Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dort, wo mit öffentlichen Geldern agiert wird, hat die Öffentlichkeit ein berechtigtes Informationsinteresse. Deshalb hat auch die ordnungsgemäße Prüfung der Verwendung der Mittel ein ganz besonders hohes Gewicht. Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung im Finanzausschuss, aber auch in den anderen Fachausschüssen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich den nächsten Redner aufrufe, gestatten Sie mir noch einen Hinweis. Ich bitte doch alle im Raum Anwesenden zu überprüfen, ob ihre elektronischen Geräte auf „lautlos“ gestellt sind.

Jetzt rufe ich auf für die Fraktion DIE LINKE den Abgeordneten Herrn Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden hier über einen Gesetzentwurf, mit dem die Prüfdefizite im Sozialbereich behoben werden sollen. Worin bestehen die eigentlich? Wer dazu etwas wissen will, wird im vorgelegten Gesetzentwurf nicht fündig. Dankenswerterweise haben Herr Liskow und andere Vorredner darauf hingewiesen, worum es denn wirklich geht. Worum es wirklich geht, findet man auch im Bericht des Landesrechnungshofes 2015 zur Zuwendungspraxis an die Spitzen der Wohlfahrtsverbände.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man diesen zur Hand nimmt, wird man schlauer. Dort wird moniert, dass Zuwendungen des Landes für das Dach der Wohlfahrtsverbände weder nach konkreten Kriterien erfolgen noch die Regierung hier sozialpolitisch einer Steuerungsfunktion gerecht wird.

Dass der Gesetzentwurf auf diese problembehaftete Situation an nicht einer Stelle Bezug nimmt, ist schon kurios. Herr Minister Brodkorb hat gesagt, dieser Gesetzentwurf ist wohl einer der besten der Welt. Ich finde, er ist …

(Tilo Gundlack, SPD: Der Welt zu machen! „Zu machen“, hat er gesagt. Machen!)

Ich bin der Meinung, er ist einer der kuriosesten, die uns hier je vorgelegt wurden.

(Tilo Gundlack, SPD: Das ist auch gut so.)

Es beginnt schon mit dem Blick auf den Absender. Absender sind in diesem Fall die Fraktionen der SPD und CDU. Sie erklären mit Vorlage des Gesetzentwurfes, dass ihnen an der Umsetzung der Ziffer 13 der Koalitionsvereinbarung gelegen ist. Das ist hier mehrfach betont worden. Mit der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung haben aber eben diese Fraktionen und ihre Parteien vor nicht einmal einem halben Jahr die Landesregierung betraut. Nun wird die Einlösung des Handlungsauftrages zu Ziffer 13 der Koalitionsvereinbarung der eigenen Regierung flugs wieder aus der Hand genommen und in die eigenen Hände gelegt. So etwas zu tun, ist nicht unüblich. Fraktionen werden ersatzweise für die eigene Regierung tätig, wenn etwas sehr schnell gehen muss, wenn Gefahren abgewendet werden und dringliche Fristen eingehalten werden müssen.

Hier zeigt sich eine zweite Kuriosität des Gesetzentwurfes: Nichts begründet das übereifrige Handeln von SPD und CDU. Oder doch? Ja, doch – wenn man beispielsweise ein politisches Placebo, eine Scheinlösung, verabreichen möchte. Was für eine Scheinlösung, werden Sie fragen. Nun, die, dass vorgegeben wird, die Prüfrechte des Landesrechnungshofes auf den Leistungsbereich der Sozialgesetzbücher VIII, XI und XII ausdehnen zu müssen,

(Torsten Renz, CDU: Das ist aber auch nur die Umsetzung des Koalitionsvertrages, Herr Kollege.)

aber, Herr Renz, die vom Landesrechnungshof kritisierten Zustände, die das Zuwendungsrecht, aber nicht das Leistungsrecht betreffen, völlig außer Acht gelassen werden. Die an den Tag gelegte Eile soll darüber hinwegsehen, dass da noch ein Antrag der LINKEN mit der Bezeichnung „Sozialverbände besser prüfen und unterstützen“ im Verfahren ist. Erst vorige Woche war hierzu die Anhörung. Diese ist noch nicht einmal ausgewertet.

