auch nach außen kundtun. Ich will das explizit an zwei Punkten deutlich machen. Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auch Herr Kollege Glawe, vielleicht interessiert Sie das ja auch, wie es um die Freien Berufe steht in diesem Land.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dann will ich das mal an einem Punkt jetzt deutlich machen: Fremdkapitalbeteiligung sieht in den Augen der Europäischen Union erst mal danach aus, dass Freiberuflern – oder das, was in Deutschland Freiberufler sind – Kapital von außen zugeführt werden kann. Das ist im ersten Moment ganz toll, weil die Unternehmen dadurch auch finanziell gestärkt werden können, aber faktisch bedeutet das zwei Dinge:

Erstens – ich bleibe jetzt mal bei dem Beispiel der steuer- und rechtsberatenden Berufe, weil da wird es explizit –, Sie haben ein besonderes Vertrauensverhältnis in diesen Berufen, das eben nicht von einer reinen Renditeabsicht Dritter geprägt ist. Wenn Sie das Fremdkapitalverbot aufheben, dann bedeutet das auf einmal, dass nicht nur diejenigen, die dort freiberuflich tätig sind, davon leben wollen, sondern dass auch Dritte, die investiert haben, eine entsprechende Renditeerwartung haben. Und dass diese Renditeerwartung sich im Zweifelsfall auf die beratende Leistung auswirkt, das sollte auch aus der Erfahrung der Vergangenheit deutlich sein.

Der zweite Punkt, der wichtig in dem Zusammenhang mit dem Fremdkapitalverbot ist – Herr Kollege Holter, Sie haben es im Grunde am Rande schon gestreift –, ist nämlich die Frage des Vertrauensschutzes zwischen Mandanten und demjenigen, der dort tätig ist.

Und jetzt bleibe ich mal, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen – vielleicht interessiert es ja wenigstens die ein, zwei vorn in den Reihen –, bei dem Beispiel des Vertrauensschutzes. Nehmen Sie steuerberatende, wirtschaftsprüfende, rechtsberatende Berufe – klassische Felder der Freien Berufe hier in der Bundesrepublik Deutschland. Jeder dieser Berufe ist mit sensiblen Datenerhebungen in Bezug auf seine Mandanten verbunden. Diese Daten bleiben dort bei den entsprechenden beratenden Unternehmen. In dem Moment, wo Sie einen Dritten da mit einbeziehen, hat er als Gesellschafter zunächst vom Grunde erst mal einen Anspruch auf sämtliche Daten, die in diesem Unternehmen erhoben werden. Da kann es

dann möglicherweise Geschäftsstreitigkeiten zwischen der Geschäftsführung und den Gesellschaftern geben, aber der Grundanspruch ist erst mal vorhanden. Um all dem vorzubeugen, sollte man auf jeden Fall auf dieses Fremdkapitalverbot verzichten.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dann lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt ansprechen und damit möchte ich auch aufhören. Wir haben eine Situation, die in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Österreich grundlegend abweichend ist von den Situationen in allen anderen europäischen Staaten. Das, was wir als System der Freien Berufe in Deutschland haben, was sich über 200 Jahre zugunsten der Verbraucher hier entwickelt hat, das gibt es weder in den angelsächsischen noch in den romanisch geprägten Staaten. Das ist einfach eine spezifische Situation – Herr Kollege Holter, Sie haben es ja auch angesprochen –, die weder von der Kommission noch von der Generaldirektion nachvollzogen werden kann.

Vor dem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass wir die Vorteile dieses Systems nicht für diejenigen nutzen, die die Berufe ausüben, weil – auch das sage ich ganz deutlich – mir als Anwalt ist es erst mal völlig egal, ob ich Gewerbetreibender bin oder Freiberufler, denn am Ende des Monats zählt das, was unterm Strich rauskommt. Und wenn ich Gewerbetreibender bin, dann zahle ich vielleicht noch Gewerbesteuer. Aber das ist der einzige qualitative Unterschied, der sich insofern erst mal darstellt. Für die Mandanten, für diejenigen, die beraten werden wollen, die Vermessungsleistungen haben wollen, die Architektenleistungen haben wollen, für die ist das ein qualitativer Unterschied, ob derjenige, der ihm gegenübersteht, nur nach reinen Renditegesichtspunkten arbeitet, oder auch, um bei dem Beispiel von Anwälten zu bleiben, wie die Justiz ein Organ der Rechtspflege ist und ein übergeordnetes Interesse zu beachten hat. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolfgang Waldmüller, CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Gerkan von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, wir sind uns alle einig hier im Haus, dass die Freien Berufe in der Tat sehr wichtig sind für die Wirtschaft in Deutschland und auch in Mecklenburg-Vorpommern. Was mich ein bisschen überrascht, Sie von der Regierungskoalition werfen auf der einen Seite den Freien Berufen Knüppel zwischen die Beine und jetzt haben Sie nichts anderes zu tun, als den Freien Berufen einen roten Teppich auszurollen.

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU)

Der Antrag kommt mir im Übrigen auch nicht sehr unbekannt vor. Er ist nahezu deckungsgleich, ja, fast abgeschrieben vom Antrag in Nordrhein-Westfalen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was? So was macht die Koalition?! – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)