Protokoll der Sitzung vom 03.07.2015

Auf den Pressekonferenzen kann auch Jahr für Jahr folgender Satz mitgeschrieben werden: Diese hohen Übernachtungszahlen seien kein Selbstläufer. Na, selbst- verständlich nicht! Das hat etwas mit den Anstrengungen in der Tourismusbranche zu tun und auch mit den Rahmenbedingungen, das will ich ausdrücklich sagen, die durch die Landesregierung in der jeweiligen Legislaturperiode vorgegeben werden. Man dürfe sich, so heißt es dann auch immer in den Pressemitteilungen, nicht auf diesen Erfolgen ausruhen. Richtig, das unterschreiben wir. Aber leider muss ich beim Kinder- und Jugendtourismus feststellen, dass die Regierung dieser Empfehlung nicht folgt, sondern dass sie hier einen Fehler macht, indem sie sich auf den in der Vergangenheit er

reichten Erfolgen einfach ausruht. Wir waren Vorbild, Ideengeber, Spitzenreiter, und leider ist es so, dass wir hier einfach an Ideen und auch an Fortschritt verloren haben.

Grundlage in der Vergangenheit war, dass es eine Vielzahl von Akteuren gab, die es auch noch gibt. Uns allen ist ja bekannt – wir haben mehrfach hier im Landtag darüber gesprochen –, dass kinder- und jugendtouristische Einrichtungen mehr sind als die Jugendherbergen des Deutschen Jugendherbergsverbandes. Verstehen Sie mich bitte richtig, es geht hier nicht darum, die Jugendherbergen in Abrede zu stellen – im Gegenteil, wir haben hier vor Kurzem gerade ihren Geburtstag gefeiert –, sondern es geht darum, den Beitrag, den sie für den Kinder- und Jugendtourismus leisten, zu unterstreichen und ihnen zu sagen, sie leisten eine gute Arbeit und dafür herzlichen Dank.

Aber es gibt eben auch weitere Einrichtungen, das sind gewerbliche Einrichtungen, das sind gemeinnützige Einrichtungen, das sind kirchliche Einrichtungen, das sind die Schullandheime und das sind die Jugendwaldheime in Mecklenburg-Vorpommern. Gerade der Mix dieser verschiedenen Übernachtungs- und Beherbergungsstätten ist es doch, der die Qualität und auch das breite Angebot ermöglicht. Die Vielfalt der Angebote, die unterschiedlichen Möglichkeiten haben doch unser Land in dieser Frage stark gemacht. Aber – und das ist seit Jahren mein Problem – diese Einrichtungen werden gegeneinander ausgespielt, und das darf einfach nicht sein! Es darf auch nicht sein, dass die Landespolitik sich auf einen Teil der Akteure fokussiert.

In den vergangenen Jahren mussten wir feststellen, dass die Übernachtungszahlen in den kinder- und jugendtouristischen Einrichtungen zurückgegangen sind – von Jahr zu Jahr im Übrigen. 2012 war es im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um 1,9 Prozent, 2013 waren es dann schon 2,3 Prozent und 2014 sogar 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2013. Meine Damen und Herren, erkennen Sie die Tendenz? Die ist alles andere als positiv, denn auch die Zahl der Einrichtungen selbst ist zurückgegangen. Sage und schreibe, in den vergangenen zehn Jahren sind annähernd 50 Einrichtungen mit fast 4.000 Betten geschlossen oder umgenutzt worden. Mit anderen Worten, diese 4.000 Betten stehen für Kinder und Jugendliche nicht mehr zur Verfügung. Diese Entwicklung muss uns doch allen zu denken geben! Dann kommt noch hinzu, dass diese Einrichtungen hauptsächlich im ländlichen Raum geschlossen wurden, und das ist meines Erachtens eine zusätzliche Sorge, die uns gemeinsam betrifft.