(Torsten Renz, CDU: Ach, das würde ich jetzt ausschließen.)

Es ist, Herr Renz, mehr als schlechter politischer Stil,

(Torsten Renz, CDU: Ich glaube, wir setzen einfach nur unseren Koalitionsvertrag um.)

wenn SPD und CDU die Arbeit in den Fachausschüssen und die hieraus resultierenden Ergebnisse nicht einmal abwarten und in der Öffentlichkeit ob des scheinbar konsequenten Handelns Applaus erheischen wollen.

(Torsten Renz, CDU: Vielleicht haben Sie ja auch in unseren Koalitionsvertrag geguckt und schnell Ihren Antrag gestellt?!)

Es ist aber nicht nur schlechter politischer Stil, Herr Renz, sondern politische Täuschung, wenn Sie sich als Problemlöser darstellen wollen, dieser aber nicht sind.

Zum Dritten ist es kurios, dass die Koalitionsfraktionen mit ihrem Gesetzentwurf in der Problembeschreibung beklagen, man könne die Effizienz und Effektivität der Leistungserbringer im sozialen Bereich nicht vollständig bewerten, es aber verabsäumen zu erwähnen, dass sie selbst die politische Verantwortung tragen für fehlende, landesweit vergleichbare Standards und fehlende, landesweit vergleichbare Daten. Sie sind es doch, die einer Bewertung der Effizienz und Effektivität der Leistungserbringer im Wege stehen.

Und abgesehen davon, Herr Dr. Jess, ich habe gedacht, Sie bringen das, Drucksache 7/51, 2017. Das war die Frage von Herrn de Jesus Fernandes, eine sehr spannende Frage: „Womit stellt die Landesregierung“ – Kleine Anfrage an die Landesregierung – „sicher, dass es keinen Missbrauch von Fördermitteln gibt? Werden Haushalte und die Ausgaben der Landesverbände überprüft?“. Darauf antwortet die Landesregierung Folgendes, wörtlich, Zitat: „Die in der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Mecklenburg-Vorpommern zusammengeschlossenen Träger müssen nach § 44 Landeshaushaltsordnung und den dazu erlassenen Bestimmungen einen Verwendungsnachweis dem Landesamt für Gesundheit und Soziales gegenüber vorlegen. Der Verwendungsnachweis besteht in der Regel aus einem Sachbericht und einem zahlenmäßigen Nachweis, in dem Einnahmen und Ausgaben vollständig und für Dritte nachvollziehbar entsprechend der Gliederung des Finanzierungsplans zusammenzustellen sind. … Das Prüfungsrecht erfasst sämtliche aus der Zuwendung finanzierten Ausgaben sowie die zur Kofinanzierung erforderlichen Eigen- und gegebenenfalls Drittmittel.“ Zitatende. Jetzt meine Schlussfolgerung: Der Antwort nach zu urteilen, ist die Welt der Mittelvergabe doch völlig in Ordnung. Müssen also die Koalitionäre erst ein Problembewusstsein bei der Landesregierung entwickeln oder sollte gar der Landesrechnungshof nunmehr das LAGUS prüfen?

Letztlich ist Ihr Gesetzentwurf, sehr geehrte Damen und Herren, kurios, weil er direkt an Ihrem eigenen Anspruch vorbeizielt. Sie wollen der Koalitionsvereinbarung in Ziffer 13 gerecht werden, sagen Sie. Dort wurde verabredet, die Prüfrechte so zu erweitern, dass alle Empfänger öffentlicher Gelder geprüft werden können. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf präsentieren Sie einen vermeintlichen Lösungsvorschlag. Doch noch auf derselben Seite schreiben Sie bereits etwas über Alternativen, also etwas, was man anstelle Ihres Lösungsvorschlages hätte sonst machen können. Das finde ich übrigens gut. Das ist eine neue Qualität, dass da nicht immer unsinnigerweise steht, es gäbe keine Alternativen. Also, es gibt welche und die sind auch hochinteressant.

