Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hört, hört!)

und die Fraktion der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und die CDU haben gemeinsam diesen Änderungsantrag da mitgetragen, um den dortigen AfDAntrag entsprechend zu verändern und ihn zustimmungsfähig zu machen.

Ich denke, Herr Schulte hat das inhaltlich anerkannt, hat jetzt formale Gründe gefunden, dem nicht zuzustimmen. Es ist aber meines Erachtens wichtig und richtig, dass der Landtag sich dazu äußert und auch mit einer Stimme spricht. Deswegen haben wir den Änderungsantrag eingebracht, in der Hoffnung, dass wir ein gleiches Verfahren finden wie in Thüringen, dass alle Fraktionen ein Ende der Sanktionen gegen Russland und ein Ende der Sanktionen gegenüber der Europäischen Union einfordern. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE, Jochen Schulte, SPD, und Torsten Renz, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Waldmüller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mal in den Datenbanken der Landesparlamente der neuen Bundesländer nach vergleichbaren Anträgen von der AfD geguckt und da fand ich annähernd zehn Drucksachen, die sich allesamt mit dem Thema befasst haben. Das ist legitim, wenngleich es nicht unbedingt ein Ausweis von Kreativität ist. Und das, was heute hier besprochen wurde, das war auch – das ist schon von Vorrednern gesagt worden – alles erwartbar.

Hier im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern haben wir zuletzt im Dezember 2015 auf Antrag der NPDFraktion über Sanktionen gesprochen. Herr Holm, Sie reden hier nur über Außenpolitik, es gibt aber kein Landesaußenministerium. Und ich habe ja damals im Landtag gesagt, dass eine Sonderaußenpolitik MecklenburgVorpommern,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aber einen Verteidigungsminister haben wir. – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Minister Lorenz Caffier)

die sich gegen die von der Bundesregierung befürworteten EU-Sanktionen richtet, nicht zu akzeptieren ist, und das nicht nur, weil sie einen erheblichen Ansehensverlust zur Folge hätte. Nein, Artikel 32 des Grundgesetzes regelt ganz klar, dass die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten „Sache des Bundes“ ist. Herr Caffier hat das vorhin schon angedeutet. Artikel 73 Grundgesetz weist dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die auswärtigen Angelegenheiten zu. Es gibt also eine Außenpolitik, die in Berlin gemacht wird, und nicht 16 Außenpolitiken in den Landesparlamenten.

(Jochen Schulte, SPD: Na außer in der Bayerischen Staatskanzlei.)

Sanktionen – Sie haben vorhin gesagt, es gab einen Fingerschnipp und schon haben wir das gehabt –, ich glaube, Sanktionen verhängt niemand gerne und schon gar nicht unüberlegt. Ziel der Sanktionen – das ist hier auch angeklungen –, Ziel der Sanktionen ist die Umsetzung der Minsker Vereinbarung und damit Frieden, Sicherheit und Souveränität für die Ukraine. Dem völkerrechtswidrigen Verhalten Russlands soll seit Juli 2014 durch das Embargo Einhalt geboten werden.

Und dann schreiben Sie in Ihrer Begründung, diese Sanktion „widerspricht den Interessen der Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns“. Sie sagen damit nichts anderes, als dass EU-weite Interessen für Frieden, Sicherheit und Souveränität von Einzelstaaten und das Unterbinden von rechtswidrigem Verhalten – und um das geht es eben bei den Sanktionen –, dass das nicht im Interesse der Bevölkerung von Mecklenburg-Vorpommern ist. Ich spreche Ihnen jedwede Kompetenz ab, um im Sinne der Bevölkerung von MecklenburgVorpommern zu sprechen.

Meine Damen und Herren, ich habe vorhin die Ausschließlichkeit der Außenpolitik des Bundes genannt. Den bundespolitischen Vorrang in der Außenpolitik stel

len auch die Kammern dar. Das sind die Interessenvertreter der hauptsächlich Betroffenen. Ich verweise auf eine Pressemitteilung der IHK Nord vom 9. September auf der Internetseite der IHK zu Rostock.

Vollkommen unabhängig von den in Ihrem Antrag aufgeworfenen, ausschließlich bundespolitisch relevanten Fragen hält Mecklenburg-Vorpommern aber an seinen Beziehungen zu Russland fest, und dazu müssen wir hier im Landesparlament auch nicht über die große Weltpolitik sprechen. Veranstaltungen wie der Russlandtag werden weiter ausgebaut, und hier verweise ich auf Punkt 460 im Koalitionsvertrag und die enge Kooperation mit den Kammern. Wir wollen und werden die guten Beziehungen zu Russland wieder auf- und ausbauen, sobald auch die außenpolitische Großwetterlage dies zulässt.