Wenn es um die Kinder- und Jugendeinrichtungen und -beherbergungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern geht, dann reden wir natürlich über einen wichtigen Wirtschaftsfaktor. Es gab eine Studie „Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland“, die im vergangenen Jahr hier in diesem Saal auch in Mecklenburg-Vorpommern – ich glaube, sogar für den ganzen Norden – vorgestellt wurde. Ich war dabei und habe mir diese Präsentation angehört. In dieser Studie wird zum Ausdruck gebracht, dass es im Jahre 2013 deutschlandweit 38,2 Milliarden Euro gewesen sind, die über diesen Kinder- und Jugendtourismus eingespielt wurden. Die Zahl der Übernachtungsreisen lag bei circa 62 Millionen, die der Tagesausflüge bei etwa 670 Millionen. Dabei unternahmen die 3- bis 13-Jährigen insgesamt 180 Millionen Tagesausflüge. Bei den 14- bis 26-Jährigen, da sind es selbstverständlich mehr, waren

es sogar 467,5 Millionen. Zwei Drittel aller Übernachtungsreisen fanden im Inland statt.

Die Studie hat auch andere Ergebnisse hervorgebracht, und das werden sicherlich junge Leute bestätigen: Die Qualitätsansprüche haben sich geändert. Da geht es nicht mehr nur um ein sauberes Zimmer oder einen guten Happen zu essen, sondern die Qualität der Hardware ist entscheidend. Sanitäranlagen auf dem Flur werden zum No-Go. Die Qualität des gebotenen Programms ist bedeutender als je zuvor, denn Kinder- und Jugendreisen sind mehr als nur eine Übernachtung und ein Frühstück. Die Frage des kostenfreien WLANs ist nicht zu unterschätzen. Die Angebote, die da meinen, man könne auf das Internet verzichten, sind, glaube ich, mit dem Leben nicht mehr vereinbar und haben mit der realen Lebenswelt von jungen Leuten nun wirklich nichts mehr zu tun – übrigens auch nicht mit meiner Welt, aber das sei nur am Rande angemerkt. An dieser Stelle muss umgedacht und das Nutzungsverhalten der Kinder und Jugendlichen nicht nur in den Blick genommen, sondern pädagogisch begleitet werden.

Das ist genau die Frage, die übrigens mit der GEZ, die diese Einrichtungen bezahlen müssen, auch verfolgt wird, weil hier die Frage steht: Muss es denn in diesen Einrichtungen Fernsehgeräte geben oder nicht? Das hat etwas mit dem Beitrag zu tun, der von diesen Einrichtungen gezahlt werden muss – bis auf diejenigen, die beim DJH organisiert sind. Auch das ist eine Ungerechtigkeit, aber darüber hatten wir im Einzelnen schon gesprochen.

Während es für die Jugendherbergen einen extra Haushaltstitel gibt, stehen die anderen Einrichtungen alleine da. Den Jugendherbergen im Land stehen 2014 und 2015 jeweils 218.000 Euro für Investitionen zur Verfügung – ausschließlich denjenigen, die beim DJH organisiert sind. 218.000 Euro pro Jahr, dieses Jahr und nächstes Jahr, ich will das wiederholen. Den Titel finden wir wo? Beim Sozialministerium, meine Damen und Herren Sozialpolitiker/-innen und jugendpolitische Sprecherinnen und Sprecher, nicht beim Wirtschaftsminister. Darüber kann man sich kräftig streiten, wo das nun angesiedelt ist. Wichtig scheint mir, und das haben wir auch zu Zeiten von Frau Schwesig als zuständiger Ministerin immer angemahnt, dass es richtig und notwendig ist, in die anderen Einrichtungen ebenfalls zu investieren – und der Investitionsstau ist riesengroß!

Und deswegen, wenn es um Qualitätsansprüche von jungen Leuten geht – wir haben einige als Gäste hier –, dann wird schon danach ausgewählt, welchen Qualitätsstandard welche Einrichtung ganz konkret bietet. Nicht nur wir als Erwachsene und Eltern oder Großeltern von Kindern und Enkelkindern gucken nach der Qualität, sondern die jungen Leute selbst auch. Deswegen fordere ich hier nochmals ein, dass nicht nur für die Jugendherbergen, sondern auch für die anderen Übernachtungsstätten die entsprechende Vorsorge im Haushalt getroffen wird, was jetzt seit Jahren nicht erfolgt ist.

Und wenn es dann eins – und das verstehe ich wirklich nicht, Herr Glawe, warum Sie den Schritt nicht gehen –,

(Minister Harry Glawe: Was haben Sie denn?)

dann ist eins …

Ja, was ich denn habe?

(Minister Harry Glawe: Was haben Sie jetzt schon wieder? Ich bin doch ganz freundlich.)

Herr Minister, bleiben Sie doch mal entspannt! „Was haben Sie jetzt schon wieder?“, also dass eine Opposition kritische Fragen aufwirft, das gehört doch nun wohl zum Geschäft, ne?!

Das Angebot derer, die die Studie „Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland“ erarbeitet haben, besteht darin, dass man die Studie herunterbrechen kann auf das jeweilige Land. Dieses ist sogar erfolgt, das kostet aber ein Stück Geld, das kostet 7.000 Euro.

(Minister Harry Glawe: Genau.)

Warum nehmen Sie nicht die 7.000 Euro und lassen sich die Zahlen geben, damit wir gemeinsam daraus Schlussfolgerungen ziehen können?

(Zuruf von Minister Harry Glawe – Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU)

Das würde mich mal interessieren. Die 7.000 Euro, die haben Sie doch in Ihrem Haushalt, Herr Glawe! Und wenn Sie dazu einen Antrag stellen wollen, ich würde den sogar unterstützen. Warum gehen Sie den Weg nicht?

(Minister Harry Glawe: Ich lade Sie zum Kaffee ein. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Okay, der Kaffee. Na, ich bin Teetrinker. Darf es auch ein Tee sein?

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Okay, also jetzt mal wieder zurück zum Ernst. Wichtig ist doch, dass wir auf einer realen Zahlen-, Daten- und Faktenbasis arbeiten, und wenn es eine Studie, eine wissenschaftliche Untersuchung gibt, verstehe ich einfach nicht, warum wir nicht 7.000 Euro in die Hand nehmen –

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau.)

obwohl wir an anderer Stelle weitaus mehr Geld ausgeben, um zu Zahlen zu kommen –, um dann unsere Strategien zu entwickeln. Deswegen bin ich der Überzeugung, dieses Geld wäre gut angelegt, weil andere Bundesländer es gemacht haben. Sie haben nicht nur die Studie ausgewertet, sondern sie haben auch geschaut, was wir in Mecklenburg-Vorpommern in der Vergangenheit gemacht haben, und sie sind an uns vorbeigezogen, die Schleswig-Holsteiner und die Sachsen. Deswegen, meine Damen und Herren, plädiere ich hier dafür, dass wir uns nicht auf dem ausruhen, was mal in der Vergangenheit war, sondern Schlussfolgerungen ziehen.

Ich weiß ja inzwischen, dass Sie an einem neuen Strategiekonzept arbeiten – damit werden Sie gleich kommen –, aber als wir den Antrag gestellt haben, haben Sie an dem Strategiekonzept noch nicht gearbeitet, und deswegen …

(Minister Harry Glawe: Aha! – Torsten Koplin, DIE LINKE: Hm, hm!)

Jaja, links wirkt, Herr Minister, das will ich hier noch mal sagen.

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU)

Und sie, also die Sachsen und die Schleswig-Holsteiner, haben die Strukturen und Ideen aus Mecklenburg-Vorpom- mern umgesetzt, aber wenn Mecklenburg-Vorpommern nichts unternimmt, dann werden wir tatsächlich unseren Rang, den wir erarbeitet haben, verlieren. – Herzlichen Dank. Ich denke, das wird eine spannende Debatte werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Wirtschaft, Bau und Tourismus Herr Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich, Kinder und Jugendliche von heute sind auch die Gäste von morgen. Wir hatten im letzten Jahr einen Übernachtungsrekord in Mecklenburg-Vorpommern. Wir sind das beliebteste Sommerurlaubsland der Deutschen, immerhin konnten 28,7 Millionen Übernachtungen registriert werden.

Aber Kollege Holter hat auch ein Problemfeld angesprochen, das sind die Übernachtungen in Beherbergungsstätten des Landes für Kinder- und Jugendreisen, die tatsächlich deutlich zurückgegangen sind. Im Jahre 2011 waren es gerundet immer noch 948.000 und im letzten Jahr 867.000. Das hat natürlich auch Gründe. Die Gründe liegen vor allen Dingen in den geburtenschwachen Jahrgängen. Auch der Klassenfahrten-Erlass, der ja in der Regel drei bis vier Tage für Klassenfahrten vorsieht, spielt eine Rolle. Da hat mir allerdings der Bildungsminister verbindlich versichert, fünf Tage sind auch drin. Daher können auch die Schulen oder andere Antragsteller diese Klassenfahrten für bis zu fünf Tage genehmigt bekommen.

Sie haben völlig recht, Herr Kollege Holter, wir arbeiten an einem Strategiekonzept. Ich nehme Ihre Einladung gerne an, aber ich würde Sie zu mir an den Runden Tisch laden, ins Wirtschaftsministerium. Da können Sie sich den Tee aussuchen, ob roten oder schwarzen.

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD, und Helmut Holter, DIE LINKE: Grünen, grünen.)

Grünen, okay, dann machen wir das so.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Jedenfalls, denke ich, ist es eine Diskussion wert, über diese besondere Situation bei Kinder- und Jugendreisen insgesamt zu sprechen. Ich glaube, dass es wichtig ist, diese rund 240 Beherbergungsstätten einmal in den Blick zu nehmen, um den baulichen Zustand insgesamt oder auch Maßnahmen, die in den nächsten Jahren nötig sind, zu erfassen. Dazu brauchen wir diese Studie und von daher sind wir gar nicht so weit auseinander, wie Sie das hier dargestellt haben.

Wir wollen sozusagen die Defizite bei touristischen Angeboten für Kinder und Jugendliche noch mal durch

Wissenschaftler begleiten lassen. Wir untersuchen auch die Qualifizierung der Mitarbeiter und die Einhaltung der Qualitätsstandards. Das sind, glaube ich, Dinge, die selbstverständlich sind, und von daher brauchen wir dafür auch ein wenig Zeit. Die Verwaltungsvorschriften, die dann ja in besonderer Weise im Bildungsministerium zu ändern sind, muss man im Lichte der Ergebnisse sehen. Von daher kann ich nicht sagen, ich bitte den Bildungsminister heute schon, sondern er wird sich dann mit dem Thema beschäftigen, wenn wir Ergebnisse auf den Tisch gelegt haben. Deshalb glaube ich, dass wir in diesem Fall in keine großen Streitgespräche einzutreten brauchen, denn die touristische Entwicklung bei den Übernachtungen für Mädchen und Jungen, für Kinder und Jugendliche ist für das Land wichtig. Ich schließe mit dem Satz: Kinder und Jugendliche von heute sind auch die Gäste von morgen. Das ist unser Anspruch und dem wollen wir gerecht werden. – Vielen Dank.

(Beifall Torsten Renz, CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dahlemann für die Fraktion der SPD.

(Torsten Renz, CDU: Den haben wir ja lange nicht gehabt.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich passend zum Thema doch mal mit erfreulichen Fakten beginnen: Ein Blick in die Wetter-App verrät, morgen knacken wir die 35-Grad-Marke. Für die nächsten 14 Tage sind laut Prognose sonnige Temperaturen und herrliches Wetter für die Insel Usedom angesagt und die Wassertemperatur der Ostsee liegt jetzt auch schon bei über 20 Grad. Eine ideale Einstimmung doch eigentlich – wenn ich mir mal die Schülerinnen und Schüler angucke – auf die Sommerferien. Nicht ganz! Die Fraktion DIE LINKE versucht, die gute Stimmung getreu dem Motto, das Glück anderer Leute kann den heitersten Mann düster stimmen, zu vermiesen.

Lassen Sie uns also bei dem Antrag „Kinder- und Jugendtourismus wieder voranbringen – neues Strategiekonzept erarbeiten“ etwas genauer hinschauen. Bei der Überschrift dachte ich, ehrlich gesagt, da handelt es sich nur um einen Schreibfehler, müsste es doch eigentlich heißen, Herr Holter: Kinder- und Jugendtourismus weiter voranbringen und Strategiekonzept fortschreiben. Okay, darüber kann man aber sicherlich noch hinweg- gehen.