Und da liest man mit staunenden Augen, Zitat: „Eine zweite Alternative wäre die Erweiterung der Prüfkompetenz des Landesrechnungshofes auf alle Empfänger öffentlicher Gelder.“ Was denn nun? Ist Ihr Lösungsvorschlag einer oder ist er keiner? Hier ist etwas vom ersten Schritt gesagt worden und man geht davon aus, dass man auch weitergehen könne. Wenn Sie das selber schon sehen, warum bringen Sie das denn nicht vor? Ich finde das alles ein bisschen seltsam und halte an dieser Stelle mal fest: Die Prüfungsrechte des Landesrechnungshofes werden ausgeweitet, das postulierte Ziel, alle Empfänger öffentlicher Gelder zu prüfen, wird jedoch klar verfehlt. Der eigentliche politisch brisante Punkt, der in diesem Gesetzentwurf steckt, nämlich die Prüfung der Mittelvergabe an die Spitzenverbände der LIGA – Haushaltstitel 1005 684.07 – bleibt völlig unberührt.

Die vormals in Aussicht genommene Neuanstellung von weiteren Prüfern im Landesrechnungshof – Herr Gundlack hat davon gesprochen – wird der Haushaltsberatung zum Doppelhaushalt 2018/2019 anheimgestellt.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wenn wir da Defizite haben, warum nicht gleich, warum bringen Sie denn nicht Butter bei die Fische?

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Für die Möglichkeit der Bestellung – das ist auch so ein Knüller –,

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

für die Möglichkeit der Bestellung hauptamtlicher Rechnungsprüfer in kleinen Gemeinden gibt es kein zusätzliches Geld. Sie schreiben in dem Gesetz, man könne zusätzliche Prüferinnen und Prüfer in Gemeinden mit unter 20.000 Einwohnern einstellen, aber zusätzliches Geld gibt es nicht. Und übrigens gibt es auch keinen Zusammenhang mit dem Thema, denn diese Gemeinden verwalten die hier in Rede stehenden Mittel nicht. Das ist Aufgabe der Landkreise und der kreisfreien Städte. Mit dem Gesetzentwurf werden Doppelstrukturen der Rechnungsprüfung aufgebaut. All dessen müssen wir uns bewusst sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, uns LINKEN ist es wichtig, dass Gelder – sei es, um Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu sichern, sei es für die Förderung von Kindern und Jugendlichen oder sei es wegen sozialer Hilfen – den Betreffenden genau in dem dafür vorgesehenen Maße zur Verfügung stehen sollen. Zugleich wollen wir einen sachgerechten und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel und wir wollen die Sicherung der Qualität der Leistungen.

(Thomas Krüger, SPD: Damit haben wir was gemeinsam.)

Genau. Das ist ein guter Ansatzpunkt für Weiteres, Herr Krüger.

Wir wollen, dass die zusätzlichen Prüfkompetenzen des Landesrechnungshofes nicht mit dem Ziel verbunden werden, Leistungskürzungen vorzunehmen.

Wir stimmen der Überweisung des Gesetzentwurfes zu und verbinden dies mit der Erwartungshaltung, dass die Widersprüche zwischen der Problembeschreibung im Gesetzentwurf und dem Lösungsansatz aufgehoben werden. Wir erwarten auch eine Diskussion über die im Gesetzentwurf dargestellten Alternativen. Und wir möchten die Debatte zu diesem Gesetzentwurf nutzen, um die Idee von einem Wohlfahrtsgesetz für Mecklenburg-Vorpommern weiterzuverfolgen.

(Torsten Renz, CDU: Das ist ein ganz anderes Thema.)

In einem Wohlfahrtsgesetz könnte klar definiert werden, Herr Renz,

(Torsten Renz, CDU: Ganz anderes Thema!)

wer in diesem sozialen Bereich wofür …

Das Wohlfahrtsgesetz könnte klären, wer wofür und nach welchen Kriterien Geld bekommt

(Torsten Renz, CDU: Das weiß ich selbst!)

und, ganz unmissverständlich, wer kontrolliert das.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Nein, wenn das so klar wäre, hätten Sie diesen Gesetzentwurf nicht vorgelegt, sondern vielleicht einen Wohlfahrtsgesetzentwurf.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wir sehen der Diskussion in den Ausschüssen mit Interesse entgegen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD und DIE LINKE)