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine abschließende Bemerkung noch zu dem Punkt 2. Dazu haben Sie, Herr Holm, keine Ausführungen hier gemacht, zu dem Punkt 2 haben Sie keinerlei Ausführungen gemacht.

(Martina Tegtmeier, SPD: Das kommt gleich noch.)

Die Forderung, sich für einen – und da kommen wir jetzt eigentlich zu dem Punkt, den Herr Holter angesprochen hat –, die Forderung, sich für einen Nachteilsausgleich einzusetzen, ist ein bisschen unpräzise. Wem gegenüber sollen wir uns dafür einsetzen? Im Bund? Wissen Sie von dem Engagement des damaligen Bundeswirtschaftsministers in dieser Angelegenheit? Soll das mit diesem Antrag wiederbelebt werden? Oder verlangen Sie zusätzlich Landesengagement? Falls dies der Fall sein sollte, bleiben Sie im Antrag eine Deckungsquelle schuldig. Sie machen eine für alle Betroffenen – Ihrer Methodik folgend – populistische Forderung auf. Die kostet Geld und an dieser Stelle bleibt Ihr Antrag faktisch ohne jede Aussage. Seriöse Politik, meine Damen und Herren der AfD, geht anders. Wir lehnen deshalb Ihren Antrag selbstverständlich ab.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Komning.

(Torsten Renz, CDU: Wieder das scharfe Schwert.)

Verehrtes Präsidium! Meine Damen und Herren Kollegen! Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Wir sind Zaungast eines ungelösten ukrainischen Bürgerkrieges in Europa, der zugleich unseren Bürgern hier vor Ort schadet. Auch Mecklenburg-Vorpommern ist von den hierauf gründenden Sanktionen gegen Russland hart getroffen worden. Bestimmte Exportgüter in der Land- und Ernährungswirtschaft sind komplett eingebrochen.

Und, Herr Minister, es geht hier nicht lediglich um Liquiditätsengpässe, bei denen es auszuhelfen gilt, es geht um den Fortfall von Existenzgrundlagen. Ich werde nachher noch einige Zahlen dazu sagen. Das sozusagen abspeisen zu wollen mit Möglichkeiten bei der Bürgschaftsbank, das ist schon ziemlich hart.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Seit drei Jahren haben die Menschen in MecklenburgVorpommern eine Sanktionspolitik mittragen müssen, die gegen ihre eigenen vitalen Interessen gerichtet ist. Seit drei Jahren hat die Landesregierung zwar sehr wohl kritische Signale gegenüber der Bundespolitik gesendet, aber keine wirklichen Schritte unternommen.

Und, Herr Schulte, Sie mögen ja recht haben, dass der Bundeswirtschaftsminister das eine oder andere hier oder dort mal gesagt hat. Allein an den Taten, an den Taten wird man gemessen, und daran fehlt es eben auch und gerade seitens des Bundeswirtschaftsministers.

Mittlerweile sollte uns klar sein, dass die Sanktionen infolge des Ukraine-Konfliktes bis heute vor allem ein ökonomisches Wagnis darstellen. Europa, unser sich zunehmend nach Frieden sehnender Kontinent, leidet schwer. Viele sind von den Sanktionen in ihrer ökonomischen Vitalität angegriffen. So stellt die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing, die heißt Germany Trade & Invest, für Ende 2016 folgendes Lagebild fest, ich zitiere: „Die Sanktionen betreffen nicht nur die deutsche Wirtschaft. Auch andere EU-Staaten wie Finnland, Griechenland, Polen, Litauen, Tschechien und die Slowakei berichten über Einbußen im Außenhandel mit Russland. Daraus erwachsen einigen Branchen in diesen Ländern ernstzunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten.“ Zitatende.

Meine Damen und Herren, trotz dieser gesamteuropäischen Entfremdungspolitik muss meine Fraktion insbesondere unserem Ministerpräsidenten Anerkennung zollen. Und sehen Sie, auch das tun wir, wenn es angebracht ist. Herr Sellering in Person, nicht etwa die Bundes-SPD, steht weiter dafür ein, das Fenster der ökonomischen Vernunft offenzuhalten. Seit Längerem warnt er tatsächlich davor, ein Verhältnis mit Russland zu pflegen, das an Zeiten des Kalten Krieges erinnert.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Tilo Gundlack, SPD: Wir sollten an den Russlandtag erinnern.)

Sein öffentlicher Vorstoß, den Dialog auf Augenhöhe zu suchen und im September nach Moskau und Sankt Petersburg zu reisen – Herr Minister, Sie erwähnten es –, ist ein wenn auch kleines Zeichen für die Wiederkehr von legitimen Interessen, die dem eigenen Volk und dem Ausgleich zwischen den Völkern dienen.

Aber, Herr Ministerpräsident, auch wenn Sie heute nicht anwesend sind, trotz dieser Einschätzung, eine Fahrt nach Russland ist das eine, eine Fahrt nach Berlin das andere. So sehr wir Ihren Vorstoß begrüßen, so sehr erhoffen wir uns eben gleichzeitig, dass Sie endlich Druck in der deutschen Hauptstadt erzeugen und die unüberlegte Sanktionspolitik der Bundesregierung – also auch Ihrer Parteigenossen – wirksam angehen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Der Abgeordnete Thomas Krüger bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des …?

Gerade nicht.

(Jochen Schulte, SPD: Habe ich doch wieder gewonnen. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Sorgen Sie, Herr Ministerpräsident, dafür, dass das nächste Mal, wenn der Bundesrat im Preußischen Herrenhaus in Berlin tagt, Mecklenburg-Vorpommern eine Initiative für das Ende der Sanktionspolitik auslöst.

Und, Herr Waldmüller, natürlich reden wir auch in diesem Parlament über die große Weltpolitik, denn letztlich hat auch diese Landesregierung die Möglichkeit, auf die große Weltpolitik Einfluss zu nehmen, nämlich über den Bundesrat. Das fordern wir und das wäre schön, wenn es getan werden würde.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Internationaler Handel bildet immer schon die Grundlage für Wohlstand – Herr Holm hat es bereits gesagt – und ist eine notwendige Bedingung für ein friedliches Miteinander. Gerade die deutsch-russischen Beziehungen müssen Garant dafür sein, aus der Geschichte neue Wege zur Verständigung zu ebnen.

Zugegeben, Russland ist keine westliche Demokratie. Russland ist aber auch kein totalitärer Schurkenstaat. Die Beziehungen unseres Bundeslandes zu dem östlichen Riesen sind geprägt von der Geschichte zweier Kulturnationen, die wieder zu einer realistischen Sprache finden müssen, und genau das heißt, sich der alten unipolaren Versuche seit dem Mauerfall zu entledigen und multipolare Tendenzen anzuerkennen. Denn mindestens seit der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 erleben wir keine konstruktive Atmosphäre mehr. Verstärkte Wirtschaftsbeziehungen können aber die Grundlage für einen erneuten Vertrauensaufbau sein.

Bedenken Sie, unser Bundesland hat weiterhin mit den strukturellen Problemen in der Wirtschaft zu tun, ist weiterhin damit konfrontiert. Ein unnötiger Verzicht auf Handelspotenziale der Russischen Föderation trifft unsere Bürger hart. Laut dem Statistischen Bundesamt in Mecklenburg-Vorpommern musste der Außenhandel mit Russland im Jahr 2016 erneut einen Verlust an Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – und jetzt hören Sie gut zu – um ganze 48,3 Prozent hinnehmen. Diese bittere Zahl wird noch übertroffen von einem längeren Vergleich der Jahre 2011 bis 2016. Während im Zeitraum vom Januar bis September 2011 noch 582.000 Tonnen nach Russland exportiert wurden, fiel diese Angabe 2016 auf nur noch magere knapp 44.000 Tonnen. Wir haben es also mit einem erheblichen Rückgang des Exportes nach Russland zu tun.

Wir haben auch den Änderungsantrag der LINKEN zur Kenntnis genommen. Herr Schulte, glaube ich, war es, der meinte, wir würden auf einen Änderungsantrag der LINKEN aufspringen.

(Jochen Schulte, SPD: Genau das habe ich gesagt.)

Wissen Sie, ich denke, dass unser Antrag sich nicht so wesentlich vom Antrag der LINKEN unterscheidet.

(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD, und Wolfgang Waldmüller, CDU – Jochen Schulte, SPD: Sehen Sie das auch so?)

Der Antrag der LINKEN führt natürlich aus, dass das Minsker Abkommen eingehalten wird.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wir als AfD gehen selbstverständlich davon aus, dass internationale Verträge eingehalten werden müssen. Sie sind quasi Voraussetzung für ein gemeinsames Miteinander.

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Aus diesem Grund werden wir auch dem Änderungsantrag der LINKEN zustimmen. Herr Holm hat schon darauf hingewiesen, wir sehen tatsächlich keinen Widerspruch zwischen diesen beiden Anträgen